Читать книгу Medienrezeptionsforschung - Helena Bilandzic - Страница 9
Оглавление3 Selektivität und Gratifikationen
Lernziele
1 Sie erlernen die Ebenen der Selektion beim Prozess der Medienrezeption.
2 Sie lernen die wichtigsten Motive kennen, warum Menschen sich Medien zuwenden.
3 Sie machen sich mit den zwei zentralen Ansätzen der Medienselektionsforschung vertraut, dem Nutzen- und Belohnungsansatz sowie dem konsistenztheoretischen Ansatz.
4 Sie erkennen die Unterschiede und Grenzen der beiden Ansätze.
3.1 Selektion bei der Medienrezeption
Die Erforschung der Selektion von Medienangeboten markiert einen wichtigen Teilbereich der Rezeptionsforschung. Aus Sicht einer rezeptionsorientierten Selektionsforschung steht die übergeordnete Frage im Vordergrund, was die Menschen von Medienangeboten erwarten und wie sich diese Erwartungen in Nutzungsmuster übersetzen lassen (vgl. Hasebrink, 1995). Selektion wird verstanden als ein »Prozess, in dem Individuen aus den ihnen in ihrer Umwelt potenziell zur Verfügung stehenden Signalen mit Bedeutungsgehalt aufgrund von deren physischen oder inhaltlichen Merkmalen bestimmte Signale bewusst oder unbewusst auswählen oder vermeiden« (Donsbach, 1991, S. 28). Diese Definition von Selektion verdeutlicht zwei wichtige Aspekte: Erstens umfasst Selektion nicht nur die Auswahl, sondern auch die Vermeidung von Informationen. Zweitens kann Selektion bewusst oder unbewusst und habitualisiert erfolgen.
Definition: Selektion
Selektion meint die unbewusste oder bewusste Auswahl bzw. das unbewusste oder bewusste Vermeiden von Informationen oder Medienangeboten.
Grundsätzlich geht man in der Selektionsforschung von einem recht breiten Selektionsbegriff aus. Man unterscheidet eine prä-, peri- und postrezeptive Phase (vgl. Donsbach, 1991; Hartmann, 2006). In der prärezeptiven Phase interessiert die selektive Zuwendung bzw. die Auswahl von Medienangeboten vor dem Beginn der Rezeption. Die perirezeptive Phase beschreibt die selektive Wahrnehmung und Auswahl von Medieninhalten während der Rezeption und die postrezeptive Phase umfasst die selektive Erinnerung an Medieninhalte (vgl. Hartmann, 2006). In diesem Kapitel beschäftigen wir uns hauptsächlich mit der prärezeptiven Phase, die den Kern der Selektions-forschung ausmacht. Die perirezeptive (d. h. die Informationsverarbeitung während der Rezeption) und die postrezeptive Phase (d. h. den Abruf von Rezeptionserlebnissen) haben wir bereits in Kapitel 2 umfassend diskutiert. Die prärezeptive Phase beschäftigt sich zwar nicht mit dem Prozess der Rezeption, allerdings bildet sie die Voraussetzung für alle weiteren Selektionsprozesse.
Thematisiert wird die prärezeptive Phase in zwei verschiedenen Forschungsbereichen, die sich in Bezug auf ihre institutionelle Verortung und die angewandten Methoden stark unterscheiden. Auf der einen Seite beschäftigt sich die von Medienanbietern und der werbetreibenden Wirtschaft betriebene Publikums- und Mediaforschung mit der Beschreibung von Mediennutzung in Bezug auf Reichweite und Nutzungsdauer (vgl. dazu Kapitel 1). Ziel dieser Beschreibung ist es, auf Basis von Nutzungsdaten Werbeleistungen berechnen zu können und Zielgruppen optimal zu definieren und anzusprechen (vgl. Frey-Vor, Siegert & Stiehler, 2008). Auf der anderen Seite geht die akademische Nutzungsforschung nicht nur der Beschreibung von Mediennutzung nach, sondern sie versucht auch, die Zuwendung zu Medienangeboten theoretisch zu erklären und vorherzusagen. Im Vordergrund stehen dabei die Bedürfnisse und Informationsverarbeitungsprozesse, die mit der Auswahl von Medien verbunden sind. In diesem Kapitel widmen wir uns ausschließlich der akademischen Nutzungsforschung.
In der akademischen Nutzungsforschung wird Medienselektion definiert als ein »Entscheidungsprozess, der eine zumindest heuristische Durchdringung mindestens einer Medienzuwendungsoption impliziert, die gegen ein alternatives Verhalten (z. B. die Option nicht aufzurufen oder sich einer anderen Option zuzuwenden) ›geprüft‹ wird« (Hartmann, 2006, S. 20). In der Regel werden mehrere Selektionsentscheidungen unterschieden (vgl. Donsbach, 1989; Hartmann, 2006; Levy & Windahl, 1985). Die erste Entscheidung betrifft die Frage, überhaupt am Kommunikationsprozess teilzunehmen oder nicht (z. B. möchte ich Nachrichten rezipieren oder nicht). Wird diese Entscheidung bejaht, so geht es im zweiten Schritt um die Auswahl eines Mediums aus einer Reihe von unterschiedlichen Medienangeboten (z. B. TV oder Zeitung). Die dritte Entscheidung betrifft die Auswahl von einzelnen Medienangeboten innerhalb eines Mediums, also beispielsweise die Auswahl einer Sendung oder eines Artikels. Schließlich umfasst die vierte Entscheidung die Auswahl und damit Verarbeitung einzelner Informationen innerhalb eines Medienangebotes.
