Читать книгу Keine Angst mehr vor Balladen und Inhaltsangaben - Helmut Tornsdorf - Страница 4

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2. Was sind Balladen überhaupt?

Als erstes wenden wir uns natürlich der Frage zu, was Balladen eigentlich sind.


Lüften wir also etwas den Vorhang und schauen ein erstes Mal in die Glaskugel der Wahrheit.


2.1 Die Ballade - eine Kombination aus drei "Ausgangsstoffen"

Balladen sind zunächst einmal Gedichte, das heißt sie zeigen sich in Versform, also verkürzten Textzeilen. Meistens gibt es auch Reime und einen bestimmten Rhythmus, wie es für viele Gedichte typisch ist. Das Besondere an ihnen ist aber dann, dass auch eine Geschichte erzählt wird - und die ist außerdem auch noch dramatisch, das heißt, es geht mehr oder weniger heiß her – und Schicksale nehmen ihren Lauf.

Der berühmte Dichter Goethe war übrigens so begeistert von Balladen, dass er die Gattung als „Ur-Ei“ bezeichnete. Damit wollte er wohl sagen, dass in ihr alles drin ist, was zu der Art gehört. In diesem Falle meinte er die Literatur damit. Wenn er heute leben würde, hätte er vielleicht eher von einer „Stammzelle“ gesprochen. Das sind schließlich die Körperzellen, aus denen sich alles Mögliche entwickeln kann, je nachdem, wie man damit umgeht. Noch passender aus heutiger Sicht wäre aber wohl der schöne Begriff: „Eierlegende-Woll-Milch-Sau“. Denn der besagt ja gerade in einer schönen Neuwort-Erfindung (Neologismus), dass etwas alles ist und alles kann.

Ganz gleich, ob die Ballade nur eher ein „Ei“, eine „Stammzelle“ oder gar eine solche EWMS ;-) ist, sie ist zusammengefasst: „ein dramatisches Erzählgedicht“. Auch in dieser Formulierung ist alles drin, was zur Literatur gehört. Nehmen wir als Beispiel die Volksballade „Die beiden Königskinder“. Sie beginnt in Versform so:


Es waren zwei Königskinder,

die hatten einander so lieb;

sie konnten zusammen nicht kommen,

das Wasser war viel zu tief.


In diesen ersten Zeilen wird schon deutlich, dass es ein Problem gibt und nach Lösungen gesucht werden muss. Leider gibt es dann aber auch noch eine „falsche Nonne“, die etwas dagegen hat, dass die Liebenden doch einen Weg zueinander finden.

Insgesamt hat man auch noch eine tragische Geschichte, in der ein kluges Mädchen sich einen Weg ausdenkt, den ihr Geliebter auch beschreitet. Als er dabei zum Opfer eines bösen Anschlags wird, bleibt seiner Freundin nur noch die Trauer – und die wird auf bewegende Art und Weise erzählt.


2.2. Und zwar - aus Lyrik, Epik und Dramatik

Leute, die sich mit Literatur auskennen, freuen sich deshalb besonders über Balladen, weil in ihnen alle drei Arten vorhanden sind, die Schriftsteller sich ausdenken können, um schöne Texte (Fremdwort: Belletristik) zu schreiben. Dichter können Geschichten erzählen – das Fachwort dafür ist „Epik“, sie können einen Konflikt sich ausleben lassen, das wäre dann die „Dramatik“. Meistens völlig anders ist die Lyrik, also wenn einfach Gedanken und Gefühle geäußert werden. Bei den Balladen nimmt man meistens nur die Form von Gedichten, der Rest ist dann Erzählung und Dramatik.

Zur Verdeutlichung noch schnell ein kleines Schaubild:


Der Autor greift gewissermaßen in drei Töpfe: Er beginnt mit einer Geschichte, die entweder schon Dramatik enthält oder sie bekommen kann. Dann wird das Ganze am Ende in Gedichtform gebracht – und schon ist die Ballade fertig.


2.3. Ein Beispiel: Schillers Ballade "Der Handschuh" mit Strophen-Zusammenfassungen

Schauen wir uns ein Beispiel an:

Zu finden ist es auf der Seite:

http://gutenberg.spiegel.de/buch/3352/75

Von dort kommen auch alle anderen diese Ballade betreffenden Zitate.

Als kleine Vorübung für die spätere Inhaltsangabe fassen wir jede Strophe kurz zusammen (ZF1, ZF2 usw.)


Schon mal ein kurzer Hinweis, was die Möglichkeit des Ausdruckens angeht:E-Books sind eine gute Möglichkeit, Informationen weiterzugeben – aber sie sind natürlich nicht optimal, was zum Beispiel den Ausdruck von Seiten angeht. Deshalb gibt es am Ende dieses Buches einen Hinweis, wie man sich als Leser dieses E-Books interessante Seiten auch gut ausdrucken kann.

Kommen wir nun zu einer der interessantesten Balladen, die es gibt. Wo es Schwierigkeiten gibt, die manchmal alt wirkende Sprache zu verstehen, geben wir entsprechende Hilfen.


