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Werte werden an- und wieder weggefahren

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Dass was nah war mit der Zeit immer weiter in die Ferne rückt. Es vergeht nicht einmal ein Jahr, und die Dinge sind verschwunden, die einem lieb und sympathisch geworden sind.

Stattdessen stehen unerwartet Gestalten vor den Fenstern und den Türen, die noch verbogener als die alten Gestalten sind. Die neuen Gesichter, die die Menschen tragen, haben das Lächeln noch nie gekannt. Die Frage stellt sich mit der Morgendämmerung vors Fenster: Wo sind die letzten menschlichen Werte geblieben?

So farblos grau waren die Tage noch nie gewesen wie jetzt, wenn ein bloßes Lächeln die großen Wunder bewirkt, weil man sich die größten Dinge des Lebens nicht erkaufen kann. Menschen klettern auf offene Ladeflächen und suchen alle Ritzen und Winkel ab, ob sich da nicht doch noch Reste der Dinge des Lächelns festgesetzt, verhakt oder anderswie hängengeblieben sind.

Gefahren wird ja wie verrückt, und die Verkehrsdichte nimmt zu, dass man als Fußgänger die Straße kaum noch überqueren kann, ganz abgesehen von der Hauptverkehrszeiten, wenn einem schon beim Blick auf die flitzenden, qualmenden und hupenden Fahrgestelle der Schwindel befällt.

Es bleibt nichts anderes übrig, um die guten Zeiten, als die Menschen sich noch grüßten und beim Grüßen sich zulächelten, mit in den Traum zu nehmen, damit es einen guten Schlaf geben kann. Solche Werte müssen behütet werden, die dürfen nicht einfach wie Sand oder Zementsäcke aufgeladen und weggefahren werden, denn ganz ohne Werte lässt sich doch nicht mehr leben.

Die Morgendämmerung wird sich wiederholen, wenn es mit dem Leben weitergehen soll. Kindergesichter schauen von drinnen nach draußen durch die Fenster und suchen nach Gesichtern, die noch lächeln, das umso mehr nach dem schweren Traum, in dem das Monster nach ihnen griff, dass die Angst wie ein schwerer Stein die zarte Kinderseele quetschte.


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