Читать книгу Der Mann aus Samangan - Heidrun Wolkenstein - Страница 9

Оглавление

3

AUFBRUCHSTIMMUNG

Ein paar Tage später besuchte ich meinen Vater. Ich liebte meinen Vater sehr. Er ist in den letzten Jahren erblindet, hatte Demenz und wurde schon seit dem Tod meiner Mutter vor neun Jahren, von Pflegerinnen aus Rumänien betreut. Durch seine Intelligenz gelang es ihm sehr lange, gegen das Fortschreiten der Demenz anzukämpfen. Wir hatten schon seit einigen Jahren zwei sehr liebe und verlässliche Pflegerinnen: Gabi und Elena. Diesmal war Elena bei ihm. „Adriana, ich muss mit dir reden“, sagte Elena, als ich gerade mal eine halbe Stunde dort war. Das klang nicht nach einer netten Unterhaltung und gerade jetzt in meiner Situation mit Farid und in meiner finanziellen und beruflichen Situation, sowie mit der Aufregung wegen des Tumors, konnte ich wirklich kein weiteres Problem brauchen. „Die beiden Katzen müssen weg!“, forderte Elena. „Wir müssen uns um deinen Vater kümmern! Die Pflege wird nicht einfacher. Und überall sind Katzenhaare! Ich kann mich nicht um die Katzen auch noch kümmern. Gabi sieht das genauso! Wir können gerne einen Videocall mit ihr machen.“ Elena ließ mich überhaupt nicht zu Wort kommen und rief sogleich Gabi über Messenger an.

Es schien, als wäre Gabi gut vorbereitet auf dieses Gespräch gewesen, denn sie hob nicht nur gleich ab, sondern wusste sofort, worum es jetzt gehen sollte. „Elena hat Recht“, sagte Gabi. „Die Katzen sind nur Arbeit für uns. Dein Papa hat überhaupt nichts von den Katzen! Außerdem wollen wir mehr Geld. Wir sind beide schon einige Jahre bei euch und verdienen immer das gleiche. Wir sind beide gut ausgebildet und woanders zahlen sie auch mehr. Wir wollen mehr Geld haben. Ansonsten, es gibt genug andere Pflegerinnen und wir können auch einen anderen Arbeitsplatz haben.“ Dieses Gespräch überstieg nun wirklich meine Kräfte. Nicht nur, dass die geliebten Katzen meines Vaters weg sollten? Die beiden wollten auch mehr Geld haben? Ich zahlte von meinem Geld dazu, damit mein Vater in seiner Wohnung seine spezielle Betreuung haben konnte und jetzt sollte ich noch mehr zahlen? Das war mir überhaupt nicht möglich! Am liebsten hätte ich geschrien vor Verzweiflung. Am liebsten hätte ich mich irgendwo hinuntergestürzt, weil ich dieses Leben mit all seinen Schwierigkeiten, die derzeit so geballt auf mich einprasselten, nicht mehr aushalten konnte. Aber wieder dachte ich daran, dass ein Indianer keinen Schmerz kennt und wieder beherrschte ich mich, obwohl ich innerlich kochte vor Enttäuschung und Verzweiflung.

Nach dem Gespräch ging Elena einkaufen und ich war mit meinem Vater allein. „Was sagst du dazu?“, fragte ich Paps. „Warum hast du jetzt nichts gesagt? Die beiden wollen, dass ich deine Katzen weggebe!“ Paps wirkte verstört. Er hatte die ganze Zeit nichts gesagt, obwohl er genau gehört hatte, was Elena und Gabi mit mir besprochen haben. „Meine Katzen bleiben da“, sagte er bestimmt, aber verunsichert. „Dann müssen eben andere Pflegerinnen hierher kommen“, ergänzte er. Und genau das war die Antwort, die ich für meine Entscheidung gebraucht habe. In dem Moment entschied ich mich dafür, die Katzen zu behalten und eine Agentur zu engagieren, damit Gabi und Elena ihr Glück bei einer anderen Familie finden konnten. Meine Entscheidung stand fest und noch am selben Tag rief ich bei einer Pflegeagentur an und teilte erst ein paar Tage später den beiden mit, dass sie sich eine andere Arbeit suchen mussten. Sie waren schockiert, denn sie hatten mit dieser Entscheidung nicht gerechnet. Hätte ich nur einen Moment das Gefühl gehabt, dass meinem Vater die Katzen inzwischen egal waren, dann hätte ich nicht so entschieden. Aber das war nicht so. Und meinem Vater waren seine Katzen, obwohl er sie nicht einmal sehen konnte, immer noch sehr wichtig. Ich wollte meinem geliebten Paps seine letzten Lebenstage so angenehm wie möglich gestalten und das beinhaltete nunmal auch die Katzen. Noch mehr enttäuscht von der Welt und von meinem Leben und dem ganzen Chaos darin, verabschiedete ich auch diesen Tag. Warum muss man bloß immer wieder am nächsten Tag aufwachen? Ich sehnte mich oft danach, einfach für immer einzuschlafen. Aber einen Lichtblick gab es trotzdem einige Tage später. Gabi wollte wieder zurückkommen. Sie hat sich entschuldigt. Es hat ihr leidgetan, dass sie sich von Elena überreden ließ, bei den Forderungen mitzumachen. Ich war froh, dass sie bleiben wollte, denn ich mochte sie sehr. Sie ist über die Jahre eine richtig gute Freundin geworden. Also brauchten wir nur einen Ersatz für Elena zu suchen.

