Читать книгу Im Liebeswahn - Heidi Oehlmann - Страница 8
6. Kapitel
ОглавлениеDer Detektiv wartete schon seit einer geschlagenen Stunde auf Sandra. Die Uhr in seinem Wagen zeigte ihm, es war kurz nach zehn. Er hoffte, er müsste nicht bis zum Mittag vor dem Haus warten. Dann hätte er sich mit seinem Besuch bei Max auf dem Friedhof etwas mehr Zeit lassen können. Gern wäre er länger am Grab geblieben und hätte seinem Freund von den Ereignissen der vergangenen Wochen in allen Einzelheiten berichtet. So erzählte der Detektiv ihm nur grob, was er seit seinem vorherigen Besuch bei Max erlebt hatte. Sein letzter Aufenthalt auf dem Friedhof war inzwischen schon mehrere Monate her. In der letzten Zeit schaffte er es einfach nicht, öfter hinzugehen. Das wollte er auf jeden Fall wieder ändern und seinen Freund nicht nur zu seinem Geburtstag und zu seinem Todestag besuchen. Seit Elena bei ihm wohnte, hatte das Paar die Zweisamkeit genossen. Nach der Sache mit Florian, Elenas Ex, hatten sie etwas Erholung auch nötig. Nun kehrte allmählich der Alltag ein, Elena hatte einen neuen Job und Edgar war wieder viel allein.
Vor dem Haus, in dem Ella und Sandra wohnten, war es ruhig. Obwohl es sich um ein Mehrfamilienhaus in einer Wohnsiedlung am Stadtrand handelte, waren kaum Menschen auf der Straße. Vielleicht lag es daran, dass die meisten der Bewohner berufstätig waren und sich zu dieser Zeit bereits auf der Arbeit befanden. Ella musste noch in ihrer Wohnung sein. Ihre Schicht würde erst am Nachmittag um zwei Uhr anfangen. Wenn Edgar ein Handy hätte, könnte er sie anrufen und fragen, ob ihre Tochter überhaupt zu Hause war. Womöglich wollte Sandra das Haus heute gar nicht verlassen und er wartete hier umsonst. So schnell konnte er aber nicht aufgeben. Nachdem, was Ella in den vergangenen Jahren alles für ihn getan hatte, wollte er wenigstens ein Mal für sie da sein. Edgar konnte seine alte Freundin unmöglich im Stich lassen.
Stunde für Stunde verging, ohne, dass der Detektiv Sandra zu Gesicht bekam. Entweder war sie an diesem Tag früher weggegangen, noch bevor Wolf Stellung vor dem Haus bezogen hatte oder sie verbrachte den heutigen Tag einfach in der Wohnung. Die Möglichkeit, sie nicht gesehen oder erkannt zu haben, konnte Edgar ausschließen. Er hatte das Wohnhaus nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen. Unter allen Personen, die aus dem Haus kamen, war nicht ein junges Mädchen gewesen. In spätestens einer halben Stunde musste Ella rauskommen, um ihren Dienst anzutreten. Es war bereits ein Uhr mittags.
Der Proviant, den sich Edgar mitgenommen hatte, war inzwischen aufgebraucht. Durch die Wartezeit hatte er eine Tasse Kaffee nach der anderen getrunken und aus langer Weile alle Brote aufgegessen. Im Moment war er zwar noch nicht hungrig, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis sein Magen ihn lautstark daran erinnern würde, dass er gefüllt werden wollte.
So langsam wurde Edgar schläfrig. Die vergangene Nacht hatte ihn um den Schlaf gebracht. Am liebsten hätte er einfach seine Augen geschlossen und ein paar Stündchen geschlafen. Er musste sich zusammenreißen, nicht einzudösen. Bevor es so weit kommen konnte, ging die Haustür auf, Ella kam aus dem Haus.
Edgar wollte aussteigen und auf sie zu gehen. Doch dann entschied er sich dagegen. Es wäre nicht klug, sich zu zeigen. Sollte Sandra in der Wohnung sein, bestand immerhin die Möglichkeit, dass sie hinter einem der Fenster stand und das Geschehen beobachtete. Das wollte der Detektiv keinesfalls riskieren. Bevor er seinen Gedanken zu Ende denken konnte, entdeckte Ella ihn und lief schnurstracks auf ihn zu. Sie als Polizistin musste doch wissen, wie unklug ihre Aktion war. Ella öffnete die Beifahrertür und stieg wortlos ein. Nachdem sie es sich auf dem Beifahrersitz bequem gemacht hatte, sagte sie: »Sandra ist gestern nicht nach Hause gekommen. Ich habe keine Ahnung, wo sie stecken könnte.«
»Mm, dann ist es auch kein Wunder, dass sie nicht raus kommt.«
»Ja. Da kannst du lange warten. Ich habe Angst um sie.«
Edgar nickte nur. Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Zwar konnte er ihre Sorgen verstehen, nur war er nicht gut darin, tröstende Worte auszusprechen. Wann immer er versuchte, jemandem Trost zu spenden, kam das nicht so an, wie es gemeint war. Deshalb entschied er sich, es einfach sein zu lassen.
»Wie war es bei Max?«
»Ich war nur kurz bei ihm, damit ich pünktlich um neun hier auf der Matte stehe.«
»Oh. Dann stehst du schon vier Stunden hier? Das tut mir leid!«
»Meinst du, Sandra kommt heute noch nach Hause?«
»Ich weiß es nicht. Wenn du fahren willst, verstehe ich das.«
»Ach. Ich werde noch ein bisschen warten. Aber du weißt ja, Warten gehört nicht gerade zu meinen Stärken. Dafür fehlt mir einfach die Geduld.«
»Ja, ich weiß. Sei mir nicht böse, aber ich muss dich jetzt wieder allein lassen! Mein Dienst fängt bald an.«
»Ist schon gut.«
»Also mach es gut.«
»Mach es besser.« Edgars Worte zauberten ein zaghaftes Lächeln in Ellas Gesicht. Sie öffnete die Autotür, stieg aus und ging zu ihrem Wagen. Nach wenigen Minuten verschwand sie vom Parkplatz und der Privatdetektiv war wieder allein.