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Kapitel 4: „Mojo? Oh je!“

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„Verdammt!“, entfuhr es Adolar. Er konnte nur in diese Augen sehen. In die Augen aus seinem Traum!

Nicole seufzte. „Habe ich doch den bösen Blick?“, fragte sie und runzelte die Stirn.

>Aufwachen!< Adolar wurde augenblicklich in die Realität zurückgeholt, als Jannik ihm einen Gedanken schickte. „Wie bitte? Oh nein, verzeihen Sie!“ Er bemühte sich, seine Fassung schnell zurück zu gewinnen. „Ich hatte nur ein Déjà vu.“

>Toll! Ich erinnere ihn an seine Ex!<, dachte Nicole lakonisch. „Dann haben heute mehrere Menschen offensichtlich dasselbe Déjà vu gehabt.“

„Pardon?“

„Nicole hat in der Schenke nach dem Weg hierher gefragt und die Menschen haben da ähnlich auf sie reagiert.“

„Bis auf die alte Frau. Die war ein wenig drastischer in ihrer Reaktion.“

„Was aber eher an Ihrem Satz lag als an Ihren Augen!“

„Ach ja?“

„Was für eine Reaktion?“, wollte Adolar wissen. Zwischen Jannik und Nicole Sanders hatte sich eine Vertrautheit gebildet, die für ihn regelrecht spürbar war.

„Agatha hat sich einen Bierkrug gegriffen und wollte Nicole damit schlagen.“

„Ihr Cousin ist aber dazu gesprungen und hat die alte Dame festgehalten.“

„Nicole hatte Agathas Hand aber schon abgewehrt, den Bierkrug einfach abgenommen und auf den Tresen geknallt.“

„Sind Sie verletzt worden, Frau Sanders?“ Adolar klang besorgt.

„Nein, es ist nichts passiert. Ich bin nur ein wenig erschrocken.“

„Agatha ist langsam wirklich eine Gefahr, Addi. Vielleicht sollte sie in ein Pflegeheim.“

Adolar sah Jannik an. >Wenn du sie nicht damals entjungfert hättest und ihr nicht als Fürst der Finsternis gekommen wärst, hätte sie wahrscheinlich nicht diesen Knacks für ihr ganzes Leben wegbekommen!<

Schuldbewusst blickte Jannik zu Boden. Diese Geschichte war eine von vielen, die sein Mentor nicht mehr gerade biegen konnte, nachdem er sie verbockt hatte. Adolar wandte sich wieder zu Nicole Sanders. „Entschuldigung. Lassen Sie uns bitte von vorn beginnen.“

Er reichte ihr seine Hand. „Herzlich willkommen auf Burg Cerný, Frau Sanders. Ich hoffe, das Sie hier einen angenehmen Aufenthalt haben werden.“

Nicole ergriff die Hand und betrachtete den Grafen dabei erstmals richtig. Er war etwa einen Meter achtzig groß, hatte schwarzes, mit leichtem Grau durchsetztes gewelltes Haar und graue Augen. Die Wangenknochen waren hoch angesetzt, typisch für Menschen slawischer Herkunft. Die Nase war relativ klein und scharf nach unten gebogen, die Lippen sinnlich geformt und das Kinn hatte in der Mitte ein Grübchen.

„Ich danke Ihnen, Herr Cerný. Ich hoffe, dass ich meine Aufgabe in der Bibliothek zu Ihrer Zufriedenheit erledigen werde.“ Adolar lächelte Nicole offen an.

>Wow! Die Zähne müssen in der Familie liegen. Dieses Gen möchte ich auch gern haben!< Adolars Zähne waren strahlend weiß und gerade.

Pumuckel fing jetzt wieder an zu bellen. Adolar sah in den Volvo und betrachtete das Tier. Nicole fing plötzlich an zu kichern. Jannik seufzte und ließ die Schultern hängen.

„Was war vorhin so komisch?“, wollte Adolar wissen. Nicole biss sich auf die Unterlippe und wendete sich ab, aber ihre Schultern bebten verräterisch.

Jannik zuckte mit den Schultern. „Ich weiß auch nicht. Ich sagte, dass sie mit dem Gassi gehen warten sollte, bis du bei dem Hund dein Mojo eingesetzt hast und dann fing sie auch schon zu lachen an!“

Adolar riss beide Augenbrauen hoch. „Mein Mojo?“ fragte er entsetzt.

