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[31]2 Zur Fachgeschichte

Die wissenschaftliche Reflexion über gesellschaftliche Kommunikation beginnt nicht erst etwa mit der Begründung der Zeitungswissenschaft im zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Vielmehr setzt die Beschäftigung mit publizistischer Kommunikation im europäischen Raum bereits mit der Entwicklung der Rhetorik in der Antike ein. Ein kräftiger Impuls ging des Weiteren von der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern (1445) sowie in dessen Gefolge vom Aufkommen erster, periodisch erscheinender Zeitungen zu Beginn des 17. Jahrhunderts aus. Seither verdichtet sich das wissenschaftliche Interesse an den publizistischen Medien kontinuierlich. Mit der Begründung der universitären Zeitungswissenschaft im Jahre 1916 durch Karl Bücher war ein wichtiger Schritt zur Etablierung des Faches getan. Es entfaltete sich anfangs nur langsam und erlitt durch den Nationalsozialismus insofern eine Zäsur, als es politisch vereinnahmt wurde. Der Wiederaufbau nach 1945 ging ebenfalls nur eher zögernd voran. Erst im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts erhielt es durch die Errichtung neuer Institute, Studiengänge, Lehrstühle und Professuren wichtige Anschubimpulse. Die Kommunikationswissenschaft ist heute – im Vergleich zu den Naturwissenschaften, den technischen Wissenschaften, der Medizin oder der Jurisprudenz – zwar immer noch ein relativ kleines Fach; sie ist aus dem Kanon der Geistes- und Sozialwissenschaften sowie ästhetisch-künstlerischer Disziplinen jedoch nicht mehr wegzudenken.

2.1 Rhetorik der Antike

In der Rhetorik der Antike ist ein erster Versuch zu sehen, öffentliche Kommunikation systematisch zu durchdringen. Die Rhetorik war und ist ein »politisch und ethisch fundiertes Lehrsystem wirksamer öffentlicher Rede« (Bußmann 1990, S. 486). Und sie »bezeugt schon den engen Zusammenhang zwischen politischer Organisation einer Gesellschaft und den Formen ihrer öffentlichen Kommunikation« (Wilke 2000, S. 7). Zu ihren wohl größten Schöpfern gehörten der Grieche Aristoteles (4. Jh. v. Chr.) sowie die Römer Cicero (1. Jh. v. Chr.) und Quintilian (1. Jh. n. Chr.). Sie schufen »die wichtigsten Grundgesetze, Methoden und Techniken der öffentlichen Meinungsbildung und -führung durch das Urmedium aller Publizistik, die menschliche Stimme« (Kieslich 1972, S. 68f). Die klassische Dreiteilung der Redegattungen in Gerichtsrede (Anklage, Verteidigung), Ratsrede (auf der Polis) sowie Lob- und Tadelrede (z. B. Festrede) geht auf Aristoteles zurück. Er unterschied bereits zwischen Redner, Redeinhalt und Zuhörer, worin man ein einfaches Kommunikationsmodell (Sender, Aussage, Empfänger) erkennen kann (Wilke 2000, S. 6). Die Dreiteilung orientiert sich an den für die Antike relevanten Kommunikationssituationen Gericht, Volksversammlung und Fest. Das umfassende Lehrsystem der antiken Rhetorik bestand, stark verkürzt wiedergegeben, aus mindestens drei Bündeln wichtiger Anleitungen. Es enthielt (vgl. Bußmann 1990, S. 648):

• wichtige Elemente der Rede zur Schilderung von Geschehensabläufen (wer, was, wo, wann, wie, warum);

[32]• detaillierte Schemata für die Arbeitsphasen des Redners (Stoffsammlung, Gliederung, rednerischer Ausdruck, Einprägen der Rede, Verwirklichung durch Vortrag); sowie

• genaue Hinweise auf mögliche Stilarten (schlichter, mittlerer, erhabener Stil) und Stilqualitäten (Sprachrichtigkeit, Verständlichkeit, Angemessenheit, Schmuck).

Die Rhetorik wurde vom Altertum über das Mittelalter bis zur Aufklärung an Hochschulen und Akademien als eigenes Fach gelehrt. Das christliche Mittelalter eignete sich das rhetorische Wissen für Bibelauslegung und Predigtlehre an. Renaissance und Humanismus brachten der Rhetorik in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens neue Höhepunkte. Im 18. Jahrhundert erfolgte die Nationalisierung der bis dahin weitgehend lateinisch-sprachigen Rhetorik und es entstanden national- bzw. muttersprachliche Lehrbücher. Von besonderer politischer Bedeutung war die Rhetorik in der Französischen Revolution sowie im Zusammenhang mit der Entwicklung einer kritischen bürgerlichen Öffentlichkeit (Ueding/Steinbrink 2005, S. 99f; Ueding 2009, S. 17ff). Im 20. Jahrhundert wird sie als »New Rhetoric« in den USA wieder entdeckt – als Rhetorik der Massenmedien, der politischen Kommunikation und der Werbung mit psychologischem Schwerpunkt. Von ihrer Gegenstandszuordnung als Materialobjekt der Kommunikationswissenschaft gehört die öffentliche Rede in den Bereich der originären Publizistik. In ihren Regeln finden sich nicht nur Gebote für Art, Aufbau, Stil und Form der Rede, sondern auch für die Absicht, mithilfe von Argumentation und Schlussführung in der öffentlichen Rede ein Höchstmaß an (politischer) Überzeugung zu erreichen – also das, was wir heute »persuasive Kommunikation« nennen (vgl. Hovland/Janis/Kelly 1953; Koeppler 2000).

2.2 Öffentliche Kommunikation im Mittelalter

Die nach dem Ende der antiken Großreiche einsetzende Völkerwanderung führte zum Abhandenkommen materieller, politischer und kultureller Voraussetzungen organisierter gesellschaftlicher Kommunikation, wie es sie im Römischen Reich gab. Erst mit der Herausbildung einer neuen, stabilen Ordnung im Mittelalter »entstanden äußere Bedingungen, unter denen sich […] geordnete Kommunikationsbeziehungen« entwickeln konnten (Wilke 2000, S. 10). Mit der Herausbildung von Zentralgewalten werden »Funktionen, die später auf den modernen Staat übergehen, von korporativen Einrichtungen übernommen […]« (ebd.). Es sind dies Universitäten (damals noch nicht ›universitas literarum‹), Zünfte, christliche Orden, Klöster, städtische ›Magistrate‹ und ›Kanzleien‹ von Königen und Herzögen (Hof, Burg) sowie Bischöfen. Die Kirche hatte dabei eine besondere Stellung: Sie wirkte als übergreifende Gemeinschaft und war ein Bindeglied zwischen den Gesellschaftsschichten, sie war »der eigentliche Raum der Öffentlichkeit» (Wilke 2000, S. 11 mit Bezugnahme auf Benzinger 1970). Sie hatte einerseits besondere Bedeutung als »Trägerin und Ort der Kommunikation« und bediente sich selbst der Mittel der Kommunikation zur Verkündigung (ebd.): Die Kanzel war »Stätte amtlicher Bekanntmachung«, der Kirchplatz »Ort für das persönliche Gespräch oder die Unterredung in der (Klein-)Gruppe« (ebd.). Als Räume »okkasioneller Öffentlichkeit» (ebd.) fungierten Reichstage (von denen die Allgemeinheit eher ausgeschlossen war und man daher kaum von Öffentlichkeit sprechen konnte). Des weiteren Märkte, die neben ihrer wirtschaftlichen Funktion auch eine kommunikative hatten: Spielmänner und Sprecher zogen von Ort zu Ort, um Neuigkeiten in Reim und Lied bekannt zu machen. Sie berichteten auch von politischen Ereignissen und sensationellen Vorfällen. Oralität (mündliche Vermittlung) und Visualität (Bilder) herrschten vor (Wilke 2000, S. 11). Schriftlichkeit gab es v. a. an den Klöstern und (oft aus Klöstern hervorgegangenen) Universitäten, in denen geschrieben und mittels Abschreiben vervielfältigt wurde. Sofern [33]man überhaupt von Öffentlichkeit(en) sprechen konnte, waren dies sozial voneinander relativ abgegrenzte, differenzierte Kommunikationsräume wie (hier mit Bezugnahme auf Wilke 2000 und Faulstich 1996): Burg und Hof (als Herrschafts-, Macht- und Kulturzentren); Klöster und Universitäten (als Bildungszentren); die Kirche (die quer zu und teils über den anderen Zentren stand) (vgl. Wilke 2008, S. 11); die Städte (in denen sich Verwaltungs- und Handelszentren herausbildeten); Dörfer (die weitgehend agrarisch strukturiert waren, in denen es aber Handel gab) sowie Marktplätze (die dem Handel und der wirtschaftlichen Grundversorgung dienten). Agenten zur Herstellung von Öffentlichkeit waren kirchliche Lehrer, Prediger, ›Professoren‹, Bibliothekare und sog. Mundpublizisten, die Neuigkeiten von Ort zu Ort brachten: Fahrende, Dichter, (Bänkel-)Sänger, Spielleute. Durch Vervielfältigen (weitgehend) in den Schreibstuben der Klöster und Universitäten entstanden vorwiegend wissenschaftliche, historische und religiöse Texte (sowie auch Bilder). So gab es auch erste Drucke/Druckwerke (in Form von sog. Blockbüchern mit ganzseitigen Einblattdrucken), ehe gegen 1445 der Buchdruck mit beweglichen Lettern aufkam. Werner Faulstich (1996) sieht im Mittelalter den Übergang von den ›Menschmedien‹ (Sänger, Erzähler, Spiele, ritualisierte Feste etc.) zu den ›Schreibmedien‹ (Blatt, Brief, Buch, aber z. B. auch bemalte Fenster mit zeitbezogenen Darstellungen). Der Funktionsverlust der ›Menschmedien‹ (»primäre Oralität«) zeichnet sich, so Faulstich, gegen Ende des Mittelalters infolge des starken Bevölkerungswachstums, der Zunahme des Wissens sowie der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern ab (vgl. Faulstich 1996, S. 269–272).

2.3 Dogmatiker und Aufklärer im 17. und 18. Jahrhundert

Mit der Erfindung des Buchdrucks durch Johann Gensfleisch zum Gutenberg gegen Mitte des 15. Jahrhunderts verlagerte sich das akademische Interesse von der Rhetorik auf die gedruckte Publizistik. Es waren vornehmlich Pädagogen, (Moral-)Theologen und Politiker, die mehr oder weniger wissenschaftlich über die Zeitungen des 17. Jahrhunderts reflektierten. Groth bezeichnet sie pauschal als Dogmatiker, da sie alle »von bestimmten Dogmen ausgingen, sei es dem absolutistisch-religiösen, sei es dem rationalistischen« (Groth 1948, S. 15). Zu erwähnen sind z. B. der Hofrat und Politiker Ahasver Fritsch sowie der lutherische Geistliche und Superintendent Johann Ludwig Hartmann. Beide richteten sich gegen den Missbrauch der Presse und gegen die Zeitungen als Laster der Zeit (vgl. Groth 1948, S. 17). Diesen kulturpessimistischen Haltungen stehen jedoch auch andere Stimmen gegenüber wie jene Christian Weises oder Daniel Hartnacks. Der Philosoph und Pädagoge Weise, ein Vorreiter der Aufklärung, tritt für die Zeitung ein und will sie zur Ausbildung verwerten (vgl. Groth 1948, S. 17). Der Pädagoge und Pfarrer Hartnack hob u. a. den Nutzen der Zeitungslektüre hervor (vgl. Groth 1948, S. 18). Nicht zu übersehen ist der Literat, Sprachwissenschaftler und Lexikograf Kaspar von Stieler, der für den Übergang von den Zeitungsdogmatikern zu den Aufklärern steht. Aus seiner 1695 verfassten Gelegenheitsschrift »Zeitungs Lust und Nutz« geht, wie der Titel bereits sagt, eine positive Sichtweise des Mediums Zeitung hervor (Stieler 1695; Meyen/Löblich 2006, S. 73ff).

Auf die moralisierenden Zeitungsdogmatiker des Barock »folgten die analysierenden Zeitungstheoretiker der Aufklärung« (Kieslich 1972, S. 70). Die Staatskunde wendete sich als »Statistik« dem Zeitungswesen zu; und auf vielen Ebenen der gehobenen Gesellschaft wurden sog. Zeitungskollegien eingerichtet (vgl. Groth 1948, S. 33). Diese Kollegien sollten die Studierenden anleiten, »die damaligen Zeitungen mit Gewinn zu lesen, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden und aus den mitgeteilten Informationen auf eventuell verschwiegene Hintergründe zu schließen« (Koerber/Stöber 1994, S. 95). Es entstand eine Zeitungs- und Zeitschriftenkunde, zu deren prominentesten [34]Lehrern Jacob Marperger, Christian Thomasius, Johann Georg Hamann, Johann Peter von Ludewig sowie der Begründer der modernen Staatswissenschaft, August Ludwig Schlözer, zählten (vgl. Groth 1948, S. 35ff). Zu den Aufklärern des ausgehenden 18. Jahrhunderts und gleichzeitig zu den ersten »Opinionisten« gehörte auch der Diplomat Joachim von Schwarzkopf (vgl. Schwarzkopf 1795). Er versuchte, »die Entwicklungsbedingungen des Zeitungswesens historisch zu klären, die Zeitungen typologisch zu ordnen, Wirkungsmechanismen zu demonstrieren und Kriterien für eine vernünftige Zeitungs- und Journalismuspolitik zu entwickeln« (Wagner 1997, S. 84). Schwarzkopf schuf laut Koszyk/Pruys »die Grundlage der Zeitungskunde, wie sie dann in Deutschland bis ins 20. Jahrhundert betrieben wurde« (Koszyk/Pruys 1976, S. 9).

2.4 Das 19. Jahrhundert: Opinionisten, Historiker, Ökonomen, Soziologen

Für das 19. Jahrhundert ist auf mehrere Entwicklungsstadien der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Presse zu verweisen: auf die Zeit des Vormärz und die in ihr wirkenden Opinionisten; auf den Historismus und die aus ihm hervorgegangenen Pressehistoriografen; sowie schließlich auf nationalökonomische und soziologische Betrachtungen des Pressewesens als Folge des Aufkommens der Massenpresse.