Friedrich Schiller

Der Handschuh

Vor seinem Löwengarten, (heute würde man von „Privatzoo“ sprechen)

Das Kampfspiel zu erwarten,

Saß König Franz,

Und um ihn die Großen der Krone, (die hohen Würdenträger des Reiches)

Und rings auf hohem Balkone

Die Damen in schönem Kranz. (Gemeint ist, dass sie sich schön präsentieren.)

ZF1: Es geht um die festliche Veranstaltung eines Königs Franz, in der Kämpfe zwischen wildern Tieren präsentiert werden und zu der sowohl wichtige Herren wie auch Damen erschienen sind.

Und wie er winkt mit dem Finger,

Auf tut sich der weite Zwinger, (ein abgeschlossener Bereich für Tiere.)

Und hinein mit bedächtigem Schritt (mit ruhigen, langsamen Schritten)

Ein Löwe tritt,

Und sieht sich stumm

Rings um,

Mit langem Gähnen,

Und schüttelt die Mähnen,

Und streckt die Glieder,

Und legt sich nieder.

ZF2: In der zweiten Strophe beginnt das Kampfspiel, indem zunächst ein Löwe aus seinem Zwinger in die Arena freigelassen wird, der sich nur kurz umschaut und dann ruhig niederlegt.

Und der König winkt wieder,

Da öffnet sich behend (gemeint ist: „schnell“)

Ein zweites Tor,

Daraus rennt

Mit wildem Sprunge

Ein Tiger hervor,

Wie der den Löwen erschaut,

Brüllt er laut,

Schlägt mit dem Schweif

Einen furchtbaren Reif, (Reif = Kreis)

Und recket die Zunge,

Und im Kreise scheu

Umgeht er den Leu (den Löwen)

Grimmig schnurrend;

Drauf streckt er sich murrend

Zur Seite nieder.

ZF3: In der dritten Strophe kommt als zweites Tier ein Tiger hinzu, der den Löwen nur kurz anbrüllt und sich dann ebenfalls an der Seite niederlegt.

Und der König winkt wieder,

Da speit das doppelt geöffnete Haus (speit = spuckt; Haus = Zwinger)

Zwei Leoparden auf einmal aus,

Die stürzen mit mutiger Kampfbegier

Auf das Tigertier,

Das packt sie mit seinen grimmigen Tatzen,

Und der Leu mit Gebrüll (Leu = Löwe)

Richtet sich auf, da wird's still,

Und herum im Kreis,

Von Mordsucht heiß,

Lagern die greulichen Katzen. (greulich = schrecklich)

ZF4: In der vierten Strophe kommen als weitere Raubtiere zwei Leoparden dazu, die sich auf den Tiger stürzen, von ihm aber problemlos abgewehrt werden. Da sich auch noch der Löwe mit Gebrüll aufrichtet, wird es gleich wieder ruhig - aber es liegt eine große Spannung in der Luft.

Da fällt von des Altans Rand (Altan = eine Art Balkonvorbau mit Stützen)

Ein Handschuh von schöner Hand

Zwischen den Tiger und den Leun (den Löwen)

Mitten hinein.

ZF5: In der fünften Strophe kommt etwas völlig Neues hinzu, denn der Handschuh einer Dame fällt in die Arena - mitten zwischen den Tiger und den Löwen.

Und zu Ritter Delorges spottenderweis (mit Spott in der Stimme)

Wendet sich Fräulein Kunigund:

»Herr Ritter, ist Eure Lieb so heiß,

Wie Ihr mir's schwört zu jeder Stund,

Ei, so hebt mir den Handschuh auf. «

ZF6: In der sechsten Strophe fordert die Dame, die Kundigunde heißt, den Ritter Delorges, der anscheinend in sie verliebt ist, auf, diese Liebe zu beweisen, indem er ihr den Handschuh zurückbringt.

Und der Ritter in schnellem Lauf

Steigt hinab in den furchtbarn Zwinger

Mit festem Schritte,

Und aus der Ungeheuer Mitte

Nimmt er den Handschuh mit keckem Finger. (keck = mutig)

ZF7: In der siebten Strophe steigt der Ritter tatsächlich in den Zwinger hinab und holt den Handschuh.

Und mit Erstaunen und mit Grauen (Grauen = Entsetzen)

Sehen's die Ritter und Edelfrauen,

Und gelassen bringt er den Handschuh zurück.

Da schallt ihm sein Lob aus jedem Munde,

Aber mit zärtlichem Liebesblick –

Er verheißt ihm sein nahes Glück –

Empfängt ihn Fräulein Kunigunde.

Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht:

»Den Dank, Dame, begehr ich nicht«,

Und verlässt sie zur selben Stunde.


ZF8: In der achten Strophe sehen alle erstaunt, aber auch mit Entsetzen, wie der Ritter den Handschuh der Dame zurückbringt. Während alle ganz begeistert sind und ihn feiern und Kunigunde den Ritter zärtlich anblickt, wirft der ihr den Handschuh ins Gesicht und verlässt sie. Seine letzten Worte bedeuten, dass er von dieser Frau keine Anerkennung haben möchte.

Keine Angst mehr vor Balladen und Inhaltsangaben

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