Читать книгу Die blaue Barriere - Helmut H. Schulz - Страница 7
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ОглавлениеIch hatte das Gefühl, irgend was stimme mit dieser Reise nicht, obwohl alles wie gewohnt verlief. Das Wetter entsprach der Jahreszeit in dieser arktisnahen Breite. Tagelang umgaben uns dichte Nebel, dann wieder trieb der Sturm die grauen Schleier auseinander. In Grönland und in Kanada herrschten, den Wettermeldungen nach, strenge Fröste. Ende Januar fischten wir zusammen mit anderen in der Labradorsee, westlich von Kap Farvel, aber wir fingen eher mäßig als gut. Über Radio Fangplatz tauschte zur regelmäßigen Programmzeit der Instrukteurkapitän auf dem Basis-Pott mit seinen Trawlerführern Gedanken aus. Viel war da nicht auszutauschen ...
Bei Gelegenheit nahm ich Clems Stelle am Jagdsitz ein. Träge schrieb der Zeiger seine Striche; bis hinunter zum Meeresgrund eine schöne Öde. Stumpfsinnig glotzte der B 5, der Erste Offizier, unser Nautiker, dem Rudergänger über die Schulter. Flaue Stimmung auf der Brücke. Clem besah sich das Echogramm und seufzte.
Aber diese Dinge hatten mit meinem Vorgefühl nichts zu tun. Ich tat meine Arbeit, Clem und alle anderen taten die ihre, nichts war unnormal, kein Taktfehler im üblichen Kreislauf.
Allzu oft dachte ich aber an etwas Unerledigtes, was in der Schwebe hing, und ich wünschte, diese offene Frage wäre entschieden. Kurz vor dem Auslaufen hatte ich dieses Gefühl der Verlassenheit nicht gehabt. Es wuchs erst mit der Entfernung von der Heimat und der Dauer der Fangzeit.
Mein Unbehagen hatte also mit der Reise selbst gar nichts zu tun. Der Fang hätte besser sein können, das Wetter freundlicher und die Arbeit leichter, aber das alles war es nicht, was mich quälte, sondern meine ungelösten persönlichen Probleme ...
Ich sah zu, wie Clemens Gib den Klunker auf seiner roten Wollmütze festnähte. Richtige Knoten machen, spleißen, bekleeden und nähen, gleich ob Tauwerk oder Draht, das können nur noch wir Fischer.
"Hast du was?" fragte ich, als er mir zu lange schwieg. Er habe den Eindruck, sagte Gib, ich würde jetzt lieber woanders sein als bei ihm. Wenn mir seine Gesellschaft nicht passe, dann könne ich die nächste Reise wieder auf meinem alten Kahn machen. So launisch kenne er mich eigentlich nicht, und er kenne mich doch schon ziemlich lange. Ich antwortete, seine Gesellschaft passe mir schon, und es wäre ja überhaupt nur von einer Reise die Rede gewesen. Er suche bloß wieder Streit.
"Immerhin bist du verändert, redest mit keinem, bloß mit dem Steward, wie ein Passagier erster Klasse."
Da erzählte ich ihm von dem Lampionfest bei EM und von den Folgen für mich, von Melitta.
"Die Geschichte hängt mir wie Blei an den Sohlen."
"Darüber würde ich mir an deiner Stelle keine Gedanken machen", sagte Clemens Gib. "Wenn sie in Ordnung ist, wird sie auf eine solche Pfeife, auf diesen Schönwetterangler EM nicht hereinfallen. Sie wird froh sein, mit ihren zwei Gören einen Mann wie dich erwischt zu haben, jung, schön, stark und solide."
Er setzte die Mütze mit dem festgenähten Klunker auf und suchte sich eine andere Näharbeit.
"Vielleicht wärst du lieber Schneider als Fischer geworden," sagte ich. "So was gibt es. Man nennt das eine heimliche Liebe, sie wird manchmal erst spät entdeckt."
Clem sagte: "Und für heimliche Liebe bist du der Fachmann, was? Pass lieber auf, deine Uhr tickt!"
Es kam ein verschlüsselter Spruch durch, den wir erst nach einigen Rückfragen mit dem Fangleiter See enträtseln konnten. Also: Mächtig Fisch auf der Breite von reichlich fünfundsechzig Grad Nord und so um sechzig West, nahe dem Polarkreis.
