Читать книгу Theoretische Geographie - Heike Egner - Страница 14
2.2 Das Erkennen erkennen: Wie wirklich ist die Wirklichkeit?
ОглавлениеDefinition von Wissenschaft
Eine weit verbreitete Sicht von Wissenschaft lautet: „Wissenschaft ist eine Erkenntnisform, die auf erfahrbaren Tatsachen beruht“ (vgl. CHALMERS 2001, S. 5). Damit wird postuliert, dass Wissenschaft deshalb eine besondere Stellung in der Produktion von Wissen einnimmt, weil sie (1) auf Tatsachen basiert und diese Tatsachen (2) über einen sorgfältigen und vorurteilsfreien Einsatz der Sinne direkt ermittelt werden können. Es ist gerade die Annahme der Möglichkeit, die Welt vorurteilsfrei beobachten zu können, die zu der Sichtweise verführt, dass Tatsachen eine sichere und objektive Grundlage von Wissenschaft bilden könnten. Auf den ersten Blick ist das auch gar nicht so abwegig: Denn ist es nicht so, dass die Wissenschaft auf objektivierbaren Tatsachen und nicht auf Meinungen oder Spekulationen beruhen soll? Dennoch sind hier einige Zweifel angebracht, die bereits in den Möglichkeiten und Grenzen unserer Sinne beginnen, die wir für eine Beobachtung der Welt benötigen (Kapitel 2.2.1), und sich schließlich in erkenntnistheoretischen Überlegungen fortsetzen (Kapitel 2.2.2). Für die Geographie als vorwiegend angewandter Wissenschaft sind diese Überlegungen zentral, berühren sie doch den Gegenstand ihrer Forschung: „die Welt, in der wir leben“ (DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR GEOGRAPHIE, www.geographie.de/geographie_kurz.htm, zuletzt besucht am 06. 07. 2009).
Untersuchungsgegenstand „erfahrbare Tatsachen“
Wenn wir der oben genannten Definition folgen, dass Wissenschaft eine Erkenntnisform ist, die auf erfahrbaren Tatsachen beruht, dann schließen sich mindestens zwei Fragenkomplexe an, die die Struktur für die nachfolgenden Kapitel vorgeben: (1) Was sind „erfahrbare Tatsachen“? Welche Möglichkeiten der Beobachtung von Tatsachen haben wir? Und: Wie erkennen wir, dass es sich bei etwas um eine Tatsache handelt? Diese Fragen werden uns durch das gesamte Kapitel 2.2 begleiten, denn sie führen uns zu den zentralen Aspekten bei der Suche nach den Möglichkeiten der Erkennbarkeit der Welt und helfen uns dabei, uns dem Begriff der Wahrheit wissenschaftlicher Erkenntnis zu nähern. (2) Daran schließt sich der Fragenkomplex an, ob und gegebenenfalls wie aus festgestellten Tatsachen wissenschaftliche Gesetze und Theorien gewonnen werden können; dies wird Gegenstand von Kapitel 2.3 sein.