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3. Historische Staatsnähe des Non-Profit-Sektors in Deutschland

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Die Wurzeln der Staatsnähe des Non-Profit-Bereichs in Deutschland reichen bis in das 19. Jahrhundert zurück. Die Verflechtung von öffentlichen Institutionen mit den freien Trägern der Wohlfahrtspflege ist vielfältig. Der Staat kann nicht alle Leistungen, für die er politisch verantwortlich ist, selbst erbringen. Die Übertragung staatlicher Aufgaben an nichtstaatliche Organisationen entspricht dem Subsidiaritätsprinzip. Dieses politische und gesellschaftliche Ordnungsprinzip ist in der Sozialgesetzgebung (Sozialgesetzbuch/SGB XII, § 5) verankert und weist nichtstaatlichen Organisationen den Vorrang bei der Erstellung sozialer Dienstleistungen zu. Diese Festschreibung regelt also eine spezifische Form der Partnerschaft zwischen dem Staat und Teilen des Non-Profit-Sektors, bedeutet aber auch wechselseitige Abhängigkeit.

Im Non-Profit-Bereich profitierten vor allem die Wohlfahrtsverbände durch hohe Wachstumsraten vom Subsidiaritätsprinzip. Die Träger der freien Wohlfahrtspflege in Deutschland zählen weltweit zu den größten NPO.

Für die öffentliche Hand bedeutet die vertragliche Ausgliederung von Aufgaben einen Zugewinn an Flexibilität in der Leistungserstellung, und zwar in personeller, zeitlicher und verwaltungstechnischer Hinsicht. Der Staat gründet deshalb auch selbst NPO. Im Rahmen der Verwaltungsreform (Neues Steuerungsmodell) haben solche Ausgründungen zugenommen. Die Nachfrage nach sozialen Diensten und Einrichtungen (z. B. Kinderpflegestellen und Einrichtungen für Jugendhilfemaßnahmen) ist überdies in großen Teilen staatlich gestiftet. Die Steuerung der Produktion, Verteilung und Finanzierung sozialer Dienste finden in Arrangements zwischen dem staatlichen Finanzier und Trägerorganisationen statt (vgl. Buestrich/Wohlfahrt 2008).

Gemessen an der staatspolitischen Diskontinuität durch mehrere Regimeumbrüche weist Deutschland sozialpolitisch ein großes Maß an Kontinuität auf. Der Non-Profit-Sektor zählt zu den strukturellen Garanten gesellschaftlicher Stabilität. Wobei allerdings die Entwicklung von NPO in der DDR gesondert gewertet werden muss (s. o.: 1. Gewachsene Organisationsformen zwischen Markt und Staat).

Die sozialpolitische Stabilität in Deutschland ist nicht zuletzt der geregelten Partnerschaft zwischen öffentlicher Hand und freien Trägern geschuldet. Im internationalen Vergleich scheint die dezentrale und plurale Anbieterstruktur für soziale Dienstleistungen vorteilhaft. Eine der Stärken des deutschen Systems ist die verlässliche und ortsnahe Produktion von Dienstleistungen und das hohe Qualifikationsniveau des Personals im sozialen Sektor.

Die heutige Gewichtung zwischen den drei Sektoren Staat, Markt und Zivilgesellschaft in Deutschland ist eine Errungenschaft, die sich aus dem gesellschaftlichen Leben über Generationen hinweg herausgebildet hat. Sozialpolitischen Durchbrüchen gingen kritische Situationen wie Kriege, soziale Unruhen oder schwerwiegende Arbeitskämpfe voraus. Non-Profit-Organisationen spielten in der Abwendung von Krisen und Notsituationen und für den sozialen Fortschritt eine bedeutende Rolle. Das betrifft vor allem die Bereiche Arbeit, Bildung, Gesundheit, Wohnen, Einkommenssicherung und Schutz vor Armut. Errungenschaften wie Sozialversicherung, Tarifvertragswesen und soziale Dienste sind organisatorisch im Non-Profit-Bereich angesiedelt. Sie waren das Ergebnis politischer Auseinandersetzungen im Kontext unterschiedlicher Machtverhältnisse und wirtschaftlicher Möglichkeiten.

