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Es war schon heller Tag, als Luc Carib verschlafen in die Höhe fuhr.

„Was gibt es denn, zum Teufel?“, schimpfte er gähnend, indem er sich seine struppigen Haare raufte.

„Machen Sie auf, Sheriff!“

„Das ist doch …“ Carib beeilte sich plötzlich. „Das ist doch June Barker!“

In der Eile vergaß Carib sich zu waschen. Er unterließ auch den gewöhnlichen Fluch, mit welchem er einen Gast zu empfangen pflegte, der ihn aus den Federn holte. Wortlos hielt er die Tür auf und starrte das Mädchen an. In seinen Augen konnte Luc Carib eine tiefe Hilflosigkeit erkennen. Über dessen Schulter blickend, sah er die Stute des Mädchens. Vor dem Maul des Pferdes standen Schaumflocken.

„Sie scheinen es verdammt eilig zu haben!“, stellte er fest. „Das Biest sieht aus, als habe es ein Schaumbad genommen.“

June ging unaufgefordert durch die Tür. Sie setzte sich in einen Schaukelstuhl, welcher auf der anderen Seite des Schreibtisches stand, und blickte den Sheriff verweisend an.

„Jeff Kenny ist verschwunden!“, kam es aus ihrem Munde. Es klang, als wäre Luc Carib daran schuld.

„Soo?“, machte der Sheriff. „Verschwunden?“

„Ja, er wollte mich heute Morgen abholen. Als er nicht kam, bin ich zu seiner Ranch hinausgeritten. Aber der alte Miller sagte mir, dass Jeff seit gestern Mittag nicht mehr auf dem Anwesen gesehen worden sei.“

Carib strich über sein Kinn.

„Was ich von dem Burschen halte, ist Ihnen ja bekannt. Wo denken Sie denn, dass er hin ist? Soll ich Ihnen sagen, was ich glaube?“ Er tat es unaufgefordert. „Ich schätze, dass Jeff Kenny abgehauen ist. Ganz einfach abgehauen. Das heißt, wenn er nicht irgendwo in einer Ecke liegt und seinen Rausch ausschläft.“

June Barker schlug mit ihrer zierlichen Hand auf die Schreibtischplatte. Ihr Gesicht war vor Empörung gerötet. Ihr fiel wieder die Bemerkung ein, die Carib am Abend des vorangegangenen Tages gemacht hatte, ehe er wütend davonstampfte. Es stand für sie felsenfest, dass Carib alles andere als Jeffs Freund war.

Langsam breitete sich ein feistes Lächeln auf den Zügen des Sheriffs aus. Jetzt erst schien er richtig zu begreifen, welche Bedeutung das Verschwinden dieses Mannes für ihn selbst haben konnte. Endlich schien der Weg zu dieser Frau ebener zu werden. Vielleicht war es nun eher möglich, dass er sie für sich gewann.

June, die die Gedanken in seinem Gesicht ablesen konnte, sprang plötzlich auf. Sie stampfte mit dem Fuß auf den Boden und rief: „Ich bin zum Sheriff gekommen, um ihn davon in Kenntnis zu setzen, dass Jeff Kenny verschwunden ist. Ich will hoffen, Sie werden sich Ihres Amtes besinnen. Sonst hat mein Besuch keinen Grund weiter!“

„Ja, ja“, sagte Carib abwehrend. „Ich verstehe schon, und ich will Ihnen gern helfen, aber Sie müssen schon zugeben, dass der Verdacht, Jeff könnte sich vor seinen Gläubigern in Sicherheit gebracht haben, sehr nahe liegt. Vielleicht wissen Sie gar nicht, wie hoch sich die Summen belaufen, die Ihr Herr Bräutigam ausstehen hat. Ich verrate Ihnen sicher kein Geheimnis, wenn ich sage, dass bei Eintreibung der Beträge die Ranch unter den Hammer kommt.“

„Sie lügen, Carib!“, schrie June im ersten Impuls. Doch dann senkte sie beschämt die Lider. Immerhin war die Behauptung des Sheriffs nicht so ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Auch wenn sie selbst nicht daran glaubte, dass Jeff Kenny wie ein feiger Strauchdieb bei Nacht und Nebel das Tal verlassen hatte.