Vergegenwärtigt man sich diese vier Selektionsentscheidungen, so wird nachvollziehbar, warum zentrale Ansätze der Selektionsforschung von einer gewissen Zielgerichtetheit von Selektionsentscheidungen ausgehen. Die Zielgerichtetheit von Selektion bedeutet jedoch nicht automatisch, dass die Selektionsentscheidungen den Rezipienten bewusst sind, das heißt, dass sie sich im Klaren darüber sind, warum sie was selektieren und rezipieren. Diese Frage wird uns bei den zwei folgenden theoretischen Erklärungsmodellen, dem Nutzen- und Belohnungsansatz sowie dem konsistenztheoretischen Ansatz, noch stärker beschäftigen.
Merksatz
Medienselektion umfasst vier Entscheidungen der Rezipienten: Teilnahme am Massenkommunikationsprozess, Auswahl eines Mediums, Auswahl von Medienangeboten innerhalb des Mediums und Auswahl von Informationseinheiten innerhalb eines Medienangebotes.
3.2 Nutzen- und Belohnungsansatz
Der Nutzen- und Belohnungsansatz (auch Uses-and-Gratifications-Ansatz, oder kurz UGA) geht vom Menschenbild eines aktiven Mediennutzers aus. Im Kern steht die Annahme, dass Menschen die Medienangebote auswählen, die ihre mit der Nutzung verbundenen Bedürfnisse am besten befriedigen können. Rezipienten werden nicht als reagierende, sondern als agierende bzw. zielgerichtet handelnde Nutzer verstanden, die sich selektiv den Medieninhalten zuwenden. Dabei werden fünf zentrale Annahmen getroffen (vgl. Katz, Blumler & Gurevitch, 1974; vgl. ausführlicher Schweiger, 2007; Vorderer, 1996):
Erstens agieren Rezipienten bei der Auswahl von Medienangeboten zielgerichtet. Zielgerichtet bedeutet, dass die Mediennutzung funktional der Befriedigung von Bedürfnissen dient, wie beispielsweise dem Bedürfnis nach Information oder nach Unterhaltung. Selektionsentscheidungen geschehen daher nicht unreflektiert, sie sind vielmehr klar auf die gewünschten Gratifikationen hin ausgerichtet. Sie sind intentional.
Zweitens, und eng damit verbunden, liegt die Initiative zur Mediennutzung auf Seiten der Rezipienten, nicht auf Seiten des Medienangebotes. Dabei steht die Frage »Was machen die Menschen mit den Medien?« im Vordergrund und nicht: »Was machen die Medien mit den Menschen?«
Drittens stehen Medienangebote bei der Befriedigung von Bedürfnissen in Konkurrenz mit anderen Mitteln der Bedürfnisbefriedigung. Beispielsweise kann das Bedürfnis nach Information sowohl durch Zeitungsrezeption als auch durch interpersonelle Kommunikation gestillt werden.
Viertens sind den Rezipienten ihre Nutzungsmotive grundsätzlich bewusst, so dass wir in empirischen Studien direkt danach fragen können. Anders formuliert, Menschen sind in der Lage, Auskunft über ihre Motive zur Nutzung einzelner Medienangebote zu geben. Meist werden den Befragten in der empirischen Forschung Aussagen wie »Ich nutze, um mich …« vorgelegt.
Fünftens vollzieht der Nutzen- und Belohnungsansatz explizit keine Bewertung der Motive, die von den Befragten angegeben werden. Es werden demnach nicht Motive niedriger Natur von Motiven höherer Natur unterschieden. Das bedeutet, Forscher nehmen keine Wertung vor, ob ein Motiv gut, erstrebenswert oder ideal ist.
Insgesamt versucht der Nutzen- und Belohnungsansatz überdauernde Motive der Mediennutzung in Bezug auf verschiedene Mediengattungen zu erarbeiten. Es geht daher nicht um die situative Variation von Motiven im Rezeptionsprozess, sondern vielmehr um zeitlich überdauernde Motivbündel, die allgemeine Erwartungen der Mediennutzer an Medieninhalte widerspiegeln. Daher wird in diesem Forschungsgebiet zumeist mit standardisierten Fragebögen gearbeitet, bei denen ausführliche Motivkataloge den Befragten vorgelegt werden. Mittlerweile findet sich in der Forschung eine ganze Reihe von Motivfragen, die sich entweder der medienübergreifenden Nutzung widmen oder einzelne Medien in den Blick nehmen bzw. die Motive zur Zuwendung verschiedener Medien miteinander vergleichen.
