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Kapitel 3

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Alexander beendete das Telefonat und legte sein Telefon zur Seite. Was hatte er da eigentlich gemacht? Und warum? Jetzt war es zu spät um noch einmal darüber zu grübeln. Aus irgendeinem Grund hatte er zum Hörer gegriffen und die Nummer auf der Visitenkarte gewählt, die ihm ständig wie zufällig in die Finger kam. Sarah Ludwig. Diese Frau ging im nicht mehr aus dem Sinn. Dabei wollte er doch nie wieder etwas mit einer Frau anfangen. Wollte er das? Wollte er etwas mit ihr anfangen? Oder wollte er ihr wirklich nur den Hund in seinem neuen Zustand vorführen? Nein. Wenn er das glaubte dann machte er sich selbst etwas vor. Von dieser Frau war er von Anfang fasziniert gewesen. Er schüttelte den Kopf über sich selbst. Vielleicht kam sie ja auch gar nicht. Dann würde sich das Thema von ganz alleine erledigt haben. Er ging vom Wohnzimmer in die Küche und suchte nach Rusty. Dort lag er und schlief auf dem kalten Fliesenboden. Ein hübscher Kerl, nachdem er frisch gebadet und vom verzottelten Fell befreit worden war. Nur noch etwas mager. Aber das würde sich in Kürze geben. Rustys Tatendrang war ungebrochen und erwartungsvoll sah er zu Alexander auf, nachdem er von seinen Schritten geweckt worden war. Immer auf dem Sprung, dachte Alexander. So wie ich seit damals. Wer konnte schon wissen ob Rusty nicht ähnlich Schlimmes erlebt hatte wie er selbst. Sie passten schon irgendwie zueinander, die Beiden.

Alexander legte Rusty das Halsband an und ging die Treppe von seiner Wohnung nach unten in die Praxis. Es gab noch einen Hinterausgang, bei dem man nicht unbedingt durch die Praxis gehen musste um auf die Straße zu gelangen, aber Alexander hatte es sich angewöhnt diesen Weg zu nehmen und so kamen sie am Tresen des Eingangsbereiches vorbei wo immer eine kleine Leckerei für seine großen und kleinen Patienten vorrätig war. Obwohl er sich fest vorgenommen hatte seinem neuen Mitbewohner keine schlechten Gewohnheiten beizubringen, brachte er es nicht übers Herz nach draußen zu gehen ohne ihm vorher einen kleinen Hundekeks zu geben. Rusty war erstaunlich gut erzogen. Obwohl seine Vorbesitzer es anscheinend nicht sehr gut mit ihm gemeint hatten beherrschte er alle gängigen Grundbefehle wie: Platz, Sitz, Aus usw. auf Anhieb. War nur fraglich auf welchem Weg er diese Dinge beigebracht bekommen hatte. Alexander konnte nur hoffen das Rusty keine Schläge oder Ähnliches erfahren hatte in seinem bisherigen Leben.

Gemeinsam betraten sie die leicht verschneite Straße und Alexander öffnete den Kofferraum seines Autos. Ohne lang zu überlegen sprang Rusty hinein und sie fuhren los in Richtung Stadtpark. Die Sonne schien noch am Himmel. Es war ein schöner Tag gewesen. Nicht mehr allzu lange, dann würde die Dämmerung einsetzen. Alexander fuhr umsichtig angesichts seiner wertvollen Fracht und lenkte sein Fahrzeug auf einen der Parkplätze in der Nähe des Parks. Er war gespannt ob Sarah auftauchen würde. Einerseits hoffte er es inständig, andererseits wäre es wohl das Beste wenn sie nicht kommen würde und somit eine Entscheidung getroffen wäre. Was wusste er schon von ihr? Vielleicht war sie ja sogar verheiratet oder zumindest in festen Händen. Das wäre bei einer solchen Frau eigentlich anzunehmen.

Nachdem er ausgestiegen war holte er Rusty aus dem Kofferraum und ging mit ihm gemeinsam zum Eingang des Parks. Enttäuscht stellte Alexander fest, dass dort bisher noch niemand auf ihn wartete. Was sollte er tun? Warten? Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass er nicht zu früh war. Gab es eventuell noch einen anderen Eingang zum Park? Er lebte noch nicht allzu lange in dieser Stadt und kannte sich noch nicht sehr gut aus hier. Vielleicht war es ja wirklich so. Er beschloss zunächst ein paar Minuten zu warten. Die musste man einer schönen Frau schließlich stets zugestehen. Rusty setzte sich neben ihn und blickte wie fragend zu ihm auf. Alexander bückte sich zu ihm hinunter und streichelte ihm kurz über den Rücken bevor er sich wieder aufrichtete um nach Sarah Ausschau zu halten.