„Kenny trug gestern eine größere Summe Bargeld bei sich. Vielleicht erwog er den Gedanken, Sie zu verlassen, schon in der Stunde, als Sie ihn zum hundertsten Male von seinem Laster heilen wollten und mich wie einen dummen Jungen wegschickten!“, meldete Luc Carib sich wieder.

Seine Stimme sollte einen grollenden Klang haben, der aber nicht richtig gelang. Es war eher der Unterton einer Bitte in seinen Worten zu hören.

„Sie glauben mir also nicht. Sie haben auch nicht die Absicht Nachforschungen anzustellen, sich Mühe zu geben, eine Spur von Jeff Kenny zu finden?“, fragte sie resigniert.

Carib schüttelte den Kopf. Er machte eine lässige, abweisende Armbewegung.

„Höchstens, wenn seine Gläubiger mit einem derartigen Ansinnen an mich herantreten sollten. Ihnen kann ich einen so absurden Gefallen, der unsere Stadt nur unnötig Geld kostet, leider nicht tun.“ Nachdrücklich schüttelte er den Kopf.

June drehte sich auf dem Absatz herum. Sie wusste sehr genau, dass jede Minute, die sie hier vergeudete, umsonst war. Carib schien fest davon überzeugt zu sein, dass Jeff mit dem Rest seines Barvermögens Muskogee fluchtartig verlassen hatte.

In June weigerte sich alles, das zu glauben. War die Art, wie er ihr in der vergangenen Nacht versprochen hatte, sich zu ändern, eine gemeine Lüge gewesen? Sollte er sich mit der Absicht getragen haben, sie und die Stadt zu verlassen, um seinen Gläubigem zu entgehen? Nein, niemals konnte sie so eine Gemeinheit von Jeff glauben. Allerdings musste sie Carib recht geben. Wer sollte an Jeff ein Interesse haben? Seinen Gläubigern war er doch sicher nur nützlich, wenn er sich in Muskogee befand und Besitzer der Kenny-Ranch war?

„Finden Sie sich damit ab, June. Ich möchte fast behaupten, dass Ihnen etwas besseres kaum widerfahren konnte!“, drang Caribs Stimme wieder an ihre Ohren.

Er versuchte, seine klobige Hand auf ihre Schulter zu legen, griff aber in die Luft, weil das Mädchen diesem Zugriff geschickt auswich.

„Wer sind eigentlich Jeffs Gläubiger?“, fragte sie plötzlich.

Carib zuckte die Schultern. „Über die Hälfte aller Männer, mit denen er am Kartentisch gesessen hat!“

„Sie auch?“

„Nein!“ Er grinste jetzt unverhohlen. „Komischerweise hat er mich immer mit barem Geld ausgezahlt. Farber ebenfalls. Wenigstens, soweit ich dabei gewesen bin.“

„Finden Sie diese Tatsache nicht recht seltsam?“, wunderte sich June Barker.

Sheriff Carib schüttelte den Kopf. „Keineswegs. Immerhin bin ich der Sheriff, und Jeff wird sich überlegt haben, dass es gut ist, mich nicht übers Ohr hauen zu wollen!“

June ging zur Tür hinaus. Carib traf keine Anstalten sie daran zu hindern. Mit einer müden Bewegung nahm sie die Zügel ihres Pferdes auf und zog es hinter sich her. Ziellos lief sie die Hauptstraße hoch.

Luc Carib stand hinter der Gardine, die sein Officefenster zierte. Seinem Gesicht war nichts zu entnehmen. Er sah June Barker um die nächste Ecke verschwinden. Langsam trat er zurück. Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn, schob auf seinem Schreibtisch einige Gegenstände wahllos hin und her, und nahm endlich seinen Kreuzgurt von einem Wandhalten.

Wenige Minuten nach June Barker verließ Luc Carib ebenfalls sein Office. Mit leicht wiegenden Schritten schlenderte er die Straße entlang. Vor dem „Cowboytrail“, blieb er im Schatten eines Vorbaus stehen. Er nahm seinen Stetson ab, wischte sich über die feuchte Stirn, klemmte sich den Hut wieder verwegen auf den Kopf und überquerte die Straße. Gerade als er eintreten wollte, erdröhnte die Fahrbahn.