Unter der Lupe: die Motiv-Skala von Gleich (1997)
Gleich (1997) unterscheidet die Fernsehmotive »Information«, »Soziale Nützlichkeit«, »Ablenkung/Geselligkeit«, »Spannung/Unterhaltung« und »Interesse an TV-Personen«. Dem Autor geht es um den Zusammenhang zwischen den fünf genannten Fernsehmotiven und parasozialer Interaktion (vgl. Kapitel 8). Es zeigt sich, dass insbesondere die Erwartung, aus dem Fernsehen soziale Informationen zu beziehen, durch die man für das eigene Leben profitieren kann, und das Interesse an TV-Personen zur parasozialen Interaktion beitragen. Zur Befriedigung der TV-Motive sind TV-Personen direkt funktional, indem sie soziale Informationen vermitteln (z. B. angemessenes Verhalten in bestimmten Situationen), an denen sich die Zuschauer in selbstreferentieller Weise orientieren. Im Folgenden geben wir die Skala zur Erfassung von TV-Motiven wieder, die beispielhaft für die Forschungslogik des Nutzen- und Belohnungsansatzes ist. Auf den Einleitungstext »Ich sehe fern, …« werden den Befragten die folgenden Aussagen, in der Forschungspraxis Items genannt, zur Zustimmung oder Ablehnung vorgelegt:
1 weil man über die neuesten Ereignisse und Entwicklungen sofort informiert wird. (Information)
2 weil man viel Neues/Wissenswertes erfährt. (Information)
3 um mich zu informieren. (Information)
4 weil ich im Fernsehen aufregende Sendungen (z. B. Krimis o. ä.) anschauen kann. (Spannung/Unterhaltung)
5 weil es amüsant, witzig und lustig ist. (Spannung/Unterhaltung)
6 weil das Fernsehen einen so richtig fesseln kann. (Spannung/Unterhaltung)
7 weil sonst niemand da ist, mit dem ich mich unterhalten oder etwas unternehmen kann. (Ablenkung/Geselligkeit)
8 weil ich mich von meinen Problemen ablenken möchte. (Ablenkung/Geselligkeit)
9 um nicht das Gefühl zu haben, alleine zu sein. (Ablenkung/Geselligkeit)
10 weil ich durch das Fernsehen erfahre, was einem vielleicht auch passieren könnte. (Soziale Nützlichkeit)
11 weil ich dadurch von anderen lernen kann. (Soziale Nützlichkeit)
12 weil das Fernsehen zeigt, wie man sich in bestimmten Situationen verhalten kann/soll. (Soziale Nützlichkeit)
13 weil ich bestimmte Personen im Fernsehen gerne sehe. (Interesse an TV-Personen)
14 um ganz bestimmte Personen (z. B. Moderatoren, Schauspieler, Sportler etc.) zu sehen, die ich gerne mag. (Interesse an TV-Personen)
Diese Fragen werden mit statistischen Auswertungsverfahren wie der Faktorenanalyse zu übergeordneten Motivdimensionen gebündelt. In nahezu allen abgebildeten Skalen findet sich das Motiv der Information. Sehr häufig kommen die Motive Zeitvertreib, Gewohnheit, Entspannung und Geselligkeit vor. Weitere aufgeführte Motive sind Eskapismus, Soziale Nützlichkeit, Spannung/Unterhaltung, aber auch Interesse an TV-Personen, Selbstfindung oder Erlebnissuche in der Vorstellungswelt (vgl. Gleich, 1997; Vorderer, 1996; Schweiger, 2007).
Definition: Eskapismus
Eskapismus beschreibt das Motiv der Rezipienten, durch den Konsum von Medien ihrer Alltagswelt, den in der Gesellschaft erfahrenen negativen Erlebnissen und Rollenerwartungen sowie eigenen Problemen zu entfliehen.
Grob lassen sich Nutzungsmotive in die folgenden vier Gruppen einteilen (vgl. Bonfadelli, 2004):
1 Kognitive Bedürfnisse bezeichnen den Wunsch der Rezipienten nach Informationsgewinn und Orientierung. Sie zielen darauf ab, dass Rezipienten befähigt werden, ihre Umwelt zu verstehen, indem sie durch Mediennutzung ihr Wissen erweitern und ihre Selbsterfahrung ausbauen. In der Agenda-Setting-Forschung zum Beispiel meinen kognitive Motive die Orientierung in Bezug auf gesellschaftlich wichtige Themen, auf verschiedene Aspekte oder Facetten eines Themas und journalistische Bewertungen desselben (vgl. Matthes, 2006).
2 Affektive Bedürfnisse dienen der Stimmungskontrolle sowie der Entspannung, der Rekreation sowie der Suche nach aufregenden Erlebnissen, was zumeist durch die Rezeption von Unterhaltungsangeboten erreicht werden kann. Hierunter fällt auch eine mögliche Verdrängung der eigenen Lebensprobleme, was in der Literatur als Eskapismusthese diskutiert wird (vgl. Katz & Foulkes, 1962; für eine Diskussion Vorderer, 1996). Die Eskapismusthese postuliert, dass Menschen sich deshalb Medien zuwenden, weil sie dadurch der Realität, in der sie leben, kognitiv und emotional entfliehen können. Dies wird ermöglicht, indem Medienangebote positive Emotionen erzeugen, stellvertretend für die reale Welt Sehnsüchte befriedigen (beispielsweise durch das Miterleben von Handlungen in einem Film) oder schlicht und ergreifend durch die Ablenkung von den eigenen Sorgen und Nöten. Anders formuliert, Medieninhalte bieten den Rezipienten interessante und aufregende Erfahrungen, an denen sie qua Rezeptionserleben teilhaben können.
