Читать книгу Von Vampiren, Kriegern und Dieben - Heike Möller - Страница 4
Kapitel 2: Richtfest
ОглавлениеEs war erheblich kühler geworden, viel zu kühl für Anfang August. Aber im Moment war es wenigstens trocken, obwohl sich im Umland das eine oder andere Unwetter bereits ankündigte. Tristan und Leilani fuhren in dem Jaguar zu der zukünftigen Adresse von Tobias und Hanna Kerner.
„Also: Hanna ist Tobis Ehefrau und hat eine inzwischen achtjährige Tochter aus einer früheren Beziehung. Die Kleine ist absolut goldig und heißt Alyssandra. Aber alle nennen sie Lyssa. Monika ist Hannas Mutter, sie weiß nichts von unserer Art. Für Monika ist Tobi ein ganz normaler Mensch und geliebter Schwiegersohn.“
„Okay. Das heißt also, Klappe halten und erst nachdenken, bevor ich rede. Ist in Ordnung.“ Leilani saß auf dem Beifahrersitz und hielt die Präsente beinahe krampfhaft fest.
„Hanna ist immer noch sterblich, wird sich vermutlich auch nicht so schnell oder nie ändern.“
„Wie kommt Tobi denn damit klar?“
Tristan schnalzte mit der Zunge. „Er ist jetzt glücklich. Das hat über 150 Jahre gedauert, bis er endlich mit sich selbst Frieden gefunden hat und für eine Beziehung bereit war. Was in einigen Jahren oder Jahrzehnten sein wird, wissen wir nicht. Auch für unsere Art gibt es keine Garantien, Lani. Aber Tobi weiß, dass er Freunde hat. Und er genießt die Zeit mit seiner Frau und seinem Kind.“
Leilani lächelte. „Er hat das Mädchen als sein eigenes angenommen?“
„Oh ja! Er wollte schon immer eine Familie. Das war sein sehnlichster Wunsch. Und mit Hanna wurde ihm dieser Wunsch sogar in vielfacher Hinsicht erfüllt. Hanna ist eine reizende Frau, gute Mutter und liebende Ehefrau. Du wirst sie mögen. Ach und Lyssa kann uns erkennen.“
Entsetzt sah Leilani zu Tristan herüber. „Erkennen? Wie meinst du das?“
„Manche Kinder sehen, was wir sind. Ihre Unschuld legt noch keinen Schleier über die Wahrnehmung. Sie können es oft nicht benennen. Und wenn sie es ihren Eltern oder eben Erwachsenen erzählen, glauben die ihnen natürlich nicht. Lyssa hat sich mir auf der Hochzeit von Jan und Helena offenbart, Und sie hat mir ihr Versprechen gegeben, es für sich zu behalten. Sie hält ihr Wort.“
Tristan grinste plötzlich und sah etwas verlegen zu Leilani hinüber. „Ich fürchte, die Kleine ist in mich verliebt. Entschuldige.“
Leilani runzelte die Stirn und ihr Gesichtsausdruck wurde schlicht unglücklich. „Großartig. Mindestens ein Mensch auf dem Richtfest wird mich hassen!“
Tristan lachte leise, tätschelte dann ihr Knie. „Nein. Sie wird dich nicht hassen. Wenn sie dich näher kennen gelernt hat, wird sie dich genau so mögen wie die anderen. Mindestens.“
„Das beruhigt mich im Moment nicht gerade“, gestand Leilani und benetzte ihre plötzlich trockenen Lippen.
„Stavros wird auch dort sein“, fuhr Tristan fort und bog in die Straße ein, in dem das neue Haus gebaut wurde. „Das ist Helenas Bruder. Er ist eingeweiht. Ein lieber Kerl und Frauenschwarm.“
Leilani lachte verzweifelt auf. „So kann man getrost bisher alle männlichen Vertreter deiner Art betiteln, Tristan.“
Tristan schmunzelte und parkte den Wagen. „Nur das Táwo keiner von uns ist.“
Leilani rauchte ein wenig der Kopf bei so viel Input. Mit zitternden Händen öffnete sie die Wagentür und stieg aus. Innerlich schalt sie sich selbst ob ihrer Nervosität.
