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Hoffnungs~
schimmer
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2. Auflage
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eBook-Erstellung: ©Heidi Dahlsen
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Coverfoto: pixabay.com
„Angela, ich fahre in die Stadt“, sagt Christine zu ihrer Mitarbeiterin. „Lydia ist aus der Klinik zurück. Ich kann es kaum erwarten, sie zu sehen.“
„Grüß sie schön von mir.“
„Das mache ich. Tschüss bis später.“
Christine schließt die Tür zur Werkstatt und läuft über den Hof. Auf der Pferde-Koppel sieht sie ihren Onkel und winkt ihm zu. „Onkel Heinrich, ich fahre zu Lydia. Sag Mutti bitte Bescheid, dass ich bis zum Essen wieder zurück bin.“
„Alles klar. Viel Spaß und grüß schön.“
„Ja, mache ich“, antwortet sie.
Sie ist aufgeregt wie schon lange nicht mehr und läuft zügig zu ihrem Auto.
Nachdem Lydia einen Nervenzusammenbruch hatte, dauerte es seine Zeit, bis diese bereit war, die Notwendigkeit einer Therapie zu akzeptieren.
Vier Monate haben sie sich nicht gesehen, nur einmal kurz telefoniert. Als sie Christine vor ein paar Tagen telefonisch den Termin ihrer Entlassung nannte, klang Lydia ziemlich zuversichtlich, was Christine sehr freut.
Lydia wartet bereits ungeduldig.
„Endlich bist du wieder da.“ Christine fällt ihr um den Hals. „Wir haben dich so vermisst. Ich soll dich von allen grüßen. Ach, lass dich anschauen.“ Sie geht einen Schritt zurück. „Du siehst gut aus, erholt und zufrieden.“
„Ja, so fühle ich mich auch. Es war eine harte Zeit für mich, aber ich bereue es nicht und bin dir dankbar, dass du mich so nachdrücklich davon überzeugt hast, ärztliche Hilfe anzunehmen. Eine Psychotherapie ist besser als ihr Ruf. Wenn ich das eher gewusst hätte, dann … na ja, dann hätte ich nicht so lange gewartet. Ich hatte eben auch Vorurteile und dachte, wenn jemand erfährt, dass ich mich in psychologische Behandlung begebe, mich sogar wochenlang in der Psychiatrie aufhalte, dann würden alle denken, dass ich verrückt bin und nichts mehr mit mir zu tun haben wollen. Dass das nicht so ist, zumindest bei den wahren Freunden, ist mir unterdessen klar geworden.“
„Erzähle mir bitte ausführlich was du alles erlebt hast, wie so eine Therapie abläuft und so weiter. Ich habe Zeit mitgebracht.“
„Christine, ich habe bereits in der Klinik und nun auch schon hier zuhause damit zugebracht, meine Erlebnisse aufzuschreiben. Das kannst du alles in meinem neuen Buch nachlesen. Nur so viel dazu, es war aufregend und abwechslungsreich, ich habe ganz liebe Menschen kennengelernt, die mir aus ihrem Leben berichtet haben. Und ich habe gelernt, wie ich mit meinen zukünftigen Problemen gut zurecht kommen kann. Ich bin motiviert und optimistisch.“
„Das ist super und freut mich sehr.“
„Bitte erzähle du mir“, sagt Lydia, „was ich alles verpasst habe. Leider war ich bei unseren letzten Treffen meistens nur körperlich anwesend und habe kaum etwas mitbekommen. Deshalb will ich alle Neuigkeiten wissen. Was machen Tilly, Olli, Jutta? Wie geht es Daniel, Richard und Bertram?“
„Alles bestens. Tilly ruft dich heute noch an, denn sie will mit dir einiges persönlich besprechen. Daniel hat die erste Klasse fast geschafft. Ihm gefällt es ganz gut in der Schule. Er freut sich auf die Ferien, denn dann kann er den ganzen Tag Fußball spielen. Den sehen wir nur noch am Frühstückstisch und abends, wenn er über den Kühlschrank herfällt. Danach ist er todmüde und geht freiwillig ins Bett. Ollis Scheidung ist noch nicht durch. Von Sybille haben wir nichts mehr gehört. Das letzte Mal habe ich sie Weihnachten gesehen, als sie die Geschenke für Richard und Bertram brachte. Da sie kein Interesse an ihren Söhnen zeigt, meint Olli, dass wir gute Chancen haben, dass sie bei uns bleiben können. Zu ihren Geburtstagen hat sich Sybille auch nicht gemeldet. Bertram hat das gar nicht mitbekommen, na ja, er ist ja gerade erst vier Jahre alt geworden. Richard war sehr still, er schaute sich immerzu suchend um oder stand am Fenster. Ich hatte den Eindruck, dass er auf sie wartet. Die Enttäuschung war ihm anzumerken.“ Sie seufzt. „Letztens setzte er sich auf meinen Schoß, schaute mir tief in die Augen und meinte: `Hättest du uns lieber geboren.´ Mir hat es fast das Herz zerrissen. Bertram lauschte gespannt. Ich weiß nicht, ob er diese Aussage verstanden hat.“
„Oh Gott, das ist ja traurig. Was hast du geantwortet?“, fragt Lydia gespannt.