Die Woche verging unendlich langsam. Farid meldete sich nicht und der gefürchtete Freitag kam immer näher. Vergeblich wartete ich darauf, dass er mich doch noch zu seiner Abschiedsfeier am Donnerstag einlud. Er meldete sich nicht. Und plötzlich war der Freitag da und ich erhielt eine Nachricht von ihm: „Wenn du heute um 18.00 Uhr zum Bahnhof kommst, dann können wir uns noch ein letztes Mal treffen. Um 19.00 Uhr geht dann mein Zug.“ Ich war erleichtert und erfreut! Auch wenn er sich nur eine Stunde für mich Zeit nehmen wollte, war das für mich besser als nichts. Selbstverständlich stimmte ich zu und es war ganz klar, dass ich eine Viertelstunde früher in der Bahnhofshalle vor dem Mc Donalds stand und auf ihn wartete. Ich stand da, in meinem schönen, blauen Kleid und spürte, wie mich die Männer gierig anstarrten.

Und dann kam er. In Jeans und einer schwarzen Lederjacke, sowie mit einem riesigen, blauen Rucksack. Er schenkte mir das süßeste, zarteste Lächeln, als er mich sah und auf mich zukam. Wir umarmten und küssten uns. Danach setzten wir uns in das Lokal, ohne etwas zu konsumieren. Das war kein Problem – waren doch genügend Leute in der Bahnhofsfiliale, sodass es gar nicht auffiel, dass wir uns einfach so hineinsetzten. Wir saßen uns gegenüber. Ich wollte jede Sekunde mit ihm nutzen – noch dazu, wo uns anscheinend nur noch Sekunden blieben. „Wenn du möchtest, dann kann ich dich sofort, zumindest nach Deutschland fahren!“, sagte ich zu ihm. „Dann musst du das Risiko, im Zug erwischt zu werden, nicht eingehen!“ Farid sah mich ganz überrascht an. Damit hatte er nicht gerechnet. „Warum willst du denn sowas machen?“, fragte er erstaunt. „Ich liebe dich und ich mache mir Sorgen um dich“, erklärte ich ihm und senkte dabei meinen Blick. Ich schämte mich ein bisschen, dass ich diese starken Worte zu ihm sagte, obwohl ich ihn doch eigentlich noch überhaupt nicht kannte. Aber was hatte ich schon zu verlieren? Wofür sollte ich mich schämen? Es war gut möglich, dass ich ihn sowieso zum letzten Mal in meinem Leben sah. Was spielte es da schon für eine Rolle? Wann, wenn nicht jetzt – in diesem Moment! Es ist wichtig, absolut ehrlich zu sein und dem Menschen, den man liebt, zu sagen, was einem wirklich im Herzen steht? „Das ist wirklich sehr lieb von dir und damit hätte ich auch niemals gerechnet“, antwortete er. „Aber du brauchst das nicht machen. Ich fahre heute nach Graz zu meinem Cousin und der bringt mich morgen an die Grenze und von dort aus habe ich dann schon einen Plan, wie es weitergeht. Ich werde das schon schaffen, keine Sorge!“ Obwohl er meine Hilfe nicht in Anspruch nehmen wollte, veränderte sich trotzdem sein Gesichtsausdruck. Er sah weich und glücklich aus. Es war diese Liebe, die ihm offensichtlich jetzt erst bewusst wurde. Wahrscheinlich hätte er nicht gedacht, dass ich mich in ihn verlieben könnte – noch dazu nach so wenigen Begegnungen. Ein Inder betrat das Restaurant. Er hatte einen Bund mit großen, roten Rosen im Arm und versuchte diese zu einem teuren Preis an den Tischen zu verkaufen. Er kam auch zu unserem Tisch. Farid versuchte, ihn abzuwimmeln. Dann entschloss er sich doch, eine Rose für mich zu kaufen. „Danke für alles und bleib so, wie du bist!“, sagte er sanft und überreichte mir die Rose. Schon wieder spürte ich, wie meine Augen schmerzten und sich mit Tränen füllten. Aber ich riss mich zusammen. Nur dieses Zusammenreißen bewirkte, dass ich kein Wort herausbrachte. „Ich muss jetzt gehen“, sagte er weiter. „Geh noch nicht!“, presste ich hervor. „Ich muss“, sagte er sanft. „Mein Zug geht in zehn Minuten.“ Während ich aufstand, seufzte ich laut und kniff kurz meine Augen zu, um die Tränen ein wenig unterdrücken zu können. „Okay“, antwortete ich wie jemand, der gerade einen Kampf verloren hatte. „Dann werde ich dich zum Bahnsteig begleiten.“ Farid lächelte. Wieder freute er sich über meine Reaktion. Arm in Arm verließen wir das Lokal und stolz trug ich seine Rose. „Ich war richtig eifersüchtig, als ich dich so beim Eingang stehen sah“, flüsterte er mir zu, während wir zum Bahnsteig gingen. „Alle Männer haben dich angeschaut, in deinem schönen, blauen Kleid. Am liebsten wollte ich alle verjagen! Ich war plötzlich so eifersüchtig!“ Wir lachten beide und irgendwie spürte ich, dass sich innerhalb dieser einen Stunde seine Einstellung zu mir grundlegend verändert hat. Ich hatte schon auch vorher das Gefühl, dass er mich mochte und mich sympathisch und anziehend fand. Aber trotzdem änderte sich während dieser Stunde auch bei ihm etwas. Er fasste Vertrauen zu mir und tiefen Respekt vor meinem Verhalten. Vielleicht hielt er es nicht für möglich, dass sich Liebe so schnell entwickeln kann. Ausgesprochen werden diese Worte für viele leicht – doch nicht leicht für mich. Ich bin ein Mensch der Taten! Wenn ich jemanden von ganzem Herzen liebe, dann bin ich bereit, für diesen Menschen alles zu tun! Ich wäre auch bereit, für die Liebe zu sterben. Es spielte keine Rolle, wie lange ich ihn in diesem Leben kannte, denn von meinem Gefühl her, kannte ich ihn schon seit ewigen Zeiten!

