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Okkultismus

Eng mit den Geheimlehren und dem Geheimwissen hängen auch der Okkultismus und der Obskurantismus zusammen, zwei Begriffe, die in Verschwörungstheorien – wie Geheimbünde insgesamt – eine gewisse Konjunktur haben. Der zweite Begriff wurde von Aufklärern des 18. Jahrhunderts als rhetorisches Mittel benutzt. Man verstand darunter eine oft metaphysische oder auch religiöse Denkweise, die im Gegensatz zu den Ideen der Aufklärung stand. Der Begriff Obskurität wurde vom lateinischen obscuritas (›Dunkelheit, Unverständlichkeit‹) abgeleitet. Nach 1790 wurde diese Bewegung von den Aufklärern als ›Obscurantismus‹ bezeichnet.

Unter ›Okkultismus‹ versteht man eine unscharfe Sammelbezeichnung für Verborgenes, Verdecktes und Geheimes, für Praktiken und weltanschauliche Systeme. Der Begriff fand auch für unterschiedliche esoterische Strömungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts Verwendung; bei den Gegnern des Okkultismus hatte er immer einen abwertenden Unterton, eine abwertende Konnotation. Schon im 16. Jahrhundert kam der Begriff ›okkulte Philosophie‹ auf. Wahrscheinlich ging er auf den Gelehrten Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim (1486–1535) zurück, der darunter die Elemente der Hermetik, des Neuplatonismus und der christlichen Kabbala zusammenfasste. Ein bedeutsamer Vertreter dieser philosophischen Richtungen war Giovanni Pico della Mirandola (1463– 1494), der wie Agrippa versuchte, das hermetische, hebräische und klassische philosophische Wissen zusammenzutragen, um es dann mit der christlichen Theologie zu verbinden. Diese okkulte Philosophie wurde zur Zeit der Renaissance zunächst durchaus positiv gesehen. Später stand sie unter starker Kritik und wurde wegen ihrer Theurgie denunziert: Gemeint ist ihre Lehre von Wundern mit Gotteshilfe bzw. der magischen Gestaltung zu guten Zwecken, die der kirchlichen Haltung widersprach.

In der Gegenreformation bekamen die Gegner des Renaissance-Neuplatonismus und der damit verbundenen okkulten Strömungen Aufwind. Im 16. Jahrhundert sprach man dann sogar von okkulten Wissenschaften; gemeint waren die Astrologie, Alchemie und Magie. Zur Zeit der Aufklärung wurde der Okkultismus als antiaufklärerisch abgelehnt. Die okkulten Spekulationen kulminierten in Helena Blavatskys synkretistischem Werk Die Geheimlehre (1888). Im 20. Jahrhundert wurde der Begriff Okkultismus dann sehr häufig synonym für das Wort Esoterik verwendet. Dabei haben sich zwei Richtungen herausgebildet: der empirische und der esoterische Okkultismus. Die erste Richtung beschäftigte sich mit okkulten Erscheinungen und wollte sie wissenschaftlich begründen, die zweite Variante setzte sich mit dem ›Geheimwissen‹ auseinander, das nur für Eingeweihte zugänglich war.


Helena Blavatsky (1831–1891), die Mitbegründerin der Theosophischen Gesellschaft

Schon im 19. Jahrhundert, dann aber besonders im 20. Jahrhundert wurde der Okkultismus als Gegenbewegung zur Moderne eingestuft und als vernunftfeindlich ausgelegt. Der deutsche Philosoph Theodor W. Adorno hat in seinen Minima Moralia (1951) von einer »Rückbildung des Bewusstseins« und von einer »Metaphysik der dummen Kerle« gesprochen. Andererseits haben Vertreter der esoterischen Strömung immer wieder Versuche gemacht, den Okkultismus auch als Bestandteil der Moderne darzustellen. Begründet wird dies mit dem Hinweis, dass die Okkultisten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts sich nicht gegen den wissenschaftlichen Fortschritt gestellt hätten. Zu dieser Richtung zählte auch Rudolf Steiner mit seinem theosophischen Denken.

Mit dem Okkultismus entstanden Verschwörungstheorien, die sich bis in die Zeit des Nationalsozialismus hielten. Auch Adolf Hitler wurde okkultes Wirken zugeschrieben; zudem hat man ihn mit dem Satanismus in Verbindung gebracht. Innerhalb des in der Zwischenkriegszeit und nach 1945 erschienenen Schrifttums vor allem über den »Nazi-Okkultismus« ist das Buch von Louis Powels und Jacques Begier, Aufbruch ins dritte Jahrtausend (1962), hervorzuheben. In dieser Schrift wurde die Behauptung aufgestellt, dass die Nationalsozialisten Kontakt zu einer geheimnisvollen unterirdischen Zivilisation hergestellt hätten. Die beiden Autoren behaupteten, in Berlin sei eine »Vril-Gesellschaft« mit dem Ziel gegründet worden, eine neue Menschenrasse zu schaffen. Auch die Thule-Gesellschaft habe dabei eine wichtige Rolle gespielt, indem sie geheimes Wissen vermittelt habe. Dabei berief man sich auf Kontakte der Thule-Gesellschaft zu einem geheimen Klosterorden in Tibet. Der »Okkult-Mythos« wurde nach 1945 zur Propagierung rechtsextremer Ziele instrumentalisiert. Dabei kam es zu einer Vermengung von Rechtsextremismus und esoterischen Lehren.

Okkultistische Lehren und Praktiken haben auch heute großen Einfluss auf die zeitgenössische Kunst. Schriftsteller und Künstler greifen immer wieder okkultistische Ideen und Erfahrungen auf. Auch Kinofilme widmen sich immer häufiger okkultistischen Motiven. Sogar die Alternativmedizin verwendet manchmal Praktiken aus dem Bereich des Okkultismus. Beispielsweise gibt es Filme über die Esoterik und die religiösen Züge des Nationalsozialismus sowie bestimmte Heilungslehren, die sich auf Planeten, Farben, Mondphasen, Edelsteine und Tierkreiszeichen berufen.

Geheimbünde. 100 Seiten

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