Читать книгу 3... 2... 1... und das Leben ist deins! - Heinzi Gosch - Страница 6
3 Münchner Flughafen.
ОглавлениеImmi und ich betreten den Münchner Flughafen. Ein Gewusel von Ankommenden und Abreisenden nimmt uns in die Mangel. Überall freudestrahlende Urlaubsgesichter, genervte Geschäftsleute und Abschiedsschmerz. Da wir noch keine Tickets haben, sondern lediglich eine Buchungsbestätigung, können wir nicht, wie alle anderen, einfach mal auf die Anzeigetafel gucken, an welchem Schalter wir einchecken müssen. Zunächst gilt es, den Infoschalter unserer Fluggesellschaft zu finden, an dem uns die Tickets ausgehändigt werden. Merkwürdig finde ich, dass diese bekannte deutsche Fluggesellschaft den Namen eines Vogels trägt, der sich von Aas ernährt.
Mein Travelmaster 3000 erregt ziemliches Aufsehen. Man muss sich dieses Bild vorstellen. Ein riesiger Wandschrank auf zwei kleinen Beinchen. Durch dieses schräge Größenverhältnis wirke ich wie das Maskottchen eines Reiseveranstalters für Weltreisen, das kreuz und quer durch den Flughafen eiert. Vielleicht wundern sich die Leute hauptsächlich, dass sie keine Werbegeschenke von mir bekommen. Immerhin müsste in diesem riesigen Rucksack ja so einiges drin stecken. Ein weiterer Hingucker sind sicher auch meine mitgebrachten Krücken. Die sind noch ein Überbleibsel von meinem kleinen Unfall und sollen mir bald gute Dienste erweisen. An einer der zahlreichen Schlaufen meines Travelmasters 3000 befestigt, stapfe ich über den Flughafen, als gehörten Krücken in jede gute Reiseapotheke. Einem besonders irritiert guckenden Geschäftsmann rufe ich zu »Ich hab letzte Nacht mit unserem Piloten durchgesoffen. Mit den Krücken will ich auf seine heutige Flugleistung vorbereitet sein.«
Als ich mich ihm nähere, frage ich ihn noch »Kennen Sie die Serie Lost? Es geht um einen Flugzeugabsturz auf einer einsamen Insel. Und einer braucht danach garantiert Krücken! Naja, wir sehen uns dann nachher im Flieger.«
Als ich weitergehe, betet der gute Mann vermutlich dafür, dass ich einen anderen Flug nehme, als er.
Endlich an unserem Bestimmungsschalter angekommen, erzähle ich der freundlichen Bodenpersonesse die gleiche Geschichte. Sie findet meinen Witz aber alles andere als komisch. Nach kurzer Ausweiskontrolle tippelt sie etwas in ihren Computer und sucht vermutlich unsere Buchung.
Ich flüstere Immi zu »Psst! Gleich kommt mein großer Auftritt!«
»Häh?«
»Pssscht! Wirst gleich sehen. Ich schnappe mir meine Krücken und humple völlig erschöpft zum Check-in-Schalter. Da frage ich dann nach einem Platz am Notausgang, weil ich mit dem kaputten Knie schließlich Beinfreiheit brauche. Ich muss nur aufpassen, dass ich die Krücken rechtzeitig einsetze, damit die nicht sehen, wie gut ich ohne laufen kann.«
Die Dame am Infoschalter hat unsere Buchung inzwischen gefunden und druckt die Tickets aus.
Fröhlich frage ich »Wo ist denn unser Check-in?« und schaue mich dabei schon um, an welchem Plätzchen ich die Verwandlung zum Gehbehinderten vollziehen kann.
Sie zeigt mit dem Finger auf die Schalterreihe direkt gegenüber, keine zehn Meter entfernt und sagt freundlich »Sie müssen nur dort rübergehen. Die Kollegin hat schon gesehen, dass ich hier noch zwei Passagiere für sie habe.«
Mist! Das muss eine ganz schön zügige Verwandlung werden. Das wäre selbst für David Copperfield eine Herausforderung. Da ich nur leider schon bei Ankunft in der Halle mit meinem Berg von Rucksack für großes Aufsehen gesorgt habe, ist meine Chance, unauffällig zum Invaliden zu werden, eher gering. Egal! Versuch macht klug. Ich greife nach meinen Krücken, schnalle mir den Rucksack auf den Rücken und humple los. Immi versinkt fast vor Scham und schleicht langsam hinter mir her.
