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2.4 Gesundheitseinrichtungen und Umfassendes Qualitätsmanagement

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Umfassendes Qualitätsmanagement ist eine Führungsmethode, die aus Erfahrungen und unter den Rahmenbedingungen der Markwirtschaft entwickelt wurde. Aus diesem Grund war es noch in den 1990er Jahren eine ernsthaft diskutierte Frage, ob sie so speziell auf die Rahmenbedingungen und Bedürfnisse von Industrieunternehmen zugeschnitten ist, die in einem freien Markt agieren, dass sie sich nur für diese eignet. Die Praxis hat gezeigt, dass die Übertragung der Kerngedanken, Grundkonzepte und Werkzeuge des Umfassenden Qualitätsmanagements in den Dienstleistungsbereich rasch und erfolgreich erfolgen konnte.

Ist sie aber auch übertragbar auf einen Sektor, der sich durch einige besondere Rahmenbedingungen und seine nur eingeschränkt ausgebildeten Marktmechanismen auszeichnet, wie den Gesundheitsbereich? Kann sie ein wirksames Modell für die Führung von Gesundheitsorganisationen sein, die auch den besonderen ethisch-moralischen Ansprüchen an Gesundheitseinrichtungen Rechnung trägt? Dieses Thema ist über mehrere Jahre intensiv und kontrovers diskutiert worden.32 Godfrey, Berwick und Roessner kommen 1992 in einem Artikel auf die Frage »Kann Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen wirklich funktionieren?« zu der Antwort: »Ja, wenn 10 Dinge beachtet werden«:

1. Committed leadership is the sine qua non of effective TQM.

2. Several bottlenecks hamper TQM.

3. It’s easier to begin than to keep going.

4. Physicians’ involvement is extremely important.

5. Structure is critical if TQM is to work.

6. Quality management is much more than quality improvement projects.

7. Training alone is not enough.

8. Measurement drives TQM progress.

9. Health care projects save money.

10. Costumer focus is the bottom line.

Diese wichtigen Erkenntnisse und Voraussetzungen gelten einerseits nicht nur oder insbesondere für Gesundheitseinrichtungen. Andererseits sind sie keine ausreichende Antwort für das deutsche Gesundheitswesen, das sich vom amerikanischen durch seine Strukturen und Rahmenbedingungen wesentlich unterscheidet, insbesondere was die Marktmechanismen betrifft. So sollte auch der Frage nachgegangen werden, ob auch unter deutschen Rahmenbedingungen Umfassendes Qualitätsmanagement eingesetzt werden kann.

Krankenhäuser sind in Deutschland – trotz einer wachsenden Anzahl privatrechtlich geführter Einrichtungen – überwiegend Non-Profit-Organisationen. Bedingt durch die Eigentümerschaft waren im Jahr 2004 nach einer Statistik der Deutschen Krankenhausgesellschaft von den insgesamt 2166 Krankenhäusern in Deutschland 712 freigemeinnützig und 671 in öffentlicher Trägerschaft. Nur 444 Krankenhäuser waren privat geführt.33 Hier hat sich jedoch einiges verändert. Für 2019 werden noch 1942 Krankenhäuser gezählt, von denen 662 in freigemeinnütziger, 560 in öffentlicher und inzwischen 720 in privater Trägerschaft geführt werden.34 Da jedoch alle unter denselben rechtlichen Gegebenheiten geführt werden, ist ein Verhalten wie unter marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen nur eingeschränkt wirksam.

Umfassendes Qualitätsmanagement ist eine Methode der Unternehmensführung, die in der Industrie für profit-orientierte Unternehmen entwickelt wurde, die sich in einem Markt bewegen. Mit Recht sollte die Frage gestellt werden, ob sie damit als Führungsmethode in Non-Profit-Organisationen, die z. T. konfessionell ausgerichtet sind oder sich in öffentlicher Trägerschaft befinden, geeignet ist. Um die Frage zu beantworten, sollte man sich um die Definition von »Umfassendem Qualitätsmanagement« bemühen. Eine verbreitete Definition des Umfassenden Qualitätsmanagements findet sich in der DIN EN ISO 8402:35 »Auf die Mitwirkung aller Mitglieder beruhende Führungsmethode einer Organisation, die Qualität in den Mittelpunkt stellt und durch Zufriedenstellung des Kunden auf langfristigen Geschäftserfolg sowie auf Nutzen für die Mitglieder der Organisation und für die Gesellschaft zielt.« Werden nun

