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Am Abend des Tages, an dem Berry Flinn aus einem Hinterhalt beschossen worden war, näherten sich mehrere dunkle Gestalten einzeln von verschiedenen Seiten einem einzelnen Blockhaus, welches etwas außerhalb von Tucksville lag. Keiner der Männer, die zu verschiedenen Zeiten ankamen, zeigte besondere Eile. Jeder sah sich mehrmals um, als wolle er sich vergewissern, ob auch niemand auf seiner Fährte folge. Sie banden alle ihre Pferde unter den Büschen an, die die Hütte umgaben und betraten das Innere, aus dem kein einziger Lichtstrahl ins Freie drang.

Der letzte war ein großer, ungeschlachter Kerl mit einem brutalen Gesicht. Sein rötliches Haar glänzte matt im Mondlicht, und die Hände, welche in langen, schwarzen Stulpenhandschuhen steckten, lagen dicht über den Kolben zweier schwerer Colts, die tief an seiner Hüfte hingen.

Langsam ließ der Reiter sich aus dem Sattel gleiten, als er die Buschgruppe erreichte. Sichernd blickte er nach allen Seiten, ehe er auf die Hütte zusteuerte. Er hob die Hand und klopfte in einem bestimmten Rhythmus dreimal gegen die starken Eichenbohlen der Tür. Erst als von drinnen das gleiche Zeichen antwortete, öffnete er und schritt schnell über die Schwelle. Die Augen des Mannes schlossen sich zu schmalen Schlitzen und versuchten die tiefe Dunkelheit des Raumes zu durchdringen. Schwach erkannte er vier Männer, die um einen großen runden Tisch saßen und in eine Ecke blickten. Als seine Augen der Richtung folgten, gewahrte er einen weiteren Mann, der in der Ecke saß. Nur matt war die Gestalt zu erkennen. Die Konturen verschwammen in der Finsternis. Das Gesicht war für den Eintretenden vollkommen unsichtbar, denn der Mann trug eine schwarze Maske.

Der Boss war also schon da!

„Du kommst reichlich spät, Burt!“, klang es vorwurfsvoll aus der Ecke.

„Ich konnte nicht eher weg. Boss. Saß mit so ein paar Greenhorns beisammen, die unbedingt ihre Dollars an den Mann bringen wollten!“, grinste Burt.

„Und du meinst, das wäre Grund genug, uns hier warten zu lassen?“ Die Stimme des Maskierten war eine Nuance schärfer geworden.

Unwillkürlich zog Burt seinen Kopf zwischen die Schultern. Der Boss machte ihn kleinlaut. „Ich hatte nicht nach der Uhr gesehen“, murmelte er entschuldigend.

„Schon gut!“ Der Maskierte schien schon wieder versöhnlich gestimmt zu sein.

Burt langte ein angebrochenes Päckchen Zigaretten aus seiner abgeschabten Hosentasche und steckte sich eine zwischen die Lippen.

„Feuer, Les!“, sagte er leise zu seinem Nachbarn. Seine raue Stimme klang befehlend. Er schien es gewohnt zu sein, unter diesen Männern den Ton anzugeben.

„Hast du ihn erwischt?“, fragte der Boss.

„Yeah, ich habe ihn erwischt. Schätze, ihm wird das letzte Vaterunser auf der Zunge eingefroren sein!“, lachte Burt. „Wüsste trotzdem verteufelt gern, auf was für einen Zeitgenossen ich meine Kanone losgelassen habe!“

„Das sollst du erfahren.“ Die Stimme aus der Ecke konnte einen gewissen Hohn nicht verbergen. „Es war ein Ranger, den du abgeschossen hast, Burt. Diesmal kannst du eine besonders große Kerbe in deinen Schießprügel schnitzen.“

„Ein Ranger?“

„Hast du dich davon überzeugt, dass er tot ist?“

Burt zögerte einen Moment, aber nur einen winzigen Moment. „Yes, er war mausetot!“, sagte er dann.

„Okay, Burt“, murmelte der Chef zufrieden.

„Und wie sieht es mit den Moneten aus, die du mir für die Sache versprochen hast?“

„Hier, fang auf!“ Damit warf der Maskierte ein Bündel Banknoten durch den Raum, das Burt mit unnachahmlicher Geschicklichkeit auffing und in seiner Tasche verschwinden ließ.

