Читать книгу Herde ohne Weide: Harte Western Edition - Heinz Squarra - Страница 9
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ОглавлениеPhil Steanly lehnt am Kamin in seinem behaglichen Wohnzimmer und hat einen Fuß auf den Rost gestellt. Er hat eine schwarze Zigarre zwischen den Fingern, die so dick ist wie eine Keule.
Jerry sitzt am Tisch und liest eine vier Wochen alte Rancherzeitung, und Lany steht hinter der Gardine am Fenster und schaut auf den Hof hinaus.
Jerry hebt langsam den Kopf und sieht seinen Vater an.
„Dad“, sagt er, „hast du wirklich keine Lust? Ich lese eben, dass auch in Arizona die Rancher schon Felder bestellen. Es wäre doch eine prächtige Idee. Wir könnten doch zunächst einmal nur für unseren eigenen Bedarf anbauen, später kannst du dann selbst entscheiden …“
„Ich entscheide schon jetzt!“, sagt der Alte bissig wie eine Dogge. „Ich bin hier der Rancher. Ich, Jerry, und nicht du. Und ich bin ein Rancher, ein Rindermann! Ich will mich doch nicht lächerlich machen.“
„Was gibt es da lächerlich zu machen?“
„Jerry, die Schule ist dir nicht bekommen! Ich dachte, du würdest lernen, wie man Viehzucht im größeren Maßstab betreiben kann. Du solltest dir auch anderen Wind um die Nase wehen lassen. Aber was du da anbringst, ist eines richtigen Westmannes unwürdig!“
Jerry klappt die Zeitung zu. Er kennt die Ansicht seines Vaters und weiß: Phil Steanly ist ein verbohrter Narr, der sich der Zeit verschließt. Trotzdem versucht er beharrlich, die Rede immer wieder auf Kornfelder zu bringen. Hier ist Schwarzerdeland, herrlicher Boden. Teufel nochmal!
„Ich verstehe dich nicht!“, sagt er laut „Unwürdig? Was kann daran unwürdig sein? Stell dir vor, es gäbe niemanden, der den Boden bebaut, was wäre dann? Wir müssten von früh bis spät Rindfleisch essen. Rindfleisch, Rindfleisch, Rindfleisch …“
„Dazu gibt es Farmer. Farmer, die Sklaven beschäftigen. Willst du selbst ein Sklave werden?“
„Es gibt keine Sklaven mehr – schon lange nicht mehr! Ihr habt den Krieg verloren, ich dachte, du wüsstest es.“
„Wir?“, dehnt der Alte. „Du nicht, wie?“
„No, Dad, ich bin Bürger der Vereinigten Staaten. Der Krieg liegt vor meiner Zeit, er geht mich nichts mehr an. Du weißt genau, dass für mich die bestehende Ordnung verbindlich ist!“
Lany dreht sich langsam um. Ihre Augen hängen an Jerry. Er spricht oft von seiner Idee, denkt sie, sehr oft. Er ist darin so hart wie sein Vater in anderen Dingen. Und die Ordnung? Sie betrifft den Creek und das Wasser, welches in seinem Bett fließt. Wird er auch dann noch seiner Meinung treu bleiben, wenn es hier einen blutigen Krieg gibt?
Sie runzelt die Stirn. Das ist unwahrscheinlich, denn dann würde Dad die Grenze für das Maß vergessen. Vielleicht würde er Jerry zum Teufel jagen, enterben und wer weiß was sonst noch alles. Ah, er ist ein harter Mann!
Der Rancher bleibt eine Weile ruhig. Sein Fuß rutscht auf dem verharzten Rost hin und her und die Keulenzigarre wackelt in seiner Hand. Er ist sehr aufgeregt.
„Jerry“, sagt er endlich schwer. „Ich hoffe, du revidierst dein Urteil eines Tages. Ich hoffe es sehr, denn du sollst mein Nachfolger auf dieser Ranch werden. Es würde mir sehr leid tun, wenn …“
Er spricht den Satz nicht zu Ende, aber das braucht er auch nicht, Jerry hat ihn verstanden.
Der Junge sagt gar nichts. Er wendet sich einfach ab und geht zur Tür.
Im Flur stößt er fast mit Berry Loover zusammen. Sie mustern sich kurz, grüßen knurrig und gehen aneinander vorbei. Sie sind keine ausgesprochenen Freunde, nein, das sind sie bestimmt nicht.
Berry Loover geht ins Wohnzimmer. An der Tür bleibt er stehen.
„Hallo, Boss!“
„Hallo, Berry! Was gibt‘s?“
„Ah, Boss, es scheint schon wieder Verdruss im County zu geben. Ich komme eben aus dem Bärental, da hat sich ein Fremder schon halb eingenistet. Er hat noch einen Partner, und dieser scheint in Mitletown das Tal auf ihre Namen eintragen zu lassen.“
Phil Steanly fährt herum, als habe ihn eine Schlange gebissen. „Was erzählst du da?“
Jerry ist zurückgekommen. Er lehnt an der Tür und sieht abwechselnd den Vormann und seinen Vater an. Ein schwaches Grinsen steht in seinem Gesicht.