Die relative Staatsnähe des Non-Profit-Sektors in Deutschland hat Tradition. Ein Grund mag sein, dass z. B. wichtige Reformen »von oben« erfolgten – etwa die schrittweise Modernisierung Preußens (1807-1820) nach der Niederlage gegen Napoleon. Diese Modernisierungswelle umfasste die preußische Verwaltungsreform, die Bauernbefreiung und Entfeudalisierung der Bodenordnung, die Einführung der Gewerbefreiheit sowie eine Finanz- und Heeresreform. Dazu kam noch die Reform des Bildungs- und Universitätswesens mit der Gründung der Berliner Humboldt-Universität (1810). Diese Reformen stützten sich auf Prinzipien der bürgerlichen Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft. Sie bildeten den Boden für die Entwicklung der Naturwissenschaften in Deutschland und der darauf aufbauenden Industrialisierung (Kaufmann 2003, 250 ff.).

Die Industrialisierung setzte in den 1840er-Jahren ein, wobei die Entwicklung des Kapitalismus mit der Staatsentwicklung Hand in Hand ging. Das Deutsche Reich entstand 1871 aus einem Staatenbund. Die Reichsgeschäfte im Kaiserreich führte zunächst im Wesentlichen die preußische Verwaltung.

Die Ausbildung höherer preußischer Beamter umfasste neben der Kameralistik und Verwaltungslehre auch Wirtschaftslehre. Schon in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts rezipierte die preußische Beamtenschaft die wirtschaftsliberalen Lehren von Adam Smith. Die Entwicklung des Industriekapitalismus profitierte von staatlichen Garantien, Rechtssicherheit und Hilfen beim Aufbau des Arbeitskräftepotenzials.

Eine erste Abkehr vom Wirtschaftsliberalismus zeichnete sich 1877 ab, als die damalige Wirtschaftskrise die Menschen umtrieb. Die »Arbeiterfrage« wurde zum drängenden Problem. Das heißt, die Verelendung der Industriearbeiter durch gesundheitsschädigende Arbeitsbedingungen und ausbeuterische Entlohnung rief staatliches Handeln auf den Plan. Zu den Hauptforderungen gesetzlicher Eingriffe zugunsten der Arbeiterschaft gehörten die Beseitigung der Sonntagsarbeit, Einschränkung der Kinderarbeit und eine Arbeiterversicherung. Die ersten administrativen Eingriffe galten dem technischen und gesundheitlichen Arbeitsschutz.

Staatliche Interventionen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts legten den Grundstein für die Entwicklung sozialer Sicherungssysteme, die sich bis heute bewähren. Zahlreiche Institutionen und NPO verdanken ihren Gründungszusammenhang Gesetzesinitiativen jener Jahre.

Nach dem »Gründerfieber« hatte die »große Depression« zur Betonung nationalwirtschaftlicher Schutz- und Subventionsbestrebungen geführt. Sie war Ausgangsituation der ersten Schutzzölle (1879), weiterer staatlicher Hilfsmaßnahmen sowie der Verstaatlichung der preußischen Eisenbahn. Seit 1876 begann Bismarck, die liberale Handelspolitik aufzugeben. Seine Hinwendung zum Gedanken eines schützenden Wirtschaftsstaates stand in enger Verbindung mit sozialpolitischen Maßnahmen, die dann folgten.

Die seit 1880 vorbereitete Bismarck’sche Sozialreform umfasste drei epochemachende Gesetzeswerke zur Absicherung gegen die Risiken Krankheit (1883), Berufsunfall (1884) und Invalidität (1889). Gemeinsame Merkmale dieser Versicherungen waren die Versicherungspflicht, die Finanzierung durch Beiträge sowohl der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer, eine selbstständige Organisation der Versicherungen in Form von Körperschaften des öffentlichen Rechts und ein Rechtsanspruch auf die ihrer Höhe nach gesetzlich festgelegten Leistungen. Das 1884 verabschiedete Gesetz zur Berufsunfallversicherung sah die Einrichtung von Berufsgenossenschaften vor.

