Читать книгу Theoretische Geographie - Heike Egner - Страница 9

2.1 Wozu Theorie? Grundlagen der Wissenschaft

Оглавление

Verstehen als Ziel

Theorien dienen dazu, die Ziele der Wissenschaft verfolgen, ja sie überhaupt handhabbar machen zu können. Eines der wesentlichen Ziele wissenschaftlicher Arbeit bei der Suche nach wahren und gehaltvollen Aussagen oder Theorien ist es, Verstehen zu produzieren und hierfür eine Ordnung in die uns chaotisch gegenübertretende Welt zu bringen. Diese Ordnung kann auf unterschiedlichen Wegen erzeugt werden.

Quantitativorientierte Forschung

In der überwiegend quantitativ-orientierten Forschung in den Natur- und Sozialwissenschaften wird die „Realität“ (was immer das sein mag, siehe Kap. 2.2) nach einem System von Regeln nachprüfbar in einem Modell rekonstruiert. Diese nachprüfbaren Regeln, die in einem umfassenden Modell münden sollen, liegen in Form von Theorien vor. So fasst z.B. die Glaziale Serie eine „naturgesetzliche Abfolge von Georeliefformen im Bereich des Randes eines Gletschers“ (LESER 1998) zusammen, die im Gelände aufzufinden (und zu suchen) sind. Das ist die eine Vorgehensweise.

Qualitativ-orientierte Forschung

In einer qualitativ-orientierten Forschung dagegen geht der Versuch, eine Ordnung zu finden, eher von einem zirkulären Verhältnis von Empirie und Theorie aus: Die Wirklichkeit lässt sich nur anhand von Theorien beobachten, und gleichzeitig kommen Theorien nur durch empirische Beobachtung zustande. So führt erst die Annahme, dass die ethnische Herkunft bei einer wirtschaftlichen Tätigkeit eine Rolle spielt, zu der gezielten Beobachtung beispielsweise von Döner-Buden oder durch Türken geführte Gemüsegeschäfte, während diese beobachteten Befunde zu der Theorie über „Ethnic Business“ führt. Während also im ersten Fall die Empirie gewissermaßen den Prüfstein für die Theorie darstellt, bringen dem zweiten Verständnis nach beide Ebenen auf unterschiedliche Weise „Wirklichkeit“ hervor. Sowohl die quantitative als auch die qualitative Herangehensweise spielen in der Geographie eine große Rolle. Ungeachtet der Gewichtung des Verhältnisses von Theorie und Empirie, ist die Maxime des wissenschaftlichen Handelns hierbei das Kriterium der „Wahrheit“ (siehe Kap. 2.2.5).

Nützlichkeit als Ziel

Auf einer ganz praktischen Ebene zielt wissenschaftliche Forschung auch darauf ab, dass mit ihren Ergebnissen eine Verbesserung der Lebensbedingungen des Menschen ermöglicht wird. Die Maxime des wissenschaftlichen Handelns hierbei ist das Kriterium der „Nützlichkeit“ oder der „Mittel“ (siehe auch Kap. 3.1.3). Dabei können wissenschaftliche Ergebnisse bereits zu nützlichen Instrumenten führen, ohne dass das Prinzip dahinter verstanden wird (s.u.). Insofern sind „Verstehen“ und „Mittel/Nützlichkeit“ zwei ganz grundsätzlich verschiedene Ebenen von Wissenschaft.

Geltungsbereich von Theorien

Theorien fallen nicht vom Himmel. Sie wurden/werden erarbeitet und entstanden/entstehen in einem bestimmten Kontext, für eine spezifische Fragestellung. Daneben gibt es zwar auch die größer angelegte Suche nach der so genannten TOE (Theorie of Everything), der Weltformel, mit der alle Phänomene gänzlich erklärt und miteinander verknüpft werden können. Die Suche war allerdings bislang erfolglos und es gibt berechtigte Zweifel, dass wir die TOE jemals finden (können). Und so lange haben Theorien nur bestimmte Reichweiten, und ihre Erklärungskraft zielt auf spezifische Probleme oder Fragestellungen. Folgerichtig können Theorien auch nur in bestimmten Kontexten verwendet werden. Die Frage also, wozu man eine Theorie verwenden sollte, lässt sich nur über Hilfsfragen klären: Was sehe ich mit der Theorie anderes oder mehr, als ohne sie? In welchem Kontext ist sie anwendbar? Was bekomme ich in den Blick, wenn ich diese oder jene Theorie meinen Überlegungen zugrunde lege? Bevor wir jedoch eine Entscheidung über die Anwendbarkeit einer Theorie für eine bestimmte Fragestellung treffen können, brauchen wir Kenntnis darüber, was eine Theorie überhaupt ist.

Theoretische Geographie

Подняться наверх