Читать книгу Herde ohne Weide: Harte Western Edition - Heinz Squarra - Страница 7
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ОглавлениеUnd so wird es Nachmittag und schließlich Abend. Die Rinder ließen im Riedgras, und die Pferde stehen unter den Bäumen.
„Wir brauchen nicht zu wachen“, sagt Rick. „Die Tiere laufen hier nicht weg. Sie haben Weide, haben Wasser; mehr wollen sie nicht. Okay, es ist Zeit, dass wir zur Ruhe kommen.“
Und sie liegen und sehen nach der untergehenden Sonne und später nach der bleichen Mondsichel und den hellen Sternen.
Hier sind die Sterne besonders hell, denkt Monty, heller als in Kansas! Aber das ist ein Irrtum, denn auch in Texas sieht er haargenau den gleichen Himmel wie überall anderswo – nur, er hat plötzlich frischere Augen und auch seine Brust ist weit geworden.
Dabei hat er noch keine Ahnung von den Schatten, die bald auf dieses Tal fallen. Er ahnt die Bitterkeit noch nicht.
Rick Hilton kommt vom Westen zwischen die Hütten und Häuser von Mitletown. Die Hauptstraße ist breit, sandig und ausgefahren. Die Sonne brennt, und die Menschen haben sich in die Häuser geflüchtet. Über den Dächern flimmert die Hitze, und Rick schwitzt, dass ihm das Wasser in den Nacken läuft.
Er hält vor dem Sheriff-Office und steht steifbeinig aus dem Sattel. Ächzend geht er die beiden Stufen zum Fußweg hoch.
Sheriff Howdy Murnay sitzt in einem Schaukelstuhl unter dem Vorbau und sieht ihm unter halb geschlossenen Lidern entgegen.
„Hallo!“, ruft er schleppend.
„Hallo, Sheriff! Ich suche den Richter. Gibt‘s hier so etwas ähnliches?“
Howdy Murnay steht auf und reckt sich. Er ist nicht größer als Rick.
„Yeah, ‘nen Richter gibt‘s hier. Was willst du von ihm?“
Rick setzt sich halb auf das wackelige Geländer und lässt ein Bein baumeln. Er fährt mit der Hand durch das Haar und schiebt anschließend den Stetson wieder gerade. Genau besieht er sich den Sheriff. Vor allem das regelmäßige Gesicht mit der kühn vorspringenden Nase, den harten Mund und die roten Borstenhaare. Ein wachsamer Mann, dieser Sheriff, denkt er dabei.
„Ich komme mit meinem Partner von Colorado herunter, Sheriff“, sagt er blechern. „Well, wir suchen ein Fleckchen Erde für uns und unsere fünfzig Rinder.“
„Und wo ist dein Partner jetzt?“
Rick Hilton zeigt nach Westen.
„Dort draußen ist ein märchenhaftes Tal. Ah, es ist bald zu schön, um wahr zu sein. Yeah, Sheriff, ich möchte dieses Tal auf unsere Namen eintragen lassen. Es ist doch Regierungsweide?“
Howdy Murnay nickte bedächtig.
„Well, es ist freie Regierungsweide. Niemand wollte es vor dir haben, Alter, und wenn du alles über das Bärental weißt, dann vergeht dir sicher auch die Lust, dort zu ranchen. Die Wiesen sind grün, wunderbar grün, aber es gibt kein Wasser. – Die Wasserrechte für den Creek gehören Phil Steanly. Er war der erste Mann in diesem Tal, das heißt: sein Vater. Siehst du, damals wurden noch Rechte für einen ganzen Fluss überschrieben. Er ist der Nutznießer bis zur Quelle, und diese liegt weit oben in den Bergen. Phil Steanly aber ist ein rauer Rancher, der eine starke Crew auf dem Huf hat. Okay, ich weiß, was du sagen willst: Dieses Gesetz hat keine Gültigkeit mehr. Es gibt keine Rechte mehr für einen Fluss – aber ich sage dir: Zieh mit deinem Partner weiter! Wir leben hier tief im Süden, und was im Osten Recht ist, gilt hier noch lange nicht. Noch hast du deine fünfzig Rinder, begnüge dich damit, versuche sie zu behalten. – Yeah, dies ist ein Rat von mir, nichts als ein Rat!“
Rick Hilton steht auf und geht schwer und müde auf den morschen Brettern hin und her. Nun sind wir gerade einen Tag hier, denkt er, und schon beginnt der Verdruss. Es gibt kein Land und keinen Frieden für uns. No, wir sind auf dieser Welt einfach zu viel. Dieser Steanly ist also ein rauer Mann und er pocht auf ein Gesetz, das es schon lange nicht mehr gibt. Der Süden hat den blutigen Bruderkrieg verloren, aber seine Prinzipien sind nicht vergessen. Und deshalb wird es viele Männer geben, die Steanly unterstützen werden. Dabei hat er nicht den geringsten Schaden, wenn unsere Rinder an diesem Creek getränkt werden. No, wir könnten einen Nebenarm graben, und es gäbe nicht die geringste Verschmutzung Und der Sheriff ist ein kluger Mann, aber sein Rat ist alt, ich hörte ihn schon oft auf unserem Trail – zu oft!