Gemeinsam standen wir am Bahnsteig. Es war kalt, schließlich war es 19.00 Uhr, Anfang April. Ich stand da, in meinem kurzen, engen Kleid, einer schwarzen Übergangsjacke und schwarzen Overknees. Kurze Zeit später rollte der Zug in den Bahnsteig ein. Ich umarmte ihn, als würde ich in einem Meer von Gefühlen ertrinken und verzweifelt nach dem Rettungsring greifen wollen. Ich wollte diesen Moment für immer festhalten. Ich wollte mir für immer in Erinnerung rufen, wie sich sein Körper anfühlte, seine Küsse, seine Umarmung, sein Geruch. Ich versuchte mir jede Berührung und jedes Wort ins Bewusstsein zu brennen, um dieses Gefühl nie wieder zu vergessen. „Bitte lass mich morgen zu der Grenze kommen!“, flehte ich ihn an. „Ich warte auf der Deutschen Seite auf dich und fahre dich zu deinem Freund nach München.“ Er hatte mir kurz vorher verraten, dass er zuerst ein paar Tage bei seinem Freund in München wohnen wollte, bevor er sich auf den Weg nach Frankreich macht. „Ich lasse es dich wissen!“, hauchte er mir zärtlich ins Ohr. Dann wollte er in den Zug steigen. Mein Herz schlug bis zum Hals, ich hatte solche Angst, dass ich ihn nie wiedersehen würde, dass er mich am nächsten Tag nicht anrufen würde. „Bleib noch!“, rief ich und hielt ihn fest. Ich drückte ihn ganz fest an mich und konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Schließlich befreite er sich sanft aus meiner Umarmung, küsste mich ein letztes Mal auf die Stirn und stieg in den Waggon ein. In mir schien alles zusammenzubrechen. Meine Sorgen um ihn waren riesengroß. Ich wollte meinen Seelenpartner nicht verlieren, nach dem ich schon mein ganzes Leben lang gesucht hatte. Er setzte sich extra an ein Fenster zum Bahnsteig hin, um mir noch zuzuwinken, während der Zug langsam anrollte. Ich sah dem Zug lange nach. Die Schienen machten weiter vorne eine leichte Linkskurve. Der Zug fuhr langsam und leise aus dem Bahnhof. Es war trüb, grau und kalt um diese Uhrzeit. Ich sah dem Zug so lange nach, bis er vollends verschwunden war und sogar dann konnte ich meinen Blick immer noch nicht abwenden. Ich starrte in die Richtung, in die meine große Liebe, mein Seelenpartner, mein Lieblingsmensch, in eine ungewisse Zukunft zusteuerte. Mein Herz war gebrochen als ich den Bahnsteig verließ. Beim Gang durch die Bahnhofshalle, fühlte ich eine unglaubliche Schwere im Herzen. Eine unglaubliche Trauer und Verzweiflung. Ich wollte alle Hebel in Bewegung setzen, um ihm zu helfen. Am liebsten hätte ich ihn angerufen und gesagt, dass alles in Ordnung ist und er wieder zurückkommen kann. Ganz bewusst ging ich noch einmal zu dem Mc Donalds, obwohl er nicht auf meinem Weg lag. Ich stand davor und rief mir noch einmal jede einzelne Minute in Erinnerung, die ich mit ihm zuvor in dieser Filiale erlebt hatte. Unser Platz war noch immer unbesetzt und der Zauber lag immer noch in der Luft. Obwohl viele Leute drinnen waren, hat sich niemand auf unseren Platz gesetzt. Seufzend roch ich an der Rose, die er mir geschenkt hat. Sie roch sehr gut und frisch. Es war eine wunderschöne, rote Rose. Aber es ist doch normal, dass man jede Rose und jedes Geschenk liebt, das man von einem geliebten Menschen bekommen hat. Dann drehte ich mich um und ging langsam durch die Bahnhofshalle hinaus zum Parkplatz, wo mein Auto stand. „Bitte, ruf mich morgen an und sag mir, dass du willst, dass ich dich zu deinem Freund fahre!“, sagte ich im Auto zu mir selbst.