„Ich war erst mal sprachlos und habe krampfhaft überlegt, was ich überhaupt sagen soll und wie ich es erkläre, ohne Sybille schlecht dastehen zu lassen. Das will ich nicht, denn sie sollen doch keine negativen Gefühle für ihre Mama entwickeln und nicht denken, dass sie von ihr verstoßen wurden. Ich sagte dann, dass es doch egal sei, aus welchem Bauch sie geflutscht sind. Hauptsache wir haben uns alle lieb und sind füreinander da. Sie fielen mir beide um den Hals und dann haben wir lange miteinander gekuschelt. Sie nennen mich Mama Christine, das ist in Ordnung. Die Zeit wird zeigen, wie es mit uns allen weitergeht. Ich liebe die Kleinen von ganzem Herzen und Olli geht es mit Tilly und Daniel genauso. Wir sind eine große Patchwork-Familie. Und das Neuste habe ich auch erst gestern erfahren. Richard spielt doch so wunderschön Klavier. Es ist ein Genuss, ihm zuzuhören. Unser Kantor hat angefragt, ob er eventuell ab und zu beim Kindergottesdienst spielen dürfte.“
„Wow, das ist eine Ehre.“
„Ja, er macht das auch gern. Er scheint kein Lampenfieber zu haben. Das Talent wurde ihm sicher in die Wiege gelegt.“
„Vielleicht liegt es an seinem Namen. Richard Wagner, der Name verpflichtet. Und Bertram, was macht er?“
„Bertram sagt jetzt jedem ganz stolz, dass er schon groß ist, weil er vier Jahre alt ist. Er wird immer süßer, hat ununterbrochen gute Laune und versprüht Lebensfreude. Und unsere Firmen laufen eigentlich zu gut, wir können uns vor Aufträgen kaum retten, deshalb sind wir froh, dass Onkel Heinrich und meine Mutti die Kinder gern bei sich auf dem Reiterhof haben. Sie nehmen uns somit die Betreuung und einiges an Verantwortung ab.“
„Alles hat Vor- und Nachteile“, wirft Lydia ein.
„Ich hätte gern mehr Zeit für die Familie.“ Christine schaut etwas wehmütig vor sich hin. „Einfach mal im Garten sitzen, den Kindern beim Spielen zuschauen. Aber dazu komme ich nicht. Olli arbeitet auch an den Wochenenden viel. Meistens geben wir uns nur die Klinke in die Hand, für Zweisamkeit ist keine Zeit.“
„Das hört sich nicht gut an“, sagt Lydia.
