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Verändert sich das Wetter oder nehmen wir es nur anders wahr?
ОглавлениеViel wird auch über die Veränderung des Witterungscharakters gesprochen und in den Medien geschrieben. Gerne wird dann von Wetterkapriolen und von den schlimmsten Ereignissen seit „Menschengedenken“ geschrieben. Liegt dies wirklich am Klimawandel oder liegt es auch in der menschlichen Natur, dass gerade erlebte Naturereignisse als besonders dramatisch dargestellt werden? Natürlich spielen unsere kommerzialisierte Medienlandschaft und auch die Dynamik der sozialen Medien eine Rolle: Je dramatischer ein Ereignis dargestellt werden kann, umso höher ist der „Nachrichtenwert“. Die sozialen Medien wiederum erlauben es der ganzen Welt, „live“ dabei zu sein, wenn irgendwo auf der Erde ein Mensch mit einem Smartphone von einem Naturphänomen, sei es ein tropischer Wirbelsturm auf den Philippinen, ein Sandsturm in der Sahara oder einfach der „Salzburger Schnürlregen“, beeindruckt ist und dieses via Twitter oder Facebook mit der ganzen Welt teilt. Diese Entwicklung hat durchaus auch positive Auswirkungen. Durch die flächige Verfügbarkeit von hochauflösenden Kameras in Smartphones und die Bereitstellung der Bilder im „World Wide Web“ werden viel mehr Naturphänomene zeitlich und räumlich korrekt dokumentiert und gespeichert. Dies gilt besonders für kleinräumige und kurzfristige Ereignisse wie etwa Tornados.
Man kann aber auch anhand objektiver Messungen feststellen, dass gewisse Entwicklungen und Ereignisse wirklich sehr außergewöhnlich sind und teilweise das erste Mal auftreten, seit es die zivilisierte Menschheit gibt. Beispiele dafür sind warme Temperaturextreme. Das derzeitige globale Temperaturniveau wurde höchstwahrscheinlich während er letzten 5.000 Jahre nicht erreicht. Bei Niederschlagsanomalien wird eine Einordnung schon schwieriger. Von großflächigen Hochwasserereignissen, bei denen die großen Flüsse wie der Rhein oder die Donau aus den Ufern treten, wissen wir aus historischen Analysen, dass sehr große Ereignisse mit einer Wiederkehrwahrscheinlichkeit von tausend Jahren oder mehr vorgekommen sind. Ob und wenn ja, in welche Richtung sich derartig seltene Ereignisse durch den Klimawandel verändern, kann man derzeit noch nicht abschätzen. Dazu ist die Erwärmungsphase einfach noch zu kurz. Bei kleinräumigen, kurzfristigen Starkniederschlägen, also starken Gewittern, hingegen muss man von einer Zunahme der Niederschlagsintensität ausgehen. Dies liegt daran, dass bei Gewittern der Wasserdampf, der lokal in der Atmosphäre ist, zum Abregnen gebracht wird. Die Luft kann bei höheren Temperaturen mehr Wasserdampf enthalten. Wer jemals in Italien oder gar in den Tropen in einen Gewitterregen gekommen ist, kann dieses physikalische Gesetz sicherlich durch eigene Erfahrung bestätigen.
Ein weiteres Phänomen kann und wird zu einer Veränderung der Witterungsabläufe in den mittleren und hohen Breiten der Nordhalbkugel führen: Dies ist der starke Verlust an arktischem Meereis, den wir in den letzten dreißig Jahren beobachten mussten. Dieser beträgt seit 1980 rund 15 Prozent während des Wintermaximums im März und beinahe 50 Prozent während des Minimums im September. Dabei geht es um Eisflächen von der Ausdehnung von mehreren Millionen Quadratkilometern. Diese Umwandlung von eisbedecktem Meer in eisfreie Wasserflächen spielt eine wesentliche Rolle im Klimasystem. Während des Sommerhalbjahres wird auf den eisfreien Wasserflächen viel mehr Sonnenstrahlung aufgenommen und in Wärme umgesetzt als auf den eisbedeckten Gebieten. Im Winterhalbjahr geben diese eisfreien Flächen wiederum diese Wärme an die Atmosphäre ab. Diese sich verändernden räumlichen Wärmequellen wirken sich auf die Lage und Beständigkeit der großräumigen Hoch- und Tiefdruckgebiete aus. Diese Hochs und Tiefs steuern aber den Wetterablauf der ganzen mittleren und hohen Breiten und damit auch das Wetter bei uns in Mitteleuropa. Derzeit sind die Untersuchungen, wie sich der arktische Meereisabbau auf die Witterung auswirkt, erst in den Anfangsstadien und die Ergebnisse sind noch nicht gut abgesichert. Es könnte jedoch sein, dass wir durch den Eisverlust zukünftig mit länger anhaltend gleichem Wetter zu tun haben werden. Eine derartige Entwicklung würde sich auf die Häufigkeit von Extremereignissen auswirken, da die Schwankungsbreite des Wetters zunehmen würde. Dass sich der Eisverlust auf den Witterungsverlauf auf der Nordhemisphäre auswirken wird, ist sicher, nur wissen wir noch nicht genau wie.
Durch die Erwärmung treten auch Veränderungen ein, mit denen wir im Allgemeinen gar nicht rechnen oder an die wir vor einigen Jahren noch gar nicht gedacht haben. Ein Beispiel dafür ist der weltweite Saatguttresor im arktischen Svalbard. Dieses Samenlager wurde im Jahr 2008 angelegt, um die Biodiversität der Erde sicherzustellen. Für das Lager wurden 200 Meter lange Stollen in den Permafrostboden von Svalbard gebohrt, in denen bis zu 4,5 Millionen Samenproben bei konstant niedrigen Temperaturen sicher gelagert werden können. In diesem Lager sollen sie vor Naturkatastrophen oder Kriegen geschützt werden, um bei Bedarf die genetische Vielfalt der Erde wiederherstellen zu können. Ende 2016 kam es in Svalbard zu einer ungewöhnlich warmen Wetterphase, die im Bereich der Stollen zu Schmelzwasserbildung führte. Derartige Prozesse waren bei der Planung der Anlage nicht berücksichtigt worden, weil es diese davor so nicht gegeben hat. Daher musste die Anlage mit Wasserpumpen und wasserdichten Schutzwänden nachgerüstet werden.
Ein weiteres Beispiel für Veränderungen, an die man nicht sofort denkt, wenn man von Erwärmung spricht, sind die Probleme beim Schutz von Kulturgütern in historischen Gebäuden. Durch die Erwärmung und den höheren absoluten Wasserdampfgehalt in der Atmosphäre ändert sich auch das Innenraumklima alter Kirchen, Klöster und Schlösser. Ein stabiles Innenraumklima mit möglichst konstanter Temperatur und Luftfeuchte ist aber essenziell für den Schutz der Mauerfresken, Gemälde, Textilien, Bücher und Skulpturen. Erste Untersuchungen haben gezeigt, dass speziell im Mittelmeerraum und in Mitteleuropa mit einem Anstieg der Schimmelbildung aufgrund des steigenden Wasserdampfgehaltes in der Luft gerechnet werden muss. Lösungen für diese Probleme müssen für jedes Gebäude individuell gefunden werden und sind manchmal wegen der Kosten nicht umsetzbar. Dann kann man nur die Originalkunstwerke in Sicherheit bringen und vor Ort durch Reproduktionen ersetzen. Viele nicht so bedeutende Kunstwerke werden aber dem Klimawandel zum Opfer fallen.