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Frederic geht auf seinen Balkon und zündet sich eine Zigarette an.

Kurz darauf erscheint seine Mutter bei ihm, die durch ihr Schlafzimmer auf den umlaufenden Balkon gekommen ist.

„Ist alles in Ordnung, Liebling?“

Frederic zuckt zusammen und schnipst die Zigarette in den Garten.

Ohne sich umzudrehen antwortet er: „Na klar, die Raben sind endlich ausgeflogen und ich hab meine Ruhe.“

„Schön, schön“, antwortet seine Mutter und stutzt, als sie seine legere Bekleidung bemerkt. „Wieso hast du dich umgezogen?“ Sie runzelt die Stirn.

Frederic winkt ab: „Ach, das ist eine lange Geschichte. Die erzähle ich dir Weihnachten oder irgendwann mal.“

Sie zieht die Luft scharf durch die Nase ein und stutzt schon wieder und fragt erzürnt: „Hast du etwa geraucht?“

„Nein“, lügt er.

„Hauch mich sofort an!“, fordert sie ihn auf.

„Ich denke gar nicht daran!!!“ Er will an ihr vorbei in sein Zimmer gehen. „Ich bin kein kleines Kind mehr, das du kommandieren kannst. Ich habe dir stundenlang die Plagen vom Hals gehalten, damit du so tun kannst, als würdest du fröhlich feiern.“ Sie packt ihn am Arm. „Lass mich sofort los“, zischt er sie an und fügt leise hinzu, „ich hasse dich.“

„Womit hab ich das verdient?“, fragt sie erschüttert und funkelt ihn wütend an. „Du bleibst in deinem Zimmer, verstanden. Meine Gäste sind mir sehr wertvoll, vertreibe sie nicht, sonst …!!!“

„Was … sonst?“, fragt er zurück, erhält jedoch keine Antwort.

Frederic ist sich sicher, dass seine Mutter sich jetzt wieder sinnlos betrinken wird.

Schon bald hört er ihr schrilles Lachen und weiß, dass er recht behalten wird.

Zumindest hab ich morgen dann meine Ruhe vor ihr“, denkt er traurig.

Am nächsten Tag hilft Frederic Brigitte dabei, sein Zimmer in Ordnung zu bringen, als beide durch einen wütenden Ausruf seiner Mutter aufgeschreckt werden. Das Telefon hatte geklingelt. Brigitte hatte es jedoch nicht schnell genug geschafft, den Anruf entgegenzunehmen, weil Frederics Mutter bereits den Hörer abgenommen hatte.

„Frederic!!! Komm sofort zu mir!“, ruft sie nach oben.

Kaum steht er vor ihr, schreit sie ihn an: „Frederic, wie konntest du nur die Kleinen so verängstigen?!!! Ich habe so schon einen schweren Stand in der Gesellschaft als alleinerziehende Mutter, da kann ich solche Probleme nicht auch noch gebrauchen.“

„Alleinerziehende Mutter … von wem?“, fragt er unfreundlich. „Solange ich denken kann, ist Brigitte mir mehr eine Mutter gewesen als du. Du lässt mich ständig allein, und nun muss ich noch die unerzogenen Bälger fremder Leute beaufsichtigen.“

„Das sind unsere Freunde. Wenn man in der Gesellschaft dazugehören will, muss man Opfer bringen.“

„Ich will zu keiner Gesellschaft gehören und meine Freunde sind solche Menschen ganz bestimmt nicht. Mir würde es schon reichen, wenn ich in einer normalen Familie leben könnte.“ Er schaut sie traurig an.

„Da würdest du dich aber umgucken“, schleudert sie ihm entgegen. „Dann gäbe es keinen Luxus, keine Privatschule, keine Geldkarte zur freien Verfügung für dich. Deine Freunde sind alle aus bestem Hause. Du musst dich nicht mit dem primitiven Pack abgeben. All das hast du nur mir zu verdanken.“

„Das alles ersetzt mir aber keine Familie. Wenn ich nur an Weihnachten denke, wird mir schlecht.“

„Was hast du denn an unseren Feiern auszusetzen? Du wirst mit allem überhäuft, was du dir nur wünschst.“

