Читать книгу Non-Profit-Organisationen in die Zukunft entwickeln - Heike Fischer - Страница 7

Einleitung

Оглавление

Die Idee zu diesem Buch entstand schon vor einigen Jahren. Es war die Zeit inflationärer Managementmethoden und Change-Projekte. Die Politik der Agenda 2010 verlangte Einschnitte in den Sozialstaat. Hilfeempfänger versuchte man, »fordernd und fördernd« in Arbeit zu bringen. Die Umsetzung der Hartz-Reformen war in vollem Gange. Die öffentliche Verwaltung und der Non-Profit-Bereich passten sich der neuen Zeit an.

So waren Managementstrategien in soziale Handlungsfelder und Humandienste vorgedrungen. Damit traten Effizienz und Kostenersparnis erkennbar in den Vordergrund. Diese Phänomene lösten bei uns, dem Autorenteam, Unbehagen aus.

Das war der Ausgangspunkt für einige kritische Betrachtungen und Fragen zu Phänomenen der Organisationsentwicklung im Non-Profit-Bereich. Dabei verknüpfen wir sozialhistorische Blickwinkel und wissenschaftliche Konzepte mit praktischer Erfahrung. Die unterschiedlichen Wissensfelder und Erfahrungsquellen im Autorenteam ergeben eine breite Varianz von Perspektiven. Unsere gemeinsame Basis ist ein integrativer Beratungs- und Interventionsansatz. Diese Gemeinsamkeit entstand durch die Zusammenarbeit bei der Beratung von Non-Profit-Organisationen.

Wir verstehen Organisationen als soziale Systeme und gehen davon aus, dass Menschen in Organisationen ein Maß an Eigensinn hervorbringen, mit dem sie sich der ökonomischen Verwertung entziehen können – speziell in Organisationen, die explizit gemeinnützige Ziele verfolgen.

Die Kernthesen lauten:

1. Die Ökonomie hat eine Macht über das Leben und Denken der Menschen gewonnen, die ihr nicht zusteht.

2. Märkte sind moralisch blind. Wenn alles Markt ist, fehlt ein Gegengewicht zur Wettbewerbslogik – nämlich solidarisches Handeln, das Lebensqualität schafft und die Gesellschaft zusammenhält.

3. Non-Profit-Organisationen, die zu Profit-Organisationen zweiter Klasse umstrukturiert werden, um im Sinne der Marktlogik zu funktionieren, riskieren ihre Identität – und die Motivation ihrer Mitarbeiter.

4. Es ist an der Zeit, im Non-Profit-Bereich das Verhältnis von ökonomischen und nicht-ökonomischen Zielen vom Kopf auf die Füße zu stellen.

Die Klärung des Non-Profit-Begriffs gestaltete sich schwierig. Schnell wurde deutlich, dass rein formale Unterscheidungen ohne historische Tiefe zu kurz greifen. Was unter Non-Profit-Organisation verstanden wird, variiert beträchtlich. Der Begriff »Non-Profit« ist vor allem in wissenschaftsnahen Diskussionen und unter Managern gebräuchlich. Er stammt aus dem angelsächsischen Sprachgebrauch und meint eigentlich »not for profit«. In der angloamerikanischen Diskussion legt man vor allem auf die Unterscheidung von Organisationen innerhalb des privaten Sektors Wert. Die Grenzziehung zwischen öffentlichem und privatem Sektor ist dagegen in den USA selbstverständlich. NPO werden häufig auch als Dritte-Sektor-Organisationen zwischen öffentlichen Institutionen (Staat) und gewinnorientierten Unternehmen (Markt) bezeichnet. In der Realität sind die Übergänge aber fließend. Und die historisch gewachsenen Phänomene zeigen eine große Variationsbreite. Im deutschsprachigen Raum ist der Non-Profit-Sektor – anders als in Nordamerika – in vielfacher Weise mit dem öffentlichen Sektor verbunden. Deshalb haben wir unseren Non-Profit-Begriff diesen Verhältnissen angepasst.