Mit der Wiedereinführung der 1806 aufgehobenen Zensur als Folge der Karlsbader Beschlüsse von 1819 geriet die Presse in der Zeit des Vormärz unter den Druck politischer Strömungen. Den liberalen und demokratisch gesinnten Opinionisten, die die Presse »als Organ und Spiegel der öffentlichen Meinung» sahen, standen absolutistisch gesinnte Antipoden gegenüber; für sie war die Presse ein »Werk ›subjektiver‹ und ›individueller‹ Geister zur Lenkung oder gar Manipulation der öffentlichen Meinung« (Wagner 1997, S. 84). So forderte der liberale Staatsrechtslehrer und Politiker Carl Theodor Welcker 1830 in einer Petition an die Bundesversammlung die »vollkommene und ganze Preßfreiheit« (Welcker 1830). Auf der anderen Seite stand, gleichsam als »Repräsentant des untergehenden Absolutismus« (Wagner 1997, S. 84), der protestantische Theologe Franz Adam Löffler. Er verfasste 1837 sein umfassendes Werk »Über die Gesetzgebung der Presse. Ein Versuch zur Lösung ihrer Aufgabe auf wissenschaftlichem Wege« (Löffler 1837). Es ist dies ein weitangelegtes System der Presswissenschaft, das u. a. die Wissenschaft des Pressbegriffs, eine Philosophie des Pressrechts und eine Geschichte der Druckerpresse umfasste. Löffler befasste sich auch mit der Bedeutung der Presse für die Entstehung der öffentlichen Meinung, deren soziologische Funktion er erkannte und die durch ihn zum Gegenstand der pressewissenschaftlichen Theorie wurde. Damit war der »entscheidende Schritt vom Medium zu seiner Wirksamkeit in der Gesellschaft getan« (Koszyk/Pruys 1976, S. 9). Groth sieht in Löfflers Werk das bis dahin »umfangreichste, gründlichste und geschlossenste Werk der Publizistik« und bezeichnet Löffler als den »Begründer« bzw. »Bahnbrecher« der Publizistikwissenschaft (Groth 1948, S. 125).

Ein scharfer Kritiker der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufkommenden Massenpresse ist schließlich in dem Historiker, Publizisten und Politiker Heinrich Wuttke zu sehen. Sein Werk »Die deutschen Zeitschriften und die Entstehung der öffentlichen Meinung« (Wuttke 1866) stellt eine »scharfe Absage an das Bismarcksche System der Korrumpierung der Presse durch das Anzeigenwesen« dar (Koszyk/Pruys 1976, S. 10; vgl. auch Groth 1948, S. 209–244).

Eine wichtige Strömung ist des Weiteren in dem im 19. Jahrhundert aufkommenden Historismus zu sehen. Man versteht darunter die Betrachtung gesellschaftlicher Phänomene unter dem Aspekt [35]ihrer historischen Genese. Zu den prominenten Pressehistoriografen gehören Robert E. Prutz und Ludwig Salomon. Prutz veröffentlichte 1845 die erste »Geschichte des deutschen Journalismus«, eine groß angelegte Gesamtgeschichte des deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenwesens bis in die Zeit des Vormärz (Prutz 1845). Von Salomon stammt eine zwischen 1900 und 1906 in drei Bänden veröffentlichte »Geschichte des Deutschen Zeitungswesens« (Salomon 1906); sie galt lange Zeit als Standardwerk, ist inzwischen aber längst überholt.

Die 1848 erfolgte Aufhebung der Zensur hatte eine rasche Ausdifferenzierung des Pressewesens sowie eine rapide Vermehrung des Anzeigenaufkommens (v. a. in der sog. Generalanzeigerpresse) zur Folge. Die wirtschaftliche Bedeutung der Zeitungen wurde zunehmend evident. So verwundert es nicht, dass sich Nationalökonomen und frühe Soziologen des Presse- und Nachrichtenwesens annehmen. Von Karl Knies, dem Begründer der modernen Nationalökonomie, stammt zweierlei: eine auf der Ausdifferenzierung des Nachrichtenwesens aufbauende Informationstheorie; sowie eine Theorie der Geschäftsanzeige in ihrer volkswirtschaftlichen Funktion, nämlich die Steuerung von Angebot und Nachfrage durch das Anzeigenwesen (vgl. Knies 1857; Meyen/Löblich 2006, S. 89ff). Der Soziologe Albert E. Schäffle verweist in seinem Hauptwerk »Bau und Leben des socialen Körpers« (Schäffle 1875; vgl. auch Schäffle 1873) auf die eminente Bedeutung der Pressfreiheit für das Funktionieren der Gesellschaft und sieht in der öffentlichen Meinung die »Reaktion des Publikums«, getragen von »Wertbestimmungen«. Gleichzeitig manifestiert sich für ihn in der Tagespresse ein »Erzeugnis der bürgerlichen, kapitalistischen Epoche« und er verurteilt »Preßkorruption« und »Preßmißbrauch« (Groth 1948, S. 255–282; siehe auch Meyen/Löblich 2006, S. 109ff).

Der Nationalökonom und Begründer der Zeitungskunde, Karl Bücher, war sowohl Zeitungsstatistiker wie auch Zeitungshistoriker. Von ihm stammt eine Fülle zeitungskundlicher und zeitungswirtschaftlicher Veröffentlichungen (vgl. Bücher 1926; Groth 1948, S. 354f). Die Bedeutung der Zeitung sieht er in ihrer Leistung als Vermittler »zwischen dem Volk und seinen führenden Geistern«, als »Stützorgan der Volkswirtschaft« sowie als »Organ der öffentlichen Meinung«. Der kulturelle Nutzen der Tagespresse ist für ihn unbestritten, ihren Schaden sieht er in ihrer Eigenschaft als »kapitalistische Unternehmung«. Insgesamt betrachtete Bücher die Geschichte des Zeitungswesens als einen Teil der Kulturgeschichte (vgl. Groth 1948, S. 282–296). Zu den Soziologen, die sich der Presse widmeten, gehört auch Max Weber. Er selbst hat zwar kein Werk über die Presse geschrieben; von ihm stammt allerdings ein 1910 erarbeiteter Grundriss zu einer »Soziologie des Zeitungswesens« (Weber 1911, S. 39–62; vgl. Kutsch 1988a, S. 5–31; Meyen/Löblich 2006, S. 145ff), der nie realisiert wurde, sondern einem Professorenstreit zum Opfer fiel (vgl. Obst 1986, S. 45–62). Eine angemessene Würdigung dieses Grundrisses stammt von Siegfried Weischenberg (2012).

Speziell dem Nachrichtenwesen widmete sich Wolfgang Riepl in seinem 1913 publizierten Buch »Das Nachrichtenwesen des Altertums« (Riepl 1913). Riepl erarbeitete allgemeine Prinzipien und Gesetze des Nachrichtenverkehrs; von ihm stammt das Gesetz, wonach neu aufkommende Medien die alten nie gänzlich verdrängt, sondern diese gezwungen haben, »andere Aufgaben und Verwertungsgebiete aufzusuchen« (Riepl 1913, S. 5). Riepl erkannte, wie wir heute sagen würden, den Zusammenhang von Kommunikation und gesellschaftlichem Wandel (vgl. Lerg 1977, S. 9–24; und 1986, S. 134).

Als Zwischenfazit der Fachgeschichte lässt sich festhalten: Das Erkenntnisinteresse an publizistischen Phänomenen, vorwiegend an der Presse, ist bis zum 20. Jahrhundert »eng verbunden mit den kulturellen und politischen Energien der jeweiligen Zeiten« und es »kumuliert in den Namen nicht weniger weltaufgeschlossener, universaler Gelehrter«; jedoch »führten diese […] von einem persönlichen Engagement durchpulsten Untersuchungen […] nicht dazu, eine selbständige Zeitungs- bzw. Publizistikwissenschaft an den deutschen Universitäten durchzusetzen« (Kieslich 1972, S. 71f). Man [36]muss aber einräumen, dass insbesondere in Löffler, Schäffle und Bücher Wegbereiter für die Etablierung der wissenschaftlichen Zeitungskunde zu sehen sind.

2.5 Wissenschaftliche Zeitungskunde – Zeitungswissenschaft

Lehraufträge und Seminare für Zeitungskunde gab es an Universitäten und Hochschulen des deutschen Sprachraumes bereits vor der und um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Sie gingen im Wesentlichen auf persönliche Initiativen von Hochschullehrern verschiedener Fachgebiete zurück (vgl. Wagner 1997, S. 133). Auch sind bereits vor der Jahrhundertwende Promotionen über zeitungskundliche bzw. zeitungswissenschaftliche Themen aus verschiedenen Fachgebieten wie Jurisprudenz, Nationalökonomie, Geschichte etc. bekannt (vgl. Jaeger 1926, S. 17ff). Der in Deutschland früheste Versuch, das Fach zu institutionalisieren, geht auf ein »Journalistisches Seminar« an der Universität Heidelberg zurück. Es wurde 1897 von Adolf Koch eingerichtet und bestand bis 1912 (vgl. Jaeger 1926, S. 12; Obst 1986, S. 45ff).

Die endgültige Etablierung der Zeitungskunde ist Karl Bücher (vgl. u. a. Bücher 1926) zu verdanken. Er hielt bereits ab 1884 Vorlesungen über das Pressewesen, zunächst in Basel (Schweiz), ab 1892 in Leipzig. Weitere zeitungskundliche Kollegs, Vorlesungen und Seminare von Dozenten unterschiedlicher Herkunft folgten in Heidelberg, Greifswald, Danzig, Darmstadt, Berlin, Köln und München. Die wissenschaftliche Zeitungskunde begann allmählich Fuß zu fassen. Die Etablierung der Zeitungskunde erhielt des Weiteren wichtige Impulse 1) durch den von Max Weber erarbeiteten und vom Deutschen Soziologentag verabschiedeten Plan »Zu einer Soziologie des Zeitungswesens« (vgl. Meyen/Löblich 2006, S. 145ff; vgl. Weischenberg 2012); 2) durch eine Ausbildungsresolution des Reichsverbandes der Deutschen Presse, die vorsah, dass die Vorbildung von Journalisten durch die Zeitungskunde zu pflegen sei und dass bei der Errichtung von Lehrstühlen für Zeitungskunde Medienpraktiker berücksichtigt werden sollen; 3) durch engagierte Verleger, die ebenfalls Interesse an einer praxisnahen, zeitungskundlichen Vorbildung für Journalisten hatten; nicht zuletzt aber 4) auch durch den Ersten Weltkrieg mit seiner auf die Zeitungen durchschlagenden Propagandamaschinerie. Es wuchs die Erkenntnis, dass es an der Zeit war, sich der Zeitungen und des Journalismus konsequent anzunehmen und für einen »systemreformierenden Journalismus« zu sorgen (Kutsch 1996, S. 8).

Karl Bücher verfolgte genau dieses Ziel. Er verfügte aus seiner früheren Tätigkeit bei der Frankfurter Zeitung über Praxiserfahrung und nutzte als Wissenschaftler die Presse als Quelle für seine Forschungen. 1915 warf er der deutschen Presse vor, sie habe sich den Anforderungen des (Ersten Welt-) Krieges nicht gewachsen gezeigt und verfüge über ein beschämend geringes Bewusstsein von ihrer Pflicht zum Dienst an der Wahrheit. Bücher gründete 1916 in Leipzig unter Mitwirkung des Verlegers Edgar Herfurth (»Leipziger Neueste Nachrichten«) das Institut für Zeitungskunde – die erste Einrichtung dieser Art an einer deutschen Universität. Der Nationalökonom Bücher »trat von seiner Professur für Nationalökonomie zurück und widmete sich hinfort der Zeitungskunde« (Jaeger 1926, S. 14). Sein Nachfolger in Leipzig wurde 1926 der Wiener Korrespondent des liberalen Berliner Tagblattes, Erich Everth – der erste ordentliche Professor (Ordinarius) für Zeitungskunde. »Sein Ziel war es […], die Zeitungskunde als eigenständige Disziplin theoretisch zu begründen«, und zwar »als Typ einer modernen Integrationswissenschaft, die eine sozialwissenschaftliche Beziehungs- und Formenlehre umfasste« (Kutsch/Averbeck o.J.; vgl. Lacasa 2008, 2009). Nach der Leipziger Initiative kam es in relativ rascher Folge zu weiteren Institutsgründungen. Bis 1935 entstanden zehn weitere Institute für Zeitungskunde, Zeitungswissenschaft, Zeitungsforschung (oder wie auch immer sie geheißen haben) in Münster (1919), Köln (1920), Freiburg (1923), München (1924), Nürnberg [37](1924), Berlin (1925), Dortmund (1926), Halle (1926), Heidelberg (1927) sowie Königsberg (1935). Daneben gab es an weiteren deutschen Universitäten, Technischen Hochschulen und Handelshochschulen zeitungskundliche Lehrveranstaltungen in Form von Kursen, Seminaren und Vorlesungen.

Die wissenschaftliche Zeitungskunde, die Zeitungswissenschaft, hat sich im gesamten deutschen Sprachraum nicht gerade explosionsartig entwickelt: Vielmehr ließ die Ausstattung der Institute mit Personal, Räumen und Sachmitteln zahlreiche Wünsche offen. Dennoch zeigen die Veröffentlichungen der Gründerväter, ihrer Schüler und Doktoranden, dass die »Presseforschung nicht nur Hilfswissenschaft war, sondern selbständiger Forschungsgegenstand« (Kieslich 1972, S. 72). Die wissenschaftliche Zeitungskunde orientierte sich in diesem frühen Stadium vornehmlich an juristischen, nationalökonomisch-statistischen und historischen Fragen. Im Jahr 1926 weist Karl Jaeger (1926) insgesamt 221 Dissertationen nach, die zwischen 1885 und 1922 in Deutschland erarbeitet wurden und die das Zeitungswesen zum Gegenstand hatten. Davon entfielen 74 Arbeiten auf juristische Themen, 73 auf nationalökonomisch-statistische, 34 auf historische, 26 auf germanistische, sieben auf anglistische, sechs auf romanistische sowie eine auf ein philosophisches Thema. Edith S. Grün fand für den (früheren) Zeitraum von 1874 bis 1919 des Weiteren heraus, dass ein Großteil der von ihr bibliografisch ermittelten Pressedissertationen in Deutschland an philosophischen Fakultäten und in der Tradition des Historismus entstanden war. Es handelt sich dabei vorwiegend um biografische Arbeiten über Journalisten und Publizisten sowie um Monografien von Zeitungen und Zeitschriften. Daneben sind – im weitesten Sinne – soziologische Arbeiten zur öffentlichen Meinung, einige deskriptiv-statistische struktur- und inhaltsanalytische Studien sowie Arbeiten über strafrechtlich relevante Themen vorzufinden (vgl. Grün 1986, S. 31–34).