Der Sheriff wandte sich um und beschattete seine Augen mit der Hand. Dann ging er mit gemächlichen Schritten bis zur Halfterstange zurück.

Vor Luc Carib sprang Joe Farber elegant, aber eine Nuance zu steif, aus dem Sattel.

„Hallo, Sheriff!“, röhrte er, indem er seine gelben Handschuhe abstreifte.

„Tag, Farber!“

Sie gingen zusammen durch die Tür und stellten sich an die Bartheke. Farber rief nach dem Keeper, der augenblicklich erschien, und bestellte zwei Whisky.

„Haben Sie heute Ihren guten Tag?“, grinste Carib, wobei er auf die gefüllten Gläser zeigte. „Oder ist das eine neue Masche?“

Farber lachte, es klang etwas gezwungen. Er hob eines der Gläser gegen das Licht, als müsse er die Echtheit des Getränks prüfen.

„Prost!“, sagte er, statt eine Antwort auf Caribs Frage zu geben.

Der Sheriff tat dem Rancher Bescheid. Er rülpste ungeniert, nachdem er sein Glas abgesetzt hatte, was ihm einen verweisenden Blick eintrug, was er aber nicht beachtete.

„Das Zeug schmeckt noch so gut wie gestern.“

Joe Farber nickte verloren. Seine Gedanken schienen in weiter Ferne zu weilen.

„Sind Sie in Geschäften hier?“, fragte Carib nebenher.

„Ja, ich will eine Grundbuchänderung vornehmen lassen. Sie wissen doch, ich habe das Cralsbecken von Kenny gewonnen. Die Sache muss nun endlich in Ordnung gebracht werden.“

„Haben Sie eine Überschreibungsurkunde?“

Farber blickte Carib groß an. „Nein“, sagte er langsam. „Kenny ist mir mit seinem Wort gut genug. Ich lasse beim Richter die Änderung vornehmen und setze Jeff Kenny davon in Kenntnis. Er wird hingehen und durch seine Unterschrift die Richtigkeit meiner Angaben bestätigen.“

„Sooo?“ Carib lachte. „Ehrlich gesagt, ich hätte Sie für klüger gehalten, Farber!“

„Was soll das heißen?“

„Das ist schnell gesagt. June Barker war vor wenigen Minuten bei mir und behauptet, Jeff Kenny sei verschwunden. Sie glaubt, dem guten Jungen sei etwas zugestoßen. Aber dieser Gedanke ist natürlich absurd. Abgesetzt hat er sich, ganz einfach abgesetzt!“

Carib bestellte nun seinerseits zwei Whisky, damit Farber, dessen Stirn plötzlich von einer steilen Falte in zwei Hälften geteilt wurde, die Botschaft besser verdauen konnte.

„Wirklich, Mister Farber, ich hätte Sie für klüger gehalten!“, konnte sich der Sheriff nicht verkneifen noch einmal zu wiederholen.

„Zugestoßen? Was soll denn Jeff Kenny zugestoßen sein?“, fragte Farber dumpf. Er schien die Tragweite dieser Mitteilung nur langsam zu erfassen.

Luc Carib zuckte die Schultern.

„Sie denkt vielleicht, er sei getötet und in den Arkansas geworfen worden. Oder vielleicht gar geraubt. Ich weiß auch nicht, was sich alles in so einem Frauenkopf zusammenspinnt.“

„Das ist doch unmöglich!“, rief Farber spontan. „Wer soll den ein Interesse an diesem Kenny haben? Höchstens, dass ihm Buschräuber die letzten Dollars aus der Tasche holten, die er gestern noch einstecken hatte.“

„Richtig! Genau das hab ich ihr auch gesagt. Er ist durchgegangen. Wer soll ihn denn hier wegfangen. Da ist höchstens Kid Loover, der mit seiner Bande die Gegend unsicher macht, aber der gibt sich auch nicht mit Menschenraub ab. Der hat Herden im Kopf, gewissermaßen leicht verdauliche Sachen!“

Joe Farber nickte. Er nahm dem Keeper, der mit offenem Munde hinter der Theke stand, die Flasche aus der Hand und schenkte selbst die Gläser nach. Schnell setzte er an und kippte den Inhalt seines Glases hinunter.

