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Jeff Kenny war von der guten Art – und dennoch ein haltloser Bursche. Er gehörte zu jener Sorte, die von Kartenhaien Narren genannt wurden.

Joe Farber strich seine Karten zusammen und warf sie auf die grün bezogene Tischplatte. Mit einem geringschätzigen Lächeln fuhrwerkte er gekonnt über sein Bärtchen.

„Feierabend, Gents“, sagte er lässig. Dabei schaute er auf Sheriff Luc Carib von Muskogee.

„Okay“, brummte der Gesetzeshüter. Seine Augen funkelten listig, aber das störte Joe Farber nicht.

Jeff Kenny, der dritte Spieler, sah die beiden Männer verdattert an.

„Schon?“, fragte er. „Keine Revanche mehr?“ Seine Stimme kam wie aus der Tiefe einer Höhle.

Joe Farber schüttelte den Kopf.

„Nein, für heute ist Sense, Jeff. Es hat keinen Sinn mehr, Sie gucken ohnehin schon um die Ecke. Und morgen wissen Sie nicht mehr, was Sie heute hier sitzen ließen.“ Farber sagte es besorgt. Er war ein geschniegelter Mann und der Besitzer einer Ranch, wie es im County keine größere gab. Er hatte dem guten Jeff wieder eine schöne Stange Geld abgenommen.

„Also gut …“, brummte Jeff Kenny. Er fuhr sich durch den blonden Haarschopf und reckte seine hünenhafte Gestalt. Dann griff er in die Tasche seiner Lederweste und brachte ein Bündel Geldscheine zum Vorschein.

„Wie viel?“, fragte er mit belegter Stimme.

Luc Carib griff nach einem Zettel, worauf er die Spiele notiert hatte, und rechnete kurz nach.

„Neuntausend insgesamt!“, sagte er knapp.

Der junge Kenny blickte Luc Carib verstohlen an. Aus seinen Augen verschwand für einen Moment die Trunkenheit. Er öffnete den Mund, wollte anscheinend etwas sagen, ließ es dann aber sein, als hätte er es sich anders überlegt. Seine Zähne klappten zusammen.

Joe Farbers graziöse Bewegungen änderten sich keine Nuance, als er die Scheine nachzählte, die zerknittert auf der Tischplatte lagen.

„Stimmt“, sagte er schleppend und schob seinen Anteil in eine saffianlederne Brieftasche.

Joe Farber erhob sich. Er deutete eine leichte Verbeugung an, rückte seinen Revolvergurt zurecht und ging zur Tür.

Luc Carib, der nur zweihundert Dollar gewonnen hatte, knüllte das Geld zwischen seinen Fingern, als wisse er damit nichts besseres anzufangen.

„Wenn du so weitermachst, dann wird Farber eines Tages deine Ranch kassieren“, brummte er.

Jeff Kenny goss sich einen Gin ein und nickte abwesend. Plötzlich aber stutzte er. Die Worte des Sheriffs kamen ihm erst in dieser Sekunde richtig zu Bewusstsein.

„Die Ranch?“, kam es gurgelnd über seine Lippen.

„Natürlich! Die Frage ist nur, was dein Bruder Red dazu sagen wird, wenn er eines Tages wieder in dieser Gegend auftauchen wird. Immerhin gehört ihm genauso viel wie dir. Kann sein, dass er dir die Löffel verschneidet.“

Jeff Kenny nickte verloren. „Red“, murmelte er. Die anderen Worte hatte sein umnebeltes Hirn nicht aufgenommen.

„Auf den Weiden steht doch kaum noch eine einzige Kuh“, meldete sich Luc Carib wieder.

Jeff blickte den Sheriff, der wohl zwanzig Jahre älter war als er, herausfordernd an.

„Schätze, das geht dich nichts an. Außerdem bemühst du dich Abend für Abend genauso wie Farber, mir die Scheine aus der Tasche zu ziehen. Nur nicht mit dem gleichen Erfolg.“

Luc Carib wurde der Antwort enthoben.

Durch die Tür des verräucherten Lokals kam plötzlich June Barker. Sie blieb stehen, warf die blonden Haare mit einer eigenwilligen Geste in den Nacken und blickte sich suchend um. Als sie Jeff Kenny entdeckte, kam sie mit schnellen Schritten auf den Tisch zu.

„Jeff … du sitzt schon wieder hier!“, rief sie erzürnt, wobei sie mit dem Fuß aufstampfte.

Jeff Kenny fuhr zusammen. Er machte eine lahme Armbewegung und erhob sich.

„Wir wollten eben gehen“, sprang Carib vermittelnd ein. Seine Augen hafteten an der schlanken Mädchengestalt.