2.6 Publizistik(-wissenschaft)

Knapp zehn Jahre nach der Begründung der Zeitungswissenschaft in Deutschland kam von Karl Jaeger, einem Mitarbeiter Karl Büchers, der Vorschlag, die wissenschaftliche Zeitungskunde von ihrem Fachgegenstand her auszuweiten und in Publizistik (-wissenschaft) umzubenennen. Jaeger erkannte in Anlehnung an Walter Schöne (ebenfalls Leipzig), dass die öffentliche Meinung das Zentralproblem der Zeitungslehre darstellt. Die Urzelle der öffentlichen Meinung sah Jaeger jedoch in der Mitteilung – daher müsse jede Form der Mitteilung zum Gegenstand der Wissenschaft gemacht werden. »Das Erkenntnisziel rückt damit von der Zeitung als Ausdrucksmittel des gesellschaftlichen Bewusstseins zur Mitteilung als Ausdrucksmittel des gesellschaftlichen Bewusstseins« (Jaeger 1926, S. 67; vgl. auch Jaeger 2000). Jaeger stellt folglich den Begriff Zeitungswissenschaft in Frage, zumal er das Blickfeld »doch allzu positiv auf die Zeitung allein« umgrenzt, »während all die anderen Mittel, die auf die öffentliche Meinung wirken können, unberücksichtigt bleiben« (Jaeger 1926, S. 67). Jaeger meinte also, dass neben Zeitung und Zeitschrift auch das Flugblatt, die Flugschrift, das Nachrichtenwesen, öffentliche Rede und Verkündigung sowie insbesondere auch die damals in der Anfangsphase steckenden »neuen Medien« Rundfunk (Hörfunk) und Tonfilm zum Untersuchungsgegenstand der Disziplin gehören. »Auf der Suche nach einem Begriffe«, so Jaeger, »der jegliche Möglichkeit der Mitteilung bzw. Meinungsbildung bzw. -beeinflussung in sich schließt, stößt man, als treffendsten, auf den Begriff Publizistik, der jegliche Art der Veröffentlichung, Verkündigung deckt. Für die Wissenschaft von den Formen, Trägern, dem Wesen und den Wirkungen der Mitteilungen sagt man also am besten hinfort: publizistische Wissenschaft« (Jaeger 1926, S. 67) bzw. kurz Publizistik. Die Ideen und das Werk Karl Jaegers haben Arnulf Kutsch und Stefanie Averbeck ausführlich gewürdigt (vgl. Kutsch/Averbeck 2000; Jaeger 2000; siehe auch Meyen/Löblich 2006, S. 161ff). Innovatives Ideengut [38]zur Entwicklung des Faches jenseits der Begrenzung auf Zeitungswissenschaft hat auch Hans Traub in die aufkommende Disziplin eingebracht (vgl. Beck 2009).

Mit dem Vorstoß Jaegers war die Ausweitung des Materialobjektes des Faches über die gedruckten Medien hinaus in die Wege geleitet. Nur ein Teil der Fachvertreter folgte jedoch dieser neuen Terminologie. Die Zeitungswissenschaftler Karl d’Ester (München) und Walther Heide (Berlin) sowie der Privatdozent Otto Groth (Frankfurt, später München) haben sich der Programmatik und Terminologie der Publizistikwissenschaft nicht angeschlossen. Für sie hatte der Begriff ›Zeitung‹ nämlich eine andere Bedeutung: Er stand nicht (nur) für das materialisierte Objekt Tages- oder Wochenzeitung, sondern ›Zeitung‹ wurde im Sinne der alten Bedeutung von ›Nachricht‹ aufgefasst – eine Bedeutung, die der Begriff bis in die Zeit Schillers hatte (vgl. Koszyk/Pruys 1976, S. 12; Starkulla 1963, S. 160; Wagner 1997, S. 39).

Das aufstrebende Fach befasste sich mit Fragen der Terminologie und Systematik. Als Forum dazu diente die 1926 von Karl d’Ester (München) und Walther Heide (Berlin) gegründete Fachzeitschrift »Zeitungswissenschaft«. Auch entstanden zeitungskundliche Publikationen, die bis in die 50er- und 60er-Jahre zu Standardwerken des Faches zählten und die heute mitunter noch als wertvolle Quellen zu verwenden sind. Zu erwähnen sind insbesondere:

1)Emil Dovifats 1931 erstmals erschienene »Zeitungswissenschaft«; deren erster Band stellte eine Allgemeine Zeitungslehre, der zweite Band eine Praktische Zeitungslehre dar (Dovifat 1931). Die nachfolgenden Auflagen von 1937, 1955, 1962 sowie 1976 (letztgenannte unter Bearbeitung von Jürgen Wilke) wurden daher richtigerweise als »Zeitungslehre« publiziert.
2)Otto Groths vierbändige Enzyklopädie »Die Zeitung« (Groth 1928); ihr Autor bezeichnet sie zwar als »System der Zeitungskunde (Journalistik)«, sie stellt aber eher eine Strukturbeschreibung denn einen systematischen Aufriss dar (vgl. Koszyk/Pruys 1976, S. 12). Groth, ein erfahrener Journalist und Gelehrter, hatte – von zahlreichen Lehraufträgen abgesehen – nie eine feste Stelle als Hochschullehrer inne. Von ihm stammt auch die dreißig Jahre später teils posthum veröffentlichte Periodik »Die unerkannte Kulturmacht« (Groth 1960ff). Dieses in sieben Bänden zwischen 1960 und 1972 herausgebrachte Mammut-Werk sollte, wie ihr Untertitel versprach, eine »Grundlegung der Zeitungswissenschaft« sein, war allerdings zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung wissenschaftsgeschichtlich über weite Strecken überholt (vgl. Lerg 1977, S. 10).

Hinzuweisen ist auch darauf, dass die Zeitungswissenschaft eine bedeutende Rolle bei der Vorbereitung der Internationalen Presseausstellung »Pressa« 1928 in Köln einnahm. Mehrere zeitungswissenschaftliche Institute (wie Berlin, Freiburg, Halle, München, Münster) haben dabei mitgewirkt (vgl. Klose 1986). Wissenschaftsgeschichtlich ist schließlich zu vermerken, dass die Zeitungs- bzw. frühe Publizistikwissenschaft zur Soziologie sowohl Berührungspunkte suchte wie auch Abgrenzungstendenzen erkennen ließ (vgl. Averbeck 1999). Auch das Verhältnis des Faches zur Praxis blieb ungeklärt. Die Folge war, dass – zur Unzufriedenheit beider Seiten, also der Wissenschaftler wie der Praktiker – »das Fach stets zwischen der jeweils geforderten Praxisbezogenheit einerseits und der eingemahnten Wissenschaftlichkeit andererseits lavierte« (Koszyk/Pruys 1976, S. 12; vgl. Neff 1986, S. 63–74).

2.7 Das Fach im Nationalsozialismus

Von der Gleichschaltung des kulturellen Lebens durch den Nationalsozialismus blieb auch die Zeitungswissenschaft nicht verschont, die schrittweise in die Schulung des Pressenachwuchses einbezogen wurde. Dabei haben viele mitgemacht, viele andere sich aber auch verweigert. Von jenen Fachvertretern [39]und Funktionären, die die Entwicklung des Faches in dieser Zeit wesentlich beeinflussten, seien drei Personen hervorgehoben: Walther Heide, Karl Oswin Kurth und Hans Amandus Münster.

Eine wichtige, in zahlreichen Details aber bis heute nicht vollständig geklärte Rolle als Verbindungsglied zwischen Zeitungswissenschaft und nationalsozialistischem Regime spielte Walther Heide. Er kam aus der Deutschen Volkspartei (DVP), war promovierter (Sozial-)Historiker und hatte vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten Aufgaben zunächst in der Presseabteilung der Reichsregierung im Auswärtigen Amt inne, später im innenpolitischen Referat der Reichspressestelle. Für kurze Zeit war er – bereits unter dem NS-Regime – stellvertretender Pressechef der Reichsregierung, wurde jedoch Mitte 1933 zur Disposition gestellt und übernahm Aufgaben auf dem Gebiet der Presse der Auslandsdeutschen und der offiziösen Pressekorrespondenzen. Im Frühjahr 1933 erhielt Heide eine Honorarprofessur für Zeitungswissenschaft an der Technischen Hochschule Berlin, im Sommer 1933 gründete er den »Deutschen Zeitungswissenschaftlichen Verband« (DZV). Es war dies ein privater Verein, der die lokalen zeitungswissenschaftlichen Vereinigungen auf Reichsebene zusammenführte und dessen Präsident Heide wurde (vgl. Bohrmann/Kutsch 1975, S. 806). Aufgrund Heides politischer Kontakte auf vielen Ebenen war es ihm möglich, die Entwicklung des Faches im Dritten Reich stark zu beeinflussen. Straetz sieht in ihm jene Person, die die Zeitungswissenschaft »in den Dienst der nationalsozialistischen Sache« stellte (Straetz 1986, S. 91). Mit Karl Oswin Kurth und anderen gehörte er auch zu jenen Repräsentanten, die das Fach auf die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Zeitung eingeschränkt wissen wollten (vgl. Benedikt 1986, S. 125–129).

Das NSDAP-Mitglied Karl O. Kurth absolvierte das Studium der Zeitungswissenschaft und entfaltete in der nationalsozialistischen Studentenschaft zahlreiche Aktivitäten. Er war u. a. Begründer der ersten »Zeitungswissenschaftlichen Fachschaft« (Leipzig) im Deutschen Reich. Deren wesentliche Aufgaben sah er in der Festlegung des Gegenstandes der Zeitungswissenschaft auf die Presse, in der Ausbildung des journalistischen Nachwuchses sowie in der Ausrichtung der Disziplin nach den Wünschen und Forderungen der nationalsozialistischen Presseführung. 1935 ernannte ihn Walther Heide zum Geschäftsführer des »Deutschen Zeitungswissenschaftlichen Verbandes« (DZV), im gleichen Jahr erhielt er von Heide die Stelle des Hauptschriftleiters des Fachorgans »Zeitungswissenschaft«. Den Höhepunkt seiner wissenschaftlichen Karriere erreichte er 1942, als ihm für seine loyalen wissenschaftspolitischen Dienste die Leitung des (1939 von Walther Heide gegründeten) Wiener Instituts für Zeitungswissenschaft und die mit ihr verbundene Professorenstelle übertragen wurde (vgl. Kutsch 1981, S. 407).

Heide, der »Treuhänder des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda« (Benedikt 1986, S. 120f) an der Spitze des DZV, nutzte diesen Verband in zweifacher Hinsicht: Einerseits sah er in ihm eine Schaltstelle für den Ausbau des Faches; andererseits betrieb er gemeinsam mit Karl O. Kurth die Einbindung der Zeitungswissenschaft in nationalsozialistische Zielsetzungen. Es gelang ihm »die Anrechnung eines sechssemestrigen Studiums der Zeitungswissenschaft auf das Pressevolontariat« (Koszyk 1997, S. 30), und auch die einheitliche Umbenennung sämtlicher damals bestehender Institute in »Institut für Zeitungswissenschaft« sowie die Einführung eines einheitlichen Lehrplanes ab dem WS 1935/36 geht schlussendlich auf Heide zurück (vgl. Straetz 1986, S. 71). Darin wird den »Publizistischen Führungsmitteln« besondere Bedeutung eingeräumt. Heide, ebenso wie Kurth, ein vehementer Warner vor »einer Überfremdung der Disziplin durch Film und Rundfunk« (Straetz 1986, S. 91), erreichte auch, dass alle ab Ende der 1920er-Jahre geschaffenen Rundfunk- und Filmabteilungen an den zeitungswissenschaftlichen Instituten abgebaut werden mussten; Ausnahmen bildeten lediglich Leipzig und Berlin. Die rundfunkwissenschaftliche Arbeit wurde in der Folge 1939 dem in Freiburg i. B. errichteten und 1940 offiziell eröffneten Institut für Rundfunkwissenschaft überantwortet (vgl. Kutsch 1985). Joseph Goebbels, Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, [40]stand der Zeitungswissenschaft skeptisch gegenüber und war auch für eine Trennung zeitungswissenschaftlicher und rundfunkkundlicher Arbeit (vgl. Kieslich 1972, S. 73).

