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Prolog

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In diese abgelegene Ecke des Friedhofs verirrte sich selten ein Mensch. Und um diese recht späte Uhrzeit geschah dies in der Regel gar nicht.

Deshalb fühlte Christiane sich auch gänzlich unbeobachtet, als sie nun die kleine Schaufel nahm, die sie vom Geräteständer im Eingangsbereich des Friedhofs mitgenommen hatte, und damit die Grasnarbe so einritzte, dass sich ein etwas fußlanges Quadrat ergab. Dann hob sie behutsam mit der Schaufel die Grasnarbe ab und legte sie vorsichtig zur Seite. Das freigelegte Erdreich vertiefte sie dann mit der Schaufel auf etwa zwanzig Zentimeter. An einem Ort wie diesen musste ein Loch gar nicht mal so tief sein, um etwas zu vergraben.

Die Erde warf sie auf ein Stück Folie, welches sie extra mitgebracht hatte, um keine allzu offensichtlichen Spuren zu hinterlassen. Ansonsten würde hier sicherlich kein normaler Mensch freiwillig anfangen zu graben.

Aus ihrer Tasche nahm sie dann ein kleines hölzernes Kästchen, eine Art Schmuckschatulle, welches sie nun nachdenklich betrachtete. Noch ein letztes Mal öffnete sie den Deckel des Kästchens um hineinzuschauen. Dies hatte sie in den letzten Tagen schon so oft getan. Sie haderte noch mit sich selbst, ob sie ihr Vorhaben wirklich in die Tat umsetzen sollte, denn der Inhalt des Kästchens hatte sie fast zwei Jahre lang begleitet, wovon ein Jahr das schwerste ihres bisherigen Lebens gewesen war.

In dem hölzernen Kästchen befand sich ein schlichtes, schwarzes Lederband mit einem silbernen Verschluss. Das Band war offensichtlich vom vielen Tragen schon recht abgenutzt, aber die schön gearbeitete Jakobsmuschel aus dunkelblauer Keramik, die daran hing, glänzte wie frisch poliert.

Seufzend schloss Christiane das Kästchen – endgültig - und legte es entschlossen in das ausgehobene Loch.

Trotz der widersprüchlichen Gefühle, die immer noch an ihr nagten, hatte dieser Moment etwas unerwartet Feierliches.

Deshalb war sie auch besonders achtsam, als sie nun die Erde wieder in das Loch schaufelte. Mit der flachen Rückseite der Schaufel befestigte und ebnete sie das Erdreich ein wenig. Dann legte sie vorsichtig die Grasnarbe wieder auf ihre alte Stelle. Nachdem Christiane diese etwas festgedrückt hatte, konnte man kaum noch sehen, dass hier etwas nicht ganz Alltägliches stattgefunden hatte…

Die Folie schüttelte sie etwas aus und steckte diese zurück in die Tasche. Dafür zog sie nun eine Ölkerze heraus, entzündete sie und stellte sie in die kleine Grablaterne auf der Betonplatte neben den flachen Gedenkstein aus dunkelgrauem Marmor auf dem Leos Geburts- und Sterbedaten vermerkt waren. Nur 44 Jahre alt war er geworden.

Sie zupfte noch ein wenig die Blumen in der Vase zurecht und stand dann auf. Ihre Knie taten weh vom langen Knien, aber da diese Schmerzen schon recht lange ihre treuen Begleiter waren, ignorierte Christiane sie geflissentlich.

„Ich habe mein Versprechen gehalten, Leo“, flüsterte sie. Dann nahm sie die Schaufel und ging Richtung Ausgang davon.

Die blaue Muschel

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