Und da sah er sie. Mit von der Kälte leicht geröteten Wangen kam sie in seine Richtung gelaufen. Anscheinend hatte sie ihn noch nicht gesehen aber gerade in diesem Moment hob sie den Kopf und ihre Blicke trafen sich. Sofort wurde ihm wieder klar warum er nicht aufhören konnte an diese Frau zu denken. Ihr Gang glich dem einer Katze und ihre Haare wippten bei jedem ihrer Schritte mit. Endlich bei ihm angekommen hielt sie ihm schüchtern ihre Hand entgegen. „Hallo.“, sagte sie nur und bückte sich sofort um Rusty zu begrüßen. „Hallo mein Kleiner. Du siehst aber gut aus. Kaum wiederzuerkennen.“ Rusty wedelte mit dem Schwanz als er scheinbar seine Retterin erkannte. Alexander betrachtete von oben die Szene und amüsierte sich als Rusty versuchte auf Sarahs Schoß zu springen. Sie verlor beinahe das Gleichgewicht und musste sich mit den Händen abstützen. Doch sie schien sich nicht verletzt zu haben, und lachte laut auf. „Hey du. Schmeiß mich nicht um.“ Lächelnd stand sie wieder auf und das Eis zwischen ihnen schien, dank Rusty, gebrochen zu sein. Faszinierend wie entspannt er wirkt wenn er lächelt, dachte sie sich. „Wollen wir?“ Mit einem Nicken in Richtung Parkinneres deutete Alexander an loszulaufen. „Klar. Deshalb sind wir ja schließlich hier, oder?“ Erst nachdem sie die Worte ausgesprochen hatte, wurde ihr klar wie vieldeutig diese Frage doch geklungen haben musste.

Gemeinsam liefen sie auf den verschneiten Wegen, vorbei am teilweise zugefrorenen See des Parks, und unterhielten sich nach anfänglichem Schweigen erstaunlich gut. Dabei erfuhr Alexander von Sarahs Pech mit der Heizung und er berichtete ihr, dass er vorhatte Rusty zu behalten falls sich kein anderer Besitzer meldete. „Rusty?“, fragte Sarah. „Ja….der Name fiel mir spontan ein. Irgendwie passt er finde ich zu ihm. Ich habe fast schon den Eindruck, dass er sogar darauf hört.“, erwiderte Alexander lachend. Sie verstanden sich überraschenderweise so gut, dass Sarah gar nicht mehr verstehen konnte warum sie ihn anfänglich für arrogant hielt.

Plötzlich erklang ein verräterisches Geräusch aus Sarahs Körpermitte, das ihr sichtlich peinlich war. „Sorry.“, sagte sie zähneknirschend und ihr Gesicht änderte wieder einmal seine Farbe. „Ich habe ganz vergessen etwas zu essen. Mein Frühstück war die letzte Mahlzeit.“ „Dann schlage ich vor, dass wir ein Restaurant aufsuchen und etwas essen gehen. Ich habe heute auch keine Lust gehabt zu kochen.“, schlug Alexander spontan vor. Und als Sarah zögerte fügte er hinzu: „Kommen sie. Sie haben doch sowieso nur eine kalte Wohnung. So entkommen sie der noch für eine Weile.“ „Okay. Warum nicht. Wo gehen wir also hin?“ „Sagen sie´s mir. Ich kenne mich hier noch nicht allzu gut aus. „Dann schlage ich vor wir gehen zum Italiener hier ganz in der Nähe. Sie mögen doch italienisches Essen, oder?“ „Das soll mir recht sein .. “