Der mit den Bismarck’schen Sozialreformen geschaffene Typus öffentlich-rechtlicher Sozialversicherungen, die vom öffentlichen Budget getrennte Verwaltungseinheiten bildeten, gelten weltweit als vorbildlich und sind bedeutende Prototypen nicht-profitorientierter Organisationen.

Die Bismarck’schen Sozialversicherungen bildeten also die Basis der sozialen Sicherung innerhalb des Deutschen Reiches. Der Ausbau der Sicherungssysteme ließ dann den Non-Profit-Sektor speziell im Bereich der sozialen Dienste weiter wachsen. Die Krankenkassen verbesserten ihre Leistungen parallel zum medizinischen Fortschritt und bezogen in ihren Leistungskatalog die Zahlung von Krankengeld ein. Die Berufsgenossenschaften entschädigten neben Betriebsunfällen auch Berufskrankheiten und erweiterten ihre Aktivitäten in die Bereiche der Rehabilitation und Prävention. Ab 1911 wurden die Alters- und Invaliditätsversicherung sowie die Hinterbliebenenfürsorge eingeführt – und in der Weimarer Republik schließlich dann auch die Arbeitslosenversicherung.

Der Erste Weltkrieg und der anschließende Währungszusammenbruch schufen neue Notlagen, die weit in den Mittelstand hineinreichten. Mit der Hyperinflation von 1921/23 verloren die bürgerlichen Mittelschichten den Rest ihrer Finanzvermögen und damit auch ihre Altersvorsorge. Um die Betroffenen nicht der Armenfürsorge zu überlassen, entstanden neue staatlich regulierte Fürsorgeformen für Kriegshinterbliebene, Kriegsbeschädigte und Währungsgeschädigte. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Weimarer Zeit führten zu vermehrten Interventionen des Staates, die auch die Lohnpolitik betrafen. Das nationalsozialistische Dritte Reich setzte diesen Kurs verstärkt fort. Allerdings mündete die nationalsozialistische Politik schließlich in eine weitgehend verstaatlichte Kriegswirtschaft.

Nach der militärischen Überwindung des Dritten Reiches wurden in Westdeutschland früh die Weichen für ein marktwirtschaftliches System gestellt. Im ersten Bundestag der Bundesrepublik Deutschland fand sich eine knappe Mehrheit für das durch Wirtschaftsminister Erhard propagierte Leitbild der Sozialen Marktwirtschaft (s. o.: 2. Paradigmenwechsel von der Bedarfs- zur Marktorientierung).

Der Zusammenhang zwischen Schulbildung und wirtschaftlichem Fortschritt war frühzeitig erkannt worden. So wurde in Preußen schon 1888 die Schulgeldfreiheit des Volksschulunterrichts eingeführt. Die allgemeine Schulpflicht war im 18. Jahrhundert zunächst in den sächsischen Fürstentümern Weimar und Gotha, dann 1716/17 in Preußen eingeführt worden. Auch die Entwicklung des Bildungsbereichs wurde vornehmlich von staatlicher Seite vorangetrieben. Das Bildungswesen gilt in Deutschland traditionell als Aufgabe der Länder (Kulturhoheit). Von den drei Gliedern des Schulsystems (Volksschule, Realschule, Gymnasium) wurde die gymnasiale Bildung in staatliche Regie genommen. Die Real- und Volksschulen blieben kommunale Angelegenheit, aber die Qualifizierung der Lehrer wurde auch hier durch staatliche Lehrerseminare durchgeführt. Unter dem nationalsozialistischen Regime kam das allgemeinbildende Schulwesen vollständig unter staatliche Kontrolle.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es in Westdeutschland zu einer Wiederbelebung des Bildungsföderalismus und auch des freien, insbesondere konfessionellen Schulwesens, das jedoch nur einen Bruchteil des Bildungsangebots ausmacht. In der DDR unterstand das zentral organisierte Bildungswesen der Sozialistischen Einheitspartei (SED). Kultus-, Bildungs- oder vergleichbare Ministerien sind für alle Lehrer an staatlichen Schulen zuständig. In den »alten« Bundesländern der früheren Bundesrepublik Deutschland sind die Lehrer fast durchweg Beamte, in den neuen Bundesländern fast ausschließlich Angestellte.