3 Sozial-interaktive Bedürfnisse meinen den Wunsch von Menschen nach Geselligkeit und sozialem Kontakt. Im Kontext der Medienrezeption ist damit zum einen gemeint, dass Medien Anschlusskommunikation ermöglichen, womit Kontakt zu anderen Menschen hergestellt und aufrechterhalten werden kann. Zum anderen können sich Menschen mit Medienakteuren identifizieren bzw. mit ihnen parasozial interagieren (vgl. auch Kapitel 8).
4 Integrativ-habituelle Bedürfnisse meinen den Wunsch nach Geborgenheit, Stabilität und Sicherheit, der durch habituelle und ritualisierte Mediennutzung befriedigt werden kann, zum Beispiel durch das Sehen der Tagesschau jeden Abend um 20 Uhr.
Merksatz
Nutzungsmotive lassen sich in kognitive Bedürfnisse, affektive Bedürfnisse, sozialinteraktive Bedürfnisse und integrativ-habituelle Bedürfnisse einteilen.
In der empirischen Forschung hängen die gefundenen Motivdimensionen stark von der jeweiligen Stichprobe, den formulierten Items und den mehr oder weniger explizierten theoretischen Vorstellungen der Forscherinnen und Forscher ab, so dass eine Gesamtschau auf alle bisher gefundenen Motive einen etwas beliebigen Eindruck macht. Dies liegt in erster Linie am explorativen Vorgehen der meisten Studien, in denen es eher darum geht, Motivdimensionen zu finden statt sie theoretisch vorherzusagen und zu testen (bzw. zu falsifizieren). Nichtsdestotrotz ermöglichen die gefundenen Dimensionen einen Einblick in das rationale Kalkül, das hinter der Mediennutzung steht. Auch gilt es mittlerweile als gut gesichert, dass die Nutzungsmotive mit sozialen und psychologischen Merkmalen der Rezipienten korrelieren, so dass man schon von stabilen Charakteristiken sprechen kann (vgl. Burst, 1999; Henning & Vorderer, 2001; Rubin, 1984). Zudem lassen sich durch die Nutzungsmotive tatsächlich Präferenzen für bestimmte Inhalte vorhersagen (vgl. Gleich, 1997; Potts, Dedmon & Halford, 1996; Trepte, Zapfe & Sudhoff, 2001).
Ob ein Motiv durch die Rezeption befriedigt wird, lässt sich freilich nicht vor der Rezeption vollständig klären. Gewissheit darüber besteht erst nach der Rezeption. Daher wird auch zwischen gesuchten Gratifikationen und erhaltenen Gratifikationen unterschieden (vgl. Palmgreen, 1984). Menschen hegen bestimmte Erwartungen an Medien oder Medieninhalte in Bezug auf die potenzielle Befriedigung ihrer gesuchten Bedürfnisse. Nach der Rezeption gleichen sie die erhaltenen Bedürfnisse mit diesen Erwartungen ab, was wiederum zukünftige Erwartungen beeinflusst. Die Differenz aus gesuchten und erhaltenen Gratifikationen bestimmt schlussendlich den Grad der Befriedigung der Bedürfnisse. Anders formuliert, das Publikum wählt diejenigen Inhalte aus, bei denen die Schere zwischen erwarteten und erhaltenen Gratifikationen am geringsten ausfällt (vgl. Eilders, 1999).
Es handelt sich beim Nutzen- und Belohnungsansatz mitnichten um eine Theorie, sondern vielmehr um eine Forschungsperspektive, die auf motivationale Determinanten der Mediennutzung Wert legt. Der Ansatz ist auch nicht ohne Kritik geblieben. Es lassen sich mehrere zentrale Einwände unterscheiden (vgl. Schweiger, 2007):
Der Ansatz nimmt eine individuumszentrierte Sichtweise ein, indem er die Bedürfnisse aus Sicht einzelner Individuen beschreibt, die losgelöst von sozialen Kontexten betrachtet werden. Gemeinsame Mediennutzung oder Mediennutzung als Gruppenereignis wird im Ansatz weitestgehend vernachlässigt. Der Ansatz ist zudem weitestgehend deskriptiv ausgelegt. Das bedeutet, die Motive werden in den Studien beschrieben, aber kaum erklärt bzw. theoretisch vorhergesagt. Dies resultierte in einer großen Sammlung von Motivkatalogen, die aber theoretisch nicht sehr wertvoll sind.
Ganz zentral ist die Kritik, dass Mediennutzung nicht aus rationalen Überlegungen heraus erfolgen muss, sondern zu einem nicht unbeträchtlichen Teil auch unbewusst und wenig reflektiert erfolgen kann (vgl. Schönbach, 1997). Das bedeutet, Selektion kann ganz automatisch ablaufen, ohne dass sich Rezipienten dies vorher gezielt überlegen. Denken wir beispielsweise an das Hängenbleiben beim Zappen: Rezipienten bleiben auf einem Programm, ohne dass sie dies gezielt ausgewählt hätten und dies begründen könnten.