Nicole presste ihre Hand auf den Mund, um nicht loszubrüllen.

„Du weißt doch, deine Fähigkeiten. Deine Hunde- und Katzenflüsterei.“

„Das nennst du Mojo? Oh je!“ Adolar schloss kopfschüttelnd die Augen, musste dann aber auch kichern. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Nicole versuchte sich zu beherrschen. Als sie Adolars Seitenblick erhaschte, platzte es aus ihr raus.

„Es tut mir leid!“, keuchte sie. „Ich bin normalerweise nicht so albern. Purer Stressabbau!“

Der Graf lachte jetzt auch, was Jannik wiederum erstaunte. Selten hatte er seinen väterlichen Freund so gelöst gesehen.

„Ursprünglich bezeichnete Mojo einen Glücksbringer oder ein Amulett. Allerdings ist spätestens seit Jim Morrison etwas anderes im allgemeinen Sprachgebrauch gemeint. Mojo ist ein modernes Wort für Libido oder Penis, Jan!“, klärte Adolar ihn auf.

Mit offenem Mund starrte Jannik abwechselnd Adolar und Nicole an, die sich beide vor Lachen den Bauch hielten. Dann schloss er ergeben die Augen. „Das kann auch nur mir passieren!“

Domek, der Majordomus, kam mit zwei Bediensteten aus der Burg. „Guten Tag, gnädige Frau. Mein Name ist Domek. Ich bin hier der Majordomus. Willkommen auf Burg Cerný!“ Er verbeugte sich vor Nicole.

„Es freut mich, Sie kennen zu lernen, Domek. Vielen Dank für den Empfang.“ Sie reichte dem älteren Mann die Hand zur Begrüßung. Zögernd ergriff er sie und blickte der jungen Frau ins Gesicht. Nicole lächelte ihn offen an und Domek schmolz dahin.

„Wenn Sie jemals einen Wunsch haben, zögern Sie nicht, ihn auszusprechen. Ich werde mein Möglichstes tun, den Wunsch zu erfüllen, gnädige Frau.“

Adolar zog erneut überrascht die Augenbrauen hoch und Jannik grinste breit.

>Ich sagte doch, ich kann die Frau nicht beschreiben!<

„Ich hätte allerdings schon einen kleinen Wunsch, Domek. Eher eine Bitte.“

„Ja, gnädige Frau?“

„Sagen Sie bitte nicht gnädige Frau zu mir! Dann fühle ich mich wie achtzig.“

Überrascht sah Domek die junge Frau aus Deutschland an, dann seinen Herrn. „Aber ….“

„Bitte, Domek. Ich bin hier, um für Herrn Cerný zu arbeiten. Das macht uns beide doch gewissermaßen zu Kollegen. Ich würde es als unpassend empfinden, von Ihnen als gnädige Frau angesprochen zu werden.“

>Ist sie nicht anbetungswürdig?<

>Halt die Klappe, Jannik!<

Domek lächelte Nicole an. „Einverstanden.“

Adolar fiel die Kinnlade herunter. In all den Jahren hatte er es nicht geschafft, seinem Majordomus dazu zu bewegen, dass er ihn nicht mit seinem Titel ansprach.

„Dürfen wir Ihr Gepäck nehmen und zu Ihren Gemächern bringen, Frau Sanders?“ Domek deutete auf die zwei Angestellten, die ebenfalls breit grinsend hinter ihm standen.

„Ja, gern. Vielen Dank, Domek.“ Nicole ging zu der hinteren Tür auf der Beifahrerseite. Pumuckel hatte sich etwas beruhigt, bellte nicht mehr. Aber seine Körperhaltung sprach Bände. Er starrte die beiden Cernýs an und knurrte leise.

„Aus!“ Pumuckel hörte mit dem Knurren sofort auf, aber seine angespannte Haltung behielt er bei.

„Sagten Sie gerade Gemächer? Plural?“ Nicole blickte fragend in Domeks Gesicht, dann in Adolars.

