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Kapitel 4: Kleine Veränderungen

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Leilani wachte auf und merkte, dass ein Lächeln ihre Lippen umspielte. Vorsichtig öffnete sie ein Auge.

Sanft wehten die Gardinen und brachten frische Luft in das Zimmer. Die Luft roch nach dem nächtlichen Gewitter und Regen, so sauber und frisch. Sonnenschein machte sich zaghaft bemerkbar und tauchte das Zimmer in ein warmes, goldenes Licht. Einzelne Staubpartikel wirbelten durch die Luft, führten einen dishar­monischen Tanz auf.

Leilani streckte sich ausgiebig und seufzte leise, drehte sich um. Die Seite neben ihr war leer, aber auf dem Kopfkissen lag eine goldgelbe Orchidee.

>Er ist auf seine Art romantisch. Einfühlsam, aufmerksam und unglaublich …. Was für Adjektive gibt es noch, die ihn beschreiben? <

Leilani kicherte über ihre Gedankengänge, nahm die Blume und schnupperte an ihr. Die Blume hatte ein wundervolles Bouquet und sie hielt die Luft an, um den Duft zu konservieren.

>Aufstehen, Schlafmütze! <

Sie stand auf und keuchte schmerzerfüllt. In ihren Oberschenkeln, ihren Rippen und unteren Rücken hatte sich ein Muskelkater eingenistet, strafte jetzt heftige Bewe­gungen sofort ab.

>Da habe ich offensichtlich Muskelpartien beansprucht, die bislang in einem Dorn­röschen-Schlaf gelegen haben. <

Sie versuchte die schmerzenden Stellen zu ignorieren und humpelte ins Badezimmer. Sie erinnerte sich lebhaft an den Sex unter der Dusche und sofort rauschten eine Anzahl von Gefühlen durch ihren Körper.

>Oh Mann! So einiges hat bei mir in einem Dornröschen-Schlaf gelegen! <

Nachdem sie sich kurz erfrischt und den Mund ausgespült hatte, zog sie Tristans seidenen Morgenrock über. Tief atmete sie den Duft von ihm ein, der an diesem Stoff haftete: ein Hauch Tabak; männlich, würzig.

>Schon wieder Adjektive! <

Sie verließ Tristans Zimmer und lauschte in das Haus hinein. Sie hörte, wie Tristan vor sich hin singend in der Küche arbeitete, offensichtlich etwas umrührte.

>Ich sollte ihm vielleicht sagen, dass er lieber nicht singen sollte. Aber andererseits habe ich jetzt etwas an ihn gefunden, das nicht so perfekt ist. Und ich liebe es! <

Grinsend ging sie die Treppe hinunter und betrat die Küche.

„Guten Morgen!“ Leilani ging zu ihm und umarmte seine Taille.

„Hallo, mein Schatz.“ Er beugte sich über sie und küsste sie. Dabei rührte er weiter mit einer Hand in der Kasserolle. „Und … der Morgen ist schon vorbei. Es ist bald Mittagszeit.“

Tristan deutete auf die Küchenuhr und Leilani sah hin. Es war schon nach 12 Uhr. „Warum hast du mich nicht geweckt?“

„Du hast so friedlich vor dich hingelächelt und wirktest entspannt. Nein, ich konnte dich nicht wecken.“

Schnurrend stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn zärtlich. „Du bist und bleibst ein Ritter.“

„Wie wahr. Wie wahr. Hungrig?“

„Und wie! Ich könnte glatt ein halbes Schwein auf Toast verputzen!“

Tristan schmunzelte amüsiert. „So so. Sex macht hungrig, wusstest du das?“

„Und baut Kalorien ab. Aber das ist vermutlich etwas, worüber du dir keine Gedan­ken machen musst.“

„Oh doch!“ Tristan nahm die Kasserolle von der Herdplatte und stellte sie auf eine feuerfeste Unterlage. Dafür setzte er den Topf mit den Kartoffeln auf die heiße Platte.

„Vampire haben nicht das Gen für ewige Schlankheit oder Schönheit. Es gibt durchaus übergewichtige und auch unterernährte Vampire. Letzteres kann für Sterb­liche gefährlich werden, weswegen wir Gesunden versuchen, diese dann zu the­rapieren. Die Übergewichtigen müssten einfach nur ein wenig mehr Sport treiben und sich mehr Gemüse statt Fleisch reinziehen.“

„Ben ist auch übergewichtig, aber er sieht nicht so aus, als ob er unsportlich ist.“

Tristan sah sie einen Moment leicht angesäuert an. „Ben. Komisch. Vor einem Jahr noch hätte ich ihn am liebsten einen Kopf kürzer gemacht. Und jetzt ist er beinahe ein Freund.“

Tristan reduzierte die Hitze für die Kartoffeln ein wenig, da das Wasser zu kochen begann, kippte den Deckel an. Dann öffnete er den Backofen und ein wundervoller Duft erfüllte sofort die Küche. Geschmorte Kalbslende mit einer krossen Kruste.