Zu den Protagonisten der Zeitungswissenschaft im Dritten Reich gehörten primär Fachvertreter der zweiten Generation, unter ihnen auch Hans Amandus Münster, zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter (und empirischer Kommunikationsforscher, wie wir heute sagen würden – vgl. Kap. 2.9) bei Emil Dovifat am Deutschen Institut für Zeitungskunde (DIZ) in Berlin. Münster trat 1933 der NSDAP bei und wurde 1934 auf den Lehrstuhl für Zeitungswissenschaft der Universität Leipzig berufen (er war dort nach Karl Bücher und Erich Everth also der dritte Lehrstuhlinhaber). Münster lieferte sich mit seinen fachlichen Widersachern Heide und Kurth über Jahre hinweg Positionskämpfe über den Gegenstand der Zeitungswissenschaft. Heide und Kurth waren energische Befürworter der Eingrenzung des Faches auf das Materialobjekt Zeitung. Münster hingegen wollte die Disziplin unbedingt auch auf die Medien Rundfunk und Film ausgeweitet wissen. Unter Publizistik verstand er jene Art der Verständigung, Beeinflussung, Aussprache und Mitteilung von Mensch zu Mensch, »die im Dienst eines politischen Beeinflussungswillens wirksam ist« (Kutsch 1981, S. 402). So ist in Münster der engagierteste Verfechter einer Wissenschaft von den politischen Führungsmitteln zu sehen – Publizistik als geistige Gestaltung von einem zentralen Willen her (vgl. Münster 1934). So wurde »die ›Wissenschaft von der Publizistik‹ […] zu einer ›Wissenschaft von der politischen Publizistik‹, deren maßgeblicher Wegbereiter Münster war« (Straetz 1984, S. 79). Trotz aller Unterschiede über die Fachbezeichnung (Zeitungs- oder Publizistikwissenschaft) stimmten Münster und Kurth aber darin überein, dass die Nachricht (Mitteilung) »vornehmlich aus der Perspektive der politischen Beeinflussung« (Kutsch 1981, S. 405) zu sehen ist und dass das Wirkungsziel der Nachricht die »Willensbildung und Willensbeeinflussung«, die »politische Beeinflussung« ist (Kutsch 1981, S. 405). Nachrichtendarbietung im nationalsozialistischen Sinne hatte der politischen Führung zu dienen, dem Einsatz im geistigen Kampf der Nation. Diesem Ziel verschrieb sich die nationalsozialistische Zeitungs- und Publizistikwissenschaft.

Bei weitem nicht alle Zeitungs- bzw. Publizistikwissenschaftler schlossen sich dem Regime an. Es gab Fachvertreter, die nicht bereit waren, sich an die Lehrinhalte und die Methodologie einer nationalsozialistisch ausgerichteten Disziplin anzupassen. Sie wurden entweder zwangsbeurlaubt oder in den Ruhestand versetzt (wie Erich Everth, der sich nach der nationalsozialistischen Machtergreifung als Einziger »öffentlich gegen die Presseverbote der neuen Machthaber aussprach« – Kutsch/Averbeck o.J.), entlassen oder wegen ihrer jüdischen Abstammung aus dem Fach entfernt. Mancher wählte den Weg in die Emigration. Einige Fachvertreter entzogen sich der nationalsozialistischen Verfolgung, indem sie sich auf Arbeitsgebiete – z. B. historische Themen – zurückzogen, die unverdächtig waren (vgl. Kutsch 1984 und 1988b). Mit der Emigration deutscher Zeitungswissenschaftler nach 1933 war zugleich ein Verlust sozialwissenschaftlicher Perspektiven verbunden, wie sie ansatzweise in Deutschland im Entstehen begriffen waren (vgl. Averbeck 2001).

Man kann allerdings auch nicht übersehen, dass infolge von Kompetenzüberschneidungen verschiedener Ressorts und Einrichtungen (z. B. Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Deutscher Zeitungswissenschaftlicher Verband, Reichspresseamt, Reichsrundfunkkammer u. a. m.) und daraus resultierender Machtkämpfe die offizielle Linie der nationalsozialistischen (Medien-)Funktionäre gegenüber einer Zeitungswissenschaft bzw. einer Wissenschaft von den publizistischen Führungsmitteln wenig einhellig war (vgl. Straetz 1984, S. 71). Die Medienverantwortlichen des Dritten Reiches hatten ein zumindest ambivalentes Verhältnis zur Zeitungswissenschaft. Sie wollten einerseits durchaus wissen, wie Propaganda und politische Publizistik auf das Publikum bzw. die Öffentlichkeit wirken. Zugleich hegten sie Befürchtungen, die durch die Zeitungs- (und Rundfunk-)Wissenschaft ermittelten Erkenntnisse über Technik, Funktion und Wirkung der Propaganda in öffentlicher Rede sowie [41]mittels Presse, Rundfunk und Film könnten durchschaut und einer größeren Öffentlichkeit bekannt und transparent gemacht werden und sich in der Folge gegen den nationalsozialistischen Staat selbst richten (vgl. Kieslich 1972, S. 73).

2.8 Der Neubeginn nach 1945

Verständlicherweise sollte die Zeitungswissenschaft nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht dort fortsetzen, wo sie 1945 endete bzw. stand (sofern sie noch bestand). Ihre Inhalte waren weitgehend nicht Wissenschaft, sondern vorwiegend verbrämte Ideologie. Das galt auch für andere Fächer. So erscheint es selbstverständlich, dass die »langsam wieder öffnenden Hochschulen unter der Aufsicht der Besatzungsmächte […] angehalten [wurden], sich alle erneut zugelassenen Institute und deren Personal genau anzusehen. […] Die Hochschulen wollten sich zudem von belasteten Fächern und Hochschullehrern trennen. Außerdem waren viele Institute erheblich oder ganz kriegszerstört« (Bohrmann 2002, S. 16). Zahlreiche zeitungswissenschaftliche Professuren, Seminare und Dozenturen wurden geschlossen oder nicht wiedererrichtet, so z. B. Einrichtungen in Halle/Saale, Greifswald, Hamburg, Berlin (Ost), Heidelberg, Freiburg/Br., Köln, Aachen, Prag, Wien und Königsberg (Bohrmann 2002, S. 17ff). Zu Wiederbelebungen des Faches kam es dagegen (zunächst) in München (1946), Münster (1946), Leipzig (1946), Heidelberg (1946) und Berlin (1948, Freie Universität Berlin). Als Zentren bildeten sich in Westdeutschland – dies sei hier vorweggenommen – Berlin (Emil Dovifat), München (Karl d’Ester) und Münster (Walter Hagemann) heraus. In der Bundesrepublik wurden die Institute ab 1948 in »Institute für Publizistik« umbenannt; lediglich München hielt – bis 1974 – an der Bezeichnung »Zeitungswissenschaft« fest. (»Zeitung« stand in München als Begriff nicht für das Materialobjekt bzw. Medium Tages- oder Wochenzeitung, sondern in seiner ursprünglichen historischen Bedeutung für Nachricht und »Zeitgespräch der Gesellschaft«. Mit dem Begriff ist der zeitungswissenschaftliche Ansatz der Münchner Schule untrennbar verbunden (Wagner 1965, 1979, 1993, 2007; Aswerus 1993; Eichhorn 2004). In Ostdeutschland bzw. der späteren DDR nahm Leipzig die führende Rolle ein. Das Fach ging dort jedoch seinen eigenen Weg: Es wurde, wie noch ausgeführt werden wird (vgl. w. u.), ab Mitte der 1950er-Jahre erneut in den Dienst einer Ideologie gestellt, und zwar der Journalistenausbildung im Sinne der herrschenden Lehre des Marxismus-Leninismus (Blaum 1979, 1980).

Mit der Neu- oder Wiedererrichtung zeitungswissenschaftlicher Institute nach 1945 stellte sich auch die Frage, mit welchen Personen die Professuren besetzt werden sollten. Wie erwähnt, verließen viele das nationalsozialistische Deutschland, wurden vom NS-Regime abgesetzt oder verschrieben sich der NS-Ideologie. Da Vertreter der zweiten Generation von Zeitungswissenschaftlern vergleichsweise stärker mit dem NS-Regime verstrickt waren und daher – sofern sie noch lebten – ihre Karriere nicht fortsetzen konnten, kamen mit Emil Dovifat in Berlin und Karl d’Ester in München Personen der ersten Generation ins Spiel, die weniger belastet schienen. In Münster wurde Walter Hagemann installiert. Das Verhalten bzw. wissenschaftliche Wirken der drei Genannten während des Dritten Reiches wird in der dazu vorliegenden Literatur unterschiedlich bewertet. Der Fach- und Medienhistoriker Rudolf Stöber nimmt eine vermittelnde Position ein. Er meint, der Neuanfang nach 1945 habe mit drei Wissenschaftlern begonnen, »die sich 1933 – 1945 als mehr oder minder ›angepasste Außenseiter‹ durchgeschlagen hatten. Dabei mussten Emil Dovifat und Karl d’Ester um ihre politische Rehabilitation kämpfen. Walter Hagemann hingegen konnte, da er 1933 – 1945 kaum wissenschaftlich tätig war, rasch Karriere machen. […]. Doch knapp 15 Jahre später verlor er aufgrund einer Verknüpfung politischer, wissenschaftspolitischer und privater Umstände seine Professur [42]und floh später in die DDR. Die wechselnden Koalitionen zwischen den drei Protagonisten zeigen ein zutiefst zerrissenes, kleines Fach, das sich zunächst nur mühsam im akademischen Betrieb behaupten konnte« (Stöber 2002, S. 84; vgl. auch Wiedemann 2012). Hans Bohrmann merkt kritisch an, dass Karl d’Ester, Emil Dovifat, Walter Hagemann und (der habilitierte Zeitungswissenschaftler) Wilmont Haacke (vgl. w. u.) »auch die wissenschaftliche Erneuerung des Faches versäumt [haben]« (Bohrmann 2002, S. 31). Insbesondere hätten sie sich (bereits in der Weimarer Zeit) neuen Fragestellungen und Methoden verschlossen, wie sie in anderen philosophischen, wirtschafts- sowie sozialwissenschaftlichen Fächern dringlich gefordert wurden. Dadurch sei auch der Aufbruch des Faches »um mehr als anderthalb Jahrzehnte verzögert [worden]« (Bohrmann 2002, S. 32). Umgekehrt räumt Bohrmann ein, dass Hagemanns Beitrag zur Neukonzeption der Publizistik(-wissenschaft) »nach 1945 gar nicht unterschätzt werden [kann]« (Bohrmann 2002, S. 26; vgl. Hagemann 1947; vgl. Wiedemann 2012). Hagemann habe »die erste wissenschaftliche Studie zur Analyse des NS-Mediensystems und dessen politischer Anleitung [veröffentlicht]« und sich in seinen Lehrveranstaltungen auch für elektronische Medien (v. a. das Radio) und den Film interessiert (Bohrmann 2002, S. 26; vgl. Hagemann 1948, 1954; Wiedemann 2012).

1956 wurde das wissenschaftliche Fachorgan Publizistik gegründet. Sein Name sollte insofern Programm signalisieren, als bewusst nicht an die Tradition der 1944 eingestellten Zeitschrift »Zeitungswissenschaft« angeschlossen werden sollte. Die Publizistik entfaltete sich u. a. zu jenem Organ, in welchem auch über das wissenschaftliche Selbstverständnis des Faches reflektiert wurde. Dieses war bis in die beginnenden 1960er-Jahre noch ein weitgehend geisteswissenschaftlich geprägtes Fach, es »überwogen medien- und kommunikatorzentrierte Perspektiven, historische und philologische Methoden sowie ein normatives Fachverständnis« (Löblich 2010a, S. 12). Das Fach stand weiterhin unter Legitimationsdruck. 1960 »empfahl der Wissenschaftsrat [sogar – Ergänzung H. P.], dieses ›Sondergebiet‹ lediglich an den Universitäten Berlin und München zu pflegen« (Huber 2010, S. 27 mit Bezugnahme auf Kutsch/Pöttker 1997, S. 7). Dazu kam es erfreulicher Weise nicht.

2.9 Von der Publizistik- zur Kommunikationswissenschaft

Ein Wandel im Selbstverständnis der Publizistikwissenschaft beginnt sich ab Anfang der 1960er-Jahre zu entfalten. Für diesen Wandel steht die Bezeichnung »empirisch-sozialwissenschaftliche Wende« (Löblich 2010a und 2010b). Drei Faktoren – Löblich (2010b, S. 549) sieht in ihnen »Veränderungsdruck aus der Umwelt« – haben dabei im Wesentlichen zusammengewirkt (hier in der Reihung durch H. P.): 1) markante Einflüsse, die von der US-amerikanischen Kommunikationswissenschaft ausgingen; 2) das soziopolitische und -ökonomische Umfeld mit seinen damaligen medialen Veränderungen in Deutschland; sowie schließlich 3) der Generationenwechsel im Fach Publizistikwissenschaft. Dazu im Einzelnen:

US-amerikanische Kommunikationsforschung: Diese wandte sich bereits ab den 1920er-Jahren Fragen der Medienwirkungen zu. Initialzündungen kamen aus der Medien- und Konsumindustrie sowie der Politik. Die Zeitungen und kommerziellen Rundfunkanstalten (damals nur Radio) sowie die Werbewirtschaft wollten über die Strukturen ihrer Publika (Leser, Hörer) Bescheid wissen – insbesondere über ihre Konsumvorlieben und Kaufgewohnheiten, um sie entsprechend mit Produkten bewerben zu können. Die Politik und politische Administration wiederum hatten Interesse an Kenntnissen über Wirkungen politischer Kommunikation und Beeinflussung in Presse und Rundfunk im Rahmen von Wahlkämpfen (vgl. Silbermann/Krüger 1973, S. 38). Auf vier Felder der empirischen Kommunikationsforschung ist in diesem Zusammenhang zu verweisen (vgl. Schramm 1969):

[43]1)auf die Umfrageforschung (»Sample Survey Approach») mit Höreranalysen, Wahlkampfanalysen etc.; sie ist mit dem Namen Paul Lazarsfeld verbunden;
2)auf die Propaganda-Forschung (»Political Approach») mit Untersuchungen zum Einfluss politischer Kommunikation – einer ihrer wichtigsten Protagonisten war Harold D. Lasswell;
3)auf die experimentalpsychologische Forschung (»Experimental Approach») mit der Erforschung von Kommunikation und Gesinnungswandel und deren Bedeutung für die wissenschaftliche Rhetorik; an ihrer Spitze stand Carl I. Hovland; sowie
4)auf die Kleingruppenforschung (»Small Group Approach»), die die Erforschung von Kommunikation in Kleingruppen zum Gegenstand hatte; einer ihrer ersten Repräsentanten war Kurt Lewin.

Die wichtigsten empirischen Methoden dieser Forschungsrichtungen waren die Befragung, das Experiment und die Inhaltsanalyse. Relevante Literatur der US-amerikanischen Kommunikationsforschung wurde allmählich auch in Deutschland beachtet. Hinzu kam, dass auch die Nachbarwissenschaften, bzw. die Soziologie und die Politikwissenschaft, »ebenfalls auf US-amerikanische Ansätze, analytische Wissenschaftstheorie und quantitative Methoden [rekurrierten]« (Löblich 2010b, S. 550).