So verließen sie den Park und gingen die paar Straßen zu Fuß. Das „Roma“ war eines der beliebtesten Lokale der Stadt und dementsprechend für einen Sonntagabend auch gut besetzt. Aber sie hatten Glück und bekamen vom Kellner einen gemütlichen Tisch in einer leicht abgelegenen Nische zugewiesen. „Ahhh. Perfetto….eine romantische Platz für ein hiebsch verliebtes Paar.“, grinste er sie an während er Sarah den Stuhl zurechtschob. Sarah wollte schon widersprechen, doch Alexander hielt sie amüsiert davon ab indem er sie anlächelte und leicht seinen Kopf schüttelte. Sie nahmen Platz und bestellten zuerst die Getränke. Nachdem sie die Karte studiert hatten wählte Sarah, wie konnte es anders sein, eine große Portion Spaghetti während Alexander sich für eine Pizza entschied. Rusty bekam eine Schüssel mit frischem Wasser unter den Tisch gestellt und legte sich friedlich zu Alexanders Füßen. „Gemütlich hier…wenn jetzt noch das Essen schmeckt.“ „Oh ja…sie werden begeistert sein.“, lächelte sie ihn vielversprechend an.

Ja. Sie verstanden sich wirklich prächtig. Und auch wenn keiner der Beiden es zugeben wollte so knisterte es mächtig zwischen ihnen. Trotzdem vermieden sie es, jeder auf seine Art, über eine gewisse Grenze hinauszugehen. Alexander weil er es sich selbst geschworen hatte keine Beziehung mehr einzugehen und Sarah weil sie gerade erst aus einer gescheiterten Beziehung entkommen war und immer noch mit ihrem Ex und seinen ständigen Belästigungen zu kämpfen hatte. Der Abend neigte sich dem Ende zu und sie machten sich auf den Weg zu ihren Fahrzeugen. Alexander begleitete Sarah bis zu ihrem kleinen Auto. Dort angekommen wusste keiner der Beiden so recht wie sie sich voneinander verabschieden sollten. Eine beinahe peinliche Pause entstand und Sarah bekam eine Gänsehaut als Alexander auf sie herabblickte und ihr dabei tief in die Augen sah. „Das war ein sehr schöner Abend Sarah.“, sprach er endlich leise in die Stille hinein. „Ja das war er.“ Konnte sie darauf nur antworten. Obwohl sie es eigentlich nicht wollte so hoffte sie doch, dass er ein weiteres Treffen vorschlug. Sarah war an sich kein schüchterner Mensch. Es hatte schon Zeiten in ihrem Leben gegeben da hatte sie die Initiative ergriffen wenn ihr jemand gefiel aber nicht bei einem Mann wie Alexander Lorenz. Gerade als Alexander über seinen Schatten springen wollte um Sarah tatsächlich nach einem weiteren Treffen zu fragen meldete sich ihr kleiner Begleiter mit einem gelangweilten Winseln. Sarah bückte sich nach ihm. Strich ihm noch einmal über sein mittlerweile kurz geschorenes und nicht mehr so struppiges Fell um sich von ihm zu verabschieden. „Tschüs Rusty mein Kleiner. Vielleicht sehen wir uns ja mal zufällig wieder.“ Alexander sog hörbar die Luft ein und noch bevor er sein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte hielt Sarah ihm die Hand entgegen. „Auf Wiedersehen Alexander. Ich wünsche ihnen viel Glück mit unserem kleinen Freund.“ Und noch ehe er etwas erwidern konnte drehte sie sich auf dem Absatz um, schloss ihr Auto auf und setzte sich hinein. Sie startete den Motor und mit einem kurzen Winken fuhr sie eiligst davon.

Sie hatte die Situation einfach nicht mehr ausgehalten und war deshalb so fluchtartig davon gebraust. Eine kleine Träne lief ihr aus dem Auge. Sie wischte sie weg und schalt sich selbst eine dumme Gans. Was zum Teufel hatte sie sich eigentlich erhofft. Hatte sie geglaubt, dass er sie an sich reißen und leidenschaftlich küssen würde wie in einem kitschigen Liebesfilm. Und doch war ihr der Abschied, und der Gedanke daran ihn womöglich niemals wiederzusehen, furchtbar schwer gefallen. Ihr Herz klopfte schwer in ihrer Brust und sie kam sich vor wie damals als dreizehnjähriger Teenager, als sie sich das erste Mal in einen Klassenkameraden verschossen hatte. Eigentlich wollte sie sich ja auch auf gar keine Romanze mehr einlassen. Zumindest nicht in der nächsten Zeit. Sie konnte froh sein wenn Robert ihr hoffentlich endlich die Ruhe lassen würde die sie sich so ersehnt hatte.