Zu Hause angekommen, sprühte ich die Rose sofort und ganz intensiv mit Haarspray ein. Es war zwar momentan schade um diese schöne, duftende Rose, aber ich wollte sie unsterblich machen. Ich wusste, dass Haarspray sowohl ihre Form als auch ihre Farbe konservieren würde und es war mir einfach wichtig, diese Rose für immer zu behalten. Sie sollte unsterblich sein, genauso wie die Liebe, die ich für Farid empfand.

Am nächsten Tag meldete sich Farid schon um 9.00 Uhr Früh. Ich war überglücklich, als ich seinen Namen am Handy-Display sah. „Möchtest du mich wirklich nach Deutschland fahren?“, fragte er vorsichtig. „Ja natürlich!“, antwortete ich, ohne weiter darüber nachzudenken.

„Okay“, sagte er weiter. „Dann komm zu dieser einen Grenze und warte auf der Deutschen Seite. Mein Cousin bringt mich zur österreichischen Grenze. Von da will ich allein zu Fuß über diese Brücke gehen und dann fahren wir zusammen weiter, okay?“ Selbstverständlich war das okay für mich. Sogar wenn er gesagt hätte, wir müssten zwei Stunden durch den Fluss schwimmen, wäre es für mich auch in Ordnung gewesen. Für jemanden, den man liebt, tut man alles.

Also machte ich mich gleich auf den Weg, um rechtzeitig zu Mittag am vereinbarten Treffpunkt zu sein. Ich schnappte Felix und fuhr los.

Bei der vereinbarten Grenze angekommen, fand ich keinen Parkplatz, also fuhr ich auf die österreichische Seite und fand gleich einen. Ich entschloss mich, dort zu warten. Die Zeit verging und er kam nicht. Er müsste eigentlich längst da sein und er schrieb mir auch, dass er bereits da war. Aber so wie es aussah, an einer anderen Stelle. Schließlich fanden wir doch zueinander. Ich war überglücklich, als er zusammen mit seinem Cousin aus dem grauen Toyota ausstieg. Zuerst verstauten wir seinen Rucksack im Kofferraum meines Wagens. „Warum bist du hier?“, fragte er. „Du solltest doch auf der anderen Seite warten?“ Er lachte, als ich ihm erklärte, dass es drüben keinen Parkplatz gab. Aber es gefiel ihm sichtlich, dass ich ohne Furcht war. Meine Liebe zu ihm war einfach stärker als die Angst vor dem Gesetz oder einem Staat, der mir meine Liebe nicht vergönnt war und mich ohnehin nur aussaugte. „Ich schlage vor, wir gehen erstmal was essen?“, sagte er fröhlich. Gute Idee! So konnte ich mehr Zeit mit ihm zusammen verbringen. Also suchten wir zu dritt nach einem Lokal und fanden schon bald eine kleine Pizzeria. Wir setzten uns in den Gastgarten. Es war warm in der Sonne und in diesem Moment spürte ich, dass seine Zuneigung zu mir ebenfalls immer stärker wurde. Aus Wertschätzung und Dankbarkeit entwickelte sich plötzlich bei ihm etwas. Sein Gefühl zu mir steigerte sich. Vielleicht fühlte er jetzt einen Bruchteil von dem, was ich für ihn empfand. Wenn er mich auch in diesem Moment sicher nicht genauso liebte wie ich ihn, hatte sich sein Herz trotzdem noch weiter für mich geöffnet. Wahrscheinlich hatte er selbst noch nie zuvor so gefühlt. Nach dem Essen machten wir uns wieder auf den Weg zurück zu den Autos. „Am besten, du fährst jetzt wieder mit mir nach Hause!“, schlug ich vor. Er sah mich entschlossen an und meinte: „Natürlich nicht! Mein Plan steht fest! Was soll ich noch länger in einem Land, das mich nicht haben will?“ Sein Cousin meinte auch, dass es besser wäre, wenn er noch hierbleiben würde und noch versuchen würde, ob es nicht doch noch irgendeine Möglichkeit gäbe. „Wirf eine Münze!“, schlug ich vor. „Wirf eine Münze und lass die Münze entscheiden, was du tun sollst!“ Er lachte über diesen Vorschlag. Ich holte eine € 2,-- Münze aus meiner Tasche und gab sie ihm. „Kopf, du kommst mit mir nach Hause, Zahl, wir fahren nach Deutschland“, erklärte ich. Farid warf die Münze zweimal, um sich des Ergebnisses sicher zu sein. Zweimal kam „Kopf“ zum Vorschein. „Egal“, sagte er nachdenklich. „Ich glaube an sowas nicht. Ich fahre trotzdem.“ Entrüstet sagte ich: „Aber du hast gesehen, dass die Münze zweimal Kopf gezeigt hat! Es ist besser, wenn du noch hierbleibst! Bis Mitte April darfst du doch sowieso bleiben!“ Es gelang mir nicht, ihn zu überzeugen. Auch sein Cousin schaffte es nicht. Schließlich gaben wir auf. Er wollte seinen Willen durchsetzen, also machten wir uns auf den Weg. Innig verabschiedete er sich von seinem Cousin und stieg in mein Auto ein. „Soll ich nicht doch lieber allein über diese Brücke gehen und dann steige ich auf der anderen Seite wieder zu dir ins Auto?“, fragte er besorgt. „Nein, warum?“, entgegnete ich entrüstet. „Na, weil ich mir Sorgen mache, dass dir etwas passieren könnte, wenn es eine Grenzkontrolle gibt und sie dich mit einem Flüchtling im Auto erwischen“, sagte er weiter. „Ah geh!“, wehrte ich ab. „Es passt schon.“ Dann starteten wir los und fuhren über eine wunderschöne, romantische Brücke. „Schau, so leicht war das – und so schön!“, rief ich begeistert. „Willkommen in Deutschland, Farid!“ Als wir ein paar Kilometer gefahren waren, bemerkte Farid plötzlich, dass er kein Internet mehr hatte. Es war ihm also nicht mehr möglich, seinen Freund nach der Adresse in München zu fragen. „Okay, dann fahren wir wieder zurück“, sagte ich geduldig. „Wir sind ja noch nicht weit gefahren.“ Bei der nächsten Gelegenheit wendete ich den Wagen und wir fuhren wieder zurück. Wieder über diese wunderschöne Brücke und dann standen wir wieder in Österreich. „Ah, jetzt habe ich wieder Internet“, sagte er belustigt. Wir lachten beide. Er erledigte die Konversation mit seinem Freund Emal in München und als uns die Adresse bekannt war, gab ich sie auch gleich in mein Navi ein. Anschließend fuhren wir noch ein weiteres Mal über die Brücke. Wir verstanden uns so gut und hatten trotz der schlimmen Situation, in der er sich befand, einen unglaublichen Spaß. Wahrscheinlich sollte man die schlimmsten Situationen im Leben einfach weglachen, damit sie nach und nach von selbst verschwinden, weil sie der positiven Energie, die beim Lachen entsteht, nicht länger standhalten können.