„Yeah, im Bärental, wusstest du es noch nicht? Ich dachte …“
„Was denkst du? Heraus mit der Sprache, Berry, was wird hier gespielt?“
„Ich dachte, ich meine …“, stottert der Vormann herum und sieht so hilflos aus wie ein kleines Kind, das sich verlaufen hat.
Lany sieht sein Zögern. Sie weiß: Er wollte mich verpfeifen, und nun traut er sich nicht, den letzten Schritt zu tun.
„Er dachte, ich hätte es dir schon erzählt, Dad. Zufällig weiß ich es nämlich auch. Ich war heute Vormittag dort und habe mit dem Mann gesprochen.“
Sprachlos steht der Rancher. Er traut seinen Ohren nicht.
„Du hast mit ihm gesprochen? Interessant! Wirklich, Lany, sehr interessant!“
„So, findest du?“, gibt sie spitz zurück. „Nun ja, interessant war es wirklich. Dieser Mann ist ganz anders, als was man hier herum so trifft. Ja, da hast du wirklich recht, Dad!“
„Ah, gefallen tut er dir auch schon!“, schnaubt der Rancher.
„Das ist wohl zu viel behauptet. Ich habe kaum eine halbe Stunde mit ihm gesprochen. Vielleicht auch nur zehn Minuten. Und Loover muss mich ja wohl gesehen haben, sicher wird er dir sagen können …“
„Schweig!“, herrscht der Alte sie an. Dann wendet er sich dem Vormann wieder zu.
„Weiter, Berry!“
„Tscha, ein Mann also und noch ein Mann und fünfzig Rinder ungefähr. Sie marschieren im Creek herum, als wäre dies eine Badeanstalt.“
„Gut, Berry, warte im Bunkhouse auf mich, ich sage dir noch Bescheid.“
Der Vormann dreht sich um. Als er an Jerry vorbei will, sagt dieser: „Hast du dich gestoßen, Berry?“
Der Cowboy tastet über sein Kinn. Sein Gesicht verzieht sich zu einer Grimasse.
„Yeah, ich bin gestürzt. Warum?“
„Weil es so aussieht, als wären ein paar derbe Finger in deinem Gesicht gelandet. Well, das kann natürlich ein Irrtum sein.“ Er lacht und tritt zur Seite.
Berry Loover geht hinaus. Die Kokosmatten im Flur dämpfen seine Schritte.
Der Rancher steht mitten im Zimmer. Er schäumt vor Wut. Lany unterhält sich so mir nichts dir nichts mit wild fremden Männern, die seinen Fluss verunzieren, und Jerry erdreistet sich, den Vormann lächerlich zu machen. Natürlich hat Berry einen Kinnhaken bekommen, aber darüber schweigt man – und rächt sich!
„Zum Teufel mit diesem Pack!“, schreit der Alte plötzlich. „Sie sind wie die Moskitos, überall fallen sie über das Land her.“
Eine Weile bleibt es ruhig. Lany steht noch immer am Fenster. Jerry lehnt an der Tür und lächelt schwach. Der Alte stampft im Raum auf und ab.
Plötzlich bleibt er hart vor seinem Sohn stehen.
„Jerry“, sagt er schneidend. „Beweise jetzt, dass du mein Sohn bist, ein echter Steanly, und ich will die Geschichte mit der Bauerei vergessen. Well, reite hinaus und jage diese Teufel von dem Land, das sie nichts angeht! Nimm dir fünf Männer mit.“
Jerry zeigt ein wenig begeistertes Gesicht. Doch dann besinnt er sich.
„Okay, Dad, warum nicht!“
Er dreht sich um und geht durch die Tür.
Nun fällt er schon um, denkt Lany, und ihr Herz ist voller Trauer. Nun geht er hin, mit einer rauen Mannschaft, und dann werden sie kämpfen. Und Jerry wird sicher gewinnen, denn sie sind ihren Gegnern weit überlegen.
Phil Steanly nickt zufrieden. Well, sagt er sich, ich habe mich in Jerry doch getäuscht. Das Korn ist eben sein Steckenpferd, da kann man nichts machen. Aber sonst; er ist ein richtiger Steanly!
Und er geht ans Fenster und sieht, wie sechs Männer im Corral ihre Pferde einfangen und satteln. Jerry ist unter ihnen, aber der Vormann fehlt.
Er reißt das Fenster auf, die Gardine wirbelt er einfach zur Seite.
„Heh, Jerry, warum reitet Loover nicht mit euch?“
Jerry beruhigt sein tänzelndes Pferd.
„Weil er lügt, Dad. Er hat einen Faustschlag bekommen und gibt es nicht zu. Well, sein Herz ist voller Hass, und ich fürchte, dass er eine unbedachte Bewegung macht, wenn er seinen Gegner wiedersieht. Yeah, deshalb.“
„Gut, aber lass dich nicht abwimmeln.“
„No, ich jage sie von dem Land, das ihnen nicht gehört!“
Und so sprengt die Kavalkade vom Hof und galoppiert in die Prärie hinaus.
Phil Steanly tritt zurück und schließt das Fenster. Undeutlich murmelt er vor sich hin. Dann erblickt er Lany und da grinst er – triumphierend.