"Die wollen ja hoch hinaus", sagte Clem verdrossen, "da liegen wir ja fast vor Baffin Bay."
Ganz so war es nicht. Clem übertrieb. Aber er musste sich wohl erst in Schwung bringen, um an diesen Funkspök zu glauben.
Ich ging für einen Augenblick raus und stellte mich mit dem Gesicht zum Fangdeck. In der Aufschleppe hing, wie uns zum Hohn, ein schlapper, leerer Steert mit dem dünnen Stander. Solch ein Steertstander kann an die zwanzig Tonnen Fisch fassen, und das Hieven ist ein Kunststück der besonderen Klasse.
Ich griff mit zu, als der Bestmann mit ein paar vertörnten Leinen nicht klarkam und erzählte ihm, was anlag. Wir klönten noch ein bisschen, wie es sich ergab ...
Die abendliche Wintersonne war durchgebrochen. Wie häufig nach einem stürmischen Tag auf der Nordhälfte unseres Planeten hatte sich das Wetter zum Abend hin ausgetobt und bot uns Versöhnung an. Der große Sonnenball stand knapp eine Handbreit über West, in einem gerade noch messbaren Winkel, wie ich mechanisch und nebenher feststellte. Zwischen uns und der Kimm hingen ein paar mächtige Dunst- oder Wolkenbänke, und eine dicke Nebelwalze lag davor. Wie eine breite glänzende Schleppe warf die Abendssonne ihr Licht über die graugelbe, hin und herschwappende See. Um unseren Trawler herum war das Meer noch in leichter Bewegung, eine lange Dünung hob und senkte, wiegte und schaukelte das dümpelnde, ohne Fahrt liegende Schiff. Um die Aufbauten fegte ein eiskalter Nordwest. Bald fror ich trotz der dicken Sachen und trat den Rückzug ins Warme an, um mit Clem den abgebrochenen Disput über Weibertreue fortzusetzen. Als ich das Brückenschott hinter mir zuzog, ging ein Ruck durch das Schiff. Es stellte seinen Bug etwas auf. Wasser begann wie ein Mühlbach zu rauschen und längs der Bordwände zu waschen. Vorn stand jetzt eine schäumende Bugwelle, wie der aufgerissene Rachen eines weißzahnigen Haies. Vierzehn Knoten, falls wir sie hier laufen konnten, sind eine ganze Menge für einen so dicken Verdränger. Was im Schiff dröhnen, tingeln und klirren konnte, das dröhnte, tingelte und klirrte auch. Der Rudergänger ließ keinen Blick mehr vom Kompass, indessen Clemens Gib nervös auf und ab ging. Ziemlich rasch fiel Dämmerung ein, um in die tintenschwarze Nacht des winterlichen Nordens überzugehen. Ganz dunkel wird es ja nie oder nur sehr selten auf See. Geheimnisvoll gleißt und glitzert das Meer aus sich selbst heraus, eine Riesenschüssel, angefüllt mit funkelndem, stummem Leben. Es ist eine spannende Sache, in einer solchen Winternacht voll voraus zu fahren, wenn man dafür einen Sinn besitzt ...
"Eben nicht", sagte ich nach meinem Eintreten zu Clem, der sich nun mit Zirkel und Kursdreieck auf der Karte zu schaffen machte. "Du kennst sie nicht, die kann jeden Tag fünf Männer haben, wenn sie es nur will. Eine Richterin und ein Fischer. Mal was von Ausstrahlung gehört?"
"Wovon?" fragte Clem zerstreut. "Woher hast du denn bloß den Blahm?"
"Von nix eine blasse Ahnung und dann ein B 6!"
Er lachte und schickte sich an, eine Rede zu halten. Eine Frau könne haben, soviel sie nur wolle, ganz ohne sich anzustrengen, wenn sie unten und oben in Ordnung sei, meinte Clem belehrend. Ob er die hier nun kenne oder nicht, spiele gar keine Rolle. Ganz anders der Mann, der müsse ständig zeigen, was er könne. Derzeit handele es sich um eine wahre Schwemme von Geschiedenen mit Kindern, die täglich bloß nach einem suchten, nicht nach fünfen.
"Wenn man reifer wird, sieht man diese Dinge mit anderen Augen an," sagte ich, andeutend, dass auf Clems Erfahrungen nicht viel zu geben war.