Es fühlte sich an, als würde ich mit ihm einfach in den Urlaub fahren. Immer wieder verdrängte ich die Tatsache, dass ich ihn an einen Ort bringen und dann allein wieder nach Hause fahren würde und ihn dann vielleicht nie wiedersah. Wir unterhielten uns die ganze Zeit und nebenbei spielte ich ihm meine Lieblingsmusik vor. Es begann ganz leicht zu regnen und irgendwann befanden wir uns plötzlich in einem Vorort von München, wo Farids Freund wohnte. Es dämmerte langsam und der Regen wurde stärker. Wir standen vor einem wunderschönen, großen Haus. Emal wartete schon auf uns. Er kam sofort aus dem Haus gerannt und zeigte mir, wo ich mein Auto parken konnte. Nachdem ich mein Auto abgestellt habe und wir beide ausgestiegen sind, wurde Farid von seinem Freund innig und herzlich umarmt. Emal freute sich sehr, dass er seinen Freund endlich wiedersehen konnte. Sie haben sich auf der Flucht von Afghanistan nach Europa kennengelernt.

Farids Flucht dauerte mehr als drei Monate. Nachdem er die Aufforderung der Taliban ignoriert hat, einer von ihnen zu werden, wurde er bedroht. Seine Mutter fürchtete um das Leben ihres ältesten Sohnes und wollte, dass er das Land verlässt. Der Abschied von seiner Familie fiel ihm sehr schwer. Seine Schwestern weinten – vor allem seine jüngste Schwester. Seine Tante wollte ihn zum Flugplatz nach Kabul bringen, um ihm auf die Art einen letzten Dienst erweisen zu können, aber er schlug dieses Angebot ab. „Ab jetzt beginnt mein Kampf!“, sagte er zu seiner Familie und machte sich allein auf den Weg. Von Kabul aus, flog er in den Iran, musste dann die äußerst gefährliche Grenze zur Türkei meistern und kam dann auf dem Landweg über Serbien und Ungarn nach Österreich. Gefährliche Grenze deshalb, weil die Grenzwachen zwischen dem Iran und der Türkei auf die Flüchtlinge schießen. Immer wieder starben Menschen an diesen Grenzen. Insgesamt war die Flucht nach Europa extrem gefährlich, obwohl der Seeweg noch viel gefährlicher war. Wenn die Boote der Flüchtlinge mitten am Meer sind, dann kommt ein schwarzes Boot, mit schwarz gekleideten, völlig vermummten Männern. Anstatt den Flüchtlingen zu helfen, stechen diese dann mit Lanzen auf die Boote ein. Unglaublich, dass so etwas tatsächlich passiert – nur davon liest niemand in den Medien. Die schwarzen Boote gehören der Regierung. Es sind also offizielle Mörder, die den Auftrag der Regierung haben, die Flüchtlinge ertrinken zu lassen. Nicht nur erlaubter Mord an Tausenden, sondern sogar befohlener Mord, der aber trotzdem irgendwann gerächt wird.