Die berufliche Ausbildung, die im deutschen Sprachraum von alters her eine große Bedeutung hatte, wurde vielerorts durch staatliche Lehrabschlussprüfungen geregelt. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts befindet sich die Berufsausbildung im Zuständigkeitsbereich der gewerblichen Wirtschaft, insbesondere der Industrie-, Handels- und Handwerkskammern. Die Grundstruktur des dualen Systems von betrieblicher Lehre und begleitender Berufsschulbildung hat sich bis heute erhalten.

Die Erwachsenenbildung ist sehr vielfältig und vergleichsweise wenig staatlich reguliert, aber teilweise öffentlich finanziert oder subventioniert. Abgesehen von Universitäten und kommunalen Volkshochschulen stehen die Weiter- und Fortbildungsangebote fast ausschließlich in privater Trägerschaft. (Zur historischen Entwicklung der sozialen Sicherung und des Bildungswesens vgl. Kaufmann 2003.)

Das Bildungssystem in Deutschland ist also weitgehend staatlich geprägt und reguliert. Im Unterschied dazu ist das US-amerikanische Bildungswesen, auch der Primar- und Sekundarbereich, in großen Teilen von privaten Trägern organisiert.

Auch der oben umrissene Entwicklungspfad sozialer Sicherung in Deutschland unterscheidet sich von Institutionalisierungen in anderen Staaten. Im internationalen Vergleich gibt es in diesem Punkt wesentliche Unterschiede. Der britische Liberalismus vertrat ganz andere Ideale als der französische Liberalismus. Die Entwicklung in Großbritannien – und erst recht in den USA – ist weit weniger staatlich »gerahmt« als in Frankreich und in Deutschland.

In Frankreich prägten Kampfbegriffe wie »Solidarité« und »Fraternité« (Französische Revolution 1789-1799) die Gesellschaftsauffassung. Die liberalen Ansprüche auf Freiheit waren dort mit der Notwendigkeit staatlicher Interventionen zum Schutz dieser Freiheit verbunden.

In Großbritannien, dem ersten Land mit kapitalistischer Marktwirtschaft, prägten wirtschaftsliberale Grundsätze die Gesellschaft. Der Dominanz individualistischer Vorstellungen von Wohlfahrt standen Forderungen nach politischen Eingriffen zur Lösung sozialer Probleme entgegen: »Government shall not interfere.«

Stärker noch als in Großbritannien ist das Misstrauen gegen staatliche Interventionen in den USA. Der klassische amerikanische Liberalismus und Individualismus hat geringe oder keine Erwartungen an staatliche Regulation. Und ein starker Staat wird dort geradezu als Bedrohung der Freiheit erlebt.

Dem unterschiedlichen Verständnis der Regierungsfunktion entsprechen auch unterschiedliche Verwaltungstraditionen. Bis weit in das 19. Jahrhundert blieb in Großbritannien die Verwaltung eine ehrenamtliche Angelegenheit wohlhabender Bürger, während auf dem Kontinent etwa in Frankreich und in Preußen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Idee des professionellen Staatsdieners aufkam.

In den Vereinigten Staaten hat sich bis heute keine einheitliche Verwaltungskultur entwickelt. Auch hier war die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben ursprünglich ehrenamtlich. Da mit solchen Aufgaben Macht und Einfluss verbunden sind, entstand auf nahezu natürliche Weise ein parteipolitisches Patronagesystem mit kaum kontrollierbaren Einflussmöglichkeiten von Interessengruppen. Die Finanzierung teurer Wahlkampagnen durch politische Klientel aus der Wirtschaft entspricht auch heute noch dieser Tradition.

Die Vereinigten Staaten sind der Prototyp einer liberalen Bürgergesellschaft, in der sich freie Individuen selbst organisieren (»pro community but anti state«). Anders als in Deutschland, wo das Subsidiaritätsprinzip große Teile des nichtstaatlichen Non-Profit-Sektors an den Staat bindet, ist in der amerikanischen »civil society« der Dritte Sektor eher staatsfern. Die Kultur privater Wohltätigkeit wird in den USA allerdings von weiten Teilen der Bevölkerung gepflegt und finanziert. (Eine ausführliche Würdigung der Entwicklung des Non-Profit-Sektors in den USA findet sich bei Anheier 2005, 21-29.)