"Darauf willst du hinaus", sagte Clem, "auf die paar Jahre Unterschied zwischen uns? Dann frag mich doch nicht, du Klugschieter."
Wir liefen ein gutes Etmal mit nördlichem Kurs und allem, was wir hatten, zu der neuen Position. Sicherlich lag auf ein paar Dutzend Schiffen oder Flotten trotz aller Geheimniskrämerei derselbe Kurs an. Übrigens war es längst noch nicht ausgemacht, dass der Spruch überhaupt stimmte. Im Fischereikrieg kam ein absichtlich irreführender Funkspruch alle Tage vor. Er leitet einen vielleicht dorthin, wo seit Urzeiten nie ein Fisch hingekommen ist. Solche Sachen zählen zu den gewöhnlichen Finten, und sie sind gerade das, was man noch erzählen kann, wenn man will, dass einem geglaubt wird. Reine Piraterie ist die nächst höhere, auch nicht sehr seltene Stufe bei dieser Regatta um höchste Erträge. Unsere Chiefs auf dem Basisschiff hatten die Sache hoffentlich auf Herz und Nieren geprüft. Mittags gab es taufrischen Kabeljau, zum Nachtisch Apfelkompott. Bei Windstille hatte sich der Himmel grün bezogen, ähnlich wie am Morgen nach dem Lampionfest.
Aber der andere Morgen damals, im April, war kühl und schön, blendend rein der Himmel, aprilgrün eben. Dieses Grün kam vielleicht durch die Nähe der See, die letzten Endes hier alles bestimmt.
Wir gingen ein Stück längs eines Anschlussgleises. Das Schottergestein glänzte feucht, und die Gräser waren nass vom Tau wie nach einem Regenguss. Melitta zog ihre Sandaletten aus und steckte sie in die Taschen ihres leichten Mantels. Mit nackten Füßen über nasses Gras zu gehen, das gefalle ihr, erklärte sie.
Ihre Zehennägel waren rot gelackt, und ich fand es sonderbar, dass jemand seine Fußnägel zuerst beschnitt, danach anstrich, um diese fein gemachten Zehen dem Straßendreck auszusetzen, anstatt sie in einem Futteral aufzubewahren. Aber es war nicht der einzige Widerspruch, mit dem Melitta ganz gut existierte, wie ich bald merken sollte.
Der Weg endete in einer breiten Straße. Bahnen und Busse fuhren schon. Melitta schlüpfte wieder in ihre Sandaletten, und wir warteten auf unsere Bahn. Sie kam und war vollgestopft mit Leuten, die zur Arbeit mussten. Einen Sitzplatz bekamen wir nicht. Ich hielt mich oben an einer Stange fest. Melitta reichte nicht ganz heran, so blieb ihr nichts anderes übrig, als sich bei mir anzuklammern. Da standen wir eng bei eng mit einander zugekehrten Gesichtern. Ich hatte ihre blanken Augen zehn Zentimeter vor, besser gesagt, unter mir, aber nur dann, wenn Melitta hochsah und mich anlächelte ... Mir schien es, als sei ich von einer Reise zu einer Frau zurückgekehrt, die ich sehr lange und gut gekannt hatte. Früher war ihr Haar vielleicht länger und heller gewesen, jetzt war es dunkel und kurz geschnitten. Nur dicht war es noch immer, so wie früher. Es gefiel mir. Die Haut über den Schläfenbeinen schimmerte bläulich. Auch die Nase war noch dieselbe, sie war klein, und sie bog sich etwas herunter auf einen vollen trockenen Mund, von dem sich die Schminke löste. In den Mundwinkeln standen feuchte Bläschen. So ähnlich dachte ich an diesem Morgen nach dem Lampionfest bei dem aufgeblasenen EM.
Aber zwischen den dichten Brauen, an den Mundwinkeln und am Hals zeigten sich bei Melitta die ersten Falten in dem sonst noch glatten, jetzt etwas übernächtigten Gesicht. Ich fühlte Melittas Körper von der Brust bis zu den Knien, und ich legte den Arm um ihre Schultern und streichelte mit dem Handrücken ihren Hals. Sie zog den Hals nicht weg, sondern legte den Kopf in einer zutraulichen Bewegung schief in Richtung meiner streichelnden Hand.