Medienwandel, Medienpolitik, Forschungswandel: Das Medienwesen unterlag spätestens ab Mitte der 1950er-Jahre in der Bundesrepublik Deutschland einem beachtlichen Wandel: Neben die bereits bestehenden Medien Presse und Hörfunk trat (ab 1952) das Fernsehen; die Mediennutzung stieg an. Ebenso wuchs der Bedarf an journalistischen Arbeitskräften (vgl. Löblich 2010b, S. 549). Daneben vollzog sich im Pressewesen ein beunruhigender Konzentrationsprozess. Dies und anderes mehr »veränderte[n] ab den 1950er Jahren den Forschungsstand der Publizistik- und Zeitungswissenschaft und beförderte[n] die Variation von Forschungsthemen und Methoden […]. Die Medien gewannen in den 1960er Jahren an Bedeutung für Politik und Zeitkritik, Themen wie intermediärer Wettbewerb, Vielfalt und Meinungsmacht wurden öffentlich debattiert […]. Medienorganisationen, Verbände und Medienpolitiker benötigten Forschungsergebnisse, um politische und unternehmerische Entscheidungen zu planen und zu rechtfertigen […]. Verleger und öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten begannen verstärkt, Studien in Auftrag zu geben, um sich mit Reichweitenzahlen und Nutzeranalysen im Wettbewerb zu behaupten […]. Ebenso wuchs in der Medienpolitik »der Bedarf an Fakten zur Medienentwicklung« (Löblich 2010b, S. 549). Die publizistikwissenschaftlichen Institute der damaligen Zeit spielten – von Mainz abgesehen (vgl. w. u.) – »kaum eine Rolle als Auftragnehmer […], aber gerade deshalb beobachteten die Fachvertreter sehr genau, was auf dem ›Markt‹ der Medienforschung gefragt war« (ebd.). Löblich resultiert schließlich: »Bedingt durch Veränderungsprozesse bei Medienunternehmen und Medienpolitik, die die Produktion quantitativer Daten sowie sozialwissenschaftliche Fragestellungen förderten, verschoben sich die Selektionskriterien im Fach und begünstigten empirisch-sozialwissenschaftliche Forschungsgegenstände und Methoden« (Löblich 2010b, S. 550).

Generationenwechsel in der Publizistikwissenschaft: Ende der 1950er- und Anfang der 1960er-Jahre vollzog sich im Fach ein Generationenwechsel, von dem wichtige Impulse für die sozialwissenschaftlich-empirische Wende ausgingen. In Münster folgte 1960 auf Walter Hagemann der Buchverleger und studierte niederländische Soziologe Henk Prakke. Er hatte sich Anfang der 60er-Jahre der USamerikanischen Kommunikationswissenschaft zugewandt und entwickelte ein Prozessmodell: die »funktionale Publizistik« (Prakke 1968; Pürer 1998, S. 145ff; Meyen/Löblich 2006, S. 239 ff; Klein 2006). Prakke warb auch »dafür, Kommunikation immer in ›Interdependenz‹ mit der gesellschaftlichen Umwelt zu sehen […]« (Löblich 2010a, S. 142). In Berlin folgte 1961 auf Emil Dovifat der langjährige Intendant des Süddeutschen Rundfunks, Fritz Eberhard. Beide, Prakke und Eberhard, machten »soziologische Denk- und Arbeitsweisen für die Publizistik nutzbar« (Bohrmann 1997, S. 58). Im Mittelpunkt stand der publizistische Prozess. Es gelang Eberhard, den ausgewiesenen Kenner der USamerikanischen [44]Literatur und erfahrenen empirischen Medienforscher des Hamburger Hans-Bredow-Instituts, Gerhard Maletzke (vgl. w. u.) für das Berliner Institut als langjährigen Lehrbeauftragten zu gewinnen (Löblich 2010a, S. 172). Mit Otto B. Roegele wurde 1963 ein erfahrener Journalist und Quereinsteiger (Mediziner, Historiker) nach München berufen, der das Fach ebenfalls gegenüber anderen Disziplinen öffnete. Auf ihn geht u. a. die Anregung zurück, das Fach in »Kommunikationswissenschaft« umzubenennen. 1964 erhielt Franz Ronneberger, ein Jurist und Soziologe mit journalistischen und politischen Erfahrungen, das neu geschaffene Ordinariat für Publizistik und politische Wissenschaft in Nürnberg. Ronneberger profilierte sich nicht nur im Bereich Kommunikationspolitik (vgl. dazu seine– mittlerweile in weiten Teilen überholte – dreibändige Kommunikationspolitik: Ronneberger 1978ff), sondern erschloss auch die Felder Sozialisation durch Massenkommunikation (Ronneberger 1971) sowie Public Relations (Ronneberger/Rühl 1992). Schließlich wirkte ab 1965 Elisabeth Noelle-Neumann an dem neu geschaffenen Lehrstuhl für Publizistik der Universität Mainz. Sie war promovierte Zeitungswissenschaftlerin und hatte während eines Studienaufenthaltes in den USA die empirische Medien- und Kommunikationsforschung kennen gelernt. U. a. daraus resultierte das später von ihr verfasste Buch »Umfragen in der Massengesellschaft« (Noelle 1963). Als Leiterin des Allensbacher Instituts für Demoskopie war sie erfahrene empirische Medienforscherin. Ihr besonderes Interesse galt der Erforschung von Medienwirkungen, bzw. der öffentlichen Meinung. Es war dies ein Spezialgebiet, auf dem sie Pionierarbeit leistete. Ihre in diesem Kontext erarbeitete Theorie der »Schweigespirale» (Noelle-Neumann 1980) ist zwar nicht unumstritten (vgl. Scherer 1990 und Kap. 5.2.7), wurde aber auch außerhalb Europas, insbesondere in den USA, anerkennend rezipiert (vgl. Salmon/Glynn 1996). Nicht unerwähnt bleiben darf auch Günter Kieslich, Ordinarius von 1968 bis 1971 am Salzburger Publizistikinstitut. Obwohl ursprünglich selbst Historiker, wandte er sich in Salzburg unverzüglich der empirischen Forschung zu und hielt u. a. auch entsprechende Methodenvorlesungen (vgl. Pürer 1972). Kieslich hat vielfältig empirische Forschung angeregt und legte 1969 eine erste Strukturanalyse der österreichischen Tagespresse vor (Kieslich 1969). Aufgrund seines frühen Todes kam er selbst nicht mehr dazu, die danach erweiterte Forschungsarbeit zur Struktur der österreichischen Tagespresse (Vyslozil/Pürer/Roloff 1973) sowie seine wegweisende empirische Studie über die Ausbildung von Volontären an Tageszeitungen in der Bundesrepublik Deutschland (Kieslich 1974, Bearbeitung Eckart Klaus Roloff) selbst zu Ende zu führen.

Im Zusammenhang mit der sozialwissenschaftlichen Wende sei hier noch auf den empirischen Medienforscher Gerhard Maletzke verwiesen. Er trug Anfang der 1960er-Jahre »in einer gründlichen Auswertung der nordamerikanischen Fachliteratur« (Bohrmann 1997, S. 59) wichtige Ergebnisse der US-amerikanischen empirischen Kommunikationsforschung zusammen und entwickelte auf ihrer Basis ein in sich stimmiges Prozessmodell der Massenkommunikation mit den Faktoren Kommunikator, Aussage, Medium und Rezipient/Wirkung, die er in ihrem Zusammenwirken genau beschrieb (vgl. Bohrmann 1997, S. 60; vgl. Maletzke 1963). Seine 1963 erschiene »Psychologie der Massenkommunikation« (Maletzke 1963) war zweifellos eine herausragende fachliche Innovation. Maletzke hat damit (und auch durch seine empirischen Arbeiten am Hamburger Hans-Bredow-Institut für Rundfunkforschung) wesentlich mit dazu beigetragen, »die deutschsprachige Publizistikwissenschaft von einer vorwiegend normativen zu einer auch empirisch arbeitenden Wissenschaft weiterzuentwickeln« (Bentele/Beck 1994, S. 38). Universitäre Ehren erhielt Maletzke – nach zahlreichen anderen beruflichen Stationen vorwiegend in der Forschung – erst 1983 als Honorarprofessor für Kommunikationswissenschaft/Journalistik an der Universität Hohenheim (vgl. Fünfgeld/Mast 1997, S. 359–361; Maletzke 1997; Meyen/Löblich 2011 und 2006, S. 211ff).

Mit dem hier angesprochenen Wandel des Faches und den innerhalb des Faches damals zentral agierenden Protagonisten und deren Strategien befasst sich, wie erwähnt, Maria Löblich (2010a und 2010b). Ihre Analyse umfasst zwar den Zeitraum von 1945 bis 1980, um Veränderungen über einen [45]längeren Zeitraum in den Blick zu bekommen. Hier geht es jedoch vorwiegend um die 1960er-Jahre. Löblich unterscheidet bei ihrer Analyse zwischen dem »empirisch-sozialwissenschaftlichen« und dem »geisteswissenschaftlichen Lager«.

Im empirischen Lager verortet sie die Herausforderer, unter ihnen die bereits erwähnten Protagonisten Elisabeth Noelle-Neumann (Mainz), Fritz Eberhard (Berlin), Franz Ronneberger (Nürnberg), Henk Prakke (Münster) sowie Otto B. Roegele (München). »Die Kernvorstellungen im empirisch-sozialwissenschaftlichen Verständnis sind schnell aufgezählt: Orientierung an der USamerikanischen Kommunikationsforschung, am Kritischen Rationalismus oder Positivismus, starkes Methodenbewusstsein, Anwendung quantitativer Verfahren, Formulierung empirisch überprüfbarer Aussagen sowie Gegenwarts- und Anwendungsbezug« (Löblich 2010a, S. 151). Obwohl bei detaillierter Analyse infolge unterschiedlicher persönlicher Auffassungen der Protagonisten »ein explizites, gemeinsames Fachverständnis nicht formuliert wurde […], weil es zu viele persönliche Auffassungsunterschiede gab, bestand das Ergebnis der Fachdebatte im impliziten Konsens, dass die analytischquantitative sozialwissenschaftliche Ausrichtung angesichts der schwierigen Situation des Faches der einzige richtige Weg war. Das empirisch-sozialwissenschaftliche Lager hat sich in der disziplinären Kontroverse durchgesetzt« (Löblich 2010a, S. 151). Die rasche Umsetzung wurde jedoch von Faktoren wie mangelnder Ausstattung der Institute, fehlendem Geld und Stellen für Mitarbeiter sowie Räumen verzögert (Löblich 2010a, S. 152).

Als Herausgeforderte sieht Löblich primär Emil Dovifat (Berlin) und Wilmont Haacke, der 1963 auf einen Lehrstuhl für Publizistik in Göttingen berufen wurde, davor jedoch auch schon im Fach wissenschaftlich tätig war. Beide mussten sich in ihrem Fachverständnis durch jenes der Herausforderer angegriffen fühlen, »zuvorderst der ›Nestor‹ des Fachs, Emil Dovifat, aber auch sein Göttinger Kollege Wilmont Haacke. Beide hatten ihre Position der bisherigen geisteswissenschaftlichen Ausrichtung des Faches zu verdanken und diese stand nun auf dem Spiel. Sie versuchten, den gegen ihr Fachverständnis wirkenden Selektionsdruck abzuwehren« (Löblich 2010b, S. 552). Beide seien sich weitgehend einig darüber gewesen, »dass Wirkungsforschung abzulehnen und das Fach als normative Disziplin zu erhalten war« (ebd.). Haacke habe »Ressentiments gegenüber der Umfrageforschung gehabt, Dovifat habe vor einem Rückfall in die ›Werturteilsfreiheit‹ gewarnt: »Normativ musste das Fach aus seiner Sicht nicht zuletzt auch sein, weil es Journalisten Gesinnung und Ethik vermitteln sollte. Die für diese Aufgabe notwendige allgemein verständliche Sprache sah Dovifat von der um sich greifenden Terminologie der analytischen Wissenschaftstheorie bedroht« (Löblich 2010b, S. 552f). Beide, Dovifat und Haacke, hätten mit »Widerstand und Verweigerung auf die Veränderungen im Fach reagiert« (Löblich 2010b, S. 555). Anders sieht dies mit Blick auf Wilmont Haacke der Göttinger Kommunikationswissenschaftler Wilfried Scharf. Haacke habe in seinem Werk »Publizistik und Gesellschaft« (1970) den empirisch-analytischen Ansatz innerhalb der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft verbunden; dieser Ansatz habe sich »seit den Siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts durchgesetzt« (Scharf 2001, S. 69).

Der empirische Neuansatz in der Publizistikwissenschaft »wurde auch in der sich langsam entwickelnden Sphäre der Wissenschaftsplanung von Bund und Ländern wahrgenommen« (Bohrmann 1997, S. 60). So empfahl der Wissenschaftsrat 1965, Einrichtungen zu schaffen, die mit universitären Instituten kooperieren sollten: das Institut für den Wissenschaftlichen Film (Göttingen), das Institut für Zeitungsforschung Dortmund, das Hans-Bredow-Institut für Rundfunkforschung sowie die Deutsche Presseforschung Bremen (vgl. Bohrmann 1997, S. 60). Generell darf man sagen, dass die empirisch-sozialwissenschaftliche Wende »als Markstein in der Entwicklung des Fachs, als Fundament des heutigen Selbstverständnisses« und »Voraussetzung für Konsolidierung und Ausbau seit den 1970er Jahren« gilt (Löblich 2010a, S. 13). Der Neuansatz führte zu vielfältiger empirischer Forschung in den Bereichen Kommunikator-/Journalismusforschung, Medieninhaltsforschung, Medienstrukturforschung, [46]Rezipienten- und Wirkungsforschung. Politologische, soziologische sowie (sozial-) psychologische Denkansätze wurden dabei berücksichtigt. Die zunehmend (und heute vorwiegend) empirisch betriebene Publizistikwissenschaft mutierte allmählich zur Kommunikationswissenschaft (vgl. Kutsch/Pöttker 1997).

