Читать книгу Pussy-Katzerl - Hellmuth Sudheimer - Страница 12

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Zuhaus


Wir sind im neuen Heim. Herrenlos, heimatloswaren wir, jeder konnte uns totschlagen. Aber wir verzweifelten nicht. Durch Freundlichkeit, nun ja, auch durch unsere schwarze Zierlichkeit haben wir die Herzen der Zweibeiner erobert. Und ein Zuhause. Ob Pussy ein wenig davon empfindet? Sie merkt es mit der Zeit. Und ist nicht undankbar.

Bald kommen die Zweibeiner, die vorher ob schweren Schicksals oft so traurig waren, tagsüber nicht mehr aus dem Lachen heraus. Wegen des kleinen schwarzen Kobolds.

- Eine Tür schließt sich, die Zweibeiner stehen. Noch haben sie ihre Mäntel nicht abgelegt, da öffnet sich das finstere Taschengefängnis. Eine Hand greift einem um den Leib, und freundlich wird man auf seine vier Beine gesetzt. Man quittiert das mit dem steil aufgerichteten Schwänzchen, das an der Spitze eine kleine Rundung schlägt. Ach so kurz ist das Schwänzchen noch. „Ich danke schön!“ will es ausdrücken, aber auch: „Ich bin noch ein bisschen verlegen.“

Pussy steht, blickt sich um. Wie fremdartig ist das alles wieder. Sie beschnuppert den Linoleumboden, mustert die Umgebung.

So, so. Ringsum offene Türen, dazu ein langer Flur. Also los, Schwänzchen hoch, gehen wir auf Entdeckungsreisen. Und Pussy nimmt von „Ihrer“ Wohnung Besitz.

Bald hat sie´s heraus: Man kann durch den Flur und anstoßende Zimmer jagen, weit hin, im Katzengalopp, wie herrlich. Tausend Ecken und Winkel sind da, in denen man sich verstecken kann. Möbel stehen an den Wänden, man verkriecht sich darunter, wenn die Zweibeiner böse werden. Man kann auf Sessel klettern, auf Stühle springen, auf Sofas, ja sogar auf den Betten umhertollen.

Eine Sessellehne lockt. Pussy klettert hinauf, blickt zum Herrle hinüber mit einer Frage in den Augen: Was wird er sagen? Und sagt er nichts, bleibt man sitzen und philosophiert über den Blick von oben auf die Welt, der bei Mensch wie bei Tier so ganz anders ist als der von unten.

Von dort oben hinunterzuspringen, dafür sind wir anfangs noch zu klein. Vorsichtig klettert und hangelt das Katzenkind herab. Wenige Wochen weiter sind wir größer, da können wir es: ein Katzensprung in die Tiefe, wir landen ja immer auf unsern vier Beinen.

Wieder und wieder taucht das schwarze Köpfchen, das Näschen hinab zum Fußboden, hinauf an die unteren Kanten der Schränke, überall muss man entlangschnuppern. Es gibt hier noch so unendlich viel Unbekanntes für unsere kätzische Neugier. Dazu hat man täglich „seine“ Wohnung von neuem zu inspizieren, ob sich nicht etwas verändert hat. Pussy tut es mit sachlichem Ernst. Sie ist sehr beansprucht.

Ihre geschmeidigen und eleganten Bewegungen verlocken die Zweibeiner immer wieder zu Zärtlichkeiten. Saust sie dahin, Schwänzchen hoch, im Galopp, hat sie etwas Burschikoses an sich. Kraulst du ihr das schwarze Bäckchen, und sie mags nicht, hebt sie possierlich das Pfötchen und schiebt deinen Finger weg.

Da schreibt das Herrle soeben mit der Maschine: Pussy, auf dem Tisch, was sagt man, versucht ebenfalls auf die Tasten zu drücken: welch interessanter Apparat! Sie kriecht drum herum, Herrle über die Hände: Man muss das geheimnisvolle Ding so nah wie möglich untersuchen.

