Читать книгу Spuren aus Nazareth: Jeshua - Heinz-Ullrich Schirrmacher - Страница 5

Vorwort

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Kaum eine Person der neueren Menschheitsgeschichte hat so viel Aufsehen erregt wie Jesus von Nazareth, der erst viele Jahre nach seinem Tod der geschriebene Jesus Christus der Christenheit geworden ist. Das hat er sich zu Lebzeiten wohl kaum vorgestellt, einmal die wichtigste Person der größten Weltreligion zu werden, wollte er doch nur seine Landsleute zu einem gottgefälligen Leben nach den Gesetzesschriften des Judentums bekehren. Ich habe mir in diesem Buch vorgenommen, aus meiner Anschauung meinen Blick auf den einfachen Menschen Jesus zu richten und möchte mich dabei einreihen in die Reihe so vieler Menschen, bei denen dieser Jesus so „abweichend von der offiziellen Norm“ seine Spuren hinterlassen hat. Dabei ist es mir natürlich auch bewusst, dass auch eine völlig andere Sichtweise zulässig ist aber nicht zwingend damit die richtigere Sicht sein muss. Über keine andere Person der Menschheitsgeschichte wurde so viel nachgedacht und geschrieben. Und trotzdem, bei aller Geschichts- und Bibelforschung, wird dieser Jesus von Nazareth an vielen Stellen wohl immer unklar und rätselhaft bleiben. Der historische Jesus ist als Person aber zwangsläufig auch der Jesus des Glaubens, und wird von der überwiegenden Mehrzahl der Gläubigen in seiner historischen Wirklichkeit oft bewusst ausgeblendet, um die Auseinandersetzung zwischen Glauben und Wahrscheinlichkeit nicht führen zu müssen oder weil es ihnen schlicht egal ist. Die Bibel unternimmt leider nur an wenigen Stellen den Versuch, uns den historischen Jesus zu vermitteln, überwiegend wird der Leser an den verklärten Jesus des Glaubens herangeführt und überlässt es den Lesern selbst, vor allem aber den Kirchen und Gemeinschaften, unter Wahrung auch ihrer eigenen Interessen den Menschen die Rechtgläubigkeit institutionell zu vermitteln.

Seit vielen Jahren befasse ich mich nun schon damit, zu verstehen, was sich in der Zeit Jesu im damaligen Israel wirklich zugetragen haben könnte und aus welchem Grund wohl dieser einfache charismatische Mann aus Galiläa zur Hauptperson einer Weltreligion hat werden können. Darüber gibt es so wunderbare, aber auch erheblich voneinander abweichende Literatur. Über keinen Menschen in der Menschheitsgeschichte wurde wohl so viel nachgedacht und geschrieben. Und trotzdem ist der Jesus der Bibel nach wie vor der unverstandene und rätselhafte Mensch geblieben. Selbst begnadete Denker und Wissenschaftler sind der Historizität Jesu stets irgendwie fern geblieben und auch dem, was er den Menschen wirklich mit auf den Weg geben wollte. Meistens verlieren sie sich darin, wissenschaftlich Wortbetrachtungen und Wortauslegungen vorzunehmen über Aussagen, die Jesus wahrscheinlich anders oder gar nicht getroffen hat. Das passt aber auch gut zu den von Menschen relativ unstrukturiert zusammengefügten biblischen Schriften, die wir heute als „offizielle Glaubensgrundlage“ kennen. Was hat dazu geführt, dass die Bibel – so, wie sie heute zur Verfügung steht, einen solchen Einfluss auf den Einzelnen und auf die Menschheitsgeschichte der letzten 2000 Jahre hat nehmen können?

Die Kircheninstitutionen und sonstige Glaubensvertretungen streiten sich immer noch um den richtigen Glauben und formale Handlungsmaxime wie Taufe, Abendmahl, Ehelosigkeit von Priestern, Alleinvertretungsanspruch, jungfräuliche Geburt, Empfängnisverhütung, neuerdings um Eheschließung gleichgeschlechtlicher Paare und vieles mehr in „feinsinnigen Auseinandersetzungen“ und nehmen die ihnen anvertrauten Menschen bei diesen Auseinandersetzungen mit ihren eigentlichen Fragen und Bedürfnissen nicht mit.

Jesus war zu seiner Zeit nur ein einfacher Mann ohne besondere Ausbildung, der eng in der jüdischen Tradition lebte und das Christentum, so wie wir es heute kennen, wohl nicht hat gründen wollen. Es wird Streit darüber geführt, wie das eine oder andere Jesuswort auszulegen und zu verstehen ist, wobei es eigentlich niemand so richtig vor dem Hintergrund dessen, was wirklich um und mit diesem Jesus passiert ist, realistisch einschätzen kann.

Viele Menschen, die häufig bescheiden im Hintergrund bleiben, suchen den mitfühlenden, barmherzigen und demütigen Jesus, der einmal gesagt haben soll: „… was immer ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“.