Dass sich die Inhalte des Faches infolge der empirisch-sozialwissenschaftlichen Wende tatsächlich gewandelt haben, ist einer Inhaltsanalyse der 1956 gegründeten Fachzeitschrift Publizistik für die Zeiträume 1956 bis 1969 (Zeitraum 1) sowie 1970 bis 1980 (Zeitraum 2) zu entnehmen (Löblich/Pfaff-Rüdiger 2009). In Form einer Vollerhebung flossen 767 Beiträge in die Analyse ein. Vergleicht man die Entwicklung der fünf wichtigsten Forschungsthemen, so fällt das Forschungsthema »Mediengeschichte« im zweiten Zeitraum gegenüber dem ersten von 24 Prozent der Beiträge auf elf Prozent zurück. Die Forschungsthemen »Fachdiskussion/-geschichte« steigen von Zeitraum 1 mit zehn Prozent der Beiträge auf 23 Prozent im Zeitraum 2 an. »Journalismus«-Forschung nimmt vom ersten zum zweiten Zeitraum um acht Prozent zu. Dagegen gibt es bei den Themen »Medieninhalte« und »Kommunikationspolitik« wenig Veränderung (Löblich/Pfaff-Rüdiger 2009, S. 57). Bezüglich der Methodenverwendung fallen »Geisteswissenschaftliche Methoden« im Zeitverlauf von 71 Prozent auf 51 Prozent zurück, »Sozialwissenschaftliche Methoden« steigen von acht auf 22 Prozent an (Löblich/Pfaff-Rüdiger 2009, S. 59). Die Autorinnen resümieren: Die geisteswissenschaftliche Forschung überwog zwar weiterhin, allerdings war deren Dominanz 1980 »viel weniger ausgeprägt als zu Beginn des Untersuchungszeitraums.« Dagegen hat eine »dramatische Veränderung […] in der Mediengeschichte stattgefunden. Das vormals stärkste Forschungsthema schrumpfte zu einem Randgebiet. Außerdem hat sich gezeigt, dass die Fachvertreter bei der Wahl ihrer Themen sich sehr viel stärker an aktuellen Problemen orientierten, an Themen, zu denen gesellschaftlicher Wissensbedarf bestand. […] Die Jahre 1968/69 markierten die Trendwende im Untersuchungszeitraum« (Löblich/Pfaff-Rüdiger 2009, S. 61).

Der Aufbruch des Faches von einer (primär) geisteswissenschaftlichen Disziplin zu einer sozialwissenschaftlichen wird, wie hier dargelegt, allgemein in den 1960er-Jahren verortet. Dies ist uneingeschränkt so nicht richtig. Sozialwissenschaftliches Denken hat es (in Ansätzen zumindest) bereits vor der empirischen Wende gegeben. Es hatte aber im Fach keine mittel- bis langfristigen Konsequenzen. Auf folgende Aspekte ist hinzuweisen:

Zum einen, dass es bereits in der Zeitungswissenschaft der Weimarer Republik Berührungen mit der (empirischen) Soziologie und soziologischen Perspektiven gab (vgl. Averbeck 1999, 2001; auch Koszyk 1997, S. 38ff). Stefanie Averbeck spricht von immerhin zwanzig Wissenschaftlern, die dem interdisziplinären Milieu zuzurechnen waren, von denen aber viele emigrierten bzw. emigrieren mussten (vgl. Averbeck 2001, S. 7ff). Neben vielen anderen verweist sie insbesondere auf Protagonisten wie Kurt Baschwitz, Karl Mannheim, Gerhard Münzer, Ernst Manheim und Emil Willems. Sie alle hatten nach 1945 jedoch Professuren außerhalb Deutschlands und in anderen Fächern inne, so dass es »keine personelle Kontinuität zwischen dem interdisziplinären Milieu der Weimarer Zeit und der Publizistikwissenschaft der Bundesrepublik [gab]« (Averbeck 2001, S. 16; Hervorhebung i. Orig.). »Der Anknüpfungspunkt der deutschen Kommunikationswissenschaft nach 1945«, so Averbeck weiter »war die angloamerikanische Literatur« (ebd.).

Zum Zweiten soll nicht unerwähnt bleiben, dass Hans Amandus Münster, der von 1934 bis 1945 Ordinarius für Zeitungswissenschaft in Leipzig war und sich in dieser Zeit, wie erwähnt, der nationalsozialistischen Ideologie verschrieb, durch seine früheren Studien bei Leopold von Wiese und Ferdinand Tönnies einen soziologischen und psychologischen Hintergrund hatte. Er interessierte sich besonders für die Erforschung des Verhältnisses von Presse und öffentlicher Meinung. 1931 erarbeitete er – damals noch als Mitarbeiter bei Emil Dovifat in Berlin – eine umfangreiche empirische Studie über »Jugend und Zeitung« mit in Deutschland reichsweit mehreren tausend befragten [47]Jugendlichen zwischen zwölf und zwanzig Jahren. Die Studie, geprägt durch die volkspädagogische Aufgabenstellung des Faches dieser Zeit (Straetz 1984), war v. a. bei Kollegen anderer Disziplinen umstritten. Gleichwohl war sie »die erste und lange Zeit umfangreichste Studie dieser Art« (Straetz 1984, S. 79). Dieser Ansatz der empirischen Rezipientenforschung wurde durch die politischen Ereignisse ab 1933, durch die Berufung Münsters an das Leipziger Institut sowie infolge unterschiedlicher Auffassungen über die Aufgabenstellung der Zeitungs- bzw. Publizistikwissenschaft im Nationalsozialismus nicht mehr fortgeführt.

Zum Dritten entstanden bereits in den 1950er-Jahren unter Walter Hagemann am Institut für Publizistik der Universität Münster (methodisch-statistisch noch relativ wenig elaborierte) Inhaltsanalysen von Zeitungen und Zeitschriften, ebenso Zeitungs- und Zeitschriftenstatistiken, Befragungen von Zeitungslesern, Film- und Wochenschaubesuchern sowie auch eine Untersuchung zur sozialen Lage des deutschen Journalistenstandes (vgl. Löblich 2009, 2010a, S. 118ff; Hagemann 1956). Auch die von Hagemann-Schüler Günter Kieslich angefertigte Fallstudie »Freizeitgestaltung in einer Industriestadt« (Kieslich 1956) ist z. B. zu erwähnen. Dass Hagemanns Rolle »bei der Umorientierung der Publizistikwissenschaft von einer Geisteswissenschaft zu einer empirischen Sozialwissenschaft bislang nicht wahrgenommen worden [ist]« und weitgehend in Vergessenheit geriet, hat u. a. mit dessen Ausscheiden aus der Universität 1959, mit der Flucht 1961 in die DDR zur Zeit des Kalten Krieges sowie mit dessen Auftreten dort als »Nestbeschmutzer« zu tun (Löblich 2010a, S. 128 mit Bezugnahme auf Schütz 2007, S. 41). Keiner seiner ehemaligen Mitarbeiter und Absolventen »habe da öffentlich als Hagemann-Schüler auftreten und sich selbst gefährden wollen« (ebd.). Mit Leben und Werk Walter Hagemanns befasst sich ausführlich Thomas Wiedemann (2012).

Schließlich viertens: Zwei prominente Protagonisten der US-amerikanischen Kommunikationsforschung, nämlich Paul Lazarsfeld und Kurt Lewin, stammten aus Europa. Die beiden Österreicher entzogen sich wegen ihrer jüdischen Herkunft der Verfolgung durch den Nationalsozialismus, indem sie in die USA emigrierten. So ist es durchaus nicht illegitim festzuhalten, dass die empirische Kommunikationsforschung (zum Teil zumindest) gleichsam über Umwege aus dem angloamerikanischen Raum in der deutschsprachigen Publizistikwissenschaft wieder Fuß fasste (vgl. Reimann 1989; Wagner 1997, S. 109).

2.10 Studentenrevolte und Kritische Kommunikationswissenschaft

Noch in den 1960er-Jahren stiegen die Studentenzahlen in der Publizistik bzw. Kommunikationswissenschaft an – ein »Ergebnis der neuen Attraktivität des Faches« (Bohrmann 1997, S. 60). Infolge der schlechten Ausstattungen der bestehenden Institute mit zu wenig Lehrenden und zu vielen Studierenden führte dies zu Spannungen, in denen Bohrmann Vorbedingungen für die ab 1968 offen ausbrechende Studentenrevolte sieht (ebd.). Die Publizistikwissenschaft war folglich auch Ziel studentischer Aktionen mit Polemik gegen das Fach, mit Institutsbesetzungen in Mainz, Berlin, Münster und München, mit »Gegenvorlesungen« und anderen Aktionen und Agitationen (vgl. Bohrmann 1997).

Die Studentenrevolte basierte, was ihren geistigen bzw. gesellschaftspolitischen Hintergrund betraf, auf Gedankengut der »Kritischen Theorie«. Diese entstand Ende der 1920er-Jahre am Frankfurter Institut für Sozialforschung. Sie ist eine ursprünglich von Friedrich Hegel, Karl Marx und Sigmund Freud inspirierte Gesellschaftstheorie und v. a. mit den Namen Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und Herbert Marcuse verbunden (später auch mit Jürgen Habermas, Oskar Negt und anderen). Ihre Bezeichnung »Kritische Theorie» geht auf eine 1937 veröffentliche Aufsatzsammlung Max Horkheimers mit dem Titel »Traditionelle und kritische Theorie« zurück (Horkheimer 1937). [48]»Der Philosoph Max Horkheimer fokussierte das Forschungsprogramm der Kritischen Theorie in den dreißiger Jahren auf das Projekt einer interdisziplinär zu erschließenden materialistischen Gesellschaftstheorie, die neben der ökonomischen Analyse der gesellschaftlichen Machtverhältnisse auch eine sozialpsychologische Untersuchung mit Blick auf kulturtheoretische Betrachtungen der Wirkungsweise der Massenkultur umfasste« (Schicha 2010, S. 104). (Da Vertreter der Frankfurter Schule marxistisches Ideengut aufgriffen und neu diskutierten, ist bei Ansätzen der Kritischen Theorie von verschiedenen ihrer Repräsentanten auch von ›neomarxistischen‹ Theorien bzw. Ansätzen die Rede.)

Auch die Ende der 1960er-Jahre entstehende »Kritische Kommunikationsforschung« steht in der Tradition der Frankfurter Schule. Ihre Akteure (wie Horst Holzer, Franz Dröge, Dieter Prokop und andere) versuchten, diese Denkrichtung in der deutschen Kommunikationswissenschaft zu etablieren; sie hatte jedoch nicht sonderlich lange Bestand. Eine Ausnahme stellt Jürgen Habermas dar (der übrigens nicht der Kommunikationswissenschaft entstammt, dessen Publikationen für sie jedoch von Bedeutung sind): Seine 1962 erstmals erschienene Publikation »Strukturwandel der Öffentlichkeit« (Habermas 1962) sowie seine »Theorie des kommunikativen Handelns« (1981) finden nach wie vor große Aufmerksamkeit. Um weitere Repräsentanten wie etwa Franz Dröge (u. a. 1973) oder Horst Holzer (u. a. 1971) und andere ist es dagegen sehr still geworden. Mit ihnen befasst sich Andreas Scheu in seiner 2012 publizierten Dissertation »Adornos Erben in der Kommunikationswissenschaft« (Scheu 2012).

Die »Kritische Kommunikationsforschung« der 1970er- und 1980er-Jahre verstand sich v. a. als Gegenpol zur empirisch-sozialwissenschaftlichen Perspektive (vgl. Scheu 2012, S. 13). »Die empirischsozialwissenschaftliche Kommunikationswissenschaft […] ist der Perspektive des ›Kritischen Rationalismus‹ und dem Ideal der Werturteilsfreiheit verpflichtet. ›Kritische Kommunikationsforschung‹ hingegen steht in der Tradition […] der ›Kritischen Theorie‹ und sieht sich in der Pflicht, Gesellschaft, Medien und Wissenschaft auf theoretischer Basis herrschaftskritisch zu hinterfragen, normativ zu beurteilen und so aktiv an der Verbesserung gesellschaftlicher Strukturen mitzuwirken. Deutungshoheit im Feld Kommunikationswissenschaft haben die empirisch-sozialwissenschaftlichen Akteure erlangt« (ebd.). Der hinter diesen beiden wissenschaftlichen Positionen stehende Konflikt wurde bereits in den 1960er-Jahren durch Karl R. Popper (Kritischer Rationalismus) und Theodor W. Adorno (Kritische Theorie) ausgetragen.

Scheu widmet sich auf der Basis der Theorie sozialer Felder und individueller Akteure nach Pierre Bourdieu Repräsentanten der »Kritischen Kommunikationsforschung«. Dazu beschreibt er die Entwicklung der »Kritischen Kommunikationswissenschaft« der 1970er- und 1980er-Jahre. Er versucht v. a. herauszufinden, »warum die Perspektive und die Akteure, die sie vertreten, aus dem heutigen kommunikationswissenschaftlichen Feld verschwunden zu sein scheinen« (Scheu 2012, S. 14). Exemplarisch führt Scheu dies mit Hilfe von Einzelfallanalysen an den ausgewählten Fachvertretern Horst Holzer, Franz Dröge, Manfred Knoche, Siegfried Weischenberg und Hanno Hardt aus. Er gelangt zu dem Befund, dass die Geschichte der Kritischen Kommunikationsforschung keine reine Verdrängungsgeschichte ist. Vielmehr handelte es sich um einen vielschichtigen Prozess mit unterschiedlichen Einflussfaktoren (vgl. Scheu 2012, S. 269ff, S. 294ff). So hätten es die Protagonisten z. B. versäumt, sich zu vernetzen oder Nachwuchs auszubilden, es habe Abgrenzungen gegenüber »einer ›positivistischen‹, affirmativen empirischen Forschung« gegeben (Scheu 2012, S. 295). Politische Einflüsse hätten z. B. im »Radikalenerlass« (vgl. Scheu 2012, S. 270ff, S. 295) oder in der versuchten Einflussnahme auf Berufungsverfahren gelegen (vgl. ebd.), aber auch im Bedarf nach handlungsrelevantem Wissen und empirischen Daten über Massenkommunikation und Medienwirkungen vonseiten der Politik, Wirtschaft und Medien (Scheu 2012, S. 282, S. 296), den die Vertreter einer Kritischen Kommunikationsforschung »nicht erfüllen wollten« (S. 282, S. 295).