„Was ist denn los?“, fragte Tristan amüsiert und zog sie leicht an sich.
„Ich weiß auch nicht. Ich habe jeden Tag auf Arbeit mit Menschen zu tun. Manche sehe ich vielleicht nur ein oder zweimal, einige öfter. Da bin ich nicht halb so nervös. Ich denke, dass es daran liegt, dass diese Menschen deine Freunde sind. Ich möchte nichts falsch machen.“ Leilani lehnte ihre Stirn gegen seinen Hals und wünschte sich weit fort.
„Meine süße Lani.“ Tristan vergaß manchmal, wie schüchtern sie sein konnte. Ihm gegenüber hatte sie die Schüchternheit größtenteils abgelegt. Die letzten zwei Nächte waren erfüllt gewesen mit Zärtlichkeit und vorsichtigem Erforschen des Anderen.
„Du kennst Jan, Helena, Ben und Tobi. Ben hat dich ganz fest in sein Herz geschlossen. Helena ist schlichtweg begeistert von dir und Jan und Tobi mögen dich wirklich sehr. Sei einfach du selbst, so wie bisher. Verstell dich nicht. Ich bin an deiner Seite, Geliebte.“
Leilani sah in seine hellgrünen Augen und wurde ruhig. „Du nennst mich immer `Geliebte´. Warum?“
Tristan lächelte, beugte sich über sie und küsste sie zärtlich, lange. Als er sich langsam von ihr löste und in ihr Gesicht sah, schimmerten seine Augen golden. „Weil du es bist, Lani“, sagte er leise. „Ich … kann nicht so ausdrücken, was ich empfinde. Aber du sollst wissen, dass ich nicht mit dir spiele. Das, was zwischen uns stattfindet, hat sich bis hierher entwickelt. Und es wird sich weiterentwickeln. Wenn wir beide es wollen, Lani. Du und ich. Zusammen.“
Leilani sah dem großen Mann in die Augen, und sie spürte, dass sich in ihr etwas tat. Das hatte nichts mehr mit den körperlichen Empfindungen zu tun, die er im Verlauf der letzten drei Wochen ausgelöst hatte. Das ging tiefer, war ehrlicher, reiner.
„Und du sagst, du kannst es nicht ausdrücken? Tris, was du eben gesagt hast und wie, bedeutet mir viel. Du und ich. Zusammen. Das ist gut.“
Tristan küsste sie auf die Stirn, nahm ihre Hand und gemeinsam gingen sie zu der Baustelle, wo Tobias und Hanna Kerner das Richtfest für ihr Haus abhielten.
Das Haus war schon als solches sehr gut zu erkennen. Der Dachstuhl war fertig, die meisten Außenwände schon verputzt. Unten würde ein großes Wohnzimmer, ein kleines Bad mit WC und Dusche und eine große geräumige Küche mit angrenzendem Essbereich hinkommen. Oben ein großes Bad, ein Schlaf- und zwei Kinderzimmer.
Im Keller des Hauses war ein kleines Gästezimmer, ein kleines WC und die Wasch und Haushaltsküche geplant.
Ein Wintergarten, der direkt an der nach hinten auf das Grundstück führenden Terrasse gebaut würde, würde als kleines Büro für zu Hause dienen. Tobis eigentliches Büro lag nach wie vor in seiner Tanzschule. Er wollte die dortige Wohnung auch nicht aufgeben, für Freunde und Gäste bereithalten.
„Endlich lerne ich dich kennen!“ Hanna ging breit lächelnd auf Leilani zu und nahm die Frau einfach in ihre Arme. Das war gar nicht so leicht, denn Hanna war nur knapp über 1,60 Meter groß, und Leilani etwas unter 1,80 Meter.