Dieses Buch ist in drei Hauptteile gegliedert. Der theoretische erste Teil umfasst sechs Abschnitte, die aus unterschiedlichen Blickwinkeln praxisrelevante Kontexte der Entwicklung von NPO beleuchten und mit übergreifenden Wandlungsprozessen in Beziehung setzen. Der Praxisteil umfasst fünf Falldarstellungen, die die Organisationsentwicklung im Non-Profit-Feld anhand konkreter Beispiele mit spezifischen Methoden und Instrumenten anschaulich machen. Der abschließende dritte Teil versucht sich auf unterschiedliche Weise an einem Resümee: Was sind die Unterschiede zwischen dem Profit- und dem Non-Profit-Bereich und was sind die Bedingungen für erfolgreiche Veränderungsprozesse in NPO?

Da Entwicklung per se die zeitliche Perspektive einschließt, haben wir auf die Darstellung historischer Wurzeln und in die Zukunft weisender Trendlinien großen Wert gelegt. Die Betrachtung ist mehrdimensional und vielschichtig. Mit Blick auf Wechselverhältnisse mit anderen Systemen und Prozessverläufen werden Zusammenhänge auf der Mikro-, Meso- und Makroebene beleuchtet.

Abschnitt 1 gibt einen einführenden Überblick über wichtige Aspekte, die später vertieft werden: Die Auffächerung des Non-Profit-Sektors zwischen Markt und Staat; historische Entwicklungspfade; die damit zusammenhängende wohlfahrtsstaatliche Prägung großer Teile des Non-Profit-Sektors; seine volkswirtschaftliche Bedeutung; sein zivilgesellschaftliches Potenzial; seine gesellschaftliche Funktion; die Formenvielfalt; und die historische Staatsnähe vieler NPO – in den alten wie in den neuen Bundesländern.

Abschnitt 2 beschreibt den Wandel von der Bedarfs- zur Marktorientierung im Kontext der Globalisierung. Wichtige Veränderungen sind in diesem Zusammenhang die Verwaltungsreform und die Neuordnung des Sozialstaates. Dieser Paradigmenwechsel begünstigt durchgehend ökonomische Sinnstrukturen, die im Non-Profit-Sektor außer den erwünschten Effekten auch deutliche Risiken mit sich bringen.

Abschnitt 3 zeichnet die relative Staatsnähe großer Teile des Non-Profit-Sektors in Deutschland nach – und zwar mit Blick auf sozialgeschichtliche Wurzeln der deutschen Wohlfahrtsproduktion, die bis zu den preußischen Reformen und Bismarck’schen Sozialversicherungen zurückreichen. Die Eigenheit des sozialstaatlichen Modells in Deutschland wird auch im Vergleich zu Entwicklungspfaden in anderen Ländern deutlich.

Die Vielfalt der Phänomene und der uneinheitliche Gebrauch des Non-Profit-Begriffs sind Gegenstand des 4. Abschnitts. Die gebräuchlichen Kategorien »Profit« im Unterschied zu »Non-Profit« und die Dreiteilung Markt – Staat – Dritter Sektor haben wir aufgegriffen. Aber die Grenzen sind unscharf. Es gibt fließende Übergänge und zahlreiche Mischformen. Deshalb zählen wir einen Teil der staatlichen und halbstaatlichen Organisationen zum Non-Profit-Sektor.

Abschnitt 5 greift erneut die zeitliche Perspektive auf und lenkt den Blick auf zukünftige Herausforderungen, die bereits jetzt erkennbar sind. Der Non-Profit-Sektor ist auf Wachstumskurs. Die Bedeutung zivilgesellschaftlicher und Wohlfahrt produzierender Organisationen nimmt offensichtlich zu. Auf der Ebene internationaler Projekte (Europäische Union, Vereinte Nationen, Weltbank etc.) bilden sich interessante Kooperations- und Partizipationsformen heraus, in denen Nichtregierungsorganisationen eine wichtige Rolle spielen.