[49]2.11 Die Einrichtung von Diplomstudiengängen für Journalistik

Ab Mitte der 1970er-Jahre erfolgte an mehreren deutschen Universitäten die Errichtung von Diplomstudiengängen für Journalistik. Ursache und Anlass der Gründungen war auch die von Teilen der Berufspraxis mitgetragene Erkenntnis, dass die traditionellen Wege der Ausbildung von Journalisten vorwiegend in Form eines zweijährigen Volontariats in Zeitungs-, Hörfunk- oder Fernsehredaktionen den gewachsenen Anforderungen an diesen verantwortungsvollen Beruf nicht mehr entsprachen (und übrigens weder davor noch danach jemals auch nur annähernd entsprochen haben bzw. hätten). Eine intensiv von allen Betroffenen – Journalisten, Verleger, Rundfunkanstalten, Berufsverbände, Publizistikwissenschaft – geführte Ausbildungsdebatte machte sich breit (vgl. Aufermann/Elitz 1975; Publizistik 3–4/1974 sowie 1–2/1975). Den Anstoß zur Errichtung berufsbezogener Diplomstudiengänge gab schließlich u. a. auch das aus 1971 stammende Memorandum des Deutschen Presserates für einen Rahmenplan zur Journalistenausbildung, an dessen Erarbeitung auch Publizistikwissenschaftler mitwirkten. Darin waren mehrere Möglichkeiten und Wege der Ausbildung von Journalisten festgehalten, zumal der Beruf des Journalisten weiterhin ein prinzipiell frei zugänglicher Beruf bleiben sollte. Wenige Jahre später entstanden Grundstudiengänge für Diplom-Journalistik zunächst in Dortmund (1976) und München (1978), in Eichstätt (1983) und – nach der Wiedervereinigung – auch in Leipzig (1993). Sie boten eine sowohl kommunikationstheoretische wie auch mehrmediale praktisch-handwerkliche Ausbildung und qualifizierten durch verpflichtend zu absolvierende Nebenfächer auch für eine Tätigkeit in einem Ressort. Ausbildungsziel war eine berufsqualifizierende Ausbildung für den Journalismus in Zeitung, Zeitschrift, Radio und Fernsehen (sowie ab Mitte der 1990er-Jahre auch für den Onlinejournalismus). Aufbau- oder Nebenfachstudiengänge wurden errichtet in Stuttgart-Hohenheim (1974), Mainz (1978), Hamburg (1982), Bamberg (1983) und Hannover (1985). Diese Studiengänge vermittelten in aller Regel eine kommunikationswissenschaftliche und praktisch-handwerkliche Ausbildung im Anschluss an ein bereits ganz oder teilweise abgeschlossenes Fachstudium (vgl. Hömberg 1978; Wilke 1987). Neben den an Universitäten eingerichteten Grund-, Aufbau und Nebenfachstudiengängen Journalistik gesellten sich ab Ende der 1990er-Jahre auch Fachhochschulstudiengänge, so z. B. 1997/98 der Internationale Studiengang Fachjournalistik an der Hochschule Bremen (Dernbach 2002), die 1999 geschaffenen Studiengänge Journalistik und PR/Öffentlichkeitsarbeit an der Fachhochschule Hannover (Gröttrup/Werner 2002) oder der ebenfalls 1999 etablierte Studiengang Technikjournalismus an der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg (Deussen 2002). Weitere Fachhochschulstudiengänge, etwa jene an der Fachhochschule Darmstadt für Onlinejournalismus und für Wissenschaftsjournalismus folgten. Die universitären Studiengänge Journalistik wurden im Zuge der sog. Bologna-Reform in Bachelor- und/oder Masterstudiengänge Journalismus/Journalistik umgestaltet. 2010 gab es solche Studiengänge an den Universitäten Eichstätt und Dortmund (Bachelor) sowie an den Universitäten München und Leipzig (Master). Nähere Informationen über diese Studiengänge sind den jeweiligen Onlineauftritten der sie durchführenden Institute oder Lehrstühle zu entnehmen. Ähnliche praxisorientierte Studiengänge gibt es in modifizierter Weise auch an anderen Universitäten, etwa jenen für »Medien und Kommunikation« an der Universität Passau. Einen anschaulichen Überblick über die Entwicklung der hochschulgebundenen Journalistenausbildung im deutschen Sprachraum aus den zurückliegenden 40 Jahren vermittelte zuletzt in Form einer Textcollage Walter Hömberg (2010).

[50]2.12 Das Fach in Ostdeutschland

Wie bereits erwähnt, verzeichnete die Zeitungs- bzw. Publizistikwissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg in Ostdeutschland eine andere Entwicklung: Das Fach wurde erneut in den Dienst einer Ideologie gestellt. Es nahm dabei die Entwicklung von der Publizistikwissenschaft zur Journalistikwissenschaft (vgl. Blaum 1979; 1980; 1985).

Das 1916 durch Karl Bücher in Leipzig eingerichtete Institut für Zeitungskunde (später: Zeitungswissenschaft) bestand bis 1945. Es wurde 1946 von Gerhard Menz an der neu etablierten Sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät als Institut für Publizistik wiedererrichtet (vgl. Münster 1956, S. 305–309), fand jedoch nicht die Billigung der SED. So folgte 1948 die Gründung eines gleichnamigen Instituts an der Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät unter der Leitung von Hermann Budzislawski. Dieser bemühte sich gemeinsam mit einer Reihe namhafter »antifaschistischer Intellektueller« um einen neuen »antifaschistisch-demokratischen Geist« an der Universität (Schlimper 1996, S. 5). Beide Institute gingen auf in einem 1951 etablierten »Institut für Publizistik- und Zeitungswissenschaft«, das nun – nach der 1950 erfolgten Auflösung der Gesellschaftswissenschaftlichen Institute – der Philosophischen Fakultät angehörte. Diese Gründung entsprach wieder einer ausdrücklichen Forderung der ersten Pressekonferenz des Parteivorstandes der Sozialistischen Einheitspartei (SED) aus dem Jahr 1950, wonach das System »Massenkommunikation« in der damaligen SBZ stärker nach Parteiinteressen auszurichten war (vgl. Blaum 1979, S. 20ff). Das Institut ging 1954 in der nach sowjetischem Vorbild gegründeten »Fakultät für Journalistik« auf. Deren Bemühung bestand darin, auf der Basis der Lehre des Marxismus-Leninismus in Theorie und Praxis die »Formung zuverlässiger Kader« zu betreiben (Schlimper 1996, S. 5). Zudem wurde der Begriff »Journalistik« dem der »Publizistik« bzw. der »Zeitungswissenschaft« vorgezogen, »weil er a) die aktive Einwirkung auf die gesellschaftliche Entwicklung hervorhebe, b) sich nicht nur auf die Zeitung, sondern auch auf andere Instrumente, z. B. den Rundfunk beziehe, c) in der Sowjetunion und anderen Ländern üblich sei und d) sich von der bürgerlichen Tradition abgrenze« (Liebert 1995, S. 7). Die »Fakultät für Journalistik« wurde 1969 erneut reorganisiert. Es entstand die »Sektion Journalistik der Karl-Marx-Universität Leipzig«, nach wie vor die einzige Einrichtung dieser Art in der DDR, an der nun das Studium der Diplomjournalistik absolviert werden konnte (vgl. Blaum 1979, S. 23f). Das Studium verzahnte theoretische Kenntnisse, insbesondere des Marxismus-Leninismus mit einer praktisch-handwerklichen Ausbildung auf Basis der Lenin’schen Pressetheorie (vgl. Blaum 1980). Auf ein zweisemestriges Grundstudium (sozialistische Gesellschaftstheorie, wissenschaftliche Arbeitsmethoden, Grundkenntnisse des Journalismus) folgte ein viersemestriges Fachstudium (unmittelbare journalistische Ausbildung in Theorie und Praxis) sowie ein zweisemestriges, medienspezifisches und fachjournalistisches Spezialstudium. Das Studium wurde mit einer Diplomprüfung (wissenschaftliche und praktische Abschlussarbeit) abgeschlossen. Rund 800 Studierenden standen bis an die 80 Lehrende gegenüber.

In der DDR konnte in aller Regel nur journalistisch tätig sein, wer entweder das Journalistikstudium absolvierte oder sich an der Fachschule für Journalistik (ebenfalls Leipzig) eine entsprechende Ausbildung aneignete. Der Zugang zum Journalistikstudium war zudem an Voraussetzungen gebunden. So musste jeder Interessent nicht nur das Abitur, sondern auch ein einjähriges Volontariat in einer Presse-, Hörfunk- oder Fernsehredaktion nachweisen. Geschätzt wurden des Weiteren Praxiserfahrungen in einem Produktionsbetrieb, günstigstenfalls ein Facharbeiterbrief. Von Vorteil für die Aufnahme in den Studiengang war auch eine feste Parteibindung sowie ein Engagement im FDJ, dem Freien Deutschen Jugendverband, einer Vorfeldorganisation der SED (vgl. Blaum 1985, S. 87ff). Die »Sektion Journalistik der Karl-Marx-Universität Leipzig« bestand bis 1990. Nach der Wende versuchte sie einen Neubeginn, der durch die im Dezember 1990 per Dekret verordnete Abwicklung [51]jedoch im Ansatz unterbrochen wurde (vgl. Schlimper 1996, S. 5). Von dieser Abwicklung betroffen waren auch zahlreiche Wissenschaftler, die sich in der DDR in besonderer Weise der herrschenden Lehre des Marxismus-Leninismus verschrieben bzw. unterworfen hatten.

2.13 Neugründungen in den neuen Bundesländern

Zu einem Neubeginn kam es in Leipzig ab 1991/92. Dem vom sächsischen Kultusminister nach Leipzig geholten Gründungsdekan Karl Friedrich Reimers von der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) München gelang es, einen Fachbereich Kommunikations- und Medienwissenschaft mit neun planmäßigen Professorenstellen aufzubauen (Reimers 2003). Zentrales Anliegen von Reimers war es, das Fach aus seiner ideologischen Fixierung und politischen Instrumentalisierung herauszulösen und ganz neu für den schöpferischen Wissenschaftspluralismus zu öffnen (vgl. Steinmetz 1997, S. 9; Reimers 2003).

Neben Leipzig wurden in den neuen Bundesländern des Weiteren Professuren für Kommunikationswissenschaft, Medienwissenschaft, Journalistik u. Ä. mit je unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten an der Technischen Universität Dresden, an den (teils neu errichteten) Universitäten Erfurt, Greifswald, Halle-Wittenberg, Ilmenau, Jena, Magdeburg und Weimar sowie an der Hochschule für Film und Fernsehen »Konrad Wolf« Potsdam-Babelsberg eingerichtet. Vor allem die Freistaaten Sachsen und Thüringen engagierten sich für die Kommunikations- und Medienwissenschaft überdurchschnittlich (vgl. Ruhrmann et al. 2000, S. 286ff). Die inhaltliche Ausrichtung der neuen Professuren versuchte, dem beobachtbaren Medienwandel gerecht zu werden (vgl. Ruhrmann et al. 2000, S. 292f).

2.14 Zur gegenwärtigen Lage des Faches

Die Kommunikationswissenschaft ist eine nach wie vor nicht gerade üppig ausgestattete Disziplin. Sie hat aber seit 1975 durch die Neu- oder – wie etwa in den neuen Bundesländern – Wiederbegründung von Instituten, Lehrstühlen, Professuren und Studiengängen einen durchaus beachtenswerten Aufschwung genommen (vgl. Ruhrmann et al. 2000). Während in den 1970er-Jahren kommunikationswissenschaftliche »Programme und Postulate« (Stichwort: Professionalisierung der Journalistenausbildung) aufgestellt wurden, folgte in den 1980er-Jahren eine Phase der Institutionalisierung und Etablierung, in den 1990er-Jahren schließlich »Expansion und Differenzierung« (Hömberg 2000, S. 21f). Diese Entwicklung lässt sich anhand konkreter Zahlen festmachen. 1970 verfügte das Fach in Deutschland über sieben Professorenstellen, 1990 waren es bereits 54 Stellen, im Jahr 2002 insgesamt 85 Professuren (Huber 2010, S 27). Nathalie Huber ermittelte 2007 im gesamtdeutschen Raum 34 kommunikationswissenschaftliche Institute (Kern) sowie 103 Professoren (Huber 2010, S. 115). Da seither an mehreren Instituten noch weitere Professorenstellen eingerichtet wurden, kann man gegenwärtig (2012) von etwa 115 bis 120 Professorenstellen ausgehen. Zu (Auto-)Biografien und Fachverständnis von Professoren liegen mehrere, theoretisch und empirisch teils unterschiedlich angelegte Studien vor (vgl. z. B. Kutsch/Pöttker 1997; Löblich 2004; Meyen 2004; Meyen/Löblich 2007, 2008; Scheu/Wiedemann 2008; Huber 2010; Scheu 2012). Ergebnisse einer Befragung zu den Forschungsleistungen des Faches liegen von Almeppen et al. (2011) vor, einen Vorschlag zu einer Systematisierung des Faches auf empirischer Grundlage stammt ebenfalls von Altmeppen et al. (2013).

[52]Seinen Aufschwung stellt das Fach aber auch durch seine vielfältigen Forschungsaktivitäten sowie durch eine sich geradezu explosionsartig vermehrende Publikationstätigkeit eindrucksvoll unter Beweis. Darunter befinden sich mittlerweile u. a. zahlreiche Lehr- und Handbücher sowie Lexika (vgl. Wendelin 2008). Solche Publikationen spielen für eine Wissenschaft eine wichtige Rolle: Sie schildern »Leistungen der Vergangenheit«, sorgen für »Tradierung und Reproduktion wissenschaftlichen Wissens«, können auch »als Indikator für Kanonbildung gesehen werden und sind damit für die »kognitive Identität« einer Wissenschaft von Bedeutung (Wendelin 2008, S. 28).