Leilani wurde dunkelrot vor Verlegenheit. Doch als die kleine Frau sie mit ihren sanften braunen Augen ansah, lockerte sie sich sofort. Leilani seufzte erleichtert.
„Tobi und die anderen haben mir ja schon von dir erzählt. Aus dem langen Lulatsch ist ja nichts rauszuholen!“ Hanna funkelte Tristan mit gespielter Entrüstung an.
Leilani musste grinsen. Sie war erstaunt, dass Tristans Freunde salopp mit ihm umgingen, obwohl er doch manchmal ziemlich einschüchternd sein konnte.
„Tristan!“
Die helle Kinderstimme erscholl in einer ziemlich hohen Frequenz und Jan, Ben und Helena ließen kurz ihre Unterkiefer knacken, um den entstandenen Pfeifton in den Ohren los zu werden.
Ein kleines, hellblondes Mädchen mit strahlenden, kornblumenblauen Augen, sprang auf den Lothringer zu und war ansatzlos in dessen Arm. Tristan wirbelte das Mädchen lachend umher, vergrub seine Nase in ihrer Halsbeuge und tat so, als ob er an ihr knabbern würde.
Entsetzt sah Leilani zu Hanna, die das Ganze lachend beobachtete. Ebenso die anderen Vampire. >Er würde der Kleinen niemals etwas tun! Und die anderen wissen das auch. <
„Lyssa, ma petite, ich möchte dir jemanden vorstellen.“
Tristan behielt das Kind auf seinem Arm und drehte sich zu Leilani um.
„Leilani, das ist Lyssa. Mein kleiner Stern. Lyssa, das ist Leilani oder auch Lani. Sie ist meine Freundin.“
Bumm. Es war offiziell.
Lyssa zögerte einen Moment. Ihrem kleinen, hübschen Gesicht war deutlich zu entnehmen, dass sie das nicht so toll fand. Doch dann seufzte sie.
„Na ja. Wahrscheinlich bist du wirklich zu alt für mich, Tris. Zum Heiraten, meine ich. Aber Freunde bleiben wir, in Ordnung?“
Tristan lachte herzhaft. „Naturelement, ma petite. Für immer und ewig.“
Lyssa streckte jetzt Leilani lächelnd die Hand entgegen. „Du musst nett sein, wenn er dich mag. Also mag ich dich auch.“
So einfach war das. Leilani fiel ein riesiger Stein vom Herz und sie bekam sofort wieder Farbe im Gesicht, die ihr vor wenigen Augenblicken komplett entwichen war.
Leilani half Hanna am Buffet-Stand mit der Verteilung der Speisen. Tobias hatte zwei Spanferkel kommen lassen und die Bauarbeiter, die traditionell an diesem Tag zu Gast waren, langten kräftig zu. Ebenso der Architekt, der Statiker und einige Nachbarn, die die beiden Bauherren zum Kennenlernen eingeladen hatten. Es gab Buletten, Kassler, diverse Salate und Kuchen. Kaffee war in drei kniehohe Thermoskannen mit Pumpsystem gefüllt, Kisten mit Bier und nicht alkoholischen Getränken waren ebenfalls reichlich vorhanden.
Stilecht wurde alles in Pappbechern, auf Papptellern und mit Plastikbesteck serviert. Tobias hatte wegen der unsicheren Wetterlage zwei Zelte aufgestellt, die zu drei Seiten offen waren. Das Buffet war in einem Zelt untergebracht, der DJ, der geschmackvolle Lieder auflegte und sie auch nicht zu laut drehte, in dem anderen Zelt, zusammen mit einigen Tischen und Bänken. Die meisten Tische und Bänke waren jedoch außerhalb des Zeltes. Solange es nicht regnete wollten alle die letzten, wenn auch kraftlosen Sonnenstrahlen genießen.