„Nun, Sie sind etwa drei Monate hier. Und ich dachte, Sie sollten es so bequem wie möglich haben.“ Adolar freute sich über die Überraschung in Nicoles Gesicht.

„Ähm,… danke!“

„Sie haben die Räume doch noch gar nicht gesehen!“ Er fand seinen Einwand durchaus berechtigt. Jannik stand daneben und grinste immer noch.

„Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass mir die Räume nicht gefallen, Herr Cerný. Ich bin relativ anspruchslos. Ein Bett und ein Schrank genügen mir im Allgemeinen.“

„Ein wenig mehr steht schon darin!“, schmunzelte Adolar.

Domek und die zwei Angestellten holten zwei Koffer und eine Reisetasche aus dem Auto. Als Domek den Rucksack greifen wollte, sah er Nicole fragend an.

„Mehr Gepäck haben Sie nicht?“

Nicole wollte schon sagen: `Ich will ja nicht ewig hier wohnen!´, verkniff sich den Satz allerdings in letzter Sekunde. „Nein, das ist alles, was ich brauche. Seien Sie bitte vorsichtig mit dem Rucksack. Da ist mein Notebook drin und anderer technischer Kram.“

„Selbstverständlich, gnäd …. Frau Sanders.“

Nicole lächelte den Majordomus breit an. Sie beschloss, den Mann zu mögen.

Adolar Cerný betrachtete sich Nicole jetzt näher. Sie war gut zehn Zentimeter kleiner als er und schlank, aber nicht mager. Hüfte und Po waren weiblich gerundet, eine kleine Wölbung des Bauches verriet ihm, dass sie nicht unter dem Schlankheitswahn der meisten Frauen litt. Der Busen war voll, aber nicht üppig.

>Und er ist echt, wenn meine Beobachtung stimmt!< Jannik hatte Adolars Gedankengänge die ganze Zeit gehört und konnte sich eine Bemerkung jetzt nicht verkneifen.

>Sie ist tabu!<

>Für dich auch?<

Überrascht sah Adolar Jannik an. >Selbstverständlich! Ich nähre mich nicht an den Gästen!<

>Ich rede doch nicht vom Nähren. Sie ist auch in anderer Hinsicht ….<

>Nein!< Damit war die Sache für Adolar erledigt und er verschloss seine Gedanken vor Jannik. „Wollen wir uns jetzt um Ihren Hund kümmern?“, fragte er stattdessen seine neue Angestellte auf Zeit.

„Gern. Ich lege ihm nur die Leine an, vorsichtshalber. Wie ich schon sagte, er ist sonst nicht feindselig.“ Adolar und Jannik traten ein wenig zurück, bevor Nicole die Heckklappe öffnete.

„Sitz, Pumuckel“, sagte sie knapp und der Hund gehorchte, wendete aber seinen Blick nicht von den beiden Männern. Ruhig öffnete Nicole die Heckklappe und leinte den Hund mit einer einzigen fließenden Bewegung an.

„Fuß!“ Nicole ging einen Schritt zur Seite und forderte somit den Hund auf, den Wagen zu verlassen.

Pumuckel stand auf und blickte weiterhin zu den Männern. Langsam ließ er sich von der Ladefläche auf den gepflasterten Innenhof gleiten. Als er sich aufrichtete, erreichte er eine Schulterhöhe von über neunzig Zentimeter, was auch für einen Hund seiner Rasse sehr groß war. Nicole wirkte dadurch neben ihm winzig klein.

Sanft streichelte Nicole Sanders den großen Kopf des Wolfshundes und kraulte ihn hinter dem linken Ohr. Pumuckel drückte seinen Kopf liebevoll gegen die Hand seines Menschen, beobachtete aber weiter die Cernýs.

„Bleib, wo du bist, Jan“, flüsterte Adolar kaum hörbar. Er brauchte keine Bestätigung um zu wissen, dass der Jüngere ihm gehorchen würde. Dann holte er kurz Luft und machte langsam einen Schritt auf den Hund zu. Er versuchte Augenkontakt mit dem Tier herzustellen. Pumuckel sah seinen natürlichen Feind argwöhnisch an. Es irritierte ihn, dass sein Mensch die Gefahr, die von den beiden Männern ausging, nicht bemerkte.