„Noch etwas, Männer, ehe sich der Verein auflöst!“, rief der Boss. „Ich wünsche, dass ihr euch in nächster Zeit etwas anständig in Tucksville aufführt. Wir werden vorderhand keine weitere Aktion starten. Wenigstens nicht in der kommenden Woche. Erst muss mal etwas Gras über die letzte Geschichte wachsen. Sheriff Langon liegt noch immer im Bett. Ich möchte vermeiden, dass seine erste Amtshandlung, die er wieder vornehmen wird, eure Ausweisung aus der Stadt sein würde. Natürlich bekommt ihr eure Dollars wie immer!“

Die Banditen, die unruhig auf ihren Stühlen hin und hergerückt waren, saßen sofort wieder still, als der letzte Satz ihres Chefs gesprochen war. Genau so wollten sie es haben. Ein Leben ohne jegliche Arbeit. Nicht einmal ihre Colts brauchten sie in der nächsten Zeit sprechen lassen.

„Und jetzt geht. Aber kein Wort über die Geschichte mit dem Ranger, verstanden!“

„Verstanden!“, sagten die Banditen wie aus einem Munde.

„Auf was wartest du noch?“, fragte einer.

„Möchte dem Boss verdammt gern einmal unter den Hutrand sehen.“

In diesem Moment hörten auch die anderen, wie sich der Hufschlag eines Pferdes schnell entfernte.

Der Boss hatte die Hütte durch einen Hinterausgang verlassen.

Burt knirschte mit den Zähnen und gab seinem Pferd die Sporen. „Es klappt schon noch einmal!“, rief er überzeugt.

„Warum willst du unbedingt wissen, wer unser Anführer ist? Schätze, er bezahlt uns nicht schlecht, und das ist genug für mich“, rief Les, der sich bemühte, sein Tier neben Burt zu halten.

„Vielleicht für dich. Mir genügt es jedenfalls auf die Dauer nicht!“, sagte Burt grob.

„Hm, du hast heute eine Menge Geld bekommen und bist noch immer unzufrieden.“

„Interessiert es dich gar nicht, um was es eigentlich bei dieser ganzen Sache geht? All die Schießereien sind doch nicht zufällig gewesen. Wir haben sie doch direkt vom Zaun gebrochen. Sie waren von langer Hand vorbereitet. Von der Hand unseres Chefs. Und ich möchte brennend gern erfahren, welchen Nutzen er sich davon verspricht!“

„Vielleicht erfahren wir es, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Jetzt scheint es jedenfalls noch nicht soweit zu sein!“, sagte Los.

„Hoffen wir es!“, gab Burt mürrisch zurück.

Sie hatten eben die breite Hauptstraße der Stadt erreicht und ritten im Schritt nebeneinander.

„Wollt ihr auch noch einen Drink nehmen, Lester und Oliver?“, fragte Burt die beiden Burschen, die sich an die Außenflanke gesetzt hatten.

„Meine Kehle ist mächtig trocken!“, gab Lester zurück.

„Also dann!“, rief Burt und steuerte sein Pferd nach einem zweistöckigen Haus, welches direkt in der Mitte der Stadt lag.

„Der Laden scheint wieder verdammt voll zu sein!“, knurrte Ben, als er die Zügel seines Braunen um die Halfterstange vor dem Lokal schlang.

„Schätze, für uns wird der alte Joe noch ein Plätzchen finden!“, lachte Burt drohend.

Der Wirt hatte einen Anschlag an seine Tür anbringen lassen, der größer war als seine Fenster. Er kündete eine Tänzerin an und zeigte sie halbbekleidet über einer Wolke schwebend. Wie einen Engel. Die Wirkung war verblüffend. Joes Blauwal war jeden Abend bis auf den letzten Stuhl besetzt. Die Männer legten unglaubliche Entfernungen zurück, um die schwarze Mary tanzen zu sehen und dem Klang ihrer Stimme zu lauschen.

Sie lächelte jedem zu und machte allen die gleichen Hoffnungen. Sie wusste, dass sie nur als freie Frau begehrt war und ihr Vertrag sofort gelöst würde, wenn sie sich von einem der Jungens in nähere Beziehungen verwickeln ließ. Cook würde sie ohne Umstände davonjagen, noch dazu, da er selbst in sie verliebt war, was er schon offen zugegeben hatte. Mit eifersüchtigen Augen beobachtete er jede ihrer Bewegungen, jeden Blick, den sie einem Fremden zuwarf, der ihr gerade einmal gefiel. Es war dem knausrigen Wirt schon passiert, dass er den Gin verschüttet hatte, weil Mary seines Erachtens nach zu lange in eine bestimmte Ecke gelächelt hatte.