Damit verbunden wurde hinterfragt, ob Menschen tatsächlich Auskunft über ihre Motive geben können, bzw. ob sie überhaupt in der Lage und willens sind, sich selbst klar zu machen, warum sie einen bestimmten Medieninhalt nutzen. Legt man den Befragten wie in der Nutzungsforschung üblich viele Motive in einem Fragebogen vor, so besteht die Gefahr, Antworten zu generieren, die ohne diese Fragen gar nicht erzeugt worden wären. Damit würden Projektionen der Forscher auf das Publikum erfasst, nicht aber die Motive des Publikums.
Auch wird die subjektive Lebenssituation, insbesondere das zur Verfügung stehende Zeit- und Geldbudget im Nutzen- und Belohnungsansatz ausgeklammert. Dies ist aber für Selektionsentscheidungen geradezu zentral.
Schließlich nimmt der Ansatz nur Motive zur Zuwendung, nicht aber Motive zur Vermeidung in den Blick. Wie Fahr und Böcking (2005) argumentieren, sind Selektionsentscheidungen nicht notwendigerweise Signale für die Befriedigung von gewünschten Motiven. Sie können ebenso Resultat der Vermeidung unerwünschter Inhalte sein. Dies wird auch als Programmflucht bezeichnet. Daran wird deutlich, dass der Ansatz nur einen Teilbereich des oben vorgestellten Selektionsbegriffes beschreiben kann.
3.3 Konsistenztheoretischer Ansatz
Eine andere Perspektive nimmt der konsistenztheoretische Ansatz ein. Demnach interessieren sich Individuen eher für Informationen, die konsistent zu ihrem kognitiven System sind, und sie vermeiden Informationen, die dazu inkonsistent sind. Damit wird an dieser Stelle ein Kritikpunkt des Nutzen- und Belohnungsansatzes wieder aufgegriffen: Dieser erklärt ja gerade nicht, warum Menschen bestimmte Inhalte vermeiden, sondern er beschäftigt sich mit der zielgerichteten Auswahl von Informationen. Dies erklärt auch, warum beide Ansätze weitestgehend unverbunden nebeneinander stehen, »obwohl sie eigentlich zwei Seiten einer Münze bilden« (Schweiger, 2007, S. 99).
Im konsistenztheoretischen Ansatz wird postuliert, dass Menschen bestrebt sind, die eigenen Kognitionen (also Gedanken, Meinungen und Wahrnehmungen) konsonant, d. h. widerspruchsfrei, zu organisieren. Die dahinterliegende Theorie ist die Theorie der kognitiven Dissonanz von Festinger (1957). Der Grundgedanke der Theorie der kognitiven Dissonanz ist der folgende (vgl. Frey & Gaska, 2001): Miteinander verbundene Kognitionen können in einem dissonanten oder einem konsonanten Verhältnis zueinander stehen. Hat beispielsweise ein Zuschauer die Kognitionen »Ich muss morgen früh aufstehen und muss deshalb bald schlafen gehen« und »Diese Nacht läuft ein spannender Film im Fernsehen«, so erzeugt dies Dissonanz, da beide Kognitionen unvereinbar sind. Hingegen stehen zwei Kognitionen in einer konsonanten Beziehung, wenn sie mit einander vereinbar sind, z. B. »Morgen früh kann ich ausschlafen« und »Diese Nacht läuft ein spannender Film im Fernsehen«. Wichtig ist dabei zu betonen, dass damit keine objektiven Unvereinbarkeiten gemeint sind, sondern subjektive. Ob eine Kognition mit einer anderen in einem konsonanten oder dissonanten Verhältnis steht, kann von Person zu Person und auch von Situation zu Situation variieren.
Definition: kognitive Dissonanz
Kognitive Dissonanz ist die Bezeichnung für einen als unangenehm erlebten Zustand, der durch zueinander im Widerspruch stehende Kognitionen ausgelöst wird. Prinzipiell sind Menschen bestrebt, kognitive Dissonanz zu vermeiden, bzw. wenn sie vorliegt, sie wieder abzubauen.
Wenn Individuen Kognitionen haben, die sich widersprechen, also dissonant sind, so wird dies als unangenehm erlebt. Wie stark die Dissonanz vom Individuum erlebt wird, hängt ab von dem zahlenmäßigen Verhältnis der dissonanten zu den konsonanten Kognitionen und ihrer jeweiligen Wichtigkeit für das Individuum. Die Theorie der kognitiven Dissonanz ist aber nicht nur eine kognitive Theorie, sondern auch eine motivationale: Entsteht beim Individuum kognitive Dissonanz, so erzeugt dies die Motivation, die entstandene Dissonanz wieder zu reduzieren. Die Dissonanzreduktion kann dabei auf drei einzeln oder gleichzeitig ablaufende Arten erfolgen (vgl. auch Frey & Gaska, 2001, S. 277): durch die Addition neuer konsonanter Informationen, durch die Subtraktion von dissonanten Kognitionen (Ignorieren, Vergessen, Verdrängen) und durch die Uminterpretation und Umstrukturierung von dissonanten Informationen.
