Читать книгу 3... 2... 1... und das Leben ist deins! - Heinzi Gosch - Страница 5

2 Auf nach München.

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Den Freitag verbringe ich überwiegend damit, meinen Travelmaster 3000 zu füllen und im Loose zu gucken, welche Gegenden ich gern erkunden würde.

Abends um 18:00 Uhr klingelt Immi an meiner Wohnungstür. Wir hatten beschlossen, über Nacht nach München zu fahren. Ich mache auf und vor mir steht ein Rucksack, der aussieht, als hätte er sich Immi vor den Bauch geschnallt.

»Seit wann laufen Schnecken mit einem Hochhaus rum?«, begrüße ich sie und drücke sie gleichzeitig.

Dann stelle ich ihr MEINEN Rucksack vor. Der Travelmaster 3000 ist an Größe und Volumen nicht zu übertreffen. Das Raumwunder bietet, neben einem riesigen Hauptfach und zwei drantüdelbaren Ersatzrucksäcken, jede Menge Schlaufen, Schnallen und Ösen, um den gesamten Hausstand einer 3-Zimmer-Wohnung mit auf Reisen zu nehmen. Immi ist beeindruckt, zumal sie hinter dem Travelmaster gerade so mit dem Kopf hervorlugt.

»Was hast du denn da alles drin?«, fragt sie völlig ungläubig und geht in Gedanken ihre komplette Packliste durch, um nachzuvollziehen, was für hunderte von Sachen sie vergessen haben muss.

Ich erlöse ihre schweißgetränkten Gedanken mit dem Hinweis, dass ich neben meinen beiden T-Shirts, der Badehose, etwas Kleinkram und einer vollständigen Globetrotter-Überlebensausrüstung auch noch meine Tauchausrüstung eingepackt habe, weil ich auf unserer Reise ja auch mal die berühmten Tauchplätze Thailands kennenlernen möchte.

»Und was ist mit Übergepäck?«, fragt sie.

»Auch da kann ich dich beruhigen. Neben den üblichen zwanzig Kilo Freigepäck darf man noch weitere zwanzig Kilo Sport- also Tauchgepäck mitnehmen. Und ich habe mein Recht auf vierzig Kilo Gesamtgepäck voll ausgeschöpft.«

Ob es nun wirklich Sinn macht, einen coolen Abenteuer-Trekkingurlaub mit einem vierzig Kilo schweren Rucksack zu absolvieren, möchte ich an dieser Stelle schon mal vorweg nehmen: NEIN!

Nachdem wir ein paar Witze über Sextourismus, Luxusbungalows am Strand und Pauschaltouristen gemacht haben, hauen wir uns ein paar Nudeln in den Topf. Wir wollen ja gestärkt, aber nicht überlastet auf die Autobahn in Richtung München kommen.

Blöd ist nur, die leichten Nudeln mit Sahnesoße und einem Pfund Käse zu schwängern, gemütlich auf dem Sofa zu liegen und nach zwei Stunden mit einem Adrenalinstoß aufzuwachen, der einem verrät, dass man eigentlich schon seit einer Stunde unterwegs sein wollte.

Nun aber los! Schnell das restliche Essen in die Küche gestellt, abwaschen kann ich ja in zwei Wochen. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob der berühmte Spruch 'der Abwasch läuft schon nicht weg...' nach vierzehn Tagen wirklich noch gilt.

Wir schmeißen unsere Rucksäcke in meinen Opel Corsa und düsen los.

Immi fragt mich »Weißt du, wie wir fahren müssen?«

Ich antworte mit dem Unterton eines sechzigjährigen LKW-Fahrers »Immer in Richtung Süden, Puppe.«

Immi lacht und denkt tatsächlich, dass ich weiß, wie wir fahren müssen.

Erstmal auf die Autobahn in Richtung Süden. Irgendwann wird München schon ausgeschildert sein.

Die ersten Kilometer laufen wie ein Länderspiel. In den Kasseler Bergen, der Todeszone eines jeden LKWs und Kleinwagens kommt es aber zu dem, was uns jede Wetter-App verraten hätte. Damals gab es aber noch keine Smartphones!

Schneegestöber!

Anfangs noch ein leichtes Geriesel, nimmt der Schneefall mit jedem Kilometer zu. Immer dichter wird der weiße Vorhang, der sich über alles legt, was langsamer als 200 km/h fährt. Natürlich fahren bei diesen Witterungsbedingungen alle langsamer als 200 km/h. Alle, bis auf ein paar wahnsinnige Geländewagenfahrer.

