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3. Kapitel

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Edgar lief keuchend auf das Café zu. Wieder merkte er, wie mies seine Kondition war. Und das, obwohl er am Tag der Geburt seiner Tochter aufgehört hatte zu rauchen. Er musste endlich anfangen Sport zu treiben und so seine Ausdauer verbessern. Diesen Vorsatz hatte er schon seit einigen Jahren gehabt. Jedoch hatte es nie gereicht, den Plan auch in die Tat umzusetzen. Ihm fehlte einfach die Selbstdisziplin. Jetzt wusste er wieder, warum er seinen inneren Schweinehund unbedingt überlisten sollte.

Er parkte auf dem großen Parkplatz am Rand der Innenstadt. In der Stadt selbst waren alle Parkplätze restlos belegt. Die Fußgängerzonen und kleinen Gassen waren voller Menschen. Nun war der Detektiv froh, sich gleich auf den Weg gemacht zu haben, statt noch einen Kaffee zu trinken. Den würde er in wenigen Minuten bekommen und nach den Strapazen der Parkplatzsuche in vollen Zügen genießen.

Endlich hatte er das Café erreicht. Von außen sah er Ella bereits an einem kleinen Zweiertisch sitzen. Sie schaute gerade ungeduldig auf die Uhr. Edgar tat es ihr gleich. Inzwischen war es auch schon kurz nach elf. Er überlegte kurz, wer diesen ungünstigen Treffpunkt vorgeschlagen hatte. Dann fiel es ihm wieder ein. Es war Ella. Sie wählte den Ort, damit sie es später nicht so weit zur Wache hatte. In dieser Woche hatte sie Spätdienst. Um vierzehn Uhr begann ihre Schicht.

Edgar betrat das Café und ging auf den Tisch zu, an dem seine ehemalige Kollegin saß. Irgendwie sah sie anders aus, als er sie in Erinnerung hatte. Womöglich lag es an der neuen Haarfarbe. Bisher hatte sie immer hellbraune kurze Haare gehabt. Nun waren ihre Haare schwarz und schulterlang. Er fand, sie sah ausgesprochen gut aus. Als sie ihn sah, stand sie auf. Sie lächelten sich an und fielen sich in die Arme.

»Hallo Ella! Schön dich zu sehen«, sagte Edgar, nachdem sie sich aus der Umarmung gelöst hatten.

»Hallo Edgar! Ich freue mich, dass es endlich geklappt hat. Unser letztes Treffen ist bestimmt schon Monate her.«

»Stimmt. Es tut mir leid. Ich hatte in den letzten Wochen einiges um die Ohren. Gut siehst du aus.«

»Danke! Du aber auch. Kann es sein, dass du verliebt bist?«

»Woher weißt du das?« Edgar musste grinsen. Er hatte Ella noch nichts von seiner Beziehung mit Elena erzählt. Nachdem die beiden zusammengekommen waren, wollte er erst abwarten, wie ernst es zwischen den beiden war. Inzwischen war er sich sicher, es war mehr als nur eine kurze Liebelei. Seit sich seine Frau von ihm getrennt hatte, war Edgar das erste Mal wieder so richtig verliebt.

»Ich weiß nicht, aber irgendwie sieht man dir das an.«

»Wollen wir uns nicht setzen und etwas bestellen? Ich habe einen Bärenhunger.«

»Ja, natürlich.«

Nachdem sie Platz genommen hatten, gab Edgar der Bedienung mit einem Wink zu verstehen, dass er eine Bestellung aufgeben wollte. Die Kellnerin kam sofort.

»Was möchtest du?«, fragte er.

»Ich hätte gerne das kleine Frühstück!«

»Zwei Mal bitte. Und eine extra Kanne Kaffee bitte!«

Die Kellnerin machte sich Notizen und verschwand kurz darauf.

Ella lächelte: »Es hat sich nichts geändert. Du trinkst immer noch literweise Kaffee.«

»Manche Dinge ändern sich eben nie. Hast du mal wieder etwas von Lucy und Lena gehört?«

»Ach Edgar du weißt doch, dass ich dir nichts sagen darf. Aber ja, wir haben seit ein paar Wochen wieder sporadisch Kontakt. Den beiden geht es gut.«

»Hast du sie auch mal gesehen?«

»Ja, letzte Woche.«

»Wie gern würde ich Lena sehen. Wie sieht sie denn aus?«

»Warum meldest du dich nicht bei deiner Tochter und findest selbst heraus, was du wissen willst?«

»Mm, du sagst das so einfach. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie mich sehen will.«

»Versuch es doch einfach! Vielleicht vermisst sie dich ja genauso, wie du sie.«

»Wieso, hat sie das gesagt?«

»Nein. Über dich haben wir nicht gesprochen. Und du weißt, dass ich dir wirklich nichts erzählen darf. Das, was ich dir jetzt gesagt habe, war eigentlich schon zu viel.«

»Okay, ich will dich auch nicht in Schwierigkeiten bringen. Gibt es einen bestimmten Grund für unser Treffen hier?«

»Den gibt es in der Tat. Ich mache mir Sorgen um Sandra.«

»Was ist mit deiner Tochter?«

»Sie hat sich in den letzten Wochen sehr verändert. Sie ist in der Schule total abgerutscht. Das heißt, wenn sie mal hingeht, schreibt sie nur schlechte Noten. Zu Hause lässt sie sich kaum noch blicken. Ich komme nicht mehr an sie ran. Ganz gleich, was ich sage, es ist ihr egal. Ich mache mir wirklich Sorgen.«

