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Von der frühen deutschen Nachkriegszeit aufwärts

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Roman

Die Namen der Personen, Orte und Einrichtungen sind erfunden.

Hatte Vater recht oder unrecht? Konnte man hier überhaupt schlafen? War es nicht gefährlich, seine Wachsamkeit auch nur einen Lidschlag einschläfern zu lassen, wo der Tod jede Sekunde zupacken konnte? So dachte ich, als ich den Ton einer Violine hörte. Den Klang einer Geige in der stockfinsteren Baracke, wo die Toten auf den Lebenden lagen. Wer war der Narr, der hier, am Rande seines eigenen Grabes, Geige spielte?

Es musste Juliek sein. Er spielte einen Satz aus dem Beethoven-Konzert. Nie hatte ich so reine Töne vernommen. Und in solcher Stille! Es herrschte vollkommene Dunkelheit. Ich hörte nur die Geige, und es war, als diene Julieks Seele als Bogen. Er spielte sein Leben. Sein ganzes Leben glitt über die Saiten. Seine begrabene Hoffnung, seine veraschte Vergangenheit, seine erloschene Zukunft. Er spielte, was er nie mehr spielen würde.

Ich werde Juliek nie vergessen. Wie könnte ich ein Konzert vergessen, das vor Sterbenden und Toten gegeben wurde! Noch heute, wenn ich Beethoven höre, schließen sich meine Augen, und der Dunkelheit entsteigt das bleiche traurige Antlitz meines polnischen Kameraden, der von einer Hörerschaft Sterbender Abschied auf der Geige nahm.

Ich weiß nicht, wie lange er spielte. Als ich bei Tagesanbruch erwachte, erblickte ich Juliek, der mir gegenüber verkrümmt dalag, tot. Neben ihm lag seine Violine, zertreten, zertrampelt, eine kleine, wunderliche, erschütternde Leiche.

(Nach dem langen Marsch der ausgezehrten Häftlinge durch die Nacht bei dichtem Schneefall von Auschwitz nach Gleiwitz wegen Evakuierung des Lagers vor Ankunft der Roten Armee)

Elie Wiesel: “Die Nacht zu begraben, Elischa”


Die Baródins

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