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Gut. Die Entscheidung war ihm abgenommen worden. Er stand da, mit Rusty an seiner Seite, und blickte Sarah hinterher wie sie regelrecht davonraste. Was war nur plötzlich in sie gefahren, dass sie es auf einmal so eilig hatte? Während ihrer Unterhaltung hatte er nicht den Eindruck gehabt, dass zu Hause jemand auf sie wartete oder irgendetwas nicht stimmte. Darüber war er, wie er sich eingestehen musste, auch ziemlich erleichtert gewesen. Nun denn. Er würde mit seinem kleinen Freund nach Hause gehen und den Abend bei einem Glas Wein und dem Fernsehgerät ausklingen lassen. Morgen war ein neuer Tag und es war seit langem ein ereignisreiches und schönes Wochenende für ihn gewesen. Die letzten Jahre hatte er die Wochenenden gehasst wie die Pest. Unter der Woche hatte er stets zu tun mit seinen Patienten und deren oft aufgeregten und besorgten Besitzern. Das lenkte ihn ab und füllte ihn weitestgehend aus. Aber die Wochenenden schienen sich oft ewig hinzuziehen und er hatte viel zu viel Zeit um zu grübeln. Mit Rusty hatte er endlich eine neue Aufgabe gefunden aber die Unterhaltung mit Sarah hatte ihm gezeigt, dass es an der Zeit war wieder unter Menschen zu gehen. Nicht nur in der Praxis sondern auch privat. Er nahm sich vor sich ein Hobby oder eine Beschäftigung zu suchen bei der er unter Leute kam und die ihm körperlich guttun würde. Tanzen lag ihm nicht besonders. Das hatte er schon einmal versucht und selbst wenn ihm das Tanzen an sich schon gefallen hatte so waren ihm die Damen, die er dabei unweigerlich antraf, meist zu aufdringlich gewesen und er hatte schon nach kurzer Zeit die Lust daran verloren. Alleine auf der Straße zu joggen oder Fahrrad zu fahren? Das war auch nicht sein Ding. Außerdem wäre das wieder eine Beschäftigung gewesen, die er alleine durchführte. Also blieb nicht allzu viel übrig. Vielleicht sollte er sich doch mal nach einem geeigneten Sportstudio umsehen. Er konnte ja sicher ein Probetraining vereinbaren und sich dann endgültig entschließen ob er dabei bleiben wollte.

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Die Nacht hatte er ruhig geschlafen und auch wenn er ihm das gemütliche Körbchen im Wohnzimmer gerichtet hatte, so zog Rusty es vor am Boden neben seinem Bett zu schlafen. Alexander hatte nichts dagegen. Hatte Rusty ihn doch aus seinem Albtraum befreit indem er ihn daraus geweckt hatte. Vielleicht würde ihm die Anwesenheit des kleinen Hundes ein wenig dabei helfen in Zukunft ruhigere Nächte zu verbringen. Der Traum dieser Nacht hatte allerdings so gar nichts mit dem gemein den er sonst immer hatte. Allerdings war er fast genauso aufregend für ihn gewesen. Wenn auch aufregend und aufwühlend in einem ganz und gar anderen Sinne. In diesem Traum war er nicht alleine sondern er war in Begleitung einer leicht bekleideten Blondine, deren schönes Gesicht ihm schon seit er sie kennengelernt hatte nicht mehr aus dem Sinn ging. Sie waren allein in einem großen, abgedunkelten Ballsaal. Leise lief ein romantisches Lied, das er irgendwoher kannte, aber nicht definieren konnte woher. Man konnte nicht erkennen woher die Musik kam, doch sie schien von überall her zu erklingen und sie tanzten im Rhythmus der Melodie als wenn es kein Morgen gäbe. Engumschlungen fanden sie dennoch eine Möglichkeit sich gegenseitig die Kleider abzustreifen und gerade als es besonders interessant wurde klingelte Alexanders Wecker. Benommen von diesen Eindrücken versuchte er einen klaren Kopf zu bekommen und streckte seine Glieder. Rusty, der mitbekommen hatte, dass er nun endlich wach war, sprang auf das Bett und begrüßte ihn stürmisch. „Hey, hey kleiner Mann. Das wollen wir aber gar nicht einreißen lassen. Mach, dass du runter kommst.“, sagte er versucht streng und setzte ihn zurück auf den Boden. Dort streichelte er ihn zur Beruhigung und ging danach ins Badezimmer. Sein Traum musste ihn wohl sehr aufgewühlt haben, denn seine dichten Haare standen in alle Richtungen als er in den Spiegel blickte. Selbstkritisch betrachtete er seinen Körper im Profil. Hatte er etwa da einen Bauchansatz? Eigentlich hatte er sich stets mühelos seine gute Figur erhalten können. Ohne jede Diät oder übertriebene sportlichen Aktivitäten. Früher hatte er so einige Selbstverteidigungskurse belegt und sich in den verschiedensten Kampfsportarten sehr gut geschlagen. Das war damals so eine Art Therapie für ihn gewesen. Aber er war nun auch keine zwanzig mehr. Vielleicht sollte er gar nicht allzu viel Zeit verstreichen lassen und sein Vorhaben von gestern so bald wie möglich in die Tat umsetzen. Er nahm sich vor seine junge Sprechstundenhilfe Diana nach einem guten Sportstudio zu fragen. Pia-Maria war diesbezüglich wohl kaum der richtige Ansprechpartner. Obwohl. Man konnte nie wissen. Warum eigentlich nicht? In einem guten Sportstudio müsste eigentlich auch die ältere Generation willkommen sein. Er würde sie ganz einfach beide fragen. So machte er auf gar keinen Fall einen Fehler.