Wolfram Peiser et al. ermittelten 2003 Daten »Zur Lage der Kommunikationswissenschaft und ihrer Fachgesellschaft«. 89,2 Prozent der Befragten waren der Meinung, dass die sozialwissenschaftliche Perspektive wichtig sei, 92,6 Prozent gaben an, eine sozialwissenschaftliche Position zu vertreten (Peiser et al. 2003, S. 320–327). Mit der Berufssituation und den Karrierestrategien des promovierten wissenschaftlichen Nachwuchses im Fach haben sich Werner Wirth et al. 2008 befasst (Wirth et al. 2008); zu Einstiegsmotivation und Arbeitssituation des wissenschaftlichen Nachwuchses liegen Daten und Fakten aus einer 2005 publizierten Studie vor (Wirth et al. 2005).

Von Christoph Neuberger stammt eine Synopse von Absolventenbefragungen von Studierenden der Kommunikationswissenschaft (inklusive Journalistik) und der Medienwissenschaft aus den Jahren 1995 bis 2004 (Neuberger 2005). Infolge unterschiedlicher Fragestellungen, methodischer Herangehensweisen, statistischer Auswertungsverfahren sowie Ausweisungen von Ergebnissen sind diese 19 Absolventenstudien nicht oder doch nur sehr eingeschränkt vergleichbar. Neun Befragungen wurden an Journalistik-Studiengängen durchgeführt. Hier einige wenige, tendenziell verallgemeinerbare Ergebnisse: Der »Einfluss des Studiums auf den beruflichen Erfolg beim Start ins Berufsleben [ist] am größten. […]. Die Spannweite des Anteils der Absolventen, die bereits vor dem Examen eine Stellenzusage besaßen, ist recht groß: Sie reicht von einem Fünftel bis zu drei Fünfteln der befragten Abgänger« (Neuberger 2005, S. 87). Und »das alles überragende Kriterium« für Entscheidungsträger im Bewerbungsverfahren »ist die Berufserfahrung. Demgegenüber ist das Studium der Kommunikationswissenschaft oder Journalistik und der weiteren Fächer nachrangig. […]. Auslandserfahrungen und Fremdsprachen werden von den Arbeitgebern relativ hoch eingeschätzt. Dagegen sind das Thema der Abschlussarbeit und die Studiendauer wenig bedeutsam« (ebd.). Weitere Ergebnisse der Studie: »Eine hohe Affinität zwischen Studium und späterem Beruf zeigt sich bei Journalistik-Vollstudiengängen: Hier sind jeweils mehr als 70% der Absolventen im Journalismus untergekommen, also ausbildungsadäquat eingesetzt« (Neuberger 2005, S. 90). Was die Frage der »retrospektiven Bewertung des Studiums mit wachsendem Abstand zum Studienabschluss« betrifft, so scheint sich diese zu ändern. »Denkbar ist, dass die Wertschätzung steigt, weil (neben einem denkbaren ›Nostalgie-Effekt‹) erst im Laufe der Zeit die im Studium erworbenen Qualifikationen im Berufsleben zur Geltung kommen« (ebd.).

Christoph Neuberger (2012) hat im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) in Kooperation mit dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) Gütersloh eine erste, bundesweit koordinierte Absolventenbefragung in der Kommunikations- und Medienwissenschaft durchgeführt. Eine Gesamtauswertung liegt vor »für die Abschlussjahrgänge 2006 und 2007 sowie für die Abschlüsse Bachelor, Magister und Diplom« (Neuberger 2012, S. 337; Hervorhebung i. Orig.). Die Befragung basiert auf den Antworten von 651 Absolventen aus 32 Studiengängen an 28 verschiedenen Hochschulen. »Bezogen auf alle an der Befragung beteiligten Studiengänge, über die Angaben über die Gesamtzahl der Absolventen/-innen vorlagen, betrug der Rücklauf 30,9 Prozent« (Neuberger 2012, S. 338). Bezogen auf die Gesamtzahl der Absolventen (laut Statistischem Bundesamt) von 5768 Fällen für die Jahre 2006 und 2007 beträgt die realisierte Stichprobe 11,3 Prozent der Grundgesamtheit (Neuberger 2012, S. 340). Da in einer »Übergangsphase« befragt wurde (Auslaufen von Diplom- und Magisterstudiengängen, Einführung von Bachelor- und [53]Masterstudiengängen), bot dies die Möglichkeit des Vergleichs. Hier die Kernergebnisse (Neuberger 2012, S. 346f; Hervorhebung i. Orig.):

• » Uni-Bachelors studieren eher weiter« (Uni-BA-Absolventen mit 57 Prozent in höherem Ausmaß als FH-Absolventen mit nur 15 Prozent).

• » Wer erst in einen Beruf geht, ist oft an einem späteren Studium interessiert« (29 Prozent der Bachelor-Absolventen können sich die Aufnahme eines weiteren Studiums vorstellen).

• »Risikovermeidung durch Weiterstudium« (wegen mangelnder Akzeptanz des Bachelors in der Praxis, aber auch »um noch Zeit für die Berufsfindung« zu gewinnen. »Die Entscheidung, das Studium fortzusetzen, ist also nicht nur durch ein inhaltliches Interesse am Studium erklärbar, sondern auch dadurch, wie die Chancen auf dem Arbeitsmarkt wahrgenommen werden«).

Neuberger betont abschließend, dass die Studie »nur eine Momentaufnahme in einer Übergangsphase« liefert (Neuberger 2012, S. 347).

Die Kommunikationswissenschaft versteht sich – das wurde eingangs bereits in ähnlicher Weise erwähnt – »als eine theoretisch und empirisch arbeitende Sozialwissenschaft mit interdisziplinären Bezügen« (DGPuK 2008, Hervorhebung i. Orig.). Ihr Gegenstand sind insbesondere die klassischen Massenmedien, die auf der technischen Plattform Internet aufsetzende Onlinekommunikation und deren vielfältig ausgeprägte Kommunikationsformen und Medienangebote privater, teilöffentlicher und öffentlicher Kommunikation, mit Organisationskommunikation und Public Relations sowie auch mit Werbekommunikation. Das Fach greift in jüngerer Zeit in Forschung und Lehre v. a. »gesellschaftliche Wandlungsprozesse« auf (ebd., Hervorhebung i. Orig.). Von besonderer Bedeutung sind dabei – so das Selbstverständnispapier der DGPuK – »Digitalisierung, Globalisierung, Individualisierung, Mediatisierung und Ökonomisierung» (ebd.). Dazu im Einzelnen:

Mit Digitalisierung sind Konvergenz- und Differenzierungsprozesse von Medien und Kommunikationsnetzen angesprochen, die sich auf Medienmärkte, Mediengeschäftsfelder, Medien- und Kommunikationsstrategien, Medienproduktion, Medienprodukte und Medienrezeption auswirken. »Die Grenzen zwischen den Mediengattungen – Hörfunk, Fernsehen, Zeitungen, Zeitschriften, Onlinemedien etc. – beginnen sich ebenso aufzulösen wie die Grenzen zwischen privater, teilöffentlicher und öffentlicher Kommunikation« (ebd.).

Mit Globalisierung ist die weltweite Vernetzung angesprochen, von der Medien und Kommunikation geprägt sind und die ihrerseits »Kommunikation und Medien nachhaltig beeinflusst. Produktion, Distribution und Rezeption von Medien erhalten zunehmend grenz- und kulturüberschreitende Dimensionen, die gleichzeitig [zum Teil zumindest, – Ergänzung H. P.] Kulturunterschiede integrieren« (ebd.). In zunehmend individualisierten Gesellschaften, wie wir sie heute weitum vorfinden, »nehmen die Wahl- und Gestaltungschancen der/des Einzelnen ebenso zu wie die damit verbundenen Risiken. Erklärungsmuster, die bei Konzepten wie ›Masse‹ oder ›Publikum‹ (im Singular) ansetzen, erscheinen immer weniger geeignet, den individualisierten Umgang mit Medien zu fassen« (ebd.).

Mit Mediatisierung wird die »zunehmend zeitliche, räumliche und soziale Durchdringung von Kultur und Prozessen der Massenkommunikation« verstanden. Mediatisierung »führt zu Rückwirkungen ›medialer Logiken‹ auf verschiedenste kulturelle und soziale Bereiche« (ebd.), nicht nur – aber insbesondere – Politik, Wirtschaft oder auch Kultur.

Und die beobachtbare, zunehmende Ökonomisierung der Medien führt zu einer »Markt- und Wettbewerbslogik« auch solcher gesellschaftlicher Bereiche, »die bislang kaum berührt waren. Dadurch stellt sich verstärkt die Frage, wie öffentliche Aufgaben der Medien und private Interessen vereinbart werden können« (ebd.).

[54]Das Fach kann an zahlreichen deutschen Universitäten (sowie in Österreich und in der Schweiz) in recht unterschiedlicher Weise, unter unterschiedlichen Fachbezeichnungen (Publizistikwissenschaft, Kommunikationswissenschaft, Journalistik, Medienwissenschaft etc.) sowie unter ebenso unterschiedlichen inhaltlichen Fachperspektiven an Universitäten, (künstlerischen) Hochschulen, Fachhochschulen sowie Akademien studiert werden. Es gibt geisteswissenschaftlich orientierte, sozialwissenschaftliche, journalistische bzw. journalistikwissenschaftliche sowie ästhetisch-produktiv-gestalterische Studiengänge (vgl. Wirth 2000, S. 38ff). Die meisten von ihnen wurden in den zurückliegenden Jahren im Zuge des Bolognaprozesses in Bachelor- und/oder Masterstudiengänge umgestaltet. Studienpläne, Studienordnungen und Lehrangebote erweisen sich als heterogen, ebenso deren wissenschaftliche Orientierung. Ihre konkreten Bezeichnungen, Studienziele, inhaltlichen Schwerpunktsetzungen, Adressen und Ansprechpersonen können unter der Rubrik »Service« dem Onlineauftritt der DGPuK entnommen werden (www.dgpuk.de).

In Österreich sind publizistik- bzw. kommunikations- und medienwissenschaftliche Studiengänge an den Universitäten Klagenfurt, Salzburg und Wien eingerichtet (vgl. Siegert et al. 2000). Daneben existieren mehrere andere hochschulgebundene Formen und Einrichtungen (vgl. Siegert et al. 2000, S. 74f; Kaltenbrunner/Kraus 2004). Einen aktuellen Überblick über Entwicklung und Lage der Kommunikationswissenschaft in Österreich vermittelt mit Beiträgen zahlreicher Autoren Heft i/2013 der Fachzeitschrift MedienJournal (Kommunikationswissenschaft in Österreich, 2013). In der Schweiz ist das Fach in Basel, Bern, Fribourg, Genf, Lausanne, Lugano, Luzern, Neuchâtel, St. Gallen und Zürich vertreten mit teils unterschiedlichen Ausrichtungen und inhaltlichen Schwerpunkten; diese sind dem Onlineauftritt der Schweizerischen Gesellschaft für Kommunikations- und Medienwissenschaft SGKM zu entnehmen: www.sgkm.ch/medienatlas.html.

In einem weit gefassten Sinn lassen sich in Deutschland gegenwärtig »drei auf Kommunikation und Medien bezogene, wissenschaftliche Orientierungen unterscheiden: eine eher sozialwissenschaftlich, eine eher geisteswissenschaftliche sowie eine eher technisch und ästhetisch-gestalterisch ausgerichtete« (DGPuK 2008, Hervorhebung i. Orig.). Die sozialwissenschaftliche Linie, der auch das vorliegende Buch weitgehend folgt, hat sich national wie international unter der Bezeichnung Kommunikationswissenschaft etabliert. Sie befasst sich mit den »sozialen Bedingungen, Folgen und Bedeutungen medialer, öffentlicher und interpersonaler Kommunikation« (ebd.; Hervorhebung i. Orig.). Neben dem bereits erwähnten Theorienpluralismus zeichnet sich das Fach auch durch einen Methodenpluralismus aus. Zur Klärung von wissenschaftlichen (Forschungs-)Fragen gelangen empirische, quantitative und qualitative Verfahren zur Anwendung.

Was das mögliche Leistungsspektrum betrifft, so versucht die Kommunikationswissenschaft v. a. dreierlei: Sie möchte 1) »Beiträge zur Aufklärung der Gesellschaft durch Grundlagenforschung« leisten, wobei »das Wechselverhältnis von Kommunikation, Medien und Gesellschaft« im Vordergrund steht. Sie versucht 2) »Problemlösungen für die Medien- und Kommunikationspraxis in Form angewandter Forschung« zu liefern, wobei es u. a. um Mediennutzungsforschung (Print, Radio, TV, Online), Umfrageforschung und Wähleranalysen (politische Kommunikation), Journalismusforschung und auch Medienresonanzanalysen geht. Und sie trägt bei 3) zur Ausbildung für Tätigkeiten im Bereich Medien und Kommunikation. »Kommunikations- und medienwissenschaftliche Studienangebote tragen ganz wesentlich zur Ausbildung für den Mediensektor bei (insbesondere Journalismus, Kommunikationsberatung, Medienforschung, Medienmanagement, Medienproduktion, Werbung und PR)« (DGPuK 2008; Hervorhebung i. Orig.).

Durch die Errichtung neuer Institute in den neuen (aber auch alten) Bundesländern, infolge der Ausstattung bestehender Institute mit weiteren Professuren und wissenschaftlichem Personal sowie infolge intensiver Bemühungen um Drittmittel öffentlicher wie privater Geldgeber konnte die Forschungs-, Publikations- und Lehrleistung des Faches erheblich gesteigert werden (vgl. u. a. Alrmeppen [55]et al. 2011). Insgesamt stellt die Kommunikationswissenschaft heute eine selbstbewusste Disziplin dar, deren Absolventen im weiten Feld der Medien- und Kommunikationsberufe (auch in krisenhaften Phasen der Wirtschaft) in aller Regel rasch und gut unterkommen. Vielfältige Kontakte mit der und in die Medien- und Kommunikationsbranche, wie sie von den meisten Instituten intensiv gepflegt werden, sowie ein in vielen Instituten sorgfältig betreutes Alumniwesen erweisen sich diesbezüglich für die Studienabgänger als äußerst nützlich.

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Publizistik- und Kommunikationswissenschaft

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