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Die Schwar­zen, die das Pferd am Zaum ge­führt hat­ten, muss­ten ihre Her­rin auf­fan­gen: ihr ward schwach – und dann lag sie in Far­ren1 ver­steckt; ein Pal­men­blatt ward be­wegt über ih­rem dun­keln Schei­tel; der große, hell­haa­ri­ge Mann beug­te sich zu sei­ner blei­chen Ge­fähr­tin, und das Kind kam zur Welt. Die Bäu­me des Ur­wal­des stan­den starr und über­mäch­tig da­ne­ben. Dor­ther, wo er sich lich­te­te, kam das Schla­gen des Ozeans, und von drü­ben, aus der Fins­ter­nis das wil­de Ge­schrei der Pa­pa­gei­en und der Brüll­af­fen.

Das Kind lern­te spre­chen von sei­ner schwar­zen Amme und lau­fen auf dem Sand zwi­schen Wald und Meer. Vom Ran­de des Mee­res hol­te es Mu­scheln, die es von großen Stei­nen lös­te; und am Wald­saum ern­te­te es ab­ge­fal­le­ne Ko­kos­nüs­se: dar­aus zo­gen ihm die Die­ner mit glü­hen­den Spie­ßen die süße Milch. Gro­ße, zucke­ri­ge Früch­te hin­gen über­all bei sei­nen Händ­chen; im Gar­ten er­trank es in Blu­men, und als gol­de­ne Fun­ken schos­sen Ko­li­bris um sei­nen Kopf.

Dann ward Brü­der­chen Nene groß ge­nug, dass sich mit ihm spie­len ließ. Man such­te zwi­schen Mau­er­rit­zen nach den win­zi­gen run­den Ei­dech­se­nei­ern und den Nat­ter­nei­ern, rund und weich. Vom Schwanz des Gür­tel­tie­res brach­ten ei­nem die Ne­ger die kleins­ten Rin­ge: da­mit schmück­te Nene der Schwes­ter und sich selbst alle Fin­ger; und dann fuhr man in ei­nem Zu­ber den Bach hin­ab, und die schwar­zen Ku­ru­bus auf ih­ren Bü­schen sa­hen ei­nem, über ihre feu­er­ro­ten Krumm­schnä­bel hin­weg, ho­heits­voll nach.

Und man er­leb­te in der Haupt­stadt den Tro­pen­re­gen: in den Stra­ßen fuh­ren Ka­nus, und un­abläs­sig muss­ten die Schwar­zen mit Schau­feln das Was­ser aus den Zim­mern sto­ßen – und den Kar­ne­val! An der Ja­lou­sie­tür saß man auf ei­nem Stühl­chen, über dem Ge­wim­mel der Mas­ken, und die schö­ne Mama warf Wachs­bäl­le hin­ab: die platz­ten und tränk­ten die bun­ten Trach­ten mit flüs­si­gem Duft. Aber aus ei­ner Mu­schel, die ein ganz ro­ter Mann an den Mund setz­te, fuhr ein so schreck­li­cher Ton, dass man ihn nicht er­tra­gen konn­te, son­dern sich mit sei­nem Stuhl zu­rück­warf und auch Nene mit um­riss.

Und auf der Gro­ßen In­sel – das Haus der Gro­ß­el­tern schwamm im Duft der Oran­gen­blü­ten – sog man in­mit­ten ei­nes Hee­res ern­ten­der Ne­ger an ei­nem Stück­chen Zucker­rohr. Und zit­tern­den, schrei­en­den Lau­fes kam man von ei­ner Be­geg­nung mit der Boa heim! Und schau­te, mit al­len schwar­zen, gel­ben und wei­ßen Kin­dern der Pflan­zung, er­reg­ten Au­ges und ju­belnd zu, wie der Groß­va­ter vie­le Pa­pi­er­röll­chen an­zün­de­te und sie in wei­ten, leuch­ten­den und zi­schen­den Bö­gen über das Meer schoss. Das Meer schob ei­nem lan­ge, laue Schlan­gen über die blo­ßen Füß­chen; im Hemd­chen, das ein Gür­tel en­ger schloss, fing sich ein Stoß war­men Nacht­win­des; und hob man den Blick, schwin­del­te es ei­nem, so voll war er auf ein­mal von Ster­nen!

Es war herr­lich: man war wie alle an­de­ren Kin­der – und doch nicht ganz so. Vor­neh­mer war man. Man hat­te blon­des Haar; nicht ein­mal Nene hat­te es; und die schwar­ze Anna war sehr stolz dar­auf und konn­te nicht ge­nug Lo­cken dar­aus wi­ckeln. Man hat­te auch einen blon­den Papa: wer hat­te den noch? Und kam er zu Be­such auf die In­sel der Gro­ß­el­tern, und ging man an sei­ner Hand um­her: viel grö­ßer war er als alle Men­schen und im­mer ernst – und sah man alle ihn be­wun­dern, dann durch­rann einen selbst ein Schau­er von stol­zer und ehr­fürch­ti­ger Lie­be.

Da aber – was be­deu­te­te dies? – saß ei­nes Nach­mit­tags im Saal, wo Groß­mut­ter klöp­pel­te, Mama, die schö­ne Mama, und wein­te, ja, wein­te laut. Kaum aber hat­te sie ihr klei­nes Mäd­chen er­blickt, stürz­te sie dar­auf los, riss es an sich, fiel vor ihm auf die Knie, rief und rang das Schluch­zen nie­der:

»Lola! Mei­ne Lola! Sag: bist du nicht mein?«

Mit ei­nem Fin­ger vor den Lip­pen, er­schro­cken fra­gend sah das Kind nach der Groß­mut­ter: die saß da, gra­de und streng wie im­mer, und klöp­pel­te.

»Bist du nicht mein?« fleh­te die Mut­ter.

»Ja, Mai.«

»Man will dich mir weg­neh­men. Sag’, dass du nicht willst! Hörst du? Du willst doch nicht fort von mir, von uns al­len?«

»Nein, Mai. O Gott! Wo­hin soll ich? Ich will da­blei­ben: bei Pai, bei dir, bei Anna! Die Lui­zia­na hat mir ein klei­nes Kanu ver­spro­chen; mor­gen bringt sie es!«

Aber schon am Abend war­te­te auf die klei­ne Lola ein großes Kanu. Die schö­ne Mai lag in ei­ner Ohn­macht; Nene hing schrei­end an Lo­las Kleid – aber ein Schwar­zer mach­te sie los, trug sie, und die Ärm­chen der Ge­ängs­te­ten würg­ten ihn, ans Was­ser, setz­te vor­sich­tig sei­nen nack­ten Fuß von ei­nem der großen über­flu­te­ten Stei­ne auf den nächs­ten … Das Meer bran­de­te wü­tend; zer­ris­se­ne Fins­ter­nis flat­ter­te um­her, und manch­mal warf ein Stern ein bö­ses Auge her­ein. Nun ward das Kind ins Boot ge­legt; es hat­te nicht ge­schri­en, es wein­te un­hör­bar im Fins­tern. Die Schwar­zen ru­der­ten schwei­gend, und das Kiel­was­ser leuch­te­te fahl, als sei es die Spur ei­nes Ver­bre­chens.

1 Farn <<<

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