Jesus würde es wohl bei allem theologischen und „geschwisterlichen Streit“ vor dem Hintergrund vieler weltweit elendig vor sich hin lebenden Menschen wohl völlig egal sein, auf welche Weise mit wie viel Wasser der Mensch getauft worden ist, ob in Zungen geredet wird, ob ein Priester verheiratet ist, evangelische und katholische Christen gemeinsam an einem Abendmahlstisch sitzen dürfen oder welche Kirchenbeamte oder Würdenträger sich wie zu liturgischen oder kirchenrechtlichen Fragen äußern.

Mit diesem Buch will ich mich keineswegs - schon wegen meiner fehlenden fachlichen Kompetenz - an irgendwelchen qualifizierten Diskussionen beteiligen sondern einfach nur aufschreiben, was mich über viele Jahre bewegt und getrieben hat. Dabei möchte ich mir von keiner Glaubensinstitution vorschreiben lassen, welches die richtigen Glaubensübungen sind und wie diese formal sichtbar ihren Niederschlag zu finden haben.

Ich denke, Jesus würde sich heute mit der großen Weltkirche und deren Ableger genauso anlegen, wie zu seiner Zeit mit der judäischen Elite. Die Amtskirchen mit sicheren Kirchensteuereinnahmen, christlich orientierten Körperschaften des öffentlichen Rechts und verbeamteten Glaubenslehrern, in eigenartigen Gewändern und in Purpur gehüllt, würde er vermutlich genauso bekämpfen wie die „Amtskirche“ zu seiner Zeit.

Ich begebe mich weiterhin auf die Suche, wobei ich von der offiziellen Kirche und ewig gestrigen „Brüdern und Schwestern in Christus“ keine wirklich aufklärenden Hinweise erwarten kann. Diese Menschen machen vielfach noch nicht einmal einen Unterschied, wenn es um die Frage geht, ob sie denn nun an Jesus oder an die Bibel glauben. Und wenn sie denn nun strikt an die Bibel glauben, orientieren sie sich zwar an der Bibel aber meistens zusammenhanglos und willkürlich, indem sie Bibelstellen in ihrem Leben anwenden oder es sein lassen. Diese Kategorie von Gläubigen kann die Erkenntnis auch nicht ertragen, dass die offizielle Bibel – so, so wie wir sie heute zur Verfügung haben, ein durch Zufälligkeit und Willkürlichkeit von unterschiedlichen Menschen zu unterschiedlicher Zeit mit unterschiedlichen Glaubensvorstellungen zusammengestelltes Werk ist, welches eine ordnende und die Leserschaft führende Struktur kaum kennt.

Woher komme ich und wohin gehe ich einmal ist nach wie vor die Frage. Mit Bedauern nehme ich die Menschen zur Kenntnis, die gar nicht mehr glauben oder hoffen sondern schon festgelegt über Gott alles wissen ohne tiefer nachgedacht zu haben.

Leider nicht einmal die grundlegenden Fragen der Menschen werden durch die Bibel hinreichend und eindeutig geklärt, weil viele Menschen mit ihren jeweilig unterschiedlichen Erkenntnissen in den Jahrhunderten sich gewissermaßen nur haben darin verewigen lassen wollen.

Ich habe aus dem Gedächtnis und aus langjährigem Umgang mit dem Thema geschrieben. Wenn ich auf Literatur oder Personen wortwörtlich oder inhaltlich Bezug genommen habe, wurde dieses ausdrücklich auch kenntlich gemacht. Im Übrigen verweise ich auf das Quellenverzeichnis.

Mir ist natürlich sehr klar, dass ich mit diesem Buch nicht unbedingt eine Eintrittskarte für eine Mitgliedsschaft bei den Amtskirchen erworben habe, schon gar nicht eine solche in einer der vielen frommen Christengemeinschaften. Der von diesen Institutionen eingeforderte feste Glaube an die Bibel, dem „Wort Gottes“ kann den kritischen Geist nur schwer ertragen. Es ist allerdings in solchen Gemeinschaften aber auch ein weit verbreiteter Irrtum, dass der Zugang zu Jesus nur über eine Zugehörigkeit zu einer Christengemeinde möglich sei.

Wer sich ernsthaft auf die Suche nach dem wirklichen Jesus von Nazareth begibt, muss nicht zwangsläufig durch ein Kirchenportal schreiten. Vielmehr besteht dort die Gefahr, den Blick verstellt zu bekommen.

Trotzdem habe ich vor dem Einzelnen mit seinem eigenen Jesus - und Gottesglauben oder Glauben an die Jungfrau Maria hohen Respekt. Kann dieser Glaube doch auch eine zufriedenstelle Lebensführung schenken und Beistand und Hoffnung in der Not bereiten.

Bewusst habe ich mich mangels eigener Fachkenntnisse nicht in eine tiefere Diskussion begeben wollen, die den Rahmen meiner ganz persönlichen einfachen Überlegungen auch nicht gerecht werden würde. Die Menschen, die voll und ganz an die Bibel glauben, sollen das auch weiterhin tun. Die, die ein ganz persönliches Christusbild für sich entworfen haben, mögen mit ihrem Erlöser auch glücklich bleiben und von ihm gesegnet werden.

Der Christus des Glaubens und die Suche nach dem historischen Jesus kommen gut miteinander aus.

Spuren aus Nazareth: Jeshua

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