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Liebe auf das erste Blinzeln


An der Hauswand auf der Straße streicht uns das kleine schwarze Etwas entgegen. Gerade ein wenig größer als eine Ratte ist es. Fröhlich hat es sein Schwänzchen hochgerichtet, ein schief geratenes Ausrufungszeichen. Das untere Ende davon, der „Punkt“, ist ein bisschen quergerutscht, das Ganze pechkohlrabenschwarz und wahrhaftig ein Katzerl, wie man hier im Bayerischen Walde sagt. Hallo, das ist die Welt! Spricht das Schwänzchen, es ist wirklich nur erst ein Schwanzerl. Ein zärtliches „Mih! Mih!“ piept sein junges vierbeiniges Anhängsel: Hier, da bin ich! Womit es uns freundlich anblinzelt. Mehr vermögen wir ja nun eben noch nicht, als gerade etwas zu piepen und blinzeln. Halb geschlossen sind noch die kleinen Augen Aber gewiss, die Welt ist gut, nicht wahr, ihr großen Zweibeiner, und ich will sie mir erobern.

Nun, sie hat uns erobert. Und wie. Schon hab ich sie beim Wickel. „Hast dich verlaufen, Kleines?“ sagt meine Frau. Der schwarze Punkt denkt nicht dran. Ich bin hier richtig. Widerstand? Diese Kinderkatzenseele ist offenbar erfüllt von einem göttlichen Vertrauen auf die ach so böse Welt. Keine Ahnung vom bethlehemitischen Ertränkungsmord unzähliger Kätzchen alle Jahr im Frühling. Hier, Stein und Kätzchen in den Sack, zugebunden, weg damit ins tiefe Wasser.

Wer kann gegen so viel Zutrauen widerstehen. Wir nicht.

Doch in der Welt geht es geregelt zu. Hat alles seine Bürokratie, ich glaube, auch die Ameisen haben eine. Also strenges Examen. Wo kommst du her, wo willst du hin? Aus einem breiten grauen Torweg, der schon ein paar hundert Jahre das Gähnen und daher die Maulsperre hat. Darin hockt, seitwärts in einer türverschlossenen Höhle, eine Schustergesellschaft.

„Gehört Ihnen vielleicht das Viecherl?“ frag ich.

„Naa!“, echt bayrisch. „Is zuglaafa! Ghört neamand. Woin Sie`s ham? Kennens mitnehma!“

„Dank schö! Scho recht!“

So hat sie uns beschlagnahmt. Wir sind unweigerlich adoptiert. Schon hat meine Frau die weiche schwarze Ratt` an der Brust unter der Wolljacke und streichelt das Seidenfellchen. Nicht schlecht, denkt die Kleine und rührt sich nicht. So gut hab ich`s lang nicht gehabt.

Aber Frauchen ist besorgt. Da muss doch jemand im Haus der Miezi Milch gegeben haben?

Gewiss, aus Mitleid, sagen die Schustersleut.

Frauchen hat Angst. Könnt nicht jemand den Findling zurückfordern? Fraule hat das weiche Warme an ihrer Brust bereits lieb. Sie birgt es vor den Leuten. Wir sind selbst zum Diebstahl schwer entschlossen. Zum Katzendiebstahl. Wir stehlen keine kleinen Kinder von der Straße, aber ein junges Katzenstromerchen. Ein „-chen“, muss man schon sagen.

Warm schlägts im Herzen der Frau. „Behalten wir`s?“ „Ja!“ sagt er, nämlich ich. Ein Manneswort. Denn auch ich …, nun ja. Wie lange wünschen wir uns schon einen stolzen Siamkater. So einen edlen, blauäugigen Aristokraten. Aber so kommt es. Da flammt die Liebe auf, und statt des teuren siamesischen Tempelherrn tut`s auch eine Feld-, Wald- und Wiesen-Hauskatz. Wo die Liebe hinfällt. Sie ist für die Katz. Für die Katz schlechthin.

Auch fürs Katzerl. Könnts nicht – mein Bruder, meine Schwester sein? Sie ein Mensch, und ich die Katz, wenn die Entwicklung von den Urzellen her andersrum gegangen wär? Wie sagt die indische Lehre Buddhas: Auch im Tier ist eine Seele auf der Wanderschaft durch viele Wiedergeburten zur Vollendung.

Kätzchen, hast du eine Seele, wiedergeboren aus einem Menschen? Oder willst du vielleicht einmal, in späteren Jahrmillionen ein Mensch werden?

Und ob sie eine Seele hat. Eine recht komplizierte sogar. Wir bekommens noch zu spüren, Ihr Leid und Freud einer Katzenseele.

Aber wer kann auch Ihro Lieblichkeit, diesem jungen, hübschen, schwarzen Teifi wiederstehen. Weich und klein die schwarzen Katzenkinderpfötchen, schwarz ist alles an ihr, von der kleinen frechen Stupsnase bis zur Pinselspitze des Schwänzchens. Warm und lebendig dazu in all ihrer Kleinheit. Man fühlt das Herzchen gegen die dünnen Rippen pochen. Jetzt schnurrt das Viecherl gar. Hier bin ich, an Frauchens Busen, hier bleib ich. Liebe auf das erste Blinzeln. –

… Frauchen hat gerade die englische Tour. Wir müssen die Kleine taufen. Pussy soll sie heißen, entscheiden wir. Wie die geliebten Mausekatzen in England. Nicht Murr, wir wissen ja auch noch nicht, ob`s ein Katerle ist. Nicht Spiegel, wie Gottfried Kellers schlauer Märchen-Katzenherr. Wir gehören keinem Hexenmeister. Nicht Ypsilon, wie jener liebenswürdige Österreicher Ginzkeys. Und gestiefelt sind wir schließlich auch nicht. Außerdem waren das alles Kater. Pussy passt immer, auch für Katzen-Evas. Also Pussy, damit wären wir getauft.

Pussy-Katzerl

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