Am Schalter quäle ich mir ein »Hallo, puuh« heraus und gebe meine Unterlagen ab.
Die freundliche Mitarbeiterin fragt mich »Möchten sie einen Gang-, Mittel- oder Fensterplatz?«
Wehleidig deute ich auf die Krücken und sage »Notausgang bitte.«
Sie guckt mich an, und ohne dass ich das Gefühl habe, sie hätte mein falsches Spiel durchschaut, sagt sie »Behinderte sind ein Sicherheitsrisiko und dürfen nicht am Notausgang sitzen!«
Ich stelle mir den ersten Teil des Satzes in der Tagesschau vor: »Behinderte sind ein Sicherheitsrisiko!«
Meine Fresse, wie hart ist die denn drauf?
Ich versuche aus der Nummer rauszukommen, indem ich sage »Ich brauche die Krücken ja nur, wenn ich diesen tonnenschweren Rucksack trage, weil meine Beinchen sonst brechen. Ich verspreche ihnen, dass ich bei einem Absturz nicht in den Laderaum krieche, um ihn zu holen. Ohne ihn bin ich flink, wie ein Wiesel. Soll ich´s ihnen zeigen?«
Aber mit der Niedlichnummer klappt es auch nicht.
»Behindert ist behindert!«, sagt sie und bietet mir einen anderen Platz mit etwas mehr Beinfreiheit an.
»Sie können ihr Bein ja auch in den Gang stellen.«
Wie bitte? Ein Körperteil, das mit voll funktionsfähigen Nervenbahnen ausgestattet ist, in den Gang eines Flugzeugs halten?
Ist die wahnsinnig?
Jeder weiß doch, dass Saftschubsen nur darauf warten, dass ein Fuß, ein Knie oder ein Ellenbogen über den Sitz hinaus in den Gang ragt. Einmal anvisiert, zünden die meist gemächlich ihren Wagen schiebenden Bestien den Raketenantrieb der rollenden Minibar und halten voll drauf. Prellungen, Quetschungen und fieseste Rempler sind vermutlich der Ausgleich für Begriffe wie 'Saftschubse' oder die zahlreichen versehentlichen Popo-Grabscher auf Flügen zwischen Deutschland und Mallorca. Es ist demnach alles andere als eine Option, lebendes Fleisch in die Reichweite dieser durchgeknallten Rallye-Serviererinnen zu halten.
Letztendlich nehme ich den angebotenen Platz hinter der Trennwand zur ersten Klasse dankend an. Da ahne ich noch nicht, dass die Plätze hinter der Trennwand zwar mehr Beinfreiheit bieten, dafür aber auch direkt an den Toiletten liegen, die auf einem Zwölf-Stunden-Flug stark frequentiert sind.
Darüber machen sich viele Reisende offenbar gar keine Gedanken. Zu Hause noch eine Kanne Kaffee, ein Pfund Zwiebelmett und drei hartgekochte Eier konsumiert, auf dem Weg zum Flughafen unter Aufbringung größter Verdauungskräfte eine übelriechende Masse produzieren und diese dann kurz nach dem Start in der Flugzeugtoilette abseilen.
Schweinebande!
Ich bin aber schon froh, dass ich nicht zwölf Stunden lang mit meinem Kopf zwischen den Knien verbringen muss, nur weil die Sitze unseres Charterfliegers gerade mal Platz für einen Hobbit bieten.
Als alles geklärt ist, will ich nicht mein Gesicht verlieren und greife nach meinen Krücken, um damit weg zu humpeln.
Immi: »Warum schmeißt du die Dinger nicht einfach weg?«
»Na, weil ich nicht noch mehr Blicke auf mich ziehen will. Wie sieht das denn aus, wenn ich eben noch ein behindertes Sicherheitsrisiko bin und plötzlich wie ein junger Gott durch die Gegend hopse?«
Ich nehme meinen Travelmaster ab, lasse Immi mit meinem Riesenrucksack stehen und humple auf die Toilette. Eine Reinigungskraft hält mir sogar noch die Tür auf »Kann ich ihnen helfen?«
»Nein danke, ich muss lernen, mit meiner Behinderung umzugehen.«
Ich verschwinde in einer Kabine, warte ein paar Sekunden und spaziere dann gut gelaunt ohne Krücken zum Waschbecken und weiter in Richtung Ausgang. Dabei bemerke ich im Spiegel, wie die Reinigungskraft völlig ungläubig hinter mir her starrt und sich etwas in ihrer Landessprache in den deutlich sichtbaren Bart brummelt.