Immer wieder kam Tobias kurz am Buffet vorbei, um seiner Frau einen Kuss auf die Wange oder den Lippen zu hauchen oder aber um über ihren Rücken zu streicheln. Einmal streichelte er über ihren Bauch und beide sahen sich glücklich an.
Leilani war verdutzt. Konnte es möglich sein?
„Du hast dich schnell mit den Tatsachen abgefunden“, meinte Hanna, als sie allein waren.
Fragend sah Leilani sie an.
„Na. Die Vampir-Sache!“, flüsterte Hanna, weil ihre Mutter sich gerade näherte und etwas Paprika stibitzte.
Leilani lachte trocken auf. Sie wartete, bis sie und Hanna wieder allein waren. „Ich war an dem Abend zu beschäftigt, um hysterisch zu werden. Hat Ben alles erzählt?“
„Ja. Hat er. Und … wirklich alles. Auch dass du dabei … eigentlich in Gefahr geschwebt hast.“ Hanna sah sie mit einer hochgezogenen Braue an. Leilani wurde tatsächlich rot und Hanna lachte ein kurzes und trockenes Lachen.
„Oh. Das auch. Auch wenn es sich etwas komisch anhört. Ich arbeite daran, dass sich etwas an dem Status Quo ändert.“
Hanna glotzte Leilani einen Moment an, dann brach sie in schallendes Gelächter aus. „Entschuldige!“, wieherte sie. „Das ist unglaublich süß ausgedrückt!“
Leilani grinste. Sie hatte ein neues Selbstbewusstsein und fand überhaupt nichts dabei, mit Hanna darüber zu reden. Komischerweise fiel es ihr sogar leichter, Hanna gegenüber offen zu sein als gegenüber Helena. Inzwischen hatte Leilani alles über die Verbindungen und wie die Verbindungen der einzelnen Anwesenden zu Stande gekommen waren erfahren.
Stavros Kapodistrias war wirklich ein Frauenschwarm – wenn man auf den südländischen Typen mit dichtem, schwarz gelocktem Haar und hellblauen Augen steht.
Monika Martens, Hannas Mutter, war eine warmherzige Frau, die Leilani zur Begrüßung in ihre Arme schloss. Sofort fühlte sich Leilani glücklich, als ob ihre eigene Mutter sie umarmt hätte.
„Leilani, Sie glauben ja gar nicht, wie froh ich bin, dass Sie Tristans Herz erobert haben. Der Junge hat uns ganz schön Sorgen gemacht!“
Tristan rollte nur mit den Augen und seufzte genervt, war Monika aber nicht wirklich böse. Leilani hingegen lächelte glücklich, beugte sich zu Monika und flüsterte etwas in ihr Ohr. Monika grinste dann über das ganze Gesicht und drückte Leilani noch einmal mütterlich an ihre Brust.
„Was hast du vorhin eigentlich zu meiner Mutter gesagt?“, wollte Hanna wissen und steckte sich eine kleine Bulette in den Mund.