„Tristan, du bist einfach fabelhaft!“, stöhnte Leilani und sog den Duft tief ein. „Aber du hast meine Frage noch nicht beantwortet.“

„Streng genommen war es keine Frage, sondern eine Feststellung.“ Tristan übergoss die Kalbslende mit dem Bratensaft, schloss dann wieder den Backofen. „Ben hat einfach die Statur. Vielleicht könnte er zehn oder zwanzig Kilo weniger wiegen, aber ich kenne ihn kaum anders. Er ist genauso beweglich und reaktionsschnell wie ich.“

Leilani brach ein Stück von dem Baguette ab, das auf dem Tisch lag und steckte es sich in den Mund. Sie hatte wirklich riesigen Hunger. „Habt ihr mal zusammen gekämpft? Ich meine, auf ein und derselben Seite?“

Tristan nickte. „Zweimal. Das erste Mal im Frühjahr letzten Jahres. Nachdem Jan aus den Fängen der `Krieger des Reinen Glaubens´ von Helena befreit worden war geriet ein relativ unerfahrener Vampir in deren Fänge. Wir starteten sofort eine Rettungs­mission, da wir wussten, wo er gefangen gehalten wurde.

Adolar, Jans Urahn, Schöpfer und Mentor hatte Ben nach Berlin befohlen, damit er hilft, ihn zu finden. Dass das im Grunde nicht mehr nötig war, konnten wir zuerst nicht ahnen. Addi und seine Frau sind aus Tschechien hergekommen, um Jan zu retten.

Jedenfalls sind wir alle los, um den Jungvampir zu befreien. Ben hat die eine Gruppe, die durch die Hintertür kam, angeführt, ich die andere. Und da konnte ich sehen, wie er kämpft. Schnell. Präzise. Konsequent.“

Leilani hatte sich auf den Küchentisch gesetzt und ihre Beine auf einen Stuhl gestellt.

„Was geschah beim zweiten Mal?“

Tristan runzelte kurz die Stirn, seufzte dann.

„Es war vor fünf Monaten. Ich folgte der Einladung einer alten Freundin nach Kreta, nahm Ben mit. Wir haben im Auftrag des Konzils gehandelt, wollten ein paar Informationen einholen und ihnen nachgehen.

Zenobia und ich trafen uns und sie gab mir die Infos. Ein paar Stunden, nachdem wir uns getrennt hatten und ich gerade mit Ben zusammensaß, wir das weitere Vorgehen besprachen, bekam ich einen Anruf. Meine Freundin war unvorsichtig. Ihr fehlt die Erfahrung, im Verborgenen zu agieren und die Legionäre haben sie erwischt.

Ben und ich formierten schnell eine Einsatztruppe und haben sie befreit.“

Leilani sah Tristans angespanntes Gesicht, den Schmerz in seinen Augen.

„Sie haben sie gefoltert, missbraucht und gedemütigt. Aufs Tiefste … gedemütigt, Lani.“ Er sah sie kurz an. Immer noch, nach fünf Monaten, bewegte ihn dieser Anblick, als er Zenobia in diesem Keller fand.

„Ich geriet in eine Art Schockzustand. Ben, der Zenobia bislang nicht persönlich kannte, hatte es auch mitgenommen, aber er reagierte sofort. Die Legionäre haben Zyankali-Kapseln im Mund, sodass sie, falls sie erwischt werden, keine Fragen mehr beantworten müssen. Wir wussten das von unserem ersten Zusammentreffen. Ben schnappte sich einen der Kerle, riss seinen Mund auf und entfernt die Kapsel, bevor der Typ überhaupt reagieren konnte. Dann stellte er sich vor mich, fing ein paar Kugeln auf, die für mich gedacht waren.“

Leilani hatte ihre Hand vor den Mund geschlagen und sah Tristan entsetzt an. Ben hätte das nicht tun müssen, das war ihr klar. Die Kugeln hätten Tristan nicht getötet, aber Ben hatte offensichtlich einfach nur gehandelt.

„Jedenfalls erwachte ich aus meiner Starre und wir mähten die Typen nieder. Ben, obwohl schwer verletzt, brach einem einfach das Genick. Schnell und sauber.“

Tristan drehte sich zu den Kartoffeln um und prüfte, ob sie schon weichgekocht waren.