Ich rufe ihr zu »Kabine 8 wirkt Wunder!« und lasse sie im Glauben zurück, dass eine ordentliche Magen-Darm-Entleerung so manche Verspannung lösen und sogar dafür sorgen kann, dass das Gehvermögen wieder hergestellt wird.
Immi und ich beschließen, direkt durch die Sicherheitskontrolle zu unserem Gate zu gehen. Die Spannung steigt. In knapp einer Stunde ist Abflug.
Lustlos fragt mich ein Sicherheitsbeamter »Flüssigkeiten? Getränke?«
Ich, damals diese hirnverbrannte Möchtegern-Kontrolle noch nicht so gewohnt »Warum? Haben sie Durst?«
Mein Witz kommt offensichtlich nicht gut an und mit monotoner Stimme werde ich darüber aufgeklärt, dass Flüssigkeiten an Bord von Flugzeugen nicht unbegrenzt erlaubt seien, weil es sich um Flüssigsprengstoff handeln könne, den die normalen Piepsgeräte hier nicht von harmlosen Kaltgetränken unterscheiden können. Daher dürfe ich pro Verpackung maximal 100ml mitnehmen und davon dann auch höchstens zehn Stück.
Moment mal? Flüssigsprengstoff ist von Wasser nicht zu unterscheiden und deshalb darf ich nur zehn mal 100ml, also insgesamt einen Liter mitnehmen?
Wie bescheuert ist das denn?
Ich würde mal behaupten, dass ich mit einem ganzen Liter Flüssigsprengstoff genug Schaden anrichten kann, um den Vogel vom Himmel zu holen. Dann ist es doch eigentlich egal, wie viel Flüssigkeit ich dabei habe. Nein, ist es seit dem 11. September eben nicht mehr! Ich ergebe mich widerwillig der Pseudo-Kontrolle, die mir nicht die Bohne an Sicherheitsgefühl vermittelt, sondern lediglich aufzeigt, wie man seinen Sprengstoff stückeln muss, damit man fröhlich durch den Sicherheitscheck kommt. Hinweistafeln erklären einem zusätzlich ganz genau, dass es sinnvoll ist, neben kleinen Fläschchen, auch Cremedosen und Tuben für die Aufbewahrung des Sprengstoffs zu verwenden. Außerdem muss dann alles noch in einen Zip-Beutel gepackt werden. Ein normaler Plastikbeutel reicht nicht aus. Es muss unbedingt ein Beutel mit Verschluss sein. Vermutlich soll das dann meinen Zugriff auf meinen Liter Flüssigsprengstoff verzögern. Sind die Leute, die solche Sicherheitsrichtlinien erlassen, eigentlich selbst schon mal mit einem Flugzeug geflogen?
Nach der Sicherheitskontrolle sieht der Münchner Flughafen ähnlich aus wie vorher. Kaffee- und Snackbars, Modeboutiquen und zusätzlich kleinere Getränkestände. Alles ist nur doppelt so teuer. Besonders Getränke, weil man sich ab hier ja mit Flüssigkeiten neu eindecken muss. Ist an so einer Stelle die Frage erlaubt, ob die Getränkeindustrie oder die Flughafenkioskbetreiber etwas mit den Anschlägen auf das World Trade Center und den daraus resultierenden, verschärften Sicherheitskontrollen zu tun haben?
Als wir endlich am Gate ankommen, sind wir total erleichtert. Erst verpennt, dann der Autobahnschneesturm und zuletzt das Flughafen-Hin-und-Her. Jetzt liegt es nicht mehr in unserer Hand. Ab sofort begeben wir uns in die Verantwortung der Bodencrew, dem Piloten mit seinen hoffentlich hübschen Stewardessen und natürlich... genau:
DEN MECHANIKERN, DIE DEN SCHEIß FEHLER NICHT FINDEN, DER VERHINDERT, DASS UNSER FLUGZEUG ÜBERHAUPT ERSTMAL BIS NACH MÜNCHEN KOMMT!
Der Vogel hängt laut Durchsage des Bodenpersonals noch in Hamburg fest. Grund hierfür seien technische Probleme. Kleiner Scherz der netten Bediensteten: »Aber wenn er es nachher von Hamburg nach München geschafft hat, kommen wir auch nach Bangkok.«
Die weiß ja nicht, dass wir bestens darüber informiert sind, was auf dem Weg von Hamburg nach München alles passieren kann.