"Ich bin sechsunddreißig", sagte sie, als könne sie Gedanken lesen, "haben Sie das gedacht?"
Ich erwiderte, auf so alt hätte ich sie etwa geschätzt. Sie habe sich allerdings nur wenig verändert mit den Jahren, und die paar Veränderungen wären ganz ohne Bedeutung, müssten ihr sogar als Verbesserungen angerechnet werden, falls man es genau nehme.
"Hier müssen wir raus", sagte sie.
Wir zwängten uns durch die Menschen, die durchaus nicht rücken wollten, und ich stieg zuerst aus, um Melitta zu helfen. Wir gingen durch verschiedene kurze und längere Straßen einer noch ziemlich wüsten Neubaugegend. Es kann Klock fünf oder etwas früher gewesen sein. Ich fragte sie, ob sie sehr müde sei, und sie antwortete, ja müde wie ein Hund, aber es sei eine ganz schöne und angenehme Müdigkeit, ohne Schlafbedürfnis. Dann schloss sie die Haustür auf und sagte in einem anderen, alltäglicheren Ton: "Es würde auch gar nicht mehr lohnen, schlafen zu gehen, um halb sieben steht Anna auf, und ein bisschen später Torsten. So heißen meine Kinder." Wir gingen in die Küche und machten uns Kaffee. Melitta rauchte meine letzte Gitanes, die ermüdeten Füße mit den roten Zehennägeln auf einen Stuhl gelegt. Wir duzten uns jetzt wie alte Bekannte und ohne förmliches Angebot, das fremde Sie zwischen uns aufzuheben. Alles schien sehr einfach, bis zu der Frage, was sie für einen Beruf habe.
Während des Studiums hatten wir ein bisschen Seerecht büffeln müssen, wir alten Fischer, ohne besondere Lust, aber ich erinnere mich doch an ziemlich verwickelte Fragen, Modellfälle, wie uns der Dozent auseinandergesetzt hatte. Übrigens handelte es sich um das Angstfach der Leute, die hinauf wollten bis zum Handelsschiffskapitän oder noch weiter. Melitta bestätigte, dass es sich um ein problematisches Sondergebiet handelte.
"Leider gibt es immer nur Sondergebiete", sagte sie. "Praxisfälle, die den Modellen gleichen, sind selten, ungefähr so wie zeugungsfähige Ochsen."
"Gibst du was aufs Äußere?" fragte ich.
"Ja, natürlich", sagte sie, "jede Frau und jeder Mann tun es. Weshalb sollte ich eine Ausnahme sein?"
"Ja, warum?"
Aber ich freute mich doch, dass sie eine Einschränkung machte.
"Äußeres und Charakter müssen zusammenpassen," erklärte sie. "Auf den Charakter lege ich größeren Wert, vor allem aber suche ich die Ausstrahlung eines anderen, gleich ob Mann oder Frau."
"Ausstrahlung? EM hat eine enorme Ausstrahlung, nicht?"
Ich war gespannt auf ihre Entgegnung.
"Das ist jetzt nicht ganz fair", sagte Melitta.
"Vielleicht war es das nicht. Dir müssen die Männer doch nachlaufen", sagte ich, "so war das eben gemeint, und das wird wohl wahr sein." "Die ich haben könnte, passen mir nicht, und die ich will, sind nicht zu haben."
"Das alte Lied."
"Ja, das alte Lied."
Dann gingen uns die Zigaretten aus, und Melitta verschwand für einen Augenblick, um welche zu suchen.
Zurückgekommen, nahm sie den Gesprächsfaden wieder auf. Ich hätte eine falsche Vorstellung vom Leben einer Frau mit Beruf, welcher sei eine wichtige, aber nicht die einzige Frage für eine Mutter, die an zwei Kinder denken müsse, Kinder, die nicht von selber aufwüchsen, sondern Zeit und Nerven kosteten. Anzeigentexte wie: Kind kein Hindernis enthielten ja schon das Missverständnis, Kinder seien wie Zugaben.
"Sie sind die Hauptsache, sobald sie einmal auf der Welt, und sie nehmen sich, was sie brauchen an Kraft und Freizeit, wenn man alles einigermaßen gut machen will."