Dann geht’s wieder durch die Zimmer. Aber da ist ein Raum, in den man nur manchmal zusammen mit Fraule oder Herrle hineindarf. Sonst ist es verboten. Besonders die vielen Blumen und Pflanzen am Fenster reizen Pussy. Man schnuppert und knabbert daran, aber gerade das regt`s Fraule furchtbar auf. „Pussy, raus!“ heißt es dann, und schnell ergreift das kleine Schwarze, Schwänzchen lang, die Flucht, -- beileibe aber nicht „raus“. Denn gerade in diesem Zimmer stehen Kisten und Kästen, Schränke, Stühle, andere Möbel, hinter und unter denen man unsichtbar wird. Da hat Pussy bald ihre feste Taktik: zuerst fährt man unter das Sofa dort. Hinter den Kartons, die darunter stehen, kann man sich schon beinahe geborgen fühlen. Aber dann tappt der Riesenfuß eines Zweibeiners heran, rappelt an den Kartons, und unsereins, ein kleines Katzentier, erschrickt. Rasch flieht man hinten unter dem Sofa entlang, und wenn`s wieder rappelt, rüttelt, schimpft, hinaus um die Ecke in den Flur. Das Herrle sucht noch lange in dem Zimmer, wir aber sitzen in Deckung unterm Stuhl im Flur – und amüsieren uns über den tollpatschigen Zweibeiner, der uns nicht findet. Kaum aber kommt der aus dem Zimmer heraus, will uns gar fangen, schwupp, ist man wieder drin.

So geht das Spiel eine Weile, es ist gar zu schön. Bis plötzlich die Tür geschlossen wird, und – Pussy sitzt allein im Zimmer.

Nun, für ein Weilchen ist das ganz interessant. Man kann in dem geheimnisvollen Raum mal so ein bisschen umherschnüffeln. Vor den Blumen am Fenster freilich – ein schiefer Blick hinauf – haben wir jetzt etwas Respekt. Wenigstens für die nächste halbe Stunde. Für später können wir nicht garantieren. Allerdings die Watschen, die dann drohen – manchmal erinnern wir uns daran. Aber wir hätten nicht unsern kätzischen Eigensinn, wenn wir uns von Verboten und Strafen für immer einschüchtern lassen sollten. Mal wieder probieren, Schwänzchen hoch, als ob wir von nichts wüssten, denkts Viecherl dann. Vielleicht ists heut nicht verboten. Jetzt sitzen wir ja auch in dem sonst verschlossenen Zimmer.

Bald bekommt man wieder Sehnsucht nach den großen Spielgefährten, diesen Erwachsenen, die da Kinder werden mit dem Kätzchen. Man lässt ein klägliches „Mih! Mih!“ ertönen, wir verstehen das prächtig, ein wunderbares Kinderweinen, es ist uns ja auch schon bitterweh ums kleine Katzenherz. Alsbald öffnen dann die Zweibeiner die Tür, vor Mitleid mit dem Ungetümchen, ach nein, sie wollens nicht wahrhaben, nur aus Sorge um die Blumen. Schmeichelnd, das Schwänzchen aufgerichtet mit Ringelspitze, als ob nichts gewesen wäre, betritt Pussy wieder die Szene.

**********


Da sitzt das Herrle am Schreibtisch und arbeitet. Pussy hat am Boden gespielt. Eine Schnur hing vom Stuhl herunter, mit der hat man gerungen, sie pendeln lassen, mit scharfen Augen und vorgestülpten Gucköhrchen beobachtet, was dies komische lange Tier tut. Man hat sich auf die Hinterbeine gestellt, sich blitzschnell gedreht, um das Schnurtier zu fangen. Schließlich hat man´s heruntergezerrt, in den Mund genommen, lang schleppts hinterher, und so ist man durchs Zimmer gezogen, beschäftigt und mit sehr ernsthaftem Gesicht.

Jetzt haben wir – zunächst – genug.

Wir ruhen uns ein wenig aus, lümmeln lang auf dem roten Teppich legen uns auf den Rücken, rollen uns mal links, mal rechts, recken uns, gähnen, üben die Krallen am Teppich, bis ein neuer Streich fällig wird.