„Das ich nicht nur Tristans Herz erobert habe, sondern er auch meines. Und dass ich seine Nähe nicht mehr missen möchte.“
Hanna seufzte entrückt. „Das ist gut, Lani. Aber du willst wieder in deine Wohnung zurück, habe ich Recht?“
Leilani nickte. „Ich brauche meinen Freiraum. Ein bisschen wenigstens. Ich habe keinerlei Erfahrung, was Beziehungen und so betrifft. Klingt vielleicht bescheuert, aber ich glaube, ein Rückzugsgebiet ist strategisch wertvoll.“
Wieder wieherte Hanna los. „Deine Ausdrucksweise ist großartig. Tris muss noch viel einstecken, fürchte ich.“
„Er kann auch austeilen. Aber darf ich dich jetzt was fragen?“
„Nur zu.“
Leilani knabberte kurz an ihrer Unterlippe, dann fasste sie Mut. „Ich habe vorhin gesehen, wie Tobi deinen Bauch gestreichelt hat. Bist du schwanger?“
Hanna stutzte einen Moment, dann grinste sie. „Ja. Ist aber im Moment noch ein Geheimnis. Ich bin erst Anfang des zweiten Monats und wir wollen die 12. Woche abwarten, bevor wir es bekannt geben.“
Leilani kratzte sich verlegen am Hals. „Es ist nur so …. Ben hat erzählt, dass Vampire keine Kinder zeugen oder empfangen können.“
Hanna schmunzelte wieder. „Und du willst wissen, ob Tobi der Vater ist.“
Leilani wurde rot. „Es geht mich nichts an, Hanna. Wirklich, wenn …“
Hanna hakte sich lachend bei Leilani ein. „Ist schon gut, Lani. Ich erkläre es dir. Tobi und ich wollten einfach ein gemeinsames Kind. Da das auf normalem biologischen Weg nicht möglich ist, haben wir uns einen … Samenspender gesucht. Trotzdem ist Tobi der Vater des Kindes.“
Leilani atmete erleichtert auf. „Hat die Samenbank nicht vorher Tests bei Tobi vorgenommen? Dabei muss doch aufgefallen sein, dass er genetisch anders ist.“
Wieder schmunzelte Hanna und sah Leilani tiefgründig an. „Wer sagt denn, dass wir in einer Samenbank waren?“
Leilani ließ einen Moment die Information in ihr Hirn sacken. „Oh!“, machte sie dann, bekam riesige Augen. „Okay.“
„Wir haben gemeinsam potenzielle Samenspender gesucht und sie um eine Samenspende gebeten. Natürlich haben wir ihnen versichert, dass sie niemals wieder von uns hören würden und deshalb keine Angst wegen Alimente oder so haben müssten. Einige fanden das nicht toll, drei waren einverstanden und haben uns was … abgefüllt. Tobi und ich haben dann meinen Eisprung abgewartet und es dann in mir injiziert, während wir miteinander geschlafen haben. Somit geht alles seinen rechtmäßigen Gang.“
Leilani hatte fasziniert zugehört. „Wow. Ihr beide liebt euch wirklich sehr. Das du das durchgezogen hast, Hut ab!“
Hanna lächelte glücklich. „Ich verrate dir noch etwas. Und behalte das bitte für dich. Sobald das Kind entwöhnt ist, werde ich mich wandeln lassen.“
Leilani empfand großen Respekt und tiefe Bewunderung für die kleine Frau. Das war schließlich keine einfache Entscheidung, zumal sie nicht altern würde, während ihre Kinder erwachsen, selbst Eltern werden und irgendwann sterben würden.
„Ich habe lange überlegt, Lani“, sagte Hanna, die merkte, wie die junge Frau zu grübeln begann. „Wenn man die Wahl hat, sollte man sorgfältig darüber nachdenken. Hat man diesen Weg beschritten, gibt es kein Zurück mehr. Einbahnstraße.“
Leilani verstand, nickte. Dann umarmte sie die kleine Frau. „Danke, Hanna.“
„Wofür?“ Die kleine Frau war etwas verblüfft.
„Für dein Vertrauen. Für deine Offenheit. Das weiß ich zu schätzen.“
„Und ich weiß zu schätzen, dass du Tristan glücklich machst. Ich kenne ihn jetzt seit etwas über einem Jahr, und ich habe ihn auch Lachen gesehen. Aber immer wirkte er unbewusst bedrückt. Nicht gelöst, nicht frei. Doch du hast ihn verändert. Er strahlt. Und das hast du bewirkt, Leilani.“
Tristan sah, wie sich Leilani etwas abseits mit einem Becher Wasser hinsetzte und vor sich hinlächelte. Sie zog ihre Sandalen aus und streckte ihre langen Beine ein wenig aus.
>Entschuldigt mich, Jungs! <, sandte er zu Tobi und Jan, die gerade mit dem Architekten fachsimpelten. Dann ging er mit seinem Becher Wein zu Leilani und ging vor ihr in die Hocke.