Abschnitt 6 betrachtet vornehmlich die Ebene der Organisation. Bewegungen auf anderen Ebenen treten hier als externe Entwicklungsimpulse in Erscheinung. Veränderungen der Arbeitswelt gehören teils zu den Begleiterscheinungen von Modernisierung und Beschleunigung, teils zu den Auslösern neuer Anpassungsprozesse. Weitere Entwicklungsschübe sind zu erwarten. Die zukunftssichernde Entwicklung von NPO hat dabei bestimmte Schlüsselfaktoren zu beachten, die sich aus der Akteurperspektive und der Rolle von Personen bei der Leistungserbringung der Organisation ergeben.

Der erste Fall im Praxisteil veranschaulicht ein Projekt der Teamentwicklung bei der AOK. Die Allgemeine Ortskrankenkasse basiert auf dem Solidargedanken und steht heute im Wettbewerb zu anderen Krankenversicherern. Die ursprünglichen Ziele der gesetzlichen Krankenversicherung treten dabei zugunsten der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in den Hintergrund. Der tief greifende Wandel vom Solidarprinzip zum Prinzip des Wettbewerbs wirkt sich spürbar auf die Identifikation und Motivation der Mitarbeiter aus, fördert auch Konkurrenz im Innenverhältnis und erschwert damit Teamarbeit. Damit stößt Teamentwicklung an enge Grenzen.

Bei der zweiten Fallbeschreibung geht es um Organisationsentwicklung in einer Berufsgenossenschaft bei Wahrung ihrer Identität als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Wenig Widerstand gab es bei Mitarbeitern und Führungskräften gegen den Wandel an sich. Aber es gab den Versuch, den Prozess so zu verlangsamen, dass am Ende dabei wunschgemäß eine adäquate Anpassung herauskommt. Tatsächlich begab sich die Organisation in einen gelungenen Change-Prozess zur Vorbereitung einer Fusion.

Das dritte Fallbeispiel betrifft den kirchlichen Bereich. Erklärtes Ziel der Entwicklungsmaßnahme war ein Transfer von Know-how aus der Wirtschaft in die katholische Kirche. Unter dem Deckmantel eines Weiterbildungsangebots mit der Überschrift »Projektmanagement« wurden hier Kenntnisse des Changemanagements vermittelt. Ziel war die Modernisierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in Hinblick auf die kirchliche Klientel.

Der vierte Fall veranschaulicht komplexe Vernetzungen im Non-Profit-Feld. Eine Berufsschule soll zu einem sozialpädagogischen Ausbildungszentrum erweitert werden. Kommune und Kreis sind an dem Projekt beteiligt, andere öffentliche und private Träger müssen eingebunden werden – und die Politik muss zustimmen. Um die Koordination voranzubringen, tritt ein Wirtschaftsunternehmen mit seiner Stiftung als Sponsor auf und unterstützt das Projekt in Form von Beratungsleistung. Der Fall zeigt eine gelungene Kooperation zwischen Profit- und Non-Profit-Bereich.

Beim fünften Fall handelt es sich um ein Projekt in einem Schulamt. Bedroht von der Ausgliederung des Facility-Managements organisiert sich das Schulamt bei der Verwaltung seiner Liegenschaften völlig neu. Dieser Fall zeigt, wie innovativ öffentliche Verwaltung sein kann. Er zeigt aber auch, wo die Grenzen liegen, nämlich bei den betroffenen Menschen, die zu berücksichtigen sind, aber auch im Zusammenspiel mit der politischen Ebene einer Großstadt.

Dieses Buch wendet sich an alle, die in NPO Verantwortung tragen für den Fortbestand der Organisation und damit auch für den immer wieder anstehenden Wandel. Es wendet sich aber auch an Berater und Trainer, die diese Organisationen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen und begleiten. Es soll einen Beitrag dazu leisten, die Bedeutung der NPO zu sehen und zu würdigen, als größter Arbeitgeber im Lande, als ergänzende Kraft zu den Profitorganisationen und als Stabilisator für den sozialen Frieden. Die Autoren wollen die NPO und ihre Mitarbeiter ermutigen, selbstbewusst aufzutreten, auch im notwendigen Wandel ihre Identität zu wahren und sich als gleichwertiger Teil des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems zu verstehen. Der Non-Profit-Bereich ist die andere Seite ein und derselben Medaille.

Non-Profit-Organisationen in die Zukunft entwickeln

Подняться наверх