Читать книгу Herde ohne Weide: Harte Western Edition - Heinz Squarra - Страница 8
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ОглавлениеLany Steanly, die zweiundzwanzigjährige Tochter des rauen Ranchers hält auf einem flachen Hügel und blickt in das Tal hinab. Sie sieht einen jungen Mann und eine kleine Rinderherde, und sie weiß: Hier gibt es wieder Ärger, denn Dad ist ein harter Mann, der keine Smallrancher in seiner Nachbarschaft duldet.
Lany teilt die Ansicht ihres Vaters nicht. Sie kann es gar nicht, weil sie in einer Schule in Denver erzogen wurde und dadurch ihr Blick ein anderer ist, als der des Pioniers, der als Kind in dieses Land kam und sich nun beraubt sieht. Well, Lany kennt die alten und neuen Gesetze. Sie kennt die Starrköpfigkeit ihres Vaters und die Raubeine, die seine Mannschaft darstellen. Gewiss, es sind gute Jungen darunter, aber die Meinung, die der Boss äußert, ist auch die ihre. Überhaupt gibt es auf der ganzen Ranch nur einen Mann, der anders ist; Jerry, ihr Bruder. Aber seine Stimme zählt nicht viel. Er war auch lange Jahre im Osten. Und deshalb sehen die Cowboys ihn nur mit scheelen Augen an.
Langsam gibt Lany ihrer Stute die Zügel frei und reitet in das Tal hinunter. Sie hat keine Angst.
Monty Green sitzt im Schatten der Bäume und sieht sie kommen. Er erhebt sich und geht ihr langsam entgegen. Kurz vor ihr zieht er seinen Hut vom Kopfe und deutet eine Verbeugung an.
„Hallo! Eine Miss? Ich bin überrascht, in diesem Tal scheinen sich alle guten Dinge dieser Welt zusammenzufinden.“
„Hoffentlich gibt es nicht ein böses Erwachen für Sie!“, sagt sie herb und steigt ab, ehe er ihr helfen kann.
Lany steht neben Monty. Sie reicht ihm gerade bis an die Schulter.
„Wissen Sie, wo Sie hier sind?“
Er lächelt sanft.
„Yeah, in einem Tal in Texas!“ Dabei sieht er auf die blonden Locken des Mädchens und dann in ihre blauen Augen. Donnerwetter, denkt er, wer mag sie sein?
„Sie wollen sicher hier bleiben?“, fragt sie leise. „Ja, wollen Sie das?“
„Well, mein Partner ist nach Mitletown geritten und lässt dieses winzige Stück Erde auf unsere Namen eintragen. Warum fragen Sie?“
Lany macht eine abfällige Geste.
„Ach, nur so. Wissen Sie, dieser Creek gehört meinem Vater. Von der Quelle bis weit ins Tal hinunter. Er ist ein mächtiger Mann. Yeah, das wollte ich Ihnen sagen.“
Monty schiebt seinen Stetson in den Nacken. Nachdenklich sieht er das blonde Mädchen an. Damned, das ist eine Neuigkeit, denkt er. Sind wir wieder falsch? Dabei ist es hier wirklich schön, und ich habe mich bereits an den Gedanken gewöhnt, hier immer zu bleiben. Wasserrechte? Gibt es so etwas überhaupt?
„Ich weiß nicht“, sagt er, „kann man denn einen Fluss kaufen?“
Lany lacht schallend.
„No, das kann man nicht. Aber ich hörte einmal im Geschichtsunterricht, dass vor tausend Jahren ein mächtiger Kaiser ein ganzes Meer sein Eigentum nannte. Sein Anspruch wurde damals respektiert, denn er hatte die Macht. Yeah, so ist das eben. – Und hier? Als der Süden noch eine Welt für sich war, da gab es Männer, die sich mit Hilfe der Gesetze eine ebenso starke Macht aufbauten. Und diese Männer leben noch. Einer davon ist mein Vater, Mister!“
„Damned!“, entfährt es ihm. Und dann: „Gelten diese Gesetze noch? Ah, wenn Rick hier wäre, er weiß in solchen lausigen Dingen Bescheid. Nun, er kommt ja wieder.“
„Diese Gesetze gelten eigentlich nicht mehr, aber sie leben noch. Well, sie leben wie die Männer, die sie als ihre Gesetze anerkannten.“
„So, dann können wir also dieses Tal bekommen, aber nicht das Wasser. Hmm … die Gesetze gelten also auch nicht mehr, weil es inzwischen andere gibt. Auch gut, dann können wir demnach auch das Wasser nehmen. Wir graben eine Tränke und speisen diese aus dem Fluss. Ihr Vater wird damit sicher zufrieden sein, denn wir lassen seinen Fluss sauber, und das ist ja wichtig. Okay, wir richten uns nach den neuen Gesetzen, aber wir respektieren die alten, weil die Männer noch leben, wie Sie sagten. So ist allen Teilen geholfen – allen!“
Ihre Augen begegnen sich, blicken dann schnell zu Boden.