Die Gruppe, mit der Farid nach Europa gekommen war, wurde mit der Zeit immer kleiner. Wenn jemand zu schwach war, wurde er zurückgelassen. Manche sind einfach in Schluchten gestürzt und viele sind einfach zusammengebrochen. Sie mussten meistens den ganzen Tag lang gehen, ohne auch nur eine Pause machen zu dürfen. Einmal fuhren sie im Frachtraum eines LKWs mit. Immer wieder erstickten Menschen in solchen LKWs, weil sie keine Chance hatten, um sich aus dieser gefährlichen Falle zu befreien. Auch Farid und seiner Gruppe drohte beinahe der Erstickungstod. Doch glücklicherweise hatte der LKW eine Plane und keine feste Abdeckung. So konnten sie die Plane einfach aufschneiden, um Luft zu bekommen. Andere hatten da weniger Glück – wurden doch vor einigen Jahren mehr als siebzig Flüchtlinge erstickt in einem LKW gefunden. Eine ganz besondere Gefahr auf der Flucht war die Tatsache, dass es weder zu Essen noch zu Trinken gab. Sie aßen Beeren und Blätter und es war ihnen irgendwann egal, ob diese giftig waren. „Wenn du kraftlos vor lauter Hunger wirst, dann isst du alles – egal, ob du daran sterben könntest, oder nicht“, erklärte er mir. „Du trinkst auch aus Pfützen. In so einem Moment ist dir alles egal.“ Farid hat viele schlimme Situationen während dieser drei Monate erlebt. Sie marschierten stundenlang! Oft wanderten sie zwanzig Stunden lang durch, ohne zu schlafen. Eine Frau wäre einmal fast einen Abgrund hinuntergestürzt, aber Farid konnte sie in letzter Sekunde festhalten und rettete damit ihr Leben. Ihr eigener Mann stand nur verzweifelt daneben und war nicht fähig, zu reagieren. Er war selbst so kaputt, dass er nicht einmal seine eigene Frau vor dem sicheren Tod hätte bewahren können. Farid half vielen auf diesem schweren Weg. Er trug einen kleinen Jungen, der nicht mehr weitergehen konnte, obwohl einer der Schlepper ihn aufforderte, das Kind zurückzulassen. „Wer nicht selbst gehen kann, der wird es auch später nicht schaffen!“, sagte der Schlepper zu ihm. Aber Farid half dem erschöpften Buben trotzdem und trug ihn, oder erzählte ihm Geschichten, um ihn von der schlimmen Situation abzulenken. Er war ein guter Mensch, der gerne anderen in der Not half. Obwohl er in seinem Leben so schlimme traumatische Dinge erlebt hat, bewahrte er sich trotzdem seine Güte und Herzenswärme.

Plötzlich ruckelt das Flugzeug und beinahe hätte ich mein Buch fallen lassen. Die Maschine wackelt und bebt. Es fühlt sich an, als würden wir mit einem riesigen Schlitten über eine harte, holprige Schneebahn jagen. Ein paar Reihen vor mir schreit eine Frau kurz auf. Etwas weiter hinten beginnt ein kleines Kind zu weinen. Ich bin damit beschäftigt, das Ende des Buches zu lesen, das mir ein Unbekannter vor mehreren Monaten anonym zugeschickt hat. „Der geheimnisvolle Fremde“ von Mark Twain. Ich entdeckte es vor Monaten in meinem Postkasten. Voller Überraschung und Freude trug ich es, zusammen mit der Post, in meine Wohnung. Oben angekommen, machte ich das Päckchen auf. Nirgends war ein Absender zu finden. Das Päckchen enthielt dieses Buch von Mark Twain und einen kleinen Zettel, der wie ein Lesezeichen darin steckte. „Ich wünsche dir, dass es dir immer gut geht, und dass du glücklich bist!“, stand in schöner, geradliniger Handschrift darauf geschrieben. Bis heute weiß ich nicht, wem ich dieses Büchlein zu verdanken habe. Aber es ist auch egal – es hat sich jemand Gedanken über ein Geschenk für mich gemacht! Nur das zählt für mich. „Der geheimnisvolle Fremde“ von einem geheimnisvollen Fremden.