„Ja, ich weiß. Aber ich finde keine Lösung dafür. Olli ist so froh, dass Markus sein neuer Agentur-Partner geworden ist und selbstständig mitarbeitet. Aber Markus wird ja nun bald noch einmal Papa und ich glaube nicht, dass er sein Baby nur nachts sehen möchte. Jutta strebt ein etwas geregeltes Familienleben an und will mit ihm gemeinsam das Kind aufwachsen sehen.“
„Wann bekommen sie ihr Baby?“
„Ungefähr in sechs Wochen.“
„Erzähl doch bitte von ihrem neuen Zuhause. Die Einzugsparty habe ich leider verpasst.“
„Oh ja, das war ein Fest. Das ganze Anwesen ist prächtig. Ein Zweifamilienhaus, in dem auf der einen Seite Markus‘ Eltern wohnen und auf der anderen Seite Jutta mit Markus. Und unter dem Dach sind Jenny und Janek untergebracht.“
„Ist Jenny immer noch so … so unausgeglichen?“
„Oh ja, Jutta hat ihre liebe Not. Zu Markus‘ Eltern hat sie jedoch ein gutes Verhältnis. Sie vermitteln immer zwischen Mutter und Tochter.“
„Und Markus‘ Sohn Janek?“
„Der wohnt auch bei ihnen. Er ist jetzt schon ein erfolgreicher Reiter und kann hier sein Training optimal absolvieren. Seine Mutter hat sich an der Ostsee eine neue Existenz aufgebaut. Ich glaube, sie ist ganz froh, dass sie neu durchstarten kann. Man muss eben bei einer Trennung abwägen, was für alle das Beste ist.“
„Und Juttas Mutter? Hat sie sich nun mit dem Gedanken, noch mal Oma zu werden, abgefunden?“
„Das weiß ich gar nicht. Über die wird nicht mehr gesprochen, weil Jutta sich jedes Mal so aufregt und das ist nicht gut für das Baby, das sie erwartet.“
„Das kann ich gut verstehen. Die Frau ist unmöglich. Wie kann man seine Unzufriedenheit nur so ausleben? Jutta und Markus sind so liebe Menschen, die wären doch froh, wenn sie sich als liebevolle Oma ins Familienleben einbringen würde.“
„So sehe ich das auch, man kann jedoch niemanden zu seinem Glück zwingen.“ Christine zuckt mit den Schultern. „Jedenfalls wünsche ich dir von ganzem Herzen, dass es dir gut geht und dass dies lange so bleibt. Du weißt, wenn etwas ist, wir sind für dich da.“
„Ja, das weiß ich. Ich habe mir vorgenommen, mich nicht mehr in meiner Wohnung zu verkriechen.“
„Das klingt gut.“
„Mit meiner Verlegerin muss ich dringend sprechen. Ich bin gespannt, was sie zu dem Manuskript sagt. Das ist mal eine ganz andere Geschichte. Voll aus dem Leben gegriffen. So erfahren viele, die sich mies fühlen, wie es in der Psychiatrie zugeht. Vielleicht kann ich denen somit die Entscheidung, sich ebenfalls helfen zu lassen, erleichtern.“
„Eine gute Idee. Solche Ratgeber werden gebraucht. Ich drücke dir die Daumen, dass sie es ebenso sehen.“
„Vielleicht kannst du mir helfen, einen aussagekräftigen Titel zu finden. Am besten wäre, dass mit einem Wort oder wenigstens kurz und knapp alles gesagt ist.“
Christine überlegt. „Ich kenne den Inhalt noch nicht, da ist das nicht einfach.“
Lydia schiebt ihr einen Zettel hin. „Hier sind meine Ideen.“
Christine liest vor: „Sag JA zur Therapie …
Meine Erlebnisse in der Psychiatrie …
Chaos der Gefühle …
Gefühlskarussell.“
„Passend sind alle noch nicht. Was meinst du?“, fragt Lydia.
„Hmmm … etwas mit Gefühlen würde mir zusagen, denn die Gefühle der Patienten fahren Achterbahn. Das passt gut.“
„Ja, du hast recht. Gefühlschaos ist mit einer Achterbahnfahrt zu vergleichen. Eigentlich drehen die Gefühle eher Loopings.“
„Dann nenn es doch `Gefühlslooping´ und fertig.“
„Gefühlslooping“, murmelt Lydia vor sich hin. „Das klingt gut, das schreibe ich gleich auf. Danke, Christine.“
„Freut mich, wenn ich dir helfen konnte.“
„Manchmal tue ich mich schwer, Worte zu finden, um den Text auf den Punkt zu bringen. Heute bin ich sowieso etwas hin und her gerissen.“
„Warum?“
„Vergangene Nacht träumte ich, dass ein Tornado auf mich zugerast kam. Nirgends konnte ich Halt finden und somit riss er mich mit sich.“
„Oh je, du sagtest doch, dass du keine Albträume mehr hast.“
„Das ist es ja. Ich habe mich während des Flugs in dem Strudel sehr wohl und sogar sicher gefühlt.“
„Das scheint ein gutes Zeichen zu sein. Ich würde es so deuten, dass auf dich zwar stürmische Zeiten zukommen, jedoch mit wunderbaren neuen Eindrücken und einem Happy End. Lydia, bestimmt hat das etwas Gutes zu bedeuten.“
„Ich hoffe es.“