Ein Fahrer eines Oberklassewagens sollte doch durchaus so schlau sein, seine Geschwindigkeit, bei einer durchgängigen, vier Zentimeter dicken Schneeschicht, den Witterungsverhältnissen anzupassen. Aber es ist offenbar bei sämtlichen Geländewagen mit Hamburger Kennzeichen vergessen worden, diese Erkenntnis einzubauen.

Was wir erleben, sind die Schnee-erprobten Süddeutschen, die ihre Autos mit entspannten 60 km/h sicher durch den Schnee lenken. Die Hamburger Geländewagenfahrer glauben dagegen offensichtlich an Ganzkörperairbag, Mercedes- und BMW-Schutzengel und zudem mit der 'besseren Fahrweise' ausgestattet zu sein. Sie donnern völlig schmerzfrei und erkenntnisresistent auf der Überholspur, deren Räumung der Winterdienst inzwischen aufgegeben hat, an uns vorbei. Getreu dem Motto »Wer den dicksten und längsten hat, verfügt auch über die längste Knautschzone« lassen sich diese mutigen Männer und Frauen in ihren rasenden Kisten nicht davon abbringen, sich an die normale Richtgeschwindigkeit von 130 km/h zu halten. Immerhin rund 100 km/h langsamer als sonst!

Jeder der 'noch' langsamer fährt, ist automatisch ein Verkehrshindernis und wird mit dichtem Auffahren bestraft. Das kommt besonders gut bei einem Straßenbelag, der den Bremsweg um mehrere Kilometer verlängert. Gern genommen, sind dann auch kopfschüttelndes Vorbeifahren und ein so dichtes Einscheren, dass diese Superhirne doch eigentlich Angst haben müssten, dass der Rost meines Autos auf ihre Karren überspringt.

Immer wieder taucht Immi in den Fußraum ab, murmelt sich etwas zwischen die Füße, kommt wieder hoch und grinst. Ich frage sie, was sie da macht und sie antwortet »Ich zeige den Leuten den Stinkefinger, mache das aber so, dass man ihn nicht sieht, weil man dafür angezeigt werden kann. Das gibt mir eine gewisse Befriedigung und sorgt für Aggressionsabbau.«

Ich frage mich in diesem Moment, ob meine eigenen, zahlreich gezeigten Stinkefinger nach meiner Rückkehr dafür sorgen werden, dass ich ohne über Los zu gehen, direkt in den Knast wandere.

Das Schneetreiben wird immer dichter und phasenweise ist es nicht möglich, schneller als 30 km/h zu fahren. Das sieht leider ein Frischelaster einer Supermarktkette ganz anders. Während ich brav auf der rechten Spur fahrend, meine Geschwindigkeit verringere, scheint er es deutlich eiliger zu haben. Gepaart mit seiner Weigerungshaltung, die Spur zu wechseln, ergibt sein Bleifuß eine kuschlige Nähe. Ich denke, dass man zumindest zusammen essen gehen sollte, bevor man sich derart nahe kommt. Er hupt und gibt wilde Zeichen mit seiner Lichthupe. Glaubt der ernsthaft, dass ich rechts ran fahre, ihn fröhlich vorbei winke und dabei an einer imaginären LKW-Hupe ziehe, um ihm eine gute Reise zu wünschen? Immi, die zu dieser Zeit im Käsenudelkoma liegt, fühlt sich durch die großen hellen Scheinwerfer, die sich im Rückspiegel abzeichnen, geblendet.

Sie brummelt etwas von »Licht aus, ich will schlafen!« und ich erkläre ihr »Sag das mal dem rasenden Roland mit seiner Gemüse-Eillieferung!«

Was denkt der Kerl sich eigentlich? Seine Ware kann bei minus zwölf Grad Außentemperatur doch nicht schlecht werden.

Jetzt überschlagen sich die Ereignisse.

Immi wird wach, dreht sich um und sieht den LKW, auf dessen Nummerschildhalterung sie schon die Postleitzahl des Autohauses lesen kann. Sie schreit und ich schreie auch. Ich gebe Gas, um den Abstand zu vergrößern. Wir können uns ungefähr auf zwei Meter von dem Idioten lösen, als ich nach links blicke und einen dieser oberschlauen Geländewagenfahrer sehe, wie er auf der Überholspur an die Leitplanke ditscht. Er prallt von ihr ab, schlingert auf uns zu und schafft es doch tatsächlich, den Miniabstand zwischen uns und dem LKW zu nutzen, um frontal durch die kleine Lücke in ein Waldstück zu donnern. Er kommt zum Stehen. Nix passiert und man würde jetzt erwarten, dass er aussteigt und sich verbeugt. Dieser waghalsige Teufelskerl!

Diese Schussfahrt hat unseren Verfolger endlich dazu gebracht, seine unterkühlten Hirnzellen anzustrengen und auf Abstand zu gehen. Sein plötzliches Umschalten von Kuschelfahrt auf Fernbeziehung kommt mir vor wie eine Frau, der man sagt, dass sie nicht dick sei, sondern schwere Knochen habe.