Die Turbulenzen sind sehr stark. Die meisten Passagiere haben Angst. Ich fürchte mich nicht. Ich habe während des letzten Jahres so viele Schwierigkeiten und Tiefpunkte erlebt, dass es mir egal wäre, wenn das Flugzeug wirklich abstürzen würde. Ich bin völlig ruhig und entspannt. Neugierig beobachte ich die Reaktionen der anderen Passagiere. Sie werden unruhig. Geflüster mischt sich unter das Dröhnen der Maschine. Ein paar Reihen vor mir, beginnt ein weiteres Kind zu weinen. „Bitte bleiben Sie angeschnallt, bis sich das Wetter wieder beruhigt hat!“, ertönt die Stimme einer Stewardess. Plötzlich klappt der Deckel eines Gepäckfachs, schräg über mir, auf. Eine Tasche donnert laut zu Boden. Noch mehr Kinder beginnen zu weinen und die Frau unter dem, nun weit geöffneten Gepäckfach, stößt einen lauten Schrei aus. Eine rothaarige Flugbegleiterin eilt sofort herbei, um das Gepäckstück wieder in das Fach zu räumen und die erschrockenen Leute zu beruhigen. Ein Kind, aus der letzten Reihe, beginnt nun laut zu schreien. Schnell läuft ein Mann von hinten nach vorne. Die Flugbegleiterin, die immer noch mit der erschrockenen Frau unter dem besagten Gepäckfach beschäftigt ist, ermahnt den Mann, sich wieder auf seinen Platz zu setzen. Das Kind schreit und weint immer lauter. Die Stimmung im Flugzeug wird unangenehm unruhig. Der Mann wechselt mit der Stewardess ein paar Worte, dann laufen beide zu dem Platz ganz nach hinten. Neugierig drehen sich plötzlich die meisten Passagiere um. Auch ich werfe einen Blick zurück. Inzwischen laufen zwei weitere Flugbegleiterinnen zu dem schreienden Kind. Eine davon hat einen Erste-Hilfe-Koffer dabei. Ein Mann, drei Reihen vor mir, schnallt sich ab und geht selbstbewusst ebenfalls nach hinten. „Ich bin Arzt“, höre ich ihn sagen. „Kann ich helfen?“ Langsam beruhigt sich das Kind. Ich schaue nicht mehr zurück, aber immer wieder sehe ich, wie sich die neugierigen Köpfe der Passagiere vor mir, vorsichtig nach hinten drehen. Langsam lassen auch die Turbulenzen nach. Es wird wieder ruhiger in dem Flugzeug und schon bald werden die Leute vergessen haben, dass es überhaupt Turbulenzen und ein Kind mit offensichtlichen Problemen gab. So wie sie alles sofort vergessen – als wären sie alle nur auf kurzzeitiges Erinnerungsvermögen programmiert. Zumindest weiß ich, wie dieses Buch endet! Egal, was auch passiert, es ist wichtig, den Schluss eines stundenlang gelesenen Werkes zu kennen, bevor man stirbt! Und somit genieße ich den turbulenten Flug und lese entspannt das Finale: >>Es stimmt, was ich dir enthülle; es gibt keinen Gott, kein Weltall, kein Menschengeschlecht, kein irdisches Leben, keinen Himmel, keine Hölle. Es ist alles ein Traum – ein grotesker und törichter Traum. Nichts existiert, nur du. Und du bist bloß ein Gedanke – ein schweifender Gedanke, ein nutzloser Gedanke, ein heimatloser Gedanke, der inmitten leerer Ewigkeiten umherwandert!“ Er verschwand und ließ mich entgeistert zurück; denn ich wusste und sah ein, dass alles, was er gesagt hatte, Wahrheit war.<<

Emal hieß uns, zusammen mit seiner Freundin Nicole, willkommen. Mein Hund Felix durfte auch mit, obwohl eine Katze im Haus war. Aber Felix, mein eleganter Spaniel, hatte kein Interesse an Katzen. Er war sehr folgsam und ruhig. Nicole war ebenfalls um einiges älter als Emal und hatte ein großes, wunderschönes Haus. Sie ließ sich vor zwei Jahren scheiden, weil sie sich unsterblich in Emal verliebt hatte. Sie hatte zwei minderjährige Kinder. Wir machten es uns auf der großen, weißen Couch im Wohnzimmer bequem. Emal und Nicole waren sofort damit beschäftigt, uns zu bewirten. Wir bekamen Safran-Tee und sehr gute, orientalische Kekse. Wir verbrachten einen sehr netten Abend miteinander. Die beiden Männer freuten sich, dass sie sich nach fast vier Jahren wiedersahen und gleichzeitig überschattete eine große Sorge unsere Runde, nämlich dass Farid noch immer nicht am Ziel war, während Emal bereits eine Lehre begonnen hat und bereits fix in Deutschland bleiben durfte. „Und Heiraten in Österreich bringt auch nichts?“, fragte Emal vorsichtig. „Für Asyl bringt das gar nichts“, antwortete Farid. „Wir haben uns schon erkundigt, weil wir wollen heiraten, auch wenn es für das Asylverfahren nichts bringt. Aber es ist insgesamt sehr schwierig, weil ich keine Papiere habe. Die Polizei hat meine Dokumente behalten, als ich mich in Österreich angemeldet habe. Ohne Dokumente kann man nicht heiraten. Und damit es für Asyl etwas bringt, müsste ich nach dem Heiraten die EU verlassen und dann einen Antrag stellen, um wieder zurückkommen zu können. Und dafür vergehen mindestens drei Monate! Es kann aber auch ein paar Jahre dauern!“, erklärte er weiter. Aber dann sprachen wir auch schon wieder über andere Themen, um diese Situation zu verdrängen. Es hat keinen Sinn, über etwas zu sprechen, das man nicht ändern kann. Die beiden Männer haben sich schon lange nicht gesehen. Da ist es bestimmt besser, über Themen zu reden, die schön sind und Energie geben. Deshalb entschieden wir uns, an diesem Abend Spaß zu haben und über die ganzen Probleme weder nachzudenken, noch zu sprechen. Erst spät nachts gingen wir dann ins Bett. Nicole hat uns das Bett im Gästezimmer frisch gemacht. Überall roch es nach orientalischen Gewürzen und überall standen Figuren aus fernen Ländern. Wir schliefen sehr gut in dieser Nacht und fühlten uns wohl. Es war so schön, wieder mit ihm einzuschlafen. Ich habe seine Nähe so vermisst. Seine zärtlichen Küsse bedeckten mein Gesicht und meinen Körper, bis ich einschlief. Am nächsten Morgen frühstückten wir gemeinsam und verbrachten einen wunderbaren Tag in München. Das Wetter war schön und warm. Wir blieben noch den ganzen Tag zusammen. Nicole und Emal waren beide der Meinung, dass es besser wäre, wenn Farid weiterhin in Österreich bleiben würde. „Vielleicht schaffst du doch noch eine positive Lösung?“, meinte Emal. „Nein, es hat keinen Sinn, ich habe alles versucht“, antwortete Farid. „Ich will nicht abgeschoben werden!“