„Alles in Ordnung?“
Leilani strich zärtlich eine dunkelblonde Haarsträhne aus Tristans Gesicht. „Alles Bestens. Ich brauche nur mal fünf Minuten für mich. Ich hatte nie wirklich Freunde. Oder eine richtige Familie. Und auf einmal, da …. Alles hat sich verändert, Tris. In nur drei Wochen! Kannst du, der du 850 Jahre alt bist, dir vorstellen, was drei Wochen für mich bedeuten?“
Lange sah er in ihre jadegrünen Augen. Die bronzenen Strahlenkränze wirbelten regelrecht lebhaft um die Pupillen. „Ja, Lani. Ich kann es mir vorstellen. Auch wenn für mich drei Wochen aufgrund meiner Lebensspanne nur ein Wimpernschlag sind, habe ich doch nie das Zeitgefühl verloren.“
Er nahm ihre Hand und küsste die Handfläche, ließ sogar für einen kurzen Moment seine Zunge in der Mitte kreisen. Ein kleines Keuchen von ihr war sein Lohn.
„Ich bin unglaublich stolz auf dich, Lani. Wie du die ganzen Veränderungen, diese Situation verarbeitest, meisterst. Allein die Tatsache, dass Darius und Hagen Sörensen ein und dieselbe Person sind.“
Leilani fühlte, wie ihr wieder die Tränen hochkommen wollten, aber sie holte schnell tief Luft. „Ich weiß, dass das jetzt irgendwie falsch klingt, aber eigentlich müsste ich dem Mistkerl dankbar sein.“
Tristan runzelte die Stirn, sah Leilani fragend an.
„Ohne ihn hätten wir uns nie kennen gelernt, Tris.“
Tristan lächelte nach ein paar Sekunden. „Du verzeihst aber, dass ich ihm keinen Blumenstrauß als Dankeschön schicke.“
Leilani lachte leise. „Schon klar. Gibst du mir bitte ein paar Minuten für mich allein?“
„Natürlich, Geliebte.“ Tristan richtete sich auf und hauchte ihr einen kleinen Kuss auf die Stirn. Dann gesellte er sich wieder zu den anderen.
Leilani beobachtete ihren neuen Freundeskreis, ihre neue Familie. Und sie stellte fest, dass alles um sie herum einen Hauch von Normalität ausstrahlte.
Vampire? - Unbedeutend.
Darius? - Abgehakt.
Gefahren? - Verdrängt.
Der Moment zählte. Und sie war glücklich. So glücklich wie schon seit Jahren nicht mehr.
Leilani sah, wie Lyssa, die sich offensichtlich mit einigen Kindern ihrer zukünftigen Nachbarschaft angefreundet hatte, versuchte eine Frisbee-Scheibe zu fangen. Der Junge, der ihr die zugeworfen hatte, war etwa drei Jahre älter und hatte den Schwung und den Winkel nicht richtig bemessen. Und so landete das Wurfgeschoss in einem Walnussbaum. Lyssa wollte gerade ihren Stiefvater rufen, aber Leilani handelte einfach.
Geschmeidig wie eine Katze und flink wie ein Affe kletterte sie auf den Walnussbaum. Sie ergriff die Scheibe, klemmte sie sich zwischen die Zähne und sprang einfach von dem Ast, der sich in etwa drei Metern Höhe befand, herunter. Federnd landete sie auf ihre Füße und gab Lyssa die Frisbee-Scheibe.
„Wow!“, sagte die Kleine und starrte Leilani bewundernd an.
„Aber nicht nachmachen, Lyssa. Ohne Aufsicht schon gar nicht.“
„Okay!“, sagte das Kind und himmelte Leilani jetzt regelrecht an.
Leilani sah in die Gesichter der anderen. Zwischen Bewunderung, Verwunderung und Verblüffung war so ziemlich alles dabei.
Nur Tristan sah sie mit unverhohlenem Stolz an.