Voller Tatendrang machte er sich für den Tag bereit. Seine Laune war gut wie selten und beinahe vergaß er dabei seine sonst üblichen Sorgen. Er pfiff sogar ein Lied während er sich duschte und nach einer Weile fiel ihm auf, dass es sich dabei um die Melodie aus seinem Traum handelte. Sarah!!! Schade, dass sie gestern so plötzlich auseinandergegangen waren ohne ein neues Treffen auszumachen. Aber er hatte ja ihre Nummer. Nur warum hatte sie es gestern auf einmal so eilig gehabt von ihm fortzukommen? Was war das nur für ein Lied, das ihm nicht mehr aus dem Sinn ging? Plötzlich kam er drauf. Jealous Guy von Roxy Music. Dieses Lied weckte wunderbare Erinnerungen in ihm. Es lief während seiner Kindheit oft im Radio und sein Vater pfiff es jedes Mal vor sich hin wenn er seine Mutter im Arm hielt und sie im Rhythmus hin und herwiegte. Das war noch eine relativ unbeschwerte Zeit gewesen. Bevor die Probleme auftraten…. und er liebte diesen Song. Keine Ahnung warum ihm dieses Lied gerade jetzt, sozusagen über Nacht, wieder in den Sinn kam.

Er fütterte Rusty, frühstückte selbst eine Kleinigkeit und ging dann nach unten in die Praxis. Rusty begleitete ihn dabei. Er sollte nicht den ganzen Tag alleine oben in der Wohnung bleiben und konnte sich innerhalb des Empfangsbereiches frei bewegen. Dort hatte man ihm bereits eine gemütliche Ecke gerichtet, in die er sich kuscheln konnte wenn ihm danach war. Seine beiden Damen kümmerten sich rührend um den Neuankömmling und waren ganz begeistert von Alexanders offensichtlich neuem Lebensmut. Als der dazu noch begann immer wieder diese Melodie vor sich hinzupfeifen waren sie regelrecht sprachlos. „Ich kenne dieses Lied sehr gut…“, meinte Pia-Maria irgendwann. „Das waren noch Zeiten. Die goldenen Achtziger.“ Und ein Lächeln strahlte dabei über ihr ganzes Gesicht, so dass sie um viele Jahre jünger wirkte. „Wissen sie eigentlich, dass John Lennon dieses Lied schon gesungen hat?“, fragte sie ihren Chef. Alexander überlegte kurz. „Stimmt….mir schwant da so etwas. Auf jeden Fall liebe ich diese Melodie.“

„Ich glaube der Chef ist verliebt oder so?!“, tuschelte irgendwann Diana Meyer ihrer älteren Kollegin zu. Die grinste nur und antwortete: „Ja. Kann schon sein. Auf jeden Fall tut ihm das sehr, sehr gut. Was auch immer es ist!“

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Wieder zu Hause angekommen kuschelte sich Sarah wieder in ihre warme Wolldecke und wusste nicht wie sie sich fühlen sollte. Traurig? Darüber, dass sie Alexander höchstwahrscheinlich nicht mehr wiedersehen würde? Froh? Über den wirklich schönen Abend mit ihm, und dass es Rusty wieder gut ging? Sie war eher traurig, angesichts der Tatsache, dass sie sich fast ein wenig in diesen tollen Mann verliebt hatte. Konnte man das nach so einem kurzen Kennen überhaupt sagen? Sie kam sich so allmählich tatsächlich wieder wie ein Teenager vor. Aber der Abend war so harmonisch verlaufen. Sie hatten nach anfänglichen Schwierigkeiten sofort einen Draht zueinander gefunden und sich über so viele Dinge unterhalten, dass gar keine Langeweile aufkommen konnte. Dabei hatte sie immer wieder ihre berühmte Gänsehaut verspürt wenn er sie aus seinen dunklen Augen angesehen hatte. Ob er das wohl bemerkt hatte?