"Das klingt ziemlich bitter", sagte ich. "Liest du Anzeigen?" fragte ich.
Dazu wollte sie sich nicht äußern, war wohl überhaupt mit ihrem Garn für diesmal zu Ende. Sie hatte gesagt, was sie wollte; zur Warnung für mich? Vielleicht auch das. Wir schwiegen eine Weile. Melitta blickte zur Uhr, lauschte auf Geräusche. Ich hielt das für eine Aufforderung zum Gehen. Deshalb stand ich auf, fasste gewohnheitsgemäß nach den Utensilien der Zivilisation, Papieren, Schlüsseln, nahm meine Mütze und sagte: "Tja, dann werd ich wohl mal ablegen."
Mich interessierte es natürlich brennend, wie sie zu EM stand. Er schien sich ja bis gestern seiner Sache ziemlich sicher gewesen zu sein. Dass sie die Nacht nicht bei ihm geblieben war, musste nicht viel bedeuten. Sie hatte ja erklärt, dass sie für ihre Kinder da sein wollte. Andererseits hatte sie ihn ziemlich gleichmütig abblitzen lassen. Ihr Gerede eben passte übrigens schlecht zu seiner Vorstellung vom Sinn des Lebens. Was nun? Jede andere Frau hätte ich zum Essen, ins Kino oder sonst wohin eingeladen. Befangenheit hinderte mich, Melitta einfach zu fragen. Zwischen uns gab es doch einige Hindernisse mehr als EM, wie ich jetzt fand.
Mit fehlt es nicht an Selbstbewusstsein, aber es ist eins, das sich nur unter Gleichen entfalten kann. Bei Befahrenen galt ich was mit meinen Seestunden, da war ich ein guter Mann. Es fragt sich nur, wie lange man auf der Höhe bleibt. Unter Richtern und Anwälten hätte ich es vielleicht gerade bis zum Büroboten gebracht. Mir kam erst später der Gedanke, dass diese Überlegungen auch umgekehrt stimmten. Auf einem Schiff wäre Melitta höchstens gut für eine Stewardess gewesen, und vielleicht nicht mal das. Sie mir als Richterin zu denken, ging sowieso über meine Vorstellungskraft. Ich gedachte es schlau anzustellen, indem ich sagte: "Wenn du nachher mit EM sprichst, dann grüß ihn von mir. Sag ihm, dass er ein Glückspilz ist."
Sie lachte kurz. "Werd ich ausrichten. - Hör mal, Olaf, damit Klarheit zwischen uns ist, mit Erik bin ich befreundet. Falls er sich was anderes erhofft, so ist das seine Sache. Ein Mann, der mit sich beschäftigt ist, der hätte mir noch gefehlt."
"Wer ist es nicht?"
"Ich meine, er ist nur mit sich beschäftigt, mit seinen Auftritten, mit seinen Reisen und mit tausend anderen Dingen. Meine Kinder würden ihm ständig im Wege sein. Und er würde sich bald jeden Tag neu überwinden müssen, um mir seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, dass er nicht die Hauptperson in meinem Leben ist. Ich meinerseits würde mich zwischen Baum und Borke stellen, zwischen seiner und der Eifersucht meiner Kinder hin- und hertaumeln. Abschaffen kann und will ich sie nicht. Was für eine Ehe würden wir führen? Davon scheide ich ein halbes Dutzend im Jahr. Ich bilde mir ein, zu einer sehr kleinen Minderheit zu gehören. Ich kann aus den Fehlern anderer lernen."
"Willst du gar nicht mehr heiraten?"
"Natürlich will ich das. Ich bin auch Frau, nicht bloß Mutter, aber nicht Hals über Kopf und keinen so komplizierten Mann wie ... ach, verdammt! Ich fange an, dummes Zeug zu reden."
Eine Weile stand ich betroffen in der Küche herum. Melitta sagte nichts mehr, blickte aber wieder besorgt zur Uhr. Es ging auf halb sieben.
"Eine Einladung könntest du wohl aus all diesen Gründen nicht annehmen, was?"
"Was für eine Einladung? Komm heut Abend, wenn du willst, aber komm nicht vor neun. Vorher bin ich nicht ansprechbar!"
So lagen die Dinge am Morgen nach EMs Lampionfest, seiner italienischen Nacht. Eher schwierig, aber was ist schon leicht?