Was hat nun die Theorie der kognitiven Dissonanz mit der Medienrezeption zu tun? Die Grundidee ist, dass Menschen die Medien nutzen und die Inhalte selektieren, die konsonant zu ihren bestehenden Einstellungen und Meinungen sind. Durch die selektive Auswahl von Informationen wird eine möglicherweise bereits bestehende kognitive Dissonanz wieder abgebaut und neu entstehende Dissonanz quasi im Keim erstickt. Im Unterschied zum Nutzen- und Belohnungsansatz macht der konsistenztheoretische Ansatz jedoch keine Aussage darüber, dass die Auswahl bewusst erfolgen muss bzw. die Rezipienten sich dies bewusst vergegenwärtigen müssen. Folgerichtig werden in diesen Studien die Menschen nicht direkt gefragt, ob sie lieber die Informationen auswählen, die ihren Einstellungen entsprechen. Vielmehr wird meist in experimentellen Designs in einem ersten Schritt die Voreinstellung erhoben. In einem zweiten Schritt wird in einer Selektionsaufgabe beobachtet, ob die Rezipienten eher Inhalte auswählen (beispielsweise basierend auf Überschriften), die ihren Einstellungen entsprechen (vgl. Knobloch-Westerwick & Meng, 2009).
Die selektive Auswahl umfasst im konsistenztheoretischen Ansatz zwei Dinge: Zum einen fällt darunter die Auswahl von Inhalten der Massenkommunikation. Dies wird als Selective Exposure bezeichnet. Personen suchen Inhalte, die ihren Überzeugungen entsprechen, und sie vermeiden Inhalte, die ihren Überzeugungen entgegenstehen. Aus dieser Sicht ist es wahrscheinlicher, dass Menschen mit konservativen politischen Einstellungen keine Zeitungen lesen werden, die eine eher links gerichtete Blattausrichtung verfolgen. Die selektive Suche und das selektive Vermeiden von Inhalten sind umso stärker ausgeprägt, je höher die kognitive Dissonanz ist und umso unsicherer sich Personen in ihren ursprünglichen Überzeugungen sind (vgl. Schenk, 2007). Ist die kognitive Dissonanz aber extrem hoch, kann es nach Festinger (1957) zu einem genau umgekehrten Effekt kommen: Es werden dissonante Informationen sogar bevorzugt gesucht, um eine spätere Entscheidungsrevision vorzubereiten.
Unter der Lupe: selektive Zuwendung bei der Zeitungslektüre
Donsbach (1991) hat in einer breit angelegten Feldstudie die selektive Auswahl von Zeitungsartikeln untersucht. In einem ersten Schritt wurde eine Leserbefragung durchgeführt, die die Voreinstellungen der Leser zu verschiedenen politischen Themen ermittelte. In einem zweiten Schritt wurden diesen Lesern in einem sogenannten Copy-Test verschiedene Zeitungsartikel aus der realen Berichterstattung von vier Zeitungen gezeigt. Die Leser sollten angeben, ob sie diese Artikel ganz gelesen, teilweise gelesen, nur die Überschrift gelesen oder nicht gelesen haben. Damit konnte herausgefunden werden, welchen Artikeln sich die Leser zugewendet haben. In einem dritten Schritt wurden nun diese Artikel inhaltsanalysiert, um den Einfluss von inhaltlichen und formalen Merkmalen zu bestimmen. Nun konnte ermittelt werden, welche Leser (mit welchen Voreinstellungen) welche Inhalte auswählen. Die Ergebnisse zeigen ein heterogenes Bild: Kam ein Politiker in einem positiven Kontext vor, dann wurde er von seinen Anhängern (Konsonanz) stärker beachtet als von seinen Gegnern (Dissonanz). Dies entspricht den Annahmen der Dissonanztheorie. Wurde hingegen der Politiker in einem negativem Licht dargestellt, so wurden die Artikel von seinen Anhängern genauso stark beachtet wie von seinen Gegnern. Aber auch die formale Aufbereitung der Artikel hatte einen wichtigen Einfluss: Die formale Betonung der Beiträge wie Schlagzeilengröße, Überschrift oder Bebilderung war für die Auswahl der Artikel noch entscheidender als die Konsonanz oder Dissonanz zwischen Lesermeinung und dargebotener Information.
Der zweite Aspekt der selektiven Auswahl umfasst die selektive Wahrnehmung von bereits ausgewählten Inhalten. Die selektive Wahrnehmung von bereits ausgewählten Inhalten können wir uns folgendermaßen vorstellen: Rezipienten neigen dazu, die Medieninformationen in die Richtung ihrer Voreinstellung verzerrt zu interpretieren. Dieses Phänomen ist auch unter dem Namen Confirmation Bias (vgl. Fischer, Jonas, Frey & Schulz-Hardt, 2005) bekannt, und wir kennen ähnliche Befunde ebenfalls schon von der Schema-Theorie (vgl. Kapitel 2). Die selektive Wahrnehmung von bereits ausgewählten Inhalten umfasst darüber hinaus auch die Beurteilung der Qualität von Informationen: Menschen neigen dazu, Informationen, die zu den eigenen Kognitionen inkonsistent sind, kritischer zu prüfen als konsistente Informationen (vgl. Fischer et al., 2005).
