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Kapitel 5

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Obschon Hanna von der Sache, die sie betraf, kaum etwas verstanden hatte, spürte sie, daß die Stimmung zwischen den beiden Erwachsenen getrübt und vonseiten Isoldes gegen sie gerichtet war. Sie ging zwischen beiden die Hauptstraße ins Hotel zurück, wo sie mit ihrer Pflegetante ein Doppelzimmer bekommen hatte, während Morak ein Einzelzimmer bewohnte; für ein paar Tage, wie er meinte. Ob in dieser Zeit eine Entscheidung fiel, für oder gegen sie, als Haupterbin, lag bei den beiden Erwachsenen, die auf dem Rückweg bedrückt und in Gedanken versunken schwiegen. Erst beim Empfang, als sie die Zimmerschlüssel beim Portier erhoben, schlug Morak vor, sich in einer halben Stunde im Vorraum des Hotels zu treffen, und ein Lokal zum Essen aufzusuchen.

»Rufe deine Schwester an«, riet er ihr, »ihr beide werdet ja wohl allerlei zu berappeln haben; sie wird ein Wörtchen mitreden wollen.«

Seine Schwägerin nickte, dann sagte sie in einem wärmeren Ton zu Hanna: »Na, dann komm mal, armes Tier, was machen sie bloß mit dir?«

Es klang wie, was machen wir bloß mit dir. Um ihren Ruf hätte sie sich nicht sorgen müssen. Ihr Schwager Morak war weit entfernt, einer Änderung des Testamentes große Wirkung auf sein und Hannas Leben beizulegen, zumal der Erlös aus dem Verkauf, sollte es dazu kommen, seinen Pflegling nicht bis in die aschgraue Ewigkeit sicherstellen würde. Umso mehr erwartete er von dem Treffen mit seiner Künftigen, wie er sie nannte, die er nur vom Bild her kannte, deren Briefe er empfangen und unbeholfen beantwortet hatte, und deren Stimme am Telefon ein angenehmes Gefühl in ihm weckte. Als die bei den Frauen nach unten in die Hotelhalle kamen, waren sie äußerlich verändert. Isolde trug ein elegantes Kleid unter ihrem Pelz, hatte Hanna nach ihrem Geschmack zurechtgemacht, und dem blassen aufgedunsenen Gesicht der Jungen mit etwas Farbe aufgeholfen. Man hätte sie leicht für Mutter mit heranwachsender Tochter halten können. Die hier in die Rolle der Mutter geschlüpft war, schob ihren Arm unter den des jungen Mädchens, und führte sie gleichsam dem wartenden Vater zu. Sie brachen auf und fanden in der Nähe ein billiges, schwach besetztes Lokal, bestellten etwas verspätet Mittagessen und Getränke. Noch während des Essens bemerkte Isolde, daß auch ihm an der Verbesserung dieses Testamentes liegen müsse.

»Ich verstehe meine Schwester überhaupt nicht mehr; was hat sie sich dabei gedacht? Nicht nur wir als Schwestern, auch du bist von ihr ja völlig übergangen worden! Habt ihr euch denn nicht mehr verstanden?«

Er erklärte, daß er als Ehemann und nunmehr Witwer auf einen gesetzlichen Anteil, vielleicht infolge der Gütertrennung, keinen Anspruch mehr habe und somit aus der Sache ganz heraus sei.

»Wieso denn? Eure Gütertrennung kam doch unter ganz anderen Voraussetzungen zustande! Du hast meine Schwester vielleicht vor Schaden bewahren wollen. Oder? Wenn ich recht erinnere, gab es nicht noch einen zweiten Prozess.«

Den hatte es in der Tat gegeben. Als Schuldigem war ihm vom Gericht materielle Wiedergutmachung auferlegt worden, an der sich Maria damals nicht beteiligen musste, auf Grund der inzwischen beschlossenen Gütertrennung. Ihn hatte es damals gewundert, daß die Zivilkammer diese nachträglich erfolgte Trennung anerkannte und ihm allein die Tilgung der Kosten zusprach. Die durch ihn getötete Frau hinterließ einen Mann und zwei Kinder. Übrigens hätte er damals seine Frau, die nunmehr unter der Erde ruhende Maria, verklagen müssen, um Herausgabe ihres Anteils zu seinen Gunsten prozessieren, wie ihm seinerzeit von seinem Anwalt bedeutet worden war.