„Kid Loover“, murmelte er in Gedanken. „Haben Sie sich eigentlich noch keine Mühe gemacht, den Banditen zu greifen?“

Luc Carib winkte ab.

„So lange er die Stadt in Ruhe lässt – und das hat er bis jetzt getan – hab ich nicht die Absicht, nutzlos nach ihm zu suchen. Dass es zwecklos ist, geht schon aus der Tatsache hervor, dass sich verschiedene Aufgebote umsonst mühten, seinen Schlupfwinkel ausfindig zu machen.“

„Das ist ein guter Standpunkt!“, lobte Joe Farber den Sheriff. Zur Bekräftigung seiner Worte schlug er ihm knallend auf die Schulter.

Carib zwinkerte mit den Augen. Das offensichtliche Wohlwollen, das der steinreiche Rancher ihm seit geraumer Zeit entgegenbrachte, schmeichelte seiner Eitelkeit ungemein.

„Wie bringe ich nun aber die Sache mit dem Cralstal in Ordnung?“, fragte Farber.

Carib legte seine Stirn in sorgenschwere Falten. Er wusste, welche Bedeutung diesem Tal zukam. Es war sehr groß, schnitt tief in das Gelände der Kenny-Ranch ein, und was die Hauptsache daran war, es wurde von einem Nebenarm des Arkansas River durchströmt. Mit diesem Stück Land in der Hand war es Farber möglich, der Kenny-Ranch den Lebensnerv – Wasser – abzuschneiden.

„Ich weiß gar nicht, ob Jeff Kenny ohne die Einwilligung seines Bruders dieses Tal überhaupt verkaufen darf. Ich meine, es kann doch möglich sein, dass der Richter eine Überschreibung verweigert, wenn Red Kenny nicht seine Zustimmung zu einer derartigen Veräußerung seines Eigentums gibt.“

„Yeah“, brummte Farber. Er stierte angestrengt in sein Glas. „Ich hatte nicht daran gedacht. Jedenfalls muss Jeff Kenny das Geld sehr nötig gebraucht haben, als er mir das Tal dafür anbot.“

„Gebraucht haben … Ich denke, Sie haben es gewonnen?“, wunderte sich Carib.

Joe Farber lächelte. „Nur zum Teil. Der Junge schien schwer in Verlegenheit zu sein, als er mir den Fetzen Weide für die Erlassung von fünftausend Dollars und eine bare Summe von weiteren zehntausend, anbot. Wie gesagt, mir reichte sein Wort. Als er aber in letzter Zeit nicht mehr davon sprach, nahm ich mir eben vor, die Geschichte selbst zu regeln. Leider scheint es nun nichts damit zu werden.“ Joe Farber machte einen sehr betrübten Eindruck.

Der Sheriff wiegte seine Schultern bedenklich hin und her.

„Vielleicht müssten Sie Ihren Anspruch anmelden. Es ist doch leicht möglich, dass die Ranch ohnehin unter den Hammer kommt, wenn die anderen Spielgegner Jeffs ihre Ansprüche geltend machen.“

„Ja. Sie sind ein heller Kopf, Carib!“, lobte Joe Farber den Sheriff. Schnell kippte er noch einen Whisky hinter sein schimmerndes Gebiss, warf einen Geldschein auf die Theke, tippte an seinen grauen Stetson und drehte seine dünne Gestalt durch die Tür.

Waseen, der Keeper, hatte sich während der Anwesenheit des vornehmen Farber nicht zu rühren gewagt. Jetzt beugte er sich über die Theke, zwinkerte Carib listig zu und füllte dessen Glas.

„Das ist allerdings eine seltsame Neuigkeit für Muskogee“, stellte er grinsend fest. Er freute sich augenscheinlich über die Verwirrung, die es unter den Gläubigern Jeff Kennys geben würde, wenn sie die Nachricht erfuhren. Dass sie diese erfuhren, dafür würde er schon sorgen.

Sein Bruder Red: Harte Western Edition

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