Zusammengenommen schützen die beiden Selektionsschritte die Rezipienten gewissermaßen vor einem zu starken Medieneinfluss. Interessanterweise ging Festinger (1957) davon aus, dass die selektive Zuwendung zu Informationen ausschließlich beim Vorhandensein von kognitiver Dissonanz erfolgt. Ohne Dissonanz, so Festinger, ließen sich auch keine selektiven Zuwendungseffekte erwarten. Genau diese Hypothese wurde aber in der bisherigen Literatur nicht eingehend geprüft (vgl. Holbrook, Berent, Krosnick, Visser & Boninger, 2005). Im Vordergrund der Forschungsbemühungen stand vielmehr die allgemeine Frage, ob Zuschauer Informationen bevorzugen, die ihren Voreinstellungen entsprechen (vgl. z. B. Donsbach, 1991). Dies lässt sich, streng genommen, allerdings nur implizit aus der Theorie der kognitiven Dissonanz ableiten (vgl. Holbrook et al., 2005). Die Theorie der kognitiven Dissonanz ist wegen ihres breiten Erklärungsanspruchs nicht widerspruchsfrei belegt, und es existiert auch eine Reihe von Weiterentwicklungen oder alternativen Erklärungsansätzen (vgl. zusammenfassend Frey & Gaska, 2001). Bei der Vorhersage und Erklärung von empirischen Ergebnissen ist sie zudem sehr flexibel, d. h. sie kann Deutungen für zwei sich widersprechende Ergebnisse liefern (vgl. Cotton, 1985). Dies ist eine wichtige Kritik an der Theorie. Zudem gibt es eine Vielzahl von intervenierenden Variablen und notwendigen Bedingungen für das Entstehen und den Abbau von Dissonanz.
Eine jüngere, vielversprechende Perspektive ergibt sich durch die Einbeziehung von Persönlichkeitsvariablen. Beispielsweise entwickelten Cialdini, Trost und Newsom (1995) eine Skala zur Erfassung einer Präferenz für Konsistenz. Damit ist die interindividuelle Eigenschaft gemeint, nach konsistenten Kognitionen zu streben bzw. Inkonsistenzen zu tolerieren. Durch die Einbeziehung dieser Persönlichkeitseigenschaft kann besser erklärt werden, bei welchen Personen es verstärkt zu selektiven Nutzungsmustern auf Basis der eigenen Prädispositionen kommen sollte.
Merksatz
Die Selektion von einstellungskonsistenten Informationen ist kein universelles Phänomen. Sie ist vielmehr abhängig von einer Reihe von Randbedingungen wie der Negativität des Stimulus, den kognitiven Ressourcen der Rezipienten oder der wahrgenommenen Relevanz des Stimulus.
In Bezug auf die Selektion von Medieninhalten ist die pauschale Annahme, dass Menschen nur Inhalte auswählen, die ihren eigenen Einstellungen nicht widersprechen, sicherlich zu kurz gegriffen. Donsbach (1991) nennt eine Reihe von Faktoren, die diesen Effekt wieder abschwächen können: Erstens ist die einstellungskonsistente Selektion geringer, je mehr Zeit die Rezipienten für die Rezeption aufbringen. Zweitens sind die Effekte nur bei neutralen oder positiven Inhalten feststellbar, negative Inhalte unterliegen nicht der einstellungsbasierten Selektion. Drittens wird der Effekt der einstellungskonsistenten Selektion verringert, wenn die Beiträge als sehr relevant empfunden werden, also mehrere Nachrichtenwerte ansprechen. Hinzu kommt, dass Rezipienten nicht bei allen Medienangeboten einstellungsbasiert selektieren können. Zwar kann man sich entscheiden, ob man eher die eine oder die andere Zeitung abonniert oder den einen oder anderen TV Sender eher einschaltet (wie in den USA z. B. den konservativen Sender FOX), allerdings ist es deutlich schwerer und aufwändiger, die Einstellungskonsistenz eines einzelnen Medienbeitrages schon an der Überschrift oder an der Anmoderation zu erkennen. Dies ist vor allem bei Medienbeiträgen der Fall, in denen mehrere unterschiedliche Sichtweisen beleuchtet werden. In den experimentellen Studien zum konsistenztheoretischen Ansatz wird den Versuchspersonen die Wahl zwischen verschiedenen Beiträgen überlassen. Dies ist aber in der Realität gar nicht immer der Fall (vgl. Mutz & Martin, 2001). Generell und sicherlich etwas überspitzt fragen Chaffee, Saphir, Graf, Sandvig und Hahn (vgl. 2001, S. 248), wie die Menschheit über Tausende von Jahren überleben konnte, wenn sie nur nach einstellungskonsistenten Informationen sucht und neue Erkenntnisse oder Überraschungen vermeidet. Dieses eher verhaltene Fazit entspricht auch den jüngsten Erkenntnissen der empirischen Forschung: Zwar lässt sich eindeutig das Phänomen der einstellungskonsistenten Selektion nachweisen, allerdings zeigt sich nicht, dass einstellungsinkonsistente Informationen vermieden werden (vgl. Garrett, 2009; Matthes, 2012). Studien belegen, dass die Wahrscheinlichkeit, mit einstellungsinkonsistenten Informationen konfrontiert zu werden, bei Massenmedien größer ist als bei der interpersonalen Kommunikation (vgl. Mutz & Martin, 2001).