»Aber ihr hattet doch immer so ein tolles Verhältnis zueinander.«

»Ja, das war mal so. Ich weiß einfach nicht, was mit ihr los ist und was ich machen soll.«

»Wie alt ist Sandra jetzt?«

»Sie wird nächsten Monat siebzehn.«

»Du weißt aber schon, dass ich keine Erfahrungen mit Teenagern habe und dir deshalb auch keine schlauen Ratschläge geben kann!«

Ella seufzte. »Es geht mir auch nicht um Ratschläge. Die bekomme ich schon genug, meistens von Leuten, die selbst keine Kinder haben. Es ist furchtbar! Nein, ich möchte, dass du herausfindest, was mit Sandra los ist und wo sie sich herumtreibt.«

»Okay. Hast du ein aktuelles Foto von ihr?«

»Ja, warte!«, sagte Ella und kramte in ihrer Handtasche. Kurz darauf holte sie ein Foto raus und reichte es Edgar über den Tisch. Er nahm es und schaute es sich genau an.

»Groß ist sie geworden, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe. Weißt du, wo ich sie tagsüber finden kann?«

»Nein. Das ist ja mein Problem. Sie verlässt morgens das Haus, sobald sie aufgestanden ist, und kehrt erst spät am Abend zurück. Durch meine unterschiedlichen Schichten sehe ich sie manchmal tagelang nicht.«

»Das heißt, ich soll morgens vor deiner Tür auf sie warten und ihr dann hinterher spionieren?«

»Ja, es wäre toll, wenn du das machen könntest. Ich weiß nicht, was ich sonst machen soll. Bitte, hilf mir!«

»Okay. Dann komme ich morgen früh vorbei und warte vor deinem Haus, bis Sandra rauskommt.«

»Danke, das vergesse ich dir nie!«

»Schon gut. Du hilfst mir doch auch immer.«

»Ach! Du weißt, dass ich das gern mache. Und wie geht es dir sonst?«

»Ganz gut und dir?«

»Na ja, wenn das mit Sandra nicht wäre, würde es mir besser gehen.«

»Mm, das verstehe ich.«

»Wie heißt sie eigentlich?«

»Hä, wer?«

»Die Frau, wegen der du so glücklich bist.«

»Ach so. Sie heißt Elena.«

»Ist sie hübsch?«

»Ja, das ist sie.«

»Das dachte ich mir. Ich hätte nicht gedacht, dass du es irgendwann noch mal schaffst, von Lucy wegzukommen.«

»Ich auch nicht.«

»Wo habt ihr euch kennengelernt?«

»Bei einem Fall.«

»Wo auch sonst? Du arbeitest bestimmt immer noch so viel, wie früher, oder?«

»Ja. Das heißt, wenn es Aufträge gibt. Im Moment ist es eher ruhig. Und du? Gibt es in deinem Leben mal wieder einen Mann?«

»Nein, im Moment nicht. Ehrlich gesagt habe ich auch keine Nerven dafür. Sandra und der Job lasten mich schon genug aus.«

»Es ist bestimmt nicht so leicht für dich, alles unter einen Hut zu bekommen!«

»Das ist es wirklich nicht.«

Beide schwiegen sich an. Nun hatte Edgar endlich wieder einen Fall. Auch wenn es ihm nicht einen müden Euro einbrachte, war er froh, für den nächsten Tag eine Aufgabe zu haben. Elena würde sowieso den halben Tag auf ihrer neuen Arbeit sein und Edgar hätte nicht allzu viel Zeit zum Nachdenken. Morgen, am ersten Oktober wäre Max, sein ehemaliger Kollege und gleichzeitig bester Freund, siebenundvierzig Jahre alt geworden. Seine letzten drei Geburtstage erlebte er nicht mehr mit. Edgar dachte jedes Jahr an ihn. An diesem Tag holte ihn die Erinnerung an ihre gemeinsame Zeit und ihren letzten Einsatz jedes Jahr aufs Neue ein. Er hoffte, es würde irgendwann aufhören. Gleichzeitig wusste er, dass es niemals endete.

Als ob Ella seine Gedanken lesen konnte, sagte sie: »Ach Edgar, es tut mir leid! Morgen ist doch der Geburtstag von Max. Daran hatte ich nicht gedacht.«

»Ist schon gut, ein wenig Ablenkung wird mir gut tun.«

Sie redeten noch eine Weile und schwelgten in längst vergangenen Erinnerungen.

Irgendwann schaute Ella auf die Uhr und sagte: »Meine Güte, wie die Zeit vergeht. Ich muss zum Dienst!«

»Ist es tatsächlich schon so spät?«

Edgar schaute ebenfalls auf seine Uhr und sah, dass es bereits halb zwei war. In einer halben Stunde hatte Ella Dienstantritt und Elena in einer Stunde Feierabend. Zur Feier des Tages wollte er ihr einen Strauß Blumen kaufen, bevor er sie abholte.

Ella verabschiedete sich und verließ das Café.

Edgar blieb noch einen Moment sitzen, rief die Kellnerin zu sich und bezahlte das Frühstück der beiden. Anschließend verließ auch er das Café. Auf dem Weg zum Auto wollte er nach einem Blumenladen Ausschau halten. Obwohl er in Wernigerode geboren und aufgewachsen war, hatte er keinen Schimmer, wo es hier Blumengeschäfte gab. Den letzten Strauß rote Rosen kaufte er, als er frisch mit Lucy zusammen war. Das war über zwei Jahrzehnte her. Er konnte sich nicht mehr erinnern, wo er die Blumen damals gekauft hatte.

Im Liebeswahn

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