Auf jeden Fall war sie für die nächste Zeit für alle anderen Männer verloren. So jemanden wie ihn würde sie wohl nie wieder kennenlernen. Versunken in ihre romantischen und doch traurigen Gedanken klingelte auf einmal ihr Handy und sie hoffte schon auf Alexanders angenehm tiefe Stimme als sie eilig den Anruf annahm. Doch gleich eines Schlags in das Gesicht wurde sie ruckartig in die Realität zurückgeholt.

„Sarah. Es wird Zeit, dass du endlich an das verdammte Telefon gehst du Schlampe.“ Robert! Warum nur hatte sie sich nicht die Nummer angesehen bevor sie so voreilig ans Handy gegangen war. „Lass mich endlich in Ruhe Robert. Es wird Zeit, dass du kapierst, dass du mir nichts zu sagen hast. Wir sind getrennte Leute und dabei bleibt es auch.“ Ohne auf eine weitere Antwort zu warten drückte sie das Telefonat weg. Ihr Herz pochte ihr bis zum Hals. Ihre Hoffnung darauf, dass er endlich aufgegeben hatte war wohl umsonst gewesen. So allmählich bekam sie es mit der Angst zu tun. Glücklicherweise schien er nicht zu wissen wo sie wohnte, aber vor ihrer Arbeitsstelle hatte sie ihn schon ein paar Mal herumlungern sehen. Seit ein paar Jahren war sie angestellt in einer edlen Parfümerie in der Innenstadt. Bei wenig Betrieb konnte man das Treiben in der Fußgängerzone durch die Schaufensterscheiben beobachten. Und da stand er eines Tages. Angelehnt an einen Baum. Minutenlang stand er einfach nur da und starrte auf ihr Geschäft. Sie hatte sich nach Arbeitsende kaum auf die Straße getraut. Das hatte er mehrere Tage so getrieben. Und auf einmal war er wieder weg und hatte auch nicht mehr angerufen, so dass Sarah gehofft hatte er hätte sich beruhigt oder eine Frau gefunden die mit seinem despotischen Verhalten klarkam und ihn auf seine Art glücklich machte.

Und jetzt ging es wieder von neuem los. Gerade als sie nicht mehr an ihn gedacht hatte. Das Handy klingelte erneut. Immer wieder, so dass Sarah es lautlos stellte und in die Küche ging um sich einen Tee zu machen. Bis sie wieder zurück kam hatte sie fünf entgangene Anrufe und drei SMS auf ihrem Handydisplay. Eigentlich wollte sie es gar nicht, doch sie öffnete kurz die erste der Kurznachrichten. Allerdings las sie den langen und unbeholfen geschriebenen Text nicht zu Ende so obszön und bösartig war das von Robert Geschriebene. Aus Fernsehberichten wusste sie, dass es wenig half zur Polizei zu gehen wenn man von jemandem derart gestalkt wurde. Doch vielleicht sollte sie trotzdem einen Versuch unternehmen. Schaden konnte es auf keinen Fall und sie nahm sich vor am nächsten Tag vor der Arbeit auf der Polizei so etwas wie eine Anzeige zu erstatten.

Sie trank ihren Tee, schaltete den Fernseher ein und lies das Handy lautlos auf dem Couchtisch liegen. Alle paar Minuten vibrierte es auf dem Tisch und jedes Mal schlug Sarahs Herz dabei einen Tick schneller. „Verdammt noch mal. Lass mich endlich in Ruhe du Perversling!“, schrie sie ihr Handy an und stopfte es unter eines der Kissen damit sie es nicht mehr mitbekam. Irgendwann schlief sie erschöpft ein. Doch ihr Unterbewusstsein konnte immer wieder die leise Vibration ihres Telefons wahrnehmen.

Der Feind mit deinem Gesicht

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