3.4 Zusammenfassung
In diesem Kapitel haben wir die wichtigsten Ansätze der Selektionsforschung kennengelernt. Obwohl sie nicht direkt den Prozess der Rezeption beschreiben, sind sie dennoch für die Rezeptionsforschung wichtig. Selektionsmuster und -gründe determinieren die Erwartungen an die Rezeption und damit auch grundlegende Rezeptionshaltungen. Wir haben dabei zwei zentrale Ansätze herausgegriffen. Allerdings gibt es noch andere. Beispielsweise kann auch die Mood-Management-Theorie (vgl. Kapitel 5) dazu herangezogen werden, eher automatische Selektionsprozesse zu beschreiben. Ebenso wurden Ansätze aus der Journalismusforschung, wie die Nachrichtenwert-Theorie, bereits in Bezug auf Medienselektionsprozesse diskutiert (vgl. Eilders, 1999).
Es ist deutlich geworden, dass die beiden zentralen Ansätze zur Medienselektion von unterschiedlichen Prämissen ausgehen: Während der Nutzen- und Belohnungsansatz postuliert, dass Medienselektionsprozesse intentional und bewusst ablaufen, wird diese Annahme im konsistenztheoretischen Ansatz nicht formuliert. Auch zeigt ein Blick auf die empirische Literatur, dass der Nutzen- und Belohnungsansatz sowohl die Selektion von Unterhaltungs- als auch von Informationsangeboten beschreiben kann. Die Forschung im konsistenztheoretischen Ansatz bezieht sich allerdings ausschließlich auf informationsorientierte Medienangebote, insbesondere solche, die einstellungskonsistent oder inkonsistent sein können. Schließlich sehen wir im konsistenztheoretischen Ansatz neben der Auswahl von Informationen auch einen Fokus auf die Vermeidung von Informationen. Dies spielt beim Nutzen- und Belohnungsansatz jedoch keine Rolle.
Insgesamt findet sich in der Rezeptionsforschung allerdings kein theoretischer Ansatz, der alle Facetten der Medienselektion aus einem Blickwinkel erklären kann. So gilt auch die Feststellung von Eilders (1999, S. 36) noch heute, dass die Ansätze zur Medienselektion zwar in sich stimmig sind, »aber in ihrer Erklärungskraft insgesamt begrenzt, da die unterschiedlichen Forschungstraditionen jeweils nur einen oder wenige Aspekte des komplexen Selektionsprozesses beleuchten«.
Übungsaufgaben
1 Erklären Sie die vier Selektionsentscheidungen bei der Medienrezeption an einem selbst gewählten Beispiel.
2 Erläutern Sie die Begriffe gesuchte Gratifikationen und erhaltene Gratifikationen.
3 Erklären Sie an einem selbst gewählten Beispiel die Kritik am Nutzen- und Belohnungsansatz, dass Selektionsentscheidungen nicht immer durchdacht und bewusst getroffen werden müssen.
4 Definieren Sie den Begriff der kognitiven Dissonanz.
5 Erläutern Sie den Unterschied zwischen dem Nutzen- und Belohnungsansatz und dem konsistenztheoretischen Ansatz.
Zum Weiterlesen
Eilders, C. (1999). Zum Konzept der Selektivität: Auswahlprozesse bei Medien und Publikum. In: W. Wirth & W. Schweiger (Hrsg.), Selektion im Internet. Empirische Analysen zu einem Schlüsselkonzept (S. 13–42). Opladen, Wiesbaden.
Der Beitrag liefert einen umfassenden Forschungsüberblick zur Selektionsforschung sowie eine ausführliche Analyse der wichtigsten Begriffe. Zudem werden auch Auswahlprozesse bei Journalisten näher beleuchtet.
Garrett, R. K. (2009). Politically motivated reinforcement seeking: Reframing the selective exposure debate. Journal of Communication, 59, 676–699.
Der Beitrag untersucht die Stärke des konsistenztheoretischen Ansatzes in Bezug auf Selektions- und Vermeidungsverhalten. Diese viel beachtete Studie zeigt sehr schön auf, dass Menschen keineswegs Medieninhalte vermeiden, die ihren Einstellungen widersprechen.
Vorderer, P. (1996). Rezeptionsmotivation: Warum nutzen Rezipienten mediale Unterhaltungsangebote? Publizistik, 41, 310–326.
Dieser vielzitierte Aufsatz gibt einen gehaltvollen Überblick zu motivationstheoretischen Ansätzen der Selektionsforschung, insbesondere in Bezug auf Unterhaltungsangebote.