In den USA sind die Instrumente der sozialen Sicherung von Marktprinzipien und Interessen privater Kapitalakkumulation geprägt. Betriebliche Sozialleistungen spielen dabei eine entscheidende Rolle. Die sie gewährleistenden Fonds sind bedeutende Akteure auf den Finanzmärkten. Und die Wirksamkeit von Marktkräften darf durch staatliche Maßnahmen nicht beeinträchtigt werden – so sagt die liberale Doktrin.

Das US-amerikanische Modell ist von den in Europa vorherrschenden wohlfahrtsstaatlichen Mustern ebenso weit entfernt wie beide wiederum vom staatszentrierten Planwirtschaftssystem der ehemaligen Ostblockstaaten (vgl. Kaufmann 2003).

Zu den Besonderheiten der Situation in Deutschland zählt das gemeinwirtschaftliche Modell, das sich nach 1945 angesichts der Ost-West-Dichotomie vor allem in Nord- und Westeuropa entwickelte. Gemeinwirtschaftliche Ansätze sind im Genossenschaftswesen und im Wohnungsbau am stärksten ausgeprägt. Erst Anfang der 1990er-Jahre begannen sich diese Bereiche, zu denen Genossenschaften im Bank- und Wohnungswesen gehören, dem kommerziellen Sektor anzunähern.

Bis 1989 bewegte sich die Entwicklung in Westdeutschland im Spannungsverhältnis zwischen Kapitalismus und Sozialismus.

Der westdeutsche Weg unterscheidet sich ebenso deutlich von der liberal-kapitalistischen Tradition der Vereinigten Staaten wie vom sozialistischen Weg der Sowjetunion und ihrer Einflusssphäre im anderen Teil Deutschlands. Vielfach ist, auf die westeuropäischen Staaten bezogen, auch von einem »Dritten Weg« zwischen Kapitalismus und Sozialismus die Rede. Es war der Weg der Kompromisse zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften.

Die Gewerkschaften in der BRD rückten von Vorstellungen umfassender Gemeinwirtschaft ab und erkannten die marktwirtschaftliche Ordnung an. Damit akzeptierten sie das Privateigentum an den Produktionsmitteln sowie die sich daraus ableitende Leitungskompetenz der Unternehmen. Im Gegenzug akzeptierten die Unternehmer die Gewerkschaften als Verhandlungspartner und legitime Vertreter der Arbeiterinteressen. Außerdem arrangierten sich die Unternehmer mit staatlichen Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Arbeitnehmer. Von den Vorteilen friedlicher Arbeitsbeziehungen profitierten alle Seiten. Die Unabhängigkeit wirtschaftlicher Unternehmerfunktionen blieb gewährleistet, gleichzeitig wurden Schutz- und Teilhaberechte der Beschäftigten sowie soziale Sicherungssysteme gestärkt. Der Kapitalismus erhielt ein soziales Gesicht. Die sich daraus ergebende Stabilität und Prosperität erwies sich als ein starkes Argument für die soziale Marktwirtschaft.

Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und der Öffnung der Märkte wurde der Einflussgewinn des US-amerikanischen Modells und seiner liberal-kapitalistischen Prinzipien von vielen als globaler Siegeszug des Kapitalismus gewertet. Es schien dazu keine Alternative zu geben (s. o.: 2. Paradigmenwechsel von der Bedarfs- zur Marktorientierung). Heute verschiebt sich das Kräfteverhältnis mit Blick auf den asiatischen Wirtschaftsraum sowie auf aufstrebende »Schwellenländer«. Zudem mehren sich die Sorgen, das liberale marktwirtschaftliche Modell sei in Zeiten der Globalisierung an seine Grenzen gestoßen. Angesichts weltweiter Erschütterungen durch »von der Leine gelassene« Finanzmärkte wirkt der starke Staat wieder attraktiv – aber auch eine starke Zivilgesellschaft, die bei Marktversagen oder Staatsversagen handlungsfähig ist.

Non-Profit-Organisationen in die Zukunft entwickeln

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