Der Tänzerin war dieser Mann längst lästig geworden. Aber Joe Cook nannte sich nicht zu unrecht einen der reichsten Männer von Tucksville und sie war überzeugt, dass er mindestens das Doppelte an Geld besaß, als er zugab. Sie wusste, das Cook zu den Männern gehörte, die auf den Dollarnoten schliefen. Und sie hatte den Ehrgeiz, an dieses brachliegende Geld auf irgend eine Art heranzukommen. Sie stellte die Eifersucht ihres Geldgebers oft auf sehr harte Proben, aber sie verstand es meisterhaft, den Bogen nicht zu überspannen.

Jetzt schritt Mary mit graziösen Bewegungen die schmale ausgetretene Stiege zur Bühne hoch.

Burt, der die Szene über die Flügeltür hinweg beobachtete, zog seine Augen zu schmalen Schlitzen zusammen.

Er stieß die Flügeltür mit dem Fuß zurück und schob sich langsam in den Saal. Er hielt seine Hände leicht in die Hüften gestützt. Die Zigarette hing lässig in seinem Mundwinkel.

Verschiedene der Männer an den Tischen blickten sich um, als der kalte Luftzug sie anwehte, wandten aber sogleich ihre Aufmerksamkeit wieder der Bühne zu, wo Mary jetzt einen Tanz begann, der allen Anwesenden den Atem verschlug.

Es war so still im Saal geworden, dass man hätte eine Nadel zu Boden fallen hören.

„Cook!“, schrie Burt in diese Stille hinein. Die Männer drehten ärgerlich über die Unterbrechung die Köpfe nach dem vorlauten Schreihals, waren aber schon im nächsten Moment von Mary wieder eingefangen.

Hinter der Theke zeigte sich ein Mexikaner. Er wischte seine nassen Hände an einer verblichenen Schürze trocken und kam eilfertig näher.

„Oh, Mister Burt, keinen Platz? Ich werden gleich besorgen einen Tisch für die Caballeros!“ Damit steuerte er einen Tisch an, an dem nur zwei Männer saßen. Sie hatten den Eintretenden die Rücken zugekehrt.

„Bitte Misters, etwas zusammenrücken, damit Señor Burt und seine Freunde Platz nehmen können!“, sagte der Mexikaner, der in dem Saloon die Stelle des Keepers inne hatte.

Gemächlich drehten sich die Männer um und betrachteten sich den Gegenstand der unliebsamen Störung. Ein schwaches Grinsen erschien auf dem Gesicht des einen.

Burt grinste ebenfalls. „Yes, erinnere mich, Ihnen heute die Brieftaschen etwas erleichtert zu haben.“

„Genau das haben Sie, Mann. Hoffe, Sie sind jetzt gekommen, um uns Revanche zu geben.“ Der Mann rückte etwas zur Seite und gab Burt Gelegenheit, näher an den Tisch zu treten.

„Sicher, Mister, mit dem größten Vergnügen. Das heißt, wenn Sie noch genügend Kleingeld in der Tasche haben!“, lachte Burt und ließ sich ihm gegenüber am Tisch nieder. „Das hier sind meine Freunde. Sie würden sicher gern an dem Spielchen teilnehmen. Schätze, Sie haben nichts dagegen?“

„So, Mister, es kann losgehen!“ Burt warf ein Bündel Karten auf den Tisch. „Wie ist der Einsatz?“

„Wie am Nachmittag!“, sagte der Mann und feuchtete sich die Fingerspitzen an.

Der Mexikaner kam mit einer vollen Whiskyflasche an den Tisch zurück. Er wischte mit einem angeschmutzten Lappen über die Platte und schob die Flasche mit elegantem Schwung neben Burts Geldscheinbündel.