„Zenobia ist eine gebrochene Frau, Lani. Sie lebt seit beinahe 1800 Jahren, war immer der Inbegriff von Stolz, Integrität, Erhabenheit und Schönheit. Wenn Vampire brechen, sterben sie.“

Leilani trat hinter ihn und umarmte wieder seine Taille. Sie spürte, wie weh ihm diese Erfahrung, dieses Erlebnis tat. „Kann man gar nichts für sie tun?“

Tristan streichelte sanft ihre Hand. „Beten. Hoffen. Warten.“

Er wand sich aus ihrem Griff und goss die Kartoffeln ab, schwenkte und dämpfte sie. „Sie lebt jetzt bei Rashid. Er und seine Frau Yasemin helfen ihr, so gut es eben geht. Aber letztendlich ist es Zenobias Entscheidung.“

Leilani beschloss, dass weitere Fragen bis nach dem Essen warten müssten. Sie lenkte ihn ab, sprach über alles andere, nur nicht über seine Art und seine per­sönlichen Erlebnisse.

„Sag mal, hast du Schmerzen?“ Tristan merkte plötzlich, dass sie etwas schief saß und einige Bewegungen langsam ausfielen.

„Muskelkater. Unser nächtliches Training hat Muskelpartien beansprucht, die mir bislang unbekannt waren.“

Tristan glotzte sie an, lachte dann schallend.

„Das ist nicht komisch! Das tut weh!“ Sie streckte ihm ihre Zunge raus.

„Ich werde dich nachher ein wenig verwöhnen, mein Schatz.“

Leilani zog eine Braue hoch. „Dein Verwöhnprogramm endet aber in Aktionen, die den Muskelkater erst verursacht haben!“

Tristan schmunzelte. „Bereust du es?“

Überrascht sah sie ihn an. „Nein, Tris.“

„Gut. Ich nämlich auch nicht.“

Er hatte eine einmalige Art, zur Tagesordnung überzugehen. Leilani musste sich daran erst gewöhnen, wusste aber, dass es nur eine jahrhundertealte Fassade war. Seine Augen sahen sie mit einer Liebe und Zärtlichkeit an, die die Worte eines Minnesängers glatt in den Schatten stellte.

Leilani hatte aufgegessen, stand nun auf und ging zu Tristan um den Tisch herum. Er runzelte die Stirn, wusste nicht, was jetzt kommen würde. Sie drückte ihn ein wenig zurück und setzte sich auf seinen Schoß, kuschelte sich an ihn wie ein kleines Kind. Zufrieden seufzte er.

„Ich liebe dich, Tris. Ich weiß, dass du, wenn es um Gefühle geht, nicht der Typ bist, der das ständig sagt. Aber ich weiß auch, dass du ebenfalls diese Gefühle für mich hast.“

Tristan drückte sie an sich, barg sein Gesicht in ihr duftendes, kurzes, dunkelbraunes Haar. „Du hast mich verändert, Lani. Die letzten drei Wochen mit dir haben mich verändert, mich zum Nachdenken über vieles gebracht.“

„Mich ebenso. Alles, was mir vertraut war, was meinem Leben einen Sinn ergab, wurde gründlich auf den Kopf gestellt. Und nicht jede Erkenntnis bedarf einer Wie­derholung.“

Tristan wusste, dass Leilani den Verrat von ihrem Stiefvater Hagen Sörensen meinte, der sich als Tristans Erzfeind Darius entpuppte.

„Wenn ich damals, als in meiner Wohnung eingebrochen wurde, nachgedacht hätte und nicht wie von Furien gejagt her gerast wäre um dich anzubrüllen, wäre es zwischen uns nie so weit gekommen.“

„Vielleicht doch“, schnurrte Tristan und streichelte sanft ihren Nacken. „Ich glaube, dass das mit uns Bestimmung ist. Obwohl ich mich, zugegebenermaßen, dagegen gesträubt habe.“

„Warum?“ Leilani sah ihn neugierig an.

„Ich dachte, dass es nur ein primäres Interesse wäre. Du weißt schon: Blut, Jungfräu­lichkeit. Das meine Instinkte nur auf dich reagieren würden, weil die Sache mit Rowena noch nicht so lange her war. Ich war noch nie so froh, dass ich mich geirrt habe.“

Plötzlich lachte Tristan.

„Was ist?“

Er sah sie entschuldigend an. „Ich habe noch nie so viel geredet wie mit dir, Lani. Ich meine, mit einer Frau. In so kurzer Zeit.“

Leilani zog indigniert die Brauen hoch. „Und was hast du in 500 Jahren Ehe mit Rowena gemacht?“

Sie bereute die Frage einen winzigen Moment später, denn seine Hand glitt in den Ausschnitt des Morgenrocks und umfasste ihren kleinen Busen, dessen Nippel binnen zweier Herzschläge steinhart wurde.

„So was in der Art“, schnurrte er und küsste sie.

Von Vampiren, Kriegern und Dieben

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