Nach einer Weile sagt Lany: „Ich sehe, Sie sind ein verträglicher Mensch – leider werden Sie damit auch nicht weiterkommen. Wie ich Pa kenne, wird er von solchen Vorschlägen nichts halten. Er lacht Sie glatt aus, Mister …“
„Green, Monty Green!“
„Yeah, Mister Green. Übrigens, mein Name ist Steanly, und wenn Sie einmal von Phil Steanly hören, dann wissen Sie, wer in diesem Spiel Ihr Gegner ist. Vielleicht sollten Sie besser weiterziehen, aber das ist natürlich nur ein Rat von mir – Sie brauchen sich nicht danach zu richten.“
„No“, sagt er und plötzlich ist seine Stimme hart, und sein Kinn strafft sich. „No, das werde ich auch nicht. Mein Trail ist hier zu Ende. Es war eine sehr lange Reise. Sehen Sie sich unsere Rinder an! Die Knochen bohren sich langsam durch die Haut, Fleisch haben sie fast gar nicht mehr am Körper. Sie sind fertig und brauchen dringend Ruhe. Yeah, und so geht es auch Rick und mir. Ruhe, weiter brauchen wir nichts. Ruhe und Frieden!“
„Den werden Sie hier kaum finden. Kaum, Mister Green.“
Er sieht sie wieder an. Diesmal brennen seine Augen und senken sich nicht zu Boden.
„Ich werde um diesen Frieden auch kämpfen, Miss! Well, sagen Sie es Ihrem Vater!“
Lany zuckt die Schultern. Das ist noch ein richtiger Mann, denkt sie. Ein Mann, der das Herz auf dem rechten Fleck hat. Well, es wird für Pa eine harte Nuss geben – aber er wird sie knacken, denn er hat schon andere Nüsse geknackt. Schade! Schade um diesen Mann, aber Vernunft wird er nicht annehmen.
Und so steigt sie auf ihre Stute, nickt ihm freundlich zu und wendet das Tier. Sie reitet langsam zum Creek, durchquert ihn und verschwindet dann hinter den Hügeln.
Monty sieht ihr noch lange nach.
Endlich dreht er sich um und erstarrt.
Bei den Bäumen steht ein Mann. Er trägt typische Weidekleidung, zwei Colts und grinst über das ganze Gesicht. Er ist klein und drahtig, eine richtige Reitergestalt.
Monty geht langsam näher. Sein Gesicht ist unbeweglich.
„Okay“, sagt der Mann, „ich habe dein Gespräch mit der Miss gehört. Brauche dir also nichts mehr vorzusingen. Ich bin Berry Loover und stelle bei Steanly den Vormann dar. Well, Green, du bist hier überflüssig! Nimm deinen Gaul zwischen die Schenkel und schwinge deine Bullpeitsche. Ich habe dich nie gesehen.“
„Du kannst mich ruhig sehen, Loover. Ich habe nichts gegen dich. Aber reiten werde ich nicht, und die Bullpeitsche liegt in meinem Bündel zuunterst. Well, ich würde sie jetzt gar nicht finden, denn ich beginne mich hier schon einzurichten.“
„So ist das also …“ Berry Loovers Gesicht wird noch verbissener, als es ohnehin schon ist. Dann lacht er kratzig und kommt einen Schritt näher. „Du bist ein verdammter Grünspecht, Sonny! Ich sage dir, hier haben es schon andere vor dir versucht. Well, du bist noch jung, deshalb wollte ich dich schonen. Steanly hat diese edle Regung nicht an sich. Wenn er erst selbst herkommt, gibt es gleich ein Feuerwerk. Ich wollte meinen Rat an den Mann bringen, ehe du kalte Füße hast. Aber mach, was du denkst!“
Monty nickt und grinst.
„Yeah, das hätte ich sowieso getan, Stranger. Immerhin, schönen Dank! – Weiß dein Boss schon, dass ich hier bin und die Absicht habe, zu ranchen?“
„No, aber bald wird er es wissen. Lany wird es kaum erzählen; sie hält zu so lausigem Pack, aber ich werde es ihm zuflüstern.“
Monty duckt sich etwas zusammen. „Wen meinst du mit dem lausigen Pack?“, fragt er gefährlich ruhig. „Sprichst du von mir?“
Berry Loover lacht breit.