Der Rest der Strecke nach München verläuft einigermaßen friedvoll, wenn man mal von den hunderten Hamburger Geländewagenfahrern absieht, die unumstößlich der Meinung sind, dass das Pistenschlingern der bevorstehenden Skiferien gern schon auf der Autobahn losgehen kann.

Nachdem wir das Ortsschild München passiert haben, fragt Immi mich erneut, ob ich wüsste, wo wir hinfahren müssen. Es gehe ja schließlich nicht direkt zum Flughafen. Wir fahren zunächst zu einer kleinen Pension, bei der ich mein Auto abstellen kann. Diesen Tipp habe ich aus dem Internet. Der Parkplatz kostet für zwei Wochen nur fünfzig Euro, was nur ein Bruchteil von den Flughafenparkgebühren ist.

»Die Pension ist in der Leopoldstraße.«

Stolz deute ich auf das Handschuhfach. »Ich bin vorbereitet. Die Route hab ich aus dem Internet rausgesucht.«

Für alle, deren Fahrschulwagen schon mit Einparkhilfe und Navigationssystem ausgestattet war, sei gesagt, dass es Zeiten gab, in denen man seinen Weg noch selbst finden musste. Das konnte man durch pures Wissen, Fragen oder eben einen Routenplan aus dem Internet erreichen.

Letzterer hat mir eine sehr einfache Wegbeschreibung zur Leopoldstraße geliefert. Immi liest den Plan vor und ich halte mich an ihre Anweisungen.

Endlich sind wir am Ziel! Jetzt nur noch die Hausnummer finden, das Auto abstellen und mit dem versprochenen Shuttleservice zum Flughafen düsen. Pustekuchen! Bei Hausnummer 175 angekommen glaube ich, mich selbst verarscht zu haben. Fachklinik für psychische Erkrankungen? Wenn es ein Witz gewesen wäre, dann wäre mir jetzt schlecht vor Lachen. So ist mir einfach nur übel, weil ich überhaupt keine Ahnung habe, wie das passieren konnte. Ich hab' doch bei denen angerufen. Wie können die sich denn als Pension bezeichnen? Und auch, wenn es natürlich völlig sinnlos ist, steige ich aus, wie es alle Männer tun würden und versuche den Anschein zu erwecken, als hätte ich alles im Griff.

»Der Empfang für die Pensionsgäste ist bestimmt auf der anderen Seite«, sage ich zu Immi, die grinsend kontert

»Du hättest mir doch sagen können, dass du für deine Einweisung eine erziehungsberechtigte Begleitperson brauchst.«

Als ich wieder ins Auto einsteige, kann ich an Immis Blick sehen, dass sie mir keine meiner möglichen Geschichten glauben wird.

Sie erklärt mir »Dir ist schon klar, dass es in München nicht nur eine Leopoldstraße gibt, oder? Hast du die richtige Postleitzahl in den Routenplaner eingegeben?«

Postleitzahl? Ich wohne zwar in Hamburg, komme aber ursprünglich aus einer Gegend, in der sich mehrere 'Städte' eine einzige Postleitzahl teilen, weil es ja auch nur einen Postboten gibt.

Ok, wir sind falsch gefahren bzw. auf Männerdeutsch: Wir haben eine Abkürzung genommen und orientieren uns gerade neu. Jeder gute Pfadfinder nimmt das Wort Abkürzung als Synonym für »Ich hab mich verfranzt und keine Ahnung, wie wir hier wieder rauskommen!«

»Lass uns zu dem Taxistand fahren, an dem wir gerade noch vorbeigefahren sind! Da können wir nach dem Weg fragen.«, schlägt Immi vor.

Nach dem Weg fragen? Weiß sie nicht, dass Männer, die nach dem Weg fragen automatisch zur Zwangsgeschlechtsumwandlung freigegeben werden?

Aber gut, wir haben nicht mehr viel Zeit Pfadfinder zu spielen. Ich muss mich meinem Schicksal ergeben. Wir fahren zum Taxistand, halten neben dem vorderen Wagen und fragen durchs Fenster nach dem Weg. Was für eine Freude, als wir erfahren, dass unsere Pension nur zehn Minuten entfernt liegt und ganz leicht zu finden ist. Sofort machen wir uns auf den Weg und sind tatsächlich bald an unserem ersten Etappenziel angelangt. Wir parken das Auto auf dem Parkplatz der Pension, melden uns an der Rezeption und sitzen kurz darauf in einem kleinen pensionseigenen Shuttlebus in Richtung Münchner Flughafen.

3... 2... 1... und das Leben ist deins!

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