Читать книгу Ein neuer Tag droht... - Heinz Eisert - Страница 6
Im Wartezimmer
ОглавлениеEin Arztbesuch ist ja eigentlich nichts Aufregendes – wäre da nicht das Wartezimmer. Zum Glück muss man sich dort nicht mehr wie früher unterhalten, („Haben sie auch diese ziehenden Unterleibsschmerzen?“ – „Ja, genau, von da bis hier hinauf. Wollen Sie mal sehen?“ – „Und haben sie auch die Tabletten Tabularasa bekommen?“…) und das mit wildfremden Menschen. Nein, man kann einfach auf sein Handy schauen und sich abkapseln von der Umwelt. Manche schalten das Handy sogar nicht ein, sondern schauen einfach so drauf…
Unangenehm wird es nur, wenn jemand das Handy nicht leise oder auf lautlos gestellt hat! Dann kommen plötzlich sehr ausgefallene Klingelzeichen („je t`aime“) und eine Piepsstimme mit „Na, mein kleiner Rammler, wo bist Du denn?“ Leider war danach sofort auf lautlos gestellt worden, und weitere Informationen wurden uns so vorenthalten. Dafür hatte der Patient jetzt plötzlich eine gesunde Gesichtsfarbe.
An der Rezeption die Arzthelferinnen haben es auch nicht leicht! Patienten kommen zu einem Termin, den sie gar nicht haben. Der ist nämlich erst in 2 Wochen („Aber wenn ich schon mal hier bin...“).
Ein anderer will 2 Brötchen. Da merkt er erst, dass er im „falschen Laden“ ist (der sollte sich lieber gleich hier einen Termin geben lassen!).
Ein anderer Patient steckt seine Krankenkassenkarte in das Lesegerät. 2, 3x – aber es funktioniert einfach nicht. Die Arzthelferin macht ihn diskret darauf aufmerksam, dass es die falsche Karte ist, nämlich die Kreditkarte….
Dann kommt eine Arzthelferin ins Wartezimmer und sagt den verhängnisvollen Satz: „Der Nächste bitte!“
Sofort stehen 3 Patienten gleichzeitig auf. Ich sehe vor meinem geistigen Auge schon gleich einen flotten Dreikampf starten. Doch die Arzthelferin erkennt sofort die gefährliche Lage und bittet Herrn Krank ins Arztzimmer. (Na, wenn man schon so heißt!!). Enttäuscht setzen sich die beiden anderen wieder hin, triumphierend schreitet Herr Krank wie ein Sieger zum Arztzimmer.
Nachdem längere Zeit kein Patient mehr abgeholt wird, geht des Öfteren der Blick der Wartenden auf die Armbanduhr.
Man wird etwas unruhiger und nervöser. Wenn man schon mal krank ist will man ja noch was vom Rest des Tages haben, oder?
Endlich, nach endlosen 30 Minuten kommt Herr Krank wieder zurück und findet nach der Anprobe zweier Mäntel doch noch seinen eigenen und verlässt die Praxis, wort- und grußlos. Wahrscheinlich aus Rücksicht um uns nicht zu wecken…
Die Patienten schauen mittlerweile nun nicht nur auf die Armbanduhren, nein, jetzt rutschen sie auch schon unruhig auf ihren Stühlen herum. Man kann die sich aufbauende Spannung förmlich spüren.
Jetzt noch schnell auf die Toilette? Nein, lieber nicht. Wenn man dann aufgerufen wird und nicht da ist, kommt man noch später dran. Das Risiko besser nicht eingehen!
In der Zwischenzeit kam eine Dame, die ihren Mann abholen wollte. Der ist aber noch gar nicht im Arztzimmer gewesen und sitzt noch immer im Wartezimmer. Jetzt haben wir im Wartezimmer wenigstens etwas Unterhaltung und können in aller Ruhe dem Gespräch der beiden lauschen. So erfahren wir, dass Tante Luise ihren 80.ten nun doch nicht feiern will, der kleine Ernst immer noch in die Hose macht und die Nachbarin, die blöde Kuh, immer wieder direkt vorm Gartentor parkt. Gerade als es aber interessant wird („Und Erna hat schon wieder einen neuen Stecher! Stell` Dir mal vor, was der…“) ruft mich die Arzthelferin auf und ich „darf“ ins Arztzimmer.
Was im Arztzimmer los war lasse ich im Dunkeln, es gibt ja die ärztliche Schweigepflicht. Wenn es die für den Arzt gibt, muss es ja eigentlich auch eine für den Patienten geben, oder? Also!
Ich lasse mir an der Rezeption einen neuen Termin geben.
Geht der 3. März? - Nein, da habe ich Rasen zu mähen!
Und der 12. März? - Oh, da kommt meine Schwiegermutter zu Besuch! Und am 3. April? - Das würde passen!
Tut mir leid, aber ich sehe, da sind wir schon voll. Aber am 7. Juni? -
Ja, das geht auch.
Um 8 Uhr gleich? - Oh, das ist zu früh. Ich muss ja erst Zeitung lesen! Dann um 10 Uhr? Ja, das geht.
Gut, dass wir noch einen Termin gefunden haben…
Ich gehe zur Garderobe und freue mich, dass mein Mantel noch da ist. Die Freude währt aber nur kurz – mein Regenschirm ist spurlos verschwunden! Und draußen schüttet es jetzt in Strömen!
Aber das macht ja nix – ich habe ja bereits einen neuen Arzttermin!!