„So sind also alle Männer hier herum der Ansicht, dass dieser Rancher mit seiner Meinung im Recht ist, Sheriff?“
„Phil Steanly ist ein mächtiger Mann, ich sagte es schon – und Macht ist in diesem Lande alles. Seine Boys gehorchen, die anderen Rancher teilen seine Ansicht, denn sie verfügen an anderen Wasserläufen über ähnliche Rechte. Die Bürger dieser Stadt aber haben in dieser Hinsicht keine Stimme, denn für sie ist es uninteressant, wer am Fluss lebt.“
„Und du selbst?“, fragt Hilton. Er hat den Kopf schief gelegt und blinzelt Murnay von der Seite an.
„Ich bin Sheriff, kein Friedensrichter, Fellow. Ich achte auf die gesetzliche Ordnung, suche nach Verbrechern und bringe sie dem Richter. Yeah, urteilen tut dieser Mann, und an ihn musst du dich halten, wenn du meinen Rat nicht befolgen willst. Aber er ist alt und sein Rücken gebeugt. Immerhin, du kannst es versuchen.“
„Yeah, das werde ich auch. Ich bin nämlich auch alt, und hinter mir liegt ein langer Weg, Sheriff. Ich bin müde, verteufelt müde! Ich kann nicht mehr weiterziehen, no, ich kann einfach nicht!“
„Und wie steht es mit deinem Partner?“
„Er ist noch jung, auch nicht so müde wie ich – aber weiterziehen? No, Sheriff, dazu wird auch er keine Lust mehr haben. Er wacht bei unseren Rindern, und er wird von meinen Neuigkeiten wenig begeistert sein. Ich brachte schon zu oft schlechte Nachrichten, Sheriff.“
Howdy Murnay weiß nun alles über diese beiden. Es gibt für ihn keine Frage mehr. Zu genau kennt er das Schicksal der Smallrancher, die um zwei Jahrzehnte zu spät gekommen sind. Sie haben es satt, denkt er, und sie werden bleiben wollen. Es wird einen blutigen Krieg geben, und ich werde mich einmischen müssen. Well, das wäre nicht das erste Mal – und es wäre auch nicht so schlimm, wenn es sich lohnen würde. Aber es lohnt sich nicht! Es hat sich noch nie ausgezahlt, denn nach der ersten Schlacht ist das Feuer bei den Siedlern ausgebrannt, und dann verlassen sie ihre neue Heimat doch. Zurück bleiben Tote, erschossene Rinder und das Bittere in der Kehle, sonst nichts. So war es immer, und so wird es auch diesmal sein. Yeah, schnell wird Steanly die Kraft dieser Männer gebrochen haben. Er sieht in das lederhäutige Gesicht des Alten, sieht die Runzeln und fragt sich: Wie lange wirst du noch leben, Fellow? Wie lange?
Laut sagt er:
„Der Friedensrichter heißt Rock Burnett, er wohnt einhundert Yards weiter auf der rechten Seite. Du kannst sein Haus nicht verfehlen, es ist ein großer, gelb gestrichener Bau.“
Rick tippt an die Krempe seines Hutes. Er weiß: das Gespräch ist zu Ende.
Und so geht er schwerer als er gekommen ist die Stufen hinunter, bindet seinen Mustang los und zieht ihn hinter sich her.
Howdy Murnay stützt seine Hände auf die Brüstung und sieht dem Alten nach.
Rick Hilton geht in das Haus des Richters und kommt nach einer halben Stunde wieder heraus. Er schwingt sich in den Sattel und reitet zum Store.
Howdy Murnay kommt die Stufen herunter. Er schlendert die Straße hoch, grüßt hier und da einen Mann und verschwindet im Schatten der Vorbauten. Bei Rock Burnett verschwindet er in der Haustür.
„Ah, Howdy, ich ahnte, dass du kommen wirst. Hast du ihm die Geschichte von den Wasserrechten erzählt?“
„Yeah, ich. Kommt wohl sonst niemand in Frage.“
„Ich dachte es mir. Well, es ist nun das fünfte Mal, dass diese Weide verschrieben wird. Wie lange?“
Murnay hebt die breiten Schultern, lässt sie wieder fallen.
