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c) Die Notwendigkeit der theologischen Zuordnung satanischen Machtanspruchs

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Wenn das Zeugnis der Bibel von der Wirklichkeit und Wirksamkeit des Satanischen spricht, müssen wir uns von vornherein darüber klar sein, dass damit eine Wahrheit ausgesprochen ist, die für unsere Erkenntnis einen unlösbaren Widerspruch bedeutet. Dieser Widerspruch ist nicht theologisch konstruiert. Zum einen ist Gott der souveräne Herrscher, der Schöpfer der sichtbaren und unsichtbaren Welt. Zum anderen wird Satan beschrieben als jemand, der Einfluss in dieser Welt ausüben kann. Es gehört zum Wesen Gottes, dass Gott alles in allem wirkt. Martin Luther bezeichnet deshalb den Teufel als »Gottes Teufel«, der nur unter der Herrschaft Gottes seine Macht entfalten darf und kann. Der Teufel ist aber nicht nur eine Art »Untertan« Gottes, sondern die zweite biblische Wahrheit muss ebenso deutlich gesagt werden: Satan hat das Ziel, Gott zu entthronen. Seine Macht ist nicht zu unterschätzen. – Diese denkerisch polare Spannung zwischen den beiden Aussagen muss auch ausgehalten werden und wird nur schwerlich zu erhellen sein. Gerade diese Spannung ist es ja, die im Kreuzesgeschehen, in Jesus Christus ihre Auflösung findet. Der angebliche Triumph Satans im Tod des Sohnes Gottes wird zur Thronbesteigung des Siegers von Golgatha: Jesus Christus.

Welchen Stellenwert hat angesichts der erneuten Ermächtigung des Sohnes Gottes aber nun noch der Satan und seine Gewalten? Was bedeutet es, dass der gesamte Kosmos unter der Herrschaft des Bösen steht (1. Joh. 5,19), oder dass Jesus den Satan als den »Fürsten dieses Welt« bezeichnet (Joh. 14,30)? Selbst eine differenzierte Darlegung der leidvollen inhaltlichen Verwobenheit von Teufel, Welt und Fleisch bzw. Sünde mildert die Schärfe der Fragestellung nicht ab. Eine stärkere Betonung der menschlichen Verankerung des Bösen, wie sie u. a. auch Sherwood G. Lingenfelter 24 oder der niederländische Theologe Hendrik Berkhof 25 sehen, kann nur wenig zur Aufklärung der Fragestellung beitragen. Festzuhalten bleibt, dass es wohl einen nicht zu unterschätzenden menschlichen Verantwortungsrahmen für die Wirksamkeit des Bösen gibt, dass jedoch auch eine handelnde, interpersonale Macht der Sünde existiert.

Deutlicher wird die Fragestellung angesichts der Ausbreitung des Bösen in Politik und Gesellschaft. Theologen aller Zeiten haben versucht, eine Antwort zu geben. Ein neuerlicher, viel beachteter Entwurf wird von dem Theologen Walter Wink in seiner Trilogie zum Thema vorgelegt.26 Winks Interesse ist es, die gesellschaftliche Dimension des Bösen in ihrer Auswirkung theologisch zuzuordnen. Er geht davon aus, dass jegliche Realität eine physikalische und spirituelle Seite hat. Diese spirituelle Seite bezeichnet er als Macht, die in ihrem Ursprung jedoch nicht schon böse sein muss, sondern erst durch die Anwendung böse wird. Erst wenn die Mächte dazu führen, dass ein Mensch oder auch ein System sich gegen Gott erhebt, werden diese Mächte gemäß Walter Wink zu bösen Mächten. Wenngleich dieser Gedanke in seiner Konsequenz von vielen evangelikalen Theologen nicht nachvollzogen wird, so liegt darin doch ein Akzent, der nicht übersehen werden darf. Es geht um die menschliche Verantwortung, die jeder Wirksamkeit des Bösen mit zugrundeliegt. Wenn ein ganzes Netzwerk derartiger Mächte und Gewalten zum Einsatz kommt, um Gott zu entthronen, so spricht Wink von einem »Domination System« (Macht-System), das durch eine entartete Kraft gesteuert wird, die in Anlehnung an Texte aus Offenbarung 13–17 als eine »babylonische Macht« gesehen wird. Wink charakterisiert diese Mächte und identifiziert sie als die in Kolosser 2 erwähnten kosmischen Mächte (soicheia thou kosmou). Durch das Christuszeugnis haben diese Mächte aber ihre eigentliche Kraft verloren; so können auch Machtsysteme gebrochen werden. Wink urteilt aus persönlicher Betroffenheit. Er selber hat sich für die Menschenrechte eingesetzt und sich aktiv an der Abschaffung des Apartheidsystems in Südafrika beteiligt. Sein Beitrag zu einem zukunftsfähigen Weltbild wird deshalb nicht nur bei Christen Gehör finden. Er erweist sich als relevant für die Deutung und Durchdringung gesellschaftspolitischer Zusammenhänge, die offensichtlich Züge des Bösen tragen.

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