Auf diese Mitteilungen hin fragte Isolde: »Und was musstest du damals zahlen?«

Da ihm diese Fragerei lästig wurde, nannte er die vom Gericht festgelegte Summe, eine Pauschale, für die er durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft, er saß zu der Zeit, ein Darlehen aufnehmen konnte, ein ziemlich ungewöhnliches Verfahren, aber heute nun, als all diese Dinge wieder zurückkehrten, stellte er bei sich fest, wie viele schwere Jahre hinter ihm und der Verstorbenen lagen. Ein Vorbestrafter, von dem sich mancher zurückzog, der vorher bei ihm ein und ausgegangen war, mit Schulden, ohne alle Möglichkeit, seine Lage zu verbessern.

»Und Maria hat sich gar nicht beteiligt? Sie wusste doch, daß du eigentlich schuldlos in diese Sache verstrickt gewesen bist? Stellst du denn gar keinen Anspruch an das Leben, Felix? Ihr habt ja beide Geld in das Haus gesteckt, wie ich erinnere.«

Er sagte bestimmt, aber freundlich: »Hör mir mal zu, Isolde! Was ihr beide, du und deine Schwester ausheckt, was ihr gegen dieses Testament unternehmt, das ist eure Sache. Mich lasst ihr dabei aus. Wie stehe ich da, wenn ich jetzt gegen Marias Testament klage? Übrigens habe ich gar nicht ganz verstanden, was der Rechtsanwalt mit der Erbengemeinschaft gemeint hat, und was sie klären wollen. Kann ich das Erbe nun in der Form annehmen oder nicht? Und falls ich es nicht annehme, was passiert dann mit Hanna und was passiert überhaupt? Hast du übrigens mit deiner Schwester Greta telefoniert?«

Sie zuckte die Schultern. »Aber weißt du, dieser Notar ist ein rechter Trottel, mit seinem einerseits, andererseits, einen vernünftigen Rat konnte er uns auch nicht geben.«

Sie nahm einen Stift aus der Handtasche und schrieb ein paar Zahlen auf die Rückseite der Speisekarte. »Das heißt, einen Anwalt und ein Gerichtsverfahren, was das für Kosten macht! Wie viel denkst du, werden wir für das Haus kriegen? Verfahrenskosten abgezogen, in vier Teile aufgeteilt, falls du auch Anspruch erhebst, Erbschaftssteuer; und wer weiß, was denen noch einfällt.«

Er lachte. »Ach, Isolde, macht das mal alles mit deinem Schwesterchen ab, da habt ihr viel zu rechnen. Und zu teilen.«

»Das ist auch so eine Geschichte«, fuhr sie auf. »Hätte Maria nicht verfügen können, wer was kriegt! Ich kenne doch meine Schwester!«

Er langte in die Brieftasche mit vom Gebrauch krummgebogenen Ecken, nahm ein Bündel Briefe heraus und wog sie in der Hand.

»Sieh mal, wir haben uns schon viel geschrieben, sie mehr als ich. Sie ist einsam, der Mann ist ihr weggelaufen, ein Kind hat sie und gegen das große Mädel nichts einzuwenden. Ich denke, wir sind uns einig.« Er steckte den Daumen zwischen Mittel- und Zeigefinger. »Das brauche ich auch noch. Sollte es klappen, ist diese ganze Erbgeschichte für mich unwichtig.«

Er bemerkte ihren Stimmungswechsel nicht und war erstaunt, als sie mit lauerndem Unterton in der Stimme fragte: »Hast du ihr alles geschrieben? Die ganze Wahrheit?«

»Welche Wahrheit?«, fragte er, obschon er ahnte, was sie meinte.

»Daß dieses große Mädel, wie du sagst, ein bisschen, na, sagen wir, plemplem ist?«

Sie übertrieb, legte versöhnend die Hand auf Hannas Arm und streichelte ihn.

»Nein«, gab er kleinlaut zu, »deshalb habe ich mir doch gedacht, es ist besser, sie lernt uns gleich persönlich kennen. So hat sie keine Zeit für ein Vorurteil.«

»Vorurteil? Gott, du bist wirklich naiv. Mir ist, als lerne ich dich erst heute richtig kennen. Siehst du«, sie legte Nachdruck in ihre Worte, »und ausgerechnet ich soll dir bei der Künftigen, falls sie das jemals wird, woran ich stark zweifle, falls sie ein bisschen Verstand hat, als Feigenblatt und Gouvernante dienen?«

»Ja«, bekannte er aufrichtig, »so ungefähr.«

Sie überlegte. "Ich? Ich alte böse und falsche Schlange? Vielleicht wäre das ein Ausweg aus dieser Erbschaftsgeschichte. Ich werde dich schon noch dazu kriegen, das Ding wieder ins Heim zu bringen. Wie hast du gesagt? Sie machen einen Lehrvertrag mit ihr? Na, das wär's doch, und du könntest ein neues Leben anfangen, ohne Klotz am Bein.«

Felix Morak / Meschkas Enkel

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