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0. Ein Wort zuvor

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Sie ist Anlass für Missverständnisse, Konflikte, Stigmatisierungen, enttäuschte Erwartungen und veritable BeziehungskrisenBeziehungskrisen. Gleichzeitig ist sie eine wahre Brutstätte von KreativitätKreativität und Genialität, von inneren wie äußeren Veränderungen und Neuschöpfungen. Sie ist Evolution und Revolution in einem.

Die Rede ist von der PubertätPubertät sowie der AdoleszenzAdoleszenz, der Grauzone zwischen Jugend und Erwachsensein. Sie bilden einen eigentlich beeindruckenden Entwicklungszeitraum, der aber, anders als z.B. die frühkindliche EntwicklungEntwicklung als ebenfalls beeindruckende Phase, nicht unbedingt für freudiges Staunen sorgt, sondern für Irritationen, Ratlosigkeit und mitunter auch Sprachlosigkeit.

Vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse und Theoriebildung, vielfältiger Beobachtungs- und Befragungserfahrungen, empirischer Untersuchungen, insbesondere der Fremdsprachendidaktik und der Erziehungswissenschaften, sowie unter Bezugnahme auf neurowissenschaftliche und ausgewählte psychologische Befunde entstand dieses Buch. Es erhebt in aller Bescheidenheit den Anspruch, zu einem besseren Verständnis dieses einzigartigen Entwicklungszeitraums beizutragen und auf dieser Grundlage den sonst oftmals eher intuitiven Handlungshinweisen für den Fremdsprachenunterricht sich auf Wissensbestände stützende zur Seite zu stellen.

Das Buch setzt bei einer Auseinandersetzung mit Wissensbeständen an, schlägt Brücken zur Praxis des Fremdsprachenunterrichts und geht dabei zahlreichen Fragen nach: Welche Prozesse laufen im Gehirn von TeenagernTeenager ab? Wie gelingt die Kommunikation mit Jugendlichen trotz scheinbarer Abgrenzung? Was bedeutet Sprache für Jugendliche und ihre IdentitätsentwicklungIdentitätsentwicklung? Welchen Einfluss haben PeersGleichaltrige, Peers auf den sprachlichen Lernprozess? Welche Inhalte sind für Heranwachsende relevant und damit memorierbar? Welche Rolle spielen EmotionenEmotionen, KreativitätKreativität und Strategien? Welche Rolle spielt Musik im Leben von Jugendlichen und welches Potenzial besitzt sie fürs Sprachenlernen? Wie sieht letztlich ein altersgerechter Fremdsprachenunterricht aus, welchen Prinzipien folgt er?

Diesen und weiteren Fragen stellen wir uns – und wir stellen uns ihnen ausgesprochen gerne. Denn eine gesicherte Vorinformation ist diese: Die PubertätPubertät ist eine der Lebensphasen mit dem größten Entwicklungspotenzial.

Das starke Motiv für uns beide als ehemalige Lehrkräfte und jetzige Lehrkräftebildner, als Autoren und Wissenschaftler, uns um diese spracherwerbssensible Phase zu kümmern, deren Potenzial wider besseren Wissens unterschätzt wird, ist die Sackgasse, in der vor allem die schulische Sekundarstufe steckt. Entwicklungspsychologisch, neurowissenschaftlich und auch fachdidaktisch zielgruppenorientiertes Fremdsprachenlehren und -lernen zu erforschen und zu organisieren ist immer noch eine Sisyphosaufgabe.

Wir gehen holistisch heran, wollen Grundlagen legen, dazu Zugänge und Entwicklungspotenziale aufzeigen, für das Sprachenlernen relevante Besonderheiten dieser einzigartigen Entwicklungsphase beleuchten und diese erklären. Wir möchten einerseits dafür sensibilisieren, dass manche pubertären Verhaltensweisen der HirnentwicklungHirnentwicklung zuträglich sind, dass aber andererseits auch nicht alles durch Umbauarbeiten im Gehirn zu entschuldigen ist: In manchen Fällen spiegeln z.B. die Streitbarkeit und Grenzüberschreitungen von Jugendlichen einfach nur die Erwartungen oder Befürchtungen von Erwachsenen, die es mit Pubertierenden zu tun haben.

Letztlich berühren wir im Zuge unserer Auseinandersetzung auch die methodische Ebene, wollen Aufgabenformate anbieten, die den gesicherten Befunden entsprechen und Lehrkräften, Referendaren, Studierenden, Personen in der Lehrkräfteausbildung sowie Leiterinnen und Leitern von Sprachkursen für Jugendliche Anstöße geben, um das Potenzial dieser besonderen Entwicklungsphase (neu) zu entdecken, es im Fremdsprachenunterricht zu entfalten, Freude, Gemeinschafts- und Erfolgserlebnisse im Unterricht zu ermöglichen.

Gegen Ermüdung, Entmutigung und manchmal sogar Verzweiflung der Fremdsprachenlehrkräfte zu wirken, ist lohnend. Über demokratische Unterrichtsstrukturen, Kollaboration, Kooperation und Partizipation sind Verständnis, Toleranz und Vertrauen gegenüber den sprachenlernenden Jugendlichen zu erreichen, und sie ermöglichen einen einfachen Haltungswechsel. Dieser wiederum bildet den Ansatzpunkt, den wir nach eingehender Auseinandersetzung mit dem Kenntnisstand und als langjährige Praktiker empfehlen. Das vorliegende Buch möchte, über den Weg des erweiterten Verständnisses für das, was in dieser besonderen Entwicklungsphase vor sich geht, dazu ermutigen, von einer mehr oder weniger resignierten oder auch defizitorientierten Sichtweise von PubertätPubertät und AdoleszenzAdoleszenz Abstand zu gewinnen und sie durch eine stärkenorientierte Sichtweise zu ersetzen.

Das „Wort zuvor“ möchten wir mit einem Wort des Dankes abschließen: Wir danken Anita Graeff, Dr.Urška Grum und Laura Wendland für die Durchsicht des Manuskripts bzw. die Unterstützung beim Formatieren.

Berlin/Eichstätt, im Frühjahr 2017

Heiner Böttger

Michaela Sambanis

Sprachen lernen in der Pubertät

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