„In Ordnung, Pedro!“ Burt nickte dem Keeper jovial zu, während er die Karten verteilte. „Was ich noch fragen wollte: wo ist dein Padron heute Abend, man sieht ihn gar nicht?“

„Oh, Mister Cook ist eben zurückgekommen. Er gewesen in Laredo“, dienerte Pedro. Dann verschwand er schnell wieder hinter der Theke Ben, der sich mit Les an dem Spiel zwischen Burt und dem Fremden beteiligte, hatte das meiste Glück. Burt verlor kleine Beträge, während der Fremde laufend Zwanzig-Dollar-Noten über den Tisch schieben musste. Seine Hände konnten die starke Erregung in seinem Inneren kaum noch verbergen. Sie zitterten so stark, dass die Karten oft Gefahr liefen, seinen Fingern zu entgleiten. Oft war er nahe daran das Spiel aufzugeben. Dann aber bekam er jedes Mal wieder Karten, die ihm sicher erschienen, ein Spiel gewinnen zu können. Doch selbst mit vier Zehnern in der Hand verlor er gegen Ben. Endlich bekam er vier Asse und einen König in die Hand. Les und Ben passten sofort. Dagegen schob Burt zweihundert Dollar über den Tisch und erklärte, dass dies sein Spiel sei.

„Wollen Sie mithalten Mister?“, fragte er.

„Ich halte, übrigens ich heiße Webster, William Webster, Mister!“

„Okay, Webster. Sagen Sie mehr.“

Der Mann schob ebenfalls zweihundert Dollar auf den Tisch, die er aus einer Seitentasche seiner Jacke gezogen hatte. „Und Hundert!“

Burt grinste. „Zweihundert, Mister Webster“, griff erneut in die Tasche, um das Geld herauszuholen. Als er sie zurückzog, hielt er eine Zwanzig-Dollar-Note zwischen den Fingern. Sein Gesicht wurde blass, er sah die Chance seines Lebens davonschwimmen. Unschlüssig drehte er den Schein in der Hand hin und her. Endlich wandte er sich an seinen Begleiter, welcher bis dahin stumm neben ihm gesessen hatte.

„Mac, kannst du, ich meine – hast du mal eben zweihundert für mich?“

Der Gefragte schüttelte den Kopf. „Lass doch endlich die verfluchten Karten, du bist diesen Spielern sowieso nicht gewachsen! Wenn ich dir noch soviel geben würde, dann setzt dieser ehrenwerte Mister mehr!“

„Haben Sie etwas gegen mich, Fremder?“, fragte Burt scharf und stieß die Luft durch die Nase. Langsam, jede Bewegung betonend, legte er die Karten verdeckt auf den Tisch. Dieser Mann schien ihm nicht ganz so grün zu sein, wie der andere.

Websters Freund winkte ab. Lässig verschränkte er die Anne über der Brust und lehnte sich behaglich zurück. „Ich möchte mit Ihnen wetten, dass Sie dieses Spiel wieder gewinnen. Bis jetzt haben Sie kleinere Summen verloren. Sie haben auf den großen Schlag gewartet, jetzt scheint er gekommen zu sein.“ Dann wandte der Mann sich seinem Freund zu und sagte eindringlich: „Gib auf William, du verlierst!“

Aber Webster lachte nur etwas hektisch. „Ausgeschlossen!“, sagte er laut. „Ich schreibe Ihnen einen Schuldschein, Mister?“, wandte er sich fragend an Burt.

„Okay!“, brummte Burt seelenruhig. Er wollte jetzt keinen Streit mit diesem Mac anfangen. Dazu würde sich noch immer Gelegenheit finden. Erst musste er diesem Burschen das Fell über die Ohren ziehen, dann konnte kommen, was wollte.

William Webster schrieb eine Schuldverschreibung über zweihundert Dollars und schob sie Burt zu.

„Schreiben Sie bitte dazu, bis wann diese Summe zahlbar ist!“, sagte Burt ruhig, aber sehr bestimmt.

Webster schüttelte erstaunt den Kopf. Was dachte der Mann nur, sobald dieses Spiel zu Ende war, würde er die Summe zurückzahlen.

„Schreiben Sie, in zwei Wochen vom Tage der Ausstellung gerechnet!“

„Werden Sie das Spiel weiter erhöhen?“, fragte Webster etwas ängstlich.

„Nein, ich nicht!“, sagte Burt.

Webster schrieb, wie Burt ihm geheißen hatte, und schob den Zettel abermals nach der Mitte.

„Okay, ich halte diese vierhundert Piepen, Mister, Sie sind am Ausspielen!“, nickte Burt.

Webster blätterte seine Karten auseinander und blickte Burt siegessicher an. Und dann legte Burt einen Flush kühl lächelnd vor sich hin.

„Schätze, ich habe diese Partie gewonnen, Webster!“ Damit zog Burt den Haufen auf dem Tisch zu sich heran.

Der Ranger von Austin: Harte Western Edition

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