„Du verstehst mich nicht.“

„Nein, ich verstehe dich nicht. Du bist undankbar.“

„Bin ich nicht. Ich habe es so satt mit dir zusammenleben zu müssen.“

„Gut, dann wirst du umgehend in ein Internat ziehen. Dort wirst du dich ganz schnell nach deiner Freiheit hier sehnen.“

„Du willst mich abschieben? Das machst du nicht.“

„Warum sollte ich das nicht tun? Ich bin deine Mutter und noch musst du tun, was ich bestimme.“

„Niemals gehe ich in ein Internat!!!“

„Doch, das wirst du. So, wie du mich blamiert hast, ausgerechnet an meinem Geburtstag.“ Hasserfüllt schaut sie auf ihren Sohn und fügt hinzu: „Ich bereue es so sehr, dich geboren zu haben.“

Er ist entsetzt über ihre Worte und schüttelt seinen Kopf. „Dann sag mir doch endlich, wer mein Vater ist, dann gehe ich zu ihm.“ Er hofft so sehr, dass sie ihm seinen Namen endlich verrät.

„Dein Vater?!“ Sie lacht hysterisch. „Was weiß ich, wer dein Vater ist?!!!“

Für Frederic bricht eine kleine Welt zusammen, denn er begreift, dass er niemals erfahren wird, wer sein Vater ist. Er erinnert sich an die ständig wechselnden Männer an der Seite seiner Mutter und schluckt die Tränen der Enttäuschung und Wut hinunter. Auch Brigitte wollte nicht mit der Sprache rausrücken. Er erinnert sich jedoch noch gut an ihre traurigen Blicke, wenn er als kleiner Junge nach seinem Papa fragte. Sie hatte ihm einmal gesagt, dass er einen Papa bekommt, wenn die Mama heiratet. Einige Zeit hat er darauf gewartet, aber schon bald hat seine Mutter keinen Kandidaten mehr mit nach Hause gebracht, sodass er die Hoffnung begrub und sich damit abfand. Als er älter wurde, bemerkte er, dass sie sich heimlich mit Männern traf, um ihn nicht mehr mit denen zu konfrontieren.

Es ist ihm auch nicht verborgen geblieben, dass sie oft betrunken war und so manche Tage im Bett verbringen musste, um auszunüchtern.

„Ich bin kein kleines Kind mehr. Jetzt verstehe ich, was du für eine bist. Vielleicht solltest du in Zukunft weniger trinken, um dein Leben in den Griff zu bekommen. Meins hast du ja von Anfang an versaut“, wirft er ihr vor.

Sie hebt eine Hand und lässt diese auf seine Wange klatschen.

„Was erlaubst du dir?“ Sie funkelt ihn außer sich vor Wut an. „Du undankbarer Junge! Ich bin deine Mutter und ich werde von dir den nötigen Respekt notfalls mit Gewalt einfordern. Hast du mich verstanden?!“

Geschockt von der Ohrfeige, weiß er nichts mehr zu erwidern und rennt die Treppe hinauf in sein Zimmer. Auf keinen Fall möchte er, dass seine Mutter die Tränen bemerkt, die bereits aufzusteigen drohen. Diese Genugtuung will er ihr nicht geben.

„Du hast Hausarrest und ich will dich zwei Stunden Klavier spielen hören“, ruft sie ihm hinterher, bevor er seine Zimmertür mit einem lauten Knall zuschmeißt.

Verzweifelt lässt er sich auf sein Bett fallen. Die Tränen laufen ihm ungehindert übers Gesicht. Es macht ihn rasend, dass er gegen sie keine Chance hat, weil er erst in drei Jahren volljährig wird. Diese Zeit erscheint ihm unendlich lang.

Er schiebt eine CD mit klassischer Klaviermusik in den Player, dreht die Lautstärke so weit auf, dass jeder Ton in den unteren Räumen gut zu hören sein wird, jedoch nicht so extrem laut, dass sich seine Mutter eventuell genötigt sieht hereinzukommen, um ihn zur Ruhe zu ermahnen, denn dann würde der Schwindel ja auffliegen. Diesen Trick hat er schon oft erfolgreich angewandt, sodass er um das lästige Üben herumgekommen ist. Nur Brigitte hatte ihn durchschaut, jedoch ihren Mund gehalten.

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