Beim Herrle bewegt sich etwas, die schreibende Hand. Pussy richtet ihre kleinen Dreieckslauscher nach vorn und späht scharf hin. Mit dem Klettern auf Herrles Korbsessel ging es zwar in der ersten Zeit, als man noch klein war, etwas mühsam, aber jetzt ist man schon lange soweit: ein kleiner Sprung, und man sitzt neben Herrle, fährt ihm einmal aus lauter Freundschaft mit dem Schwanz durchs Gesicht und lässt sich kraulen und streicheln. Doch auch der Schreibtisch – wie interessant! Da liegen knisternde Papiere, und auch die Stifte sind ein wunderbares Spielzeug.

Am liebsten aber sitzen wir als sehr großer schwarzer Tintenfleck am Fensterende des Schreibtisches auf ein paar Zeitungen in der Sonne. Draußen sausen wieselhaft die Autos vorbei, die Straßenbahnen dröhnen den glitzernden Schienenweg entlang, aber glücklicherweise sind all diese Ungeheuer fern genug, wir brauchen vor ihnen keine Angst zu haben.

Das Flitzespiel da draußen bleibt immer das gleiche. Also ringeln wir uns zusammen und riskieren neben Herrles Arm auf dem Schreibtisch ein Schläfchen

Die Zeitungen liegen schief, und gleich nebenan stehen ein paar Blumentöpfe. Langsam rutscht der kleine schwarze Körper an die Töpfe heran und bedrängt sie. Da kommt Frauchen herein. „Pussy“! ruft sie warnend. Und schon ist das Unglück geschehen. Der plötzliche Ruf hat das Katzerl aufgeschreckt, es springt auf, bums, liegt einer der sonst so sorgsam gehüteten Töpfe zerbrochen am Boden. Pussy aber sonst etwas ängstlich durch die offene Tür von dannen in irgendeinen versteckten Winkel. Das wissen wir längst schon: Wirft man etwas herunter, kracht es gar, dann hat es gekracht, und die Sache endet gewöhnlich mit ein paar Watschen. Die sind nicht gerade angenehm.

Es ist nochmal gut gegangen. Die Zweibeiner sehen gern ein, dass sie mit Pussy zuweilen Fehler begehen.

**********

Pussy hat es jetzt heraus. Auch auf Herrles Schoss lässt sich‘s warm sitzen. Also klettern wir hinauf. Versuchen wir das an den Hosenbeinen. „Au!“ schreit Herrle. Die Krallen schlagen durch bis in sein Fleisch. Das hat Pussy nicht gewollt. Erschrocken ob des lauten Rufs weicht sie zurück. Nun, dann geht es eben am Stuhl hoch. So ists recht. Und schon kuschelt sich das weiche, warme Schwarze auf den Knien ein und spinnt. Auch hier ist man geborgen und beäugt ruhevoll die Umwelt.

Nach einer Weile richten wir uns wieder auf, man beschnuppert das Papier, auf das Herrle schreibt, kaut auch einmal ein bisschen daran. Nein, schmeckt nicht. Doch da erblicken wir einen noch höheren Aussichtsplatz. Also hinauf, auf Herrles Schulter. Ah, wunderbar hier oben. Man schaut ein wenig zur Zimmerdecke hinauf, zum Fenster hinaus in die Weite. Nun ja, das gibt schon Abwechslung, wir sind ja bescheiden. Doch die Schultern des Zweibeiners schaukeln mal hin, mal her. Das ist ja beinahe hoher Seegang, den wir freilich noch nicht kennen. Es ist heut nicht auszuhalten, also steigen wir wieder hinab, langsam und ohne unserer schwarzen Würde etwas zu vergeben.

Zudem wird eine große Katzenwäsche fällig. Gut, besorgen wir sie auf Herrles Schoss. Herrle ist gerührt ob so starken Vertrauens. Da sitzt doch das Katzerl auf den nicht immer ganz ruhig stehenden Menschenbeinen und leckt sich seine schwarze Hemdenbrust, reckt ein Hinterbeinchen nach vorn hoch und wäscht mit dem rosigen Zungenwaschlappen die Innenschenkel, dreht sich ein paarmal auf seinem Sitzplatz, setzt sich bequem und schnurrt, während die warme Menschenhand das Fellchen krault: Hier sind wir sicher, hier ist gut sein.

Pussy-Katzerl

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