Immi wundert sich »Warum sind wir mit deinem Corsa nach München gegurkt, wenn der Düsenjet doch sowieso aus Hamburg kommt?«
Ich dazu »Bete mal lieber still und leise, dass unser Pilot, der uns von München nach Bangkok fliegt, nicht einer dieser wild gewordenen Geländewagenfahrer ist. Und wenn du schon dabei bist, dann schick noch mit auf den Gebetsweg, dass der Frischelasterfahrer nicht die Ersatzteile transportiert!«
Wir lachen und nehmen es, wie es kommt.
Der Flug ist zunächst um zwei Stunden verschoben. Macht nix, wir werden ja nicht erwartet. Die Zeit nutzen wir, um uns einen Überblick über die anderen Passagiere zu verschaffen, mit denen wir diese aufregende Reise antreten. Alles dabei. Zur leichteren Identifizierung für sofortige und spätere Lästerattacken geben wir den Highlights dieser Menschenmischung ausgefallene Namen. Da ist zum Beispiel ein älterer Herr im Hawaiihemd mit seiner thailändischen Frau. Er bekommt den Namen 'Thai-Hawaii' und seine Frau aufgrund ihres außergewöhnlich länglichen Gesichts den schönen Titel 'Pony'. Beide fallen, neben ihrer äußeren Erscheinung und durch die Bedienung des Klischees »Alter Mann mit junger Thai-Frau«, vor allen Dingen durch ihre lautstarke Kommunikation auf. Als sich Thai-Hawaii noch einmal persönlich davon überzeugt hat, dass er, genau wie alle anderen dreihundert Passagiere, auch nicht früher los fliegen kann, brumpft er die Bodendame an »Wären wir bloß wieder mit Thai-Air zu den Reisfressern geflogen und nicht mit - Pieps -!« (Den Pieps musste ich einblenden, weil ich nicht weiß, ob Negativwerbung in Unterhaltungsbüchern zu Freiheitsstrafen führen kann.) Während er diesen unüberhörbaren Satz mit den Reisfressern rausbrüllt, tätschelt er seiner Frau am Hintern rum und freut sich darüber, dass er die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Umherstehenden genießt. Pony, beeindruckt von der Autorität ihres Kerls, nickt derweil zustimmend. Sich mal lautstark beschweren, hat noch jeden kleinschwänzigen Opa mit Midlife-Krise zum stolzen Pavian werden lassen. Die Deutschkenntnisse seiner ihn liebenden Ehefrau reichen scheinbar noch nicht aus, um ihm diesen kleinen Seitenhieb gegen sich und ihre Landsleute krumm zu nehmen. Sie macht weiterhin einfach nur ein langes Gesicht.
Dann eine neue Durchsage. Der Flieger sei jetzt in München, könne aber leider noch nicht starten, weil noch ein Ersatzteil fehle. Aha! Und der Pilot ist heldenhaft ohne dieses lebenswichtige Ersatzteil quer über die Bundesrepublik geflogen und sicher in München gelandet?
Der Abflug soll sich noch bis circa 19:00 Uhr verschieben, weil die Witterungsbedingungen die Lieferung des Ersatzteils verzögern. Lass doch einfach einen Hamburger Geländewagenfahrer los düsen, um das Ding zu holen, denke ich und freue mich im gleichen Atemzug über den Rest der Ansage:
»Um ihnen unser Bedauern auszudrücken und die Wartezeit etwas zu verkürzen, erhalten sie von uns einen Gutschein zur Einlösung in allen Shops und Restaurants des Abflugbereichs.«
Eine Mischung aus Müdigkeit, Undank und geistiger Unterbelichtung führt zu einer sofortigen Beschwerdewelle am Schalter der jungen, verzweifelten Dame. Eben noch in typisch deutscher Warteschlangen-Position auf den Abflug wartend, entwickelt sich die Meute schlagartig zu einer meckernden galgenhumorigen Masse von Urlaubern, die bis dato bereits mehrere Stunden ihres verdienten Jahresurlaubs vergeudet haben.
Eine junge Frau, Anfang zwanzig, mischt jetzt richtig mit. Sie trägt ein viel zu kurzes Strasssteinhemdchen, das deutlich zeigt, dass Bauch und Busen die Rollen getauscht haben. Das schreit nach dem Kosenamen 'Strassspeck'.