• die Ziele einer Gesundheitseinrichtung nicht etwa auf die Erreichung einer Profitmaximierung gelenkt, sondern auf den sorgfältigen Ressourceneinsatz zur Maximierung des Gutes »Gesundheit« für den Einzelnen unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Gesellschaft ausgerichtet,

• sorgfältig die unterschiedlichen, spezifischen Kunden-Lieferanten-Beziehungen einer Gesundheitseinrichtung definiert, deren Besonderheiten und Erwartungen ermittelt, die Produkte und Dienstleistungen auf dieser Basis erstellt und die Prozesse und Strukturen entsprechend ausgestaltet,

so ist es vorstellbar, dass eine Führungsmethode mit der o. g. Definition auch im Gesundheitswesen zielführend ist. Die Qualitätsmanagementsysteme, die zur Operationalisierung des Umfassenden Qualitätsmanagements in Gesundheitseinrichtungen führen sollen, sind dazu in jedem Fall branchenspezifisch auszugestalten. Unter diesen Bedingungen können sie erfolgreich angewendet werden.

Es fällt nicht immer leicht, die durchaus vorhandenen branchenspezifischen Entwicklungen als typische Elemente zu erkennen und damit zu zeigen, dass es bereits ausgereifte Lösungen gibt. So sind Benchmarking-Verfahren mit den externen Qualitätssicherungsverfahren durchaus in zahlreichen Fachgebieten vorhanden. Clinical Pathways stellen Verfahrensanweisungen für die Schlüsselprozesse im Krankenhaus dar, während Pflegestandards mit Arbeitsanweisungen vergleichbar sind, um nur ein Beispiel zu nennen.

Eines der frühen Projekte, das in zahlreichen Bereichen zur Akzeptanz von Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen beigetragen hat, war in den 1990er Jahren das Projekt der städtischen Kliniken in München »Vertrauen durch Qualität«36. Noch unter dem Stichwort Qualitätssicherung wurden zahlreiche Projekte initiiert, mit deren Hilfe wichtige Elemente des Qualitätsmanagement im Krankenhaus unter Berücksichtigung der traditionellen, qualitätssichernden Maßnahmen umgesetzt wurden. Mit der Qualitätssicherungskommission wurde eine dafür hilfreiche Aufbauorganisation geschaffen, in deren Rahmen die unabdingbare Rolle der Krankenhausführung aufgezeigt werden konnte. Durch die externe Begleitung konnten insbesondere niederländische Erfahrungen bei der Übertragung von wichtigen Prinzipien und Grundgedanken des QM in den klinischen Bereich in das Projekt integriert werden.

18 Vgl. Köck, Christian; Heimerl-Wagner, Peter 1997, S. 41 ff.

19 Vgl. Elß, Dörte; Kranich, Christoph 1999, S. 17.

20 Vgl. Köck, Christian; Heimerl-Wagner, Peter 1997, S. 43.

21 Vgl. Köck, Christian; Heimerl-Wagner, Peter 1997, S. 49 ff.

22 Vgl. Fuchs, V. R. 1974.

23 Vgl. DKG 1999, S. 48.

24 Vgl. Klauber, J. et al. (Hrsg.) 2018., S. 19.

25 Vgl. Qualitätssicherung – ein konstruktiver Ansatz 1999, S. 40.

26 Vgl. Kanefend, Uta 1990, S. 49 ff.

27 Vgl. Reinhardt, Uwe E. 1988, S. 147 ff.

28 Vgl. Schulenburg, J.-Matthias Graf v.d. 1982, S. 627 ff.

29 Vgl. Köck, Christian; Heimerl-Wagner, Peter 1997, S. 55 f.

30 Vgl. Köck, Christian; Heimerl-Wagner, Peter 1997, S. 61.

31 Vgl. Glaeske, Gerd 1999, S. 31.

32 Vgl. Godfrey A. Blanton; Berwick, Donald M.; Roessner, Jane 1992, S. 23–27.

33 Vgl. DKGEV (o. D.), https://www.dkgev.de/fileadmin/default/Mediapool/3_Service/3.2._Zahlen-Fakten/Eckdaten_Krankenhausstatistik.pdf

34 Vgl. Statista (o. D.), https://de.statista.com/statistik/daten/studie/157072/umfrage/anzahl-der-krankenhaeuser-nach-traegerschaft, Zugriff am 08.12.2019.

35 Vgl.: Deutsches Institut für Normung 1992

36 Vgl. Piwernetz K.; Selbmann H. K.; Vermey D. J. B. 1991, S. 557–560.

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