„Sie brauchen mir keine Geschichten zu erzählen!“, fuhr ihn June Barker an.

Jeff Kenny schob seinen Stuhl beiseite. Mit schwerfälligen Schritten ging er auf die Tür zu. Ihm folgte June, welcher wiederum Luc Carib wie ein treuer Hund nachlief.

„Lassen Sie uns allein!“, sagte das Mädchen befehlend, als sie vor der Tür standen.

Luc Caribs Augen wurden kalt und hart.

„Mich schicken Sie nicht fort, oder es gibt ein Unglück!“, presste er durch die Zähne. „June, geben Sie doch diesen Burschen endlich auf. Seine Ranch ist ohnehin bald zum Teufel. Wie oft soll ich Sie eigentlich noch bitten …“

Das Mädchen vollführte eine schneidende Handbewegung. „Sparen Sie Ihre Luft, Sheriff. Diese Geschichte habe ich von Ihnen schon oft gehört. Sie wissen genau, dass ich erstens niemals Ihre Frau werde und mich zweitens nicht von Jeff trenne. Die Flausen werde ich ihm schon auf humane Art austreiben.“

„Jeff … Jeff!“, zischte Carib giftig. Dann machte er auf dem Absatz kehrt.

June Barker blickte dem Sheriff betroffen nach. Seine Werbungen waren ihr bekannt, aber mit solcher Leidenschaft hatte er sich ihr gegenüber noch nicht geäußert. Langsam stieg sie in den Sattel.

„Bringst du mich ein Stück?“, fragte sie.

Jeff Kenny nickte verloren. Er zog sich auf den Rücken seines Pferdes und lenkte es leicht schwankend neben Junes Reittier.

„Willst du dieses Leben nicht wieder einmal aufgeben?“

Jeff grinste schuldbewusst. Er hatte ihr schon oft versprochen, sich zu ändern, aber es war immer wieder beim Wollen geblieben. Die Kraft, von diesem Leben dauernder Trunkenheit Abschied zu nehmen, hatte er bisher nicht aufgebracht.

Jeff Kennys Ranch, die zur Hälfte seinem Bruder Red gehörte – der seit fünf Jahren in der Fremde umherstrich – war hoch verschuldet. Wenn Jeff die Sache in einer Stunde völliger Nüchternheit richtig betrachtete, kam er zu der Feststellung, dass ihm nichts blieb, wenn er den Anteil seines Bruders abrechnete und die verschiedenen Schuldverschreibungen zusammenrechnete. Allerdings machte er sich auch nicht allzu viel Sorgen. Immerhin konnten seine Gläubiger nicht mehr verlangen, als ihm gehörte. Zur Not blieb ihm also immer der Teil des Bruders, der ihn sicher nicht aus dem Haus vertreiben würde.

Als Jeff Kenny mit seinen Gedanken wieder einmal soweit gekommen war, hatten sie die Brücke, die den Arkansas River überspannte, erreicht. Hier lebte June Barker mit ihrem Vater. Sie fristeten ihr Dasein von den Zöllen, die sie für das Passieren der Brücke erhoben.

Das Mädchen blickte Jeff lange an, ehe es die Hand herüberreichte.

„Es war bestimmt das letzte Mal, June!“, sagte der junge Mann und sah sie fest an. Fast feierlich drückte er die Hand des Mädchens.

„Ich will es hoffen“, lächelte sie.

„Doch … bestimmt.“ Jeff überlegte einen Moment, dann fuhr er fort: „Und zwar ändert sich alles ab sofort. Morgen Vormittag hole ich dich ab. Wir machen einen Spazierritt und sprechen uns einmal richtig aus.“

„Ja, Jeff!“ Es klang wie ein Jubelruf. June hatte auf diese wenigen Worte eine Ewigkeit gewartet.

„Ich hole dich um neun Uhr ab“, versprach Jeff Kenny.

June ritt über die Brücke. Jeff hörte den Hufschlag auf der anderen Seite verklingen. Langsam ritt er in die Stadt zurück. Die Ranch der Kennys lag auf der entgegengesetzten Seite von Muskogee.

Die Nebel um Jeffs Hirn waren vollkommen verschwunden. Er war diesmal fest entschlossen, sein gegebenes Versprechen zu halten. Vielleicht, so sagte er sich, war doch noch etwas zu retten, wenn auch die Höhe der überschriebenen Summen dagegen sprach.

„Lauf, Bless!“, rief er seinem Pferd zu.

Die verlassene Straße durch Muskogee erschallte von den schnellen Tritten des Tieres. Vor dem „Cowboytrail“ wälzten sich ein paar raufende Gestalten im Staub, vom Turm der Methodistenkirche schlug es Mitternacht.

Sein Bruder Red: Harte Western Edition

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