„Weiß der Teufel, Rock. Aber ich werde mir seinen Partner einmal ansehen, vielleicht ist er doch aus anderem Holz als die Männer, die vor ihm nach Mitletown kamen. Vielleicht …“
Der Richter winkt ab.
„Sie sind zwei Mann. Der Alte heißt Rick Hilton und der jüngere Monty Green, sie kommen aus Colorado. – Er mag sein, wie er will, Howdy; zwei Männer haben gegen ein ganzes Rudel Wölfe keine Chance. Vielleicht sind sie in vierundzwanzig Stunden schon vergessen. Well, sie kamen gestern hier an. Fünfzig Rinder standen durstig am Creek und soffen. Bis zu Steanlys Südweide sind es kaum fünf Meilen. Ich sage dir: seine Boys haben es dem Wasser angesehen, ganz bestimmt haben sie das. Nun, mehr brauche ich dir wohl nicht zu sagen …“
Nein, mehr ist für Howdy Murnay nicht nötig. Er weiß: zu dieser Stunde reitet Steanly vielleicht schon.
„Mag sein, wie es will“, sagt er rau. „Rock, einmal muss hier aufgeräumt werden. Yeah, du brauchst mich nicht von der Seite anzuschielen. Es muss aufhören! Die Unionsgesetze bestimmen: Jedermann kann alles in Besitz nehmen, was im Bereich des ihm übertragenen Landes liegt. Und dazu gehört auch das Wasser. Steanly erleidet keinen Schaden, wenn oberhalb seiner Ranch Rinder getränkt werden. Die Männer könnten auch einen Nebenarm anlegen – Hilton sagte es schon – und dann gibt es keine Verschmutzung. Außerdem ist der Fluss steinig und reinigt sich von selbst. Wann, frage ich dich, willst du dem Gesetz endlich Geltung verschaffen?“
„Howdy, hör auf damit! Ich habe ein Leben lang für die Gerechtigkeit gekämpft, ich war sogar bei den Nordstaatlern, obwohl ich im Süden geboren bin und auch dort ansässig war – vorher und nachher. Ich sage dir: Es gibt Probleme in diesem Lande, die in einhundert Jahren noch nicht gelöst sind. Es gibt überall Fanatiker, und was sich vom Vater auf den Sohn überträgt, das lässt sich kaum ausmerzen. No, Howdy, verschwende deine Zeit nicht. Denke daran, auch du hast nur zwei Arme – und nur ein Leben!“
Der Sheriff geht. Rock wird alt, denkt er. Vor fünf Jahren wären solche Worte nie über die Zunge des Richters gekommen, aber nun? Er hat sein ganzes Leben gekämpft – well, das hat er wirklich, und dabei ist er zerbrochen, weil sich seine Ideale nicht verwirklichen ließen, weil er an jeder Kante auf massiven Widerstand stieß. Nun, auch wenn er nicht mehr kämpfen kann wie früher, er wird seinem eigenen Ich treu bleiben – und das ist wichtig!
Und so geht er die Straße weiter hoch und kommt an den Store.
Rick Hilton kommt gerade heraus. Er hat eine lange Säge unter dem Arm und eine Axt in der Hand.
„He, Sheriff!“, ruft er herüber. „Halt mir doch mal den Apparat hier, sonst kratze ich meinem Mustang das Fell vom Halse. Teufel nochmal! Was man auf seine alten Tage alles noch machen muss!“
Er reicht Murnay die Säge und zieht sich am Sattelhorn hoch. Als er sich niederbeugt, blitzen seine Augen listig.
„Hast du unser Gespräch vergessen, Alter?“, fragt der Sheriff verwundert.
„No, nur den Rat! Hier!“ Er greift in die Tasche und bringt fünf Schachteln Colt- und Winchestermunition zum Vorschein. „Ich denke an alles! Und vielen Dank noch!“
Er reitet an, die Säge schwingt unter seinem Arm, und an der Schneide der Axt brechen sich die Sonnenstrahlen.
Murnay grinst nun ebenfalls. Well, denkt er, vielleicht habe ich mich diesmal doch getäuscht, Dieser Mann gehört zu dem Salz, das unsere Erde braucht, und wenn sein Partner noch jünger ist – und aus dem gleichen Holz – dann kann es unter Umständen einen harten Krieg in diesem County geben. Vielleicht wird bei dieser Gelegenheit auch die Ordnung endlich eingeführt, die eigentlich schon seit langen Jahren besteht.