Adolar hockte sich langsam hin, ließ seine Arme locker an den Seiten herunter hängen. Sanft drang er in die Gedankenwelt des Tieres ein. In Bildern zeigte er dem Wolfshund, dass sein Frauchen nichts von ihm oder Jannik zu befürchten hatte. Wie in Piktogrammen zeichnete er Bilder in Gedanken.

Nicole Sanders mit einem dicken Kreuz und sich und Jannik daneben, als Vampire. Abgewendet.

Die meisten Hunde waren eingeschüchtert, wenn er eine Gedanken-Bilder-Verbindung mit ihnen aufnahm. Nicht so Pumuckel. Der Wolfshund war ein geborener Jäger, der auf einen anderen Jäger traf. Pumuckel hatte es sich zur Aufgabe gemacht, seinen Menschen zu beschützen, und der andere Jäger konnte seinem Menschen gefährlich werden. Er machte dem Vampir klar, was er mit ihm anstellen würde, wenn Adolar sich seinem Menschen mit entblößten Zähnen auch nur nähern würde. Adolar sah sehr deutlich die Zähne des Hundes in seinem Hals vergraben. Wenn der Hund es richtig machen würde, konnte er ihn sogar töten.

Der Vampir schickte dem Hund Piktogramme, das, falls sich Adolar oder Jannik an Nicole nähren sollten, Pumuckel genau das machen durfte, was er ihm gezeigt hatte.

Es war ein gegenseitiges Versprechen.

Nicole Sanders sah fasziniert zu, wie der Graf eine Nonverbale Kommunikation mit ihrem Hund führte. Sie spürte, wie Pumuckel sich allmählich entspannte, ohne in seiner Wachsamkeit nachzulassen.

Sie betrachtete ihren neuen Arbeitgeber. Das Gesicht war ruhig und entspannt, der Blick jedoch hochkonzentriert. Offensichtlich strengte es ihn an, was auch immer da vor sich ging, denn Schweißflecken bildeten sich auf dem weißen Hemd unter den Achselhöhlen und Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. An dem kleinen Finger der linken Hand entdeckte Nicole einen Siegelring mit dem Wappen der Cernýs. Dieser Ring musste schon sehr alt sein, denn das Wappen war nur noch schemenhaft zu erkennen. Die Hände selbst waren schmal und die Finger lang und zartgliedrig.

>Wie bei einem Klavierspieler.<

„Frieden?“, fragte Adolar jetzt den Hund mit seiner sanften und warmen Stimme. Nicole konnte sich nicht vorstellen, dass der Mann jemals laut oder böse klingen konnte.

Pumuckel machte einen Schritt auf Adolar zu, verharrte dann aber und sah zu Nicole hoch. Adolar streckte vorsichtig seine Hand nach ihm aus und Pumuckel streckte seinen klobigen Kopf in seine Richtung. Als die beiden nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren, schnupperte Pumuckel intensiv an der Hand des anderen Jägers. Dann schnaubte er und beendete seine Interessenbekundung.

„Ich glaube, wir haben einen Patt“, ließ sich Adolar vernehmen. Seine Stimme klang etwas erschöpft und rau, aber auch zufrieden.

Jannik atmete jetzt hörbar aus. Er hatte schon befürchtet, dass das große Tier sich von der Frau losreißen und über Adolar herfallen würde.

Nicole atmete ebenfalls erleichtert auf. „Ich weiß nicht, was sie gemacht haben und vor allem wie, aber ich bin froh, dass es geklappt hat, Herr Cerný.“

Langsam richtete sich Adolar auf. Sein Rücken war klitschnass geschwitzt und ihm war etwas schwindlig. Er hatte das dringende Bedürfnis unter seine Dusche zu steigen. „Pumuckel und ich sind zwar nicht gerade das, was man beste Freunde nennt, aber ich denke, wir sind in Friedensverhandlungen.“

Nicole grinste den Grafen kurz an. „Sondra erwähnte bereits, dass Sie Diplomat sind. Wenn Sie die Fähigkeit auch bei Menschen einsetzen könnten, würde es vielleicht keinen Krieg mehr in der Welt geben.“

„Das ist ein durchaus schöner Gedanke, den man vielleicht vertiefen sollte“, bemerkte Jannik.

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