Diese Perle einer jeden Ruhrpott-Imbiss-Bude meldet sich zu Wort »Hömma Mädschen! Isch verklach die Airline auf Schadenersatz, weil ich durch das Rumsitzen am Flughafen einen Verdienstausfall hab. Hab isch neulisch im Fernsehen jesehen!«
Jetzt ist für mich verkehrte Welt! Meint sie, dass sie hier in Deutschland einen Verdienstausfall hat oder muss sie einen Job in Thailand antreten? Schicken wir tatsächlich schon unsere eigenen, ausgenudelten Rotlichttäubchen nach Thailand zum Anschaffen?
Immi kann mich gerade noch davon abhalten, dieser aufstrebenden Supermarkt-Kassiererin fünf Euro in die Hand zu drücken, damit sie ihrem Tageslohn nicht nachweinen muss. Blöde Schlecker-Kassentante, quasi Ar-Schlecker-Kassiererin! (Für diejenigen, die nicht wissen, was Schlecker ist: Schlecker war eine Billig-Drogerie-Kette, die während meines Schreibens leider pleite gegangen ist.)
Jetzt aber zum Wesentlichen! Her mit dem Bargeldersatz! Ein freundlicher Herr vom Bodenpersonal verteilt gegen Vorlage der Bordkarte die Gutscheine. Als Zeichen, dass man einen Gutschein erhalten hat, markiert er die Bordkarte mit einem 'G' für Gutschein. Clever!
Dann sind wir endlich dran! Immi und ich halten jeder einen Wertgutschein in Höhe von gefühlt fast einer Million Euro in der Hand. Genau genommen sind es fünfundzwanzig Euro. Völlig fassungslos durch diesen unerwarteten Reichtum gucken wir uns an und schmieden sofort Pläne, was wir damit anstellen. Ich kenne mich mit Geld aus und rufe zu Besonnenheit auf.
Immis erster Vorschlag »Ich kaufe die Parkstraße im Monopoly-Spiel!«
»Ok, dann nehme ich alle Leopoldstraßen in München.«
»Oder soll ich lieber eine Handtasche im Prada-Shop kaufen?«
»Aber nur, wenn ich den Audi aus der Abflughalle bekomme.«
Immi wieder »Vielleicht sollten wir auch für die Reise vorsorgen und einen 25-Kilo-Sack Studentenfutter kaufen.«
Ich kontere »Und was wäre mit einer eigenen Airline, damit wir allein nach Bangkok fliegen können? Oder wir spenden das Geld unserer Airline, damit sie mal den einen oder anderen Flughobel zur Inspektion bringen können und zumindest unser Rückflug in zwei Wochen reibungslos klappt.«
Aber Spaß beiseite. Wir entscheiden uns dafür, der rollenden Minibar an Bord des Flugzeugs kein Vertrauen zu schenken, und uns Alkohol zu kaufen. Gaumen, die von zahlreichen Billigfuselattacken mit Hornhaut überzogen sind, erlauben es uns, den richtig günstigen Sprit zu kaufen. Schnell haben wir ein paar Flaschen im Sack. Außerdem bleibt noch Geld für eine Runde Backfisch bei Gosch.
Zurück am Schalter, halten wir zunächst vollgefressen und leicht angedüselt ein Schläfchen. Ich penne im Sitzen und Immi liegt quer über drei Sitze mit dem Kopf auf meinem Schoß.
Wir wachen auf, als etwas in Bewegung zu geraten scheint. Einige entnervte Urlauber ziehen frustriert von dannen – storniert! Also nicht der Flug, sondern deren Reise. Die können nicht mehr! Wir dagegen haben die Ruhe weg, genehmigen uns noch ein Tässchen Hopfenkaltschale und schlummern wieder weg.
Dann geht plötzlich alles ganz schnell. Hektisch wuseln alle um uns herum. Scheinbar ist der Startschuss nun doch gefallen. Es kommt uns vor, als seien die Platzreservierungen aufgehoben und man müsse sich, wie beim Konzert einer Teenieband, einen guten Platz sichern, indem man mit möglichst viel Ellenbogeneinsatz an den anderen Urlaubern vorbeiprescht.
Vorne an der Bordkartenkontrolle ist dann leider auch schon Schluss mit der Rennerei. Es war nämlich bislang nur der Aufruf, dass es 'gleich' losgehe. Die Herde sammelt sich daher in einer großen Traube vor der Dame, die unsere Bordkarten kontrolliert.
Es ist 19:00 Uhr und der Flieger steht bereit zum Besteigen. Wir sind uns unserer Plätze sicher und schlendern gemütlich hinter den Fluggroupies her, in Richtung Außenbereich des Touristenknäuels.