„Spiel dich ja nicht auf, Mann! Hau hier nicht auf die Pauke, sonst drehe ich dir die Luft ab!“
Schritt um Schritt kommt Monty Green näher. Er schleicht wie ein sprungbereiter Tiger, und die Hand liegt sehr nahe am Kolben des schweren Revolvers.
Und dann ist er heran.
Loover will sich noch bücken, aber diese Reaktion kommt zu spät. Ein Schlag kracht schwer und massiv gegen sein Kinn.
Seine Füße verlieren den Boden. Er schwebt rückwärts und kracht zwischen den Bäumen lang hin. Ächzend kommt er hoch. Er wischt über das Gesicht. Seine Augen verengen sich, glühen gefährlich.
„Das hast du nicht umsonst getan, Green! Das zahle ich dir auf den Cent genau zurück! Auf den Cent, hörst du!“
Montys Gesicht ist kalt.
„Verschwinde!“, zischt er. „Verschwinde aus meinen Augen und beeile dich dabei. Ich bin tausend Meilen geritten, und ich will Frieden haben. Wenn du diesen Frieden zerstören willst, dann werde ich dich zertreten wie eine Ratte – und mehr bist du auch nicht!“
Berry Loover geht langsam rückwärts. Er sieht die Wut in den Augen des anderen, und er spürt noch immer den harten Schlag im Gesicht, der sein Kinn grün und blau gefärbt hat. Er denkt: Ich brauche fünf bis zehn Männer, und dann fährt er zur Hölle. Oder ich sage es noch besser dem Boss, und dann kommt die ganze Mannschaft. Well, dann wird es heiß werden. Und dann wird er so zurechtgestutzt, dass er aus der Hand isst.
Monty ahnt die Gedanken seines Gegners. Die Züge des drahtigen Vormanns arbeiten so sehr, dass sie jede Regung seines Gemütes verraten.
Er weiß: der Frieden ist hin, endgültig hin. Es wird einen harten Kampf geben, und unsere Chancen sind so gering, dass man sie fast gar nicht sehen kann. Und was wird Ricky dazu sagen? Wird er überhaupt einverstanden sein? Wird er kämpfen wollen? – Aber was soll er sonst wollen? Es gibt nun kein „Weiter“ mehr, denn sie sind dem Rio schon sehr nahe. Nein, sie müssen hier bleiben, und wenn es noch so bitter wird.
Der Vormann ist inzwischen bei seinem Pferd angelangt. Er bindet die Zügel los und schwingt sich in den Sattel.
„Merk dir meinen Namen!“, ruft er herüber. „Schreib ihn dir hinter die Ohren!“
Und dann klappern die Hufe, ein Nachtvogel schreckt auf und fliegt mit lautem Flügelschlag davon, und hinter dem Reiter steht eine lange Staubfahne in der Luft.
Es ist immer das Gleiche, sagt er sich und setzt sich auf einen abgebrochenen Baum. Vor fünfzig Jahren kämpften die Männer gegen die Indianer, vor zwanzig Jahren gegen die Banditen und heute gegen die mächtigen Rancher, die in zu großen Stiefeln herumlaufen. Weiß der Teufel, gegen was unsere Kinder in Zukunft zu streiten haben.
Und ihm fällt plötzlich Lany Steanly wieder ein. Er lächelt, eine seltsame Verbindung von Gedanken. Lany, die Tochter eines mächtigen Ranchers, der noch dazu sein Gegner Nummer Eins in diesem Spiel sein wird. No, Monty, dieser Gedanke ist vermessen, auch wenn sie noch so schöne Augen hat – tief und blau, dabei geheimnisvoll wie die stillen Bergseen in Colorado. Ah, ich bin ein armer Teufel, ein gehetzter „Drei-Kühe-Rancher“, der heimatlos durch die Welt streift. Ein Mann, der zu viel ist. Und was ist sie? Die Tochter eines steinreichen Mannes! Aber dies scheint ihr nicht in den Kopf gestiegen zu sein. No, wirklich nicht!
Ärgerlich über sich selbst steht er auf und rollt sich eine Zigarette.
„Ich habe zu viel Zeit, das ist alles!“, sagt er zu sich selbst und schüttelt verweisend den Kopf. „Langsam fange ich an zu spinnen – und dabei ist noch nie etwas Rechtes herausgekommen. Well, Monty, halte die Füße auf der Erde, du wirst sie noch brauchen!“
Und er geht zu seinem Mustang, zieht ihn in den Creek und schrubbt das verschmutzte Fell. Aber immer wieder ertappt er sich dabei, wie seine Gedanken abirren und bei der blonden Frau weilen. Bei Lany Steanly.