Es ist unglaublich, was die Regierungen auf der ganzen Welt tun, um an Geld und Macht zu kommen. Menschenleben sind völlig egal! Hauptsache, die selbsternannte Elite kann ihren Willen durchsetzen und so viel Geld bekommen, wie sie niemals in ihrem Leben ausgeben kann. Es geht ihnen nur um die Macht über andere Menschen. Nur aus diesem Grund ist die EU an Abschiebungen nach Afghanistan so interessiert. Und nur aus dem Grund ist die EU auch so brutal in der Durchsetzung dieser Abschiebungen von Menschen, die zu uns kommen, weil sie Hilfe brauchen. Sie flüchten aus Ländern, in denen die westlichen Länder Krieg führen! Es geht den weltbeherrschenden Eliten einzig und allein nur darum, Länder auszubeuten, Waffen und Munition zu verkaufen – Menschen zu ermorden und immer beide Seiten des Krieges zu finanzieren. Die Gewinner und die Verlierer der Kriege bewirken, dass diese wenigen Menschen, die die Welt beherrschen, noch mehr Geld und Macht bekommen – die Frage ist eigentlich, ob es sich dabei tatsächlich um Menschen handelt. Die Welt soll permanent gespalten und in Angst und Schrecken versetzt werden. Die gekauften Mainstream-Medien berichten nur das, was sie berichten sollen. Aber diese Berichte sind meistens meilenweit von der Wahrheit entfernt. Herrschen und spalten ist das Prinzip! Angst und gelenkte Propaganda helfen dabei, die medienhörigen Menschen, die stundenlang den hypnotischen Manipulationen ausgesetzt sind, von der eigentlichen finsteren Wahrheit fernzuhalten. Eine abgelenkte, ruhiggestellte und gespaltene Bevölkerung ist problemlos zu lenken und zu manipulieren. Ich war todunglücklich über diese Unmenschlichkeit und Ungerechtigkeit. Mein Herzenswunsch war es, Farid zu heiraten. Er war für mich der perfekte Partner, den ich mir lange gewünscht habe. „Es hat keinen Sinn“, sagte er resigniert und senkte den Kopf. „Ich fahre morgen Abend mit dem Zug nach Paris. Ich weiß, was ich tun muss, damit ich es schaffen kann. Morgen können wir ja noch einen Tag miteinander verbringen, aber am Abend bin ich dann weg.“ Aber ich konnte leider nicht. Morgen war Montag. Ich musste wieder arbeiten. Kurzerhand entschloss ich mich, meine Termine für den nächsten Tag abzusagen. „Nein, das will ich nicht!“, entgegnete Farid. „Ich will nicht, dass du wegen mir deine Arbeit lässt. Natürlich möchte ich auch, dass du da bleibst und noch einen Tag mit mir verbringst, aber ich möchte nicht, dass du wegen mir auch nur einen Tag lang kein Geld verdienst!“

Schließlich überzeugte ich ihn doch davon, dass es mir wichtiger war, in seiner Nähe zu sein und mit ihm Zeit zu verbringen, als blind dem Geld nachzulaufen und so verbrachten wir noch einen weiteren, wunderschönen Tag zusammen mit Nicole und Emal in München. Aber auch dieser Tag verging viel zu schnell und der Abend kam - und mit ihm, die Zeit des Abschieds. Wir fuhren zu viert zum Bahnhof. „Möchtest du nicht doch lieber wieder mit mir nach Hause kommen?“, fragte ich besorgt, obwohl ich die Antwort bereits kannte. Ich umarmte ihn innig – ein letztes Mal. Und wieder stieg er in einen Zug ein und ich musste am Bahnsteig zurückbleiben. Wieder schmerzte mein Herz, als der Zug langsam aus dem Bahnhof rollte. Wieder standen mir die Tränen in den Augen, als ich ihn die letzten Momente am Fenster sah und ihm zuwinkte. Und wieder brach in mir eine Welt zusammen, als ich dem Zug nachschaute, so lange, bis er vollends verschwunden war.

Der Mann aus Samangan

Подняться наверх