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Vor dem Klinikbesuch

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Doch mit dem Aufwachen am Morgen kommen die Gedanken an Friedhelm und was passiert ist zurück.

Sie muss ihn besuchen, sie will bei ihm sein, wenn er aufwacht. Aber wie kommt sie zu ihm? Dürfen da nicht nur Verwandte hin?

„MMhhh, ich bin doch seine Cousine!“, denkt sie, und hat nun wieder das von Friedhelm so geliebte verschmitzte Lächeln im Gesicht.

Nach der Arbeit macht sie sich auf den Weg zum Krankenhaus, dass Werner ihr aufgeschrieben hat. Während der Fahrt kreisen ihre Gedanken wieder.

Während der Arbeit war sie abgelenkt, weil sie sich konzentrieren musste. Aber irgendwie schienen ihre Schüler zu spüren, dass etwas Schreckliches passiert sein musste. Sie waren heute ungewöhnlich ruhig. Oder kam ihr das nur so vor?

Sicherheitshalber hatte sie noch vor der Abfahrt Werner angerufen und gefragt, ob er wisse, wann denn Friedhelms Familie zu Besuch käme. Werner hat ihr bestätigt, dass die Familie am Vormittag da gewesen wäre.

Ivonne hofft, dass ihr Plan, sich als Friedhelms Cousine auszugeben, aufgeht.

Auch hofft sie, dass sie nicht gleich weinen muss, wenn sie Friedhelm mit lauter Schläuchen dort liegen sieht.

„Ich muss stark sein für ihn!“, nimmt sie sich ganz fest vor. Bei diesem Gedanken kullern ihr jetzt doch wieder die Tränen.

Ivonne versucht, sich auf das Fahren zu konzentrieren und es gelingt ihr doch tatsächlich, vor der Klinik anzukommen.

Da fällt ihr ein, dass sie kein Geschenk oder Blumen mit hat. Und sie fragt sich, ob man als Cousine seinem Cousin Blumen in´s Krankenhaus mitbringt.

Sie schaut sich um und entdeckt einen kleinen Laden, der Blumen und kleine Geschenke verkauft.

„Macht Sinn neben einer Klinik“, denkt sie kaufmännisch und geht auf den Laden zu. Vielleicht haben sie da ja auch Schokolade, denkt Ivonne noch. Aber als sie den Laden betritt fällt ihr ein, dass Friedhelm ja im Koma liegt, wozu dann ein Geschenk?

Sie zögert. Aber die nette Frau hinter dem Tresen fragt freundlich:

„Kann ich Ihnen helfen? Sie sehen gerade etwas verunsichert aus, obwohl Sie erst so zielsicher auf meinen Laden zu liefen!“

Ivonne schaut die Frau mit einem so verzweifelten Blick an, dass diese hinter dem Tresen hervor kommt und sagt:

„Kommen Sie, setzen Sie sich erst mal hin!“, und geleitet Ivonne zu einem Stuhl in der Ecke.

„Was soll ich nur schenken?“, fragt Ivonne leise, „er liegt doch im Koma!“

„Nichts, junge Frau, ich denke, das Wichtigste für Menschen im Koma ist, dass Jemand da ist und mit ihnen spricht. Ich habe schon oft mit Besuchern der Klinik gesprochen, die mir das so berichtet haben. Und die Ärzte und Schwestern, die sich hier manchmal einen Kaffee holen nach ihrem Feierabend oder vor der Arbeit haben mir davon erzählt, dass das den Komapatienten hilft, wenn jemand da ist, der mit ihnen spricht. Sie werden dann tatsächlich schneller gesünder bzw. wachen früher auf!“, antwortet die nette Verkäuferin.

Dann fragt sie vorsichtig: „Wer ist denn im Koma?“

„Mein Friedhelm!“, schluchzt es aus Ivonne heraus.

„Das tut mir Leid, aber kommen Sie, trinken Sie ein Glas Wasser. So können Sie nicht zu ihm gehen! Sie müssen Ruhe und Kraft ausstrahlen, damit er schnell wieder aufwacht und gesund wird! Ich heiße übrigens Ingrid, ich denke, dass wir uns jetzt öfter sehen. Kommen Sie gerne vor oder nach dem Besuch zu mir.“, sagt die nette Verkäuferin aufmunternd und holt ein Glas Wasser.

„Dankeschön, nicht nur für das Wasser, Ingrid!“ antwortet Ivonne, nennt ihren Namen und trinkt mit großen Schlucken. Dabei wird ihr bewusst, dass sie Durst hat. Aber alles fühlt sich anders an, seit Werners Anruf gestern.

Sie bittet Ingrid um ein zweites Glas Wasser, das diese auch gleich holt. Auch dieses zweite Glas trinkt Ivonne in einem Zug aus. Sie zwingt sich zur Ruhe, atmet tief durch, bedankt sich noch mal bei Ingrid und verlässt den Laden mit einem leisen „Auf Wiedersehen Ingrid!“

„Auf Wiedersehen Ivonne und viel Kraft!“, verabschiedet sich Ingrid, die solche Kunden tatsächlich schon oft erlebt hat. Aber bei Ivonne hat sie mehr Mitgefühl als bei den meisten anderen Kunden.


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