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5. Was sind eigentlich "künstlerische Mittel" und welche Funktion haben sie?

Wir kommen jetzt zu einem etwas schwierigen Thema, weil der Begriff "künstlerische Mittel" (man spricht auch von "rhetorischen" oder "sprachlichen" Mitteln) sehr mit Fachwörtern belastet ist. Das hängt damit zusammen, dass sich Wissenschaftler in den letzten Jahrhunderten intensiv mit den verschiedenen Möglichkeiten beschäftigt haben, mit denen ein Redner (von diesem Fall gingen sie aus, darum spricht man von Rhetorik) seine Gedanken wirkungsvoll vortragen konnte.


5.1. Was die Experten unter "künstlerischen" oder "rhetorischen" Mitteln verstehen

Wenn man zum Beispiel im Internet nach "Rhetorische Mittel" sucht, landet man etwa auf der Seite:

http://www.westensee.de/untricht/Deutsch/rhetorik/kurzdef.htm

Dort gibt es so bekannte Dinge wie den "Ausruf", die "Ironie" oder die "Metapher", aber auch so fremdartig klingende wie das "Adynaton" oder das "Zeugma".

Natürlich ist es gut, wenn man auch schon in der Klasse 7 Fachbegriffe beherrscht, aber da die meisten Schüler keine Germanisten (das sind die Fachleute an den Universitäten für das Fach Deutsch) werden wollen, sollte man einen vernünftigen Mittelweg beschreiten:

5.2. Was für uns erst mal völlig reicht...

Das Wichtigste ist, dass man überhaupt versteht, was ein künstlerisches Mittel ist. Es handelt sich ganz allgemein um die Abweichung von der normalen Sprechweise (oder allgemeiner auch: Darstellung). Das Ziel dabei ist eine bestimmte Wirkung, die man erzeugen will.

Dann sagt man nicht mehr einfach "Er schaut sich den Mond an", sondern "Er betrachtet die silberne Sichel, die langsam am Horizont erscheint". Hier wird eine Metapher verwendet, ein sprachliches Bild: Ein Wort aus einem ganz anderen Zusammenhang, nämlich dem der Welt der Bauern, wird für den Mond, also ein Himmelsgestirn, verwendet. Wichtig dabei ist natürlich, dass es etwas Gemeinsames zwischen der wirklichen Sichel des Bauern und der metaphorischen des Mondbetrachters gibt, nämlich eine bestimmte Form.

Oder nehmen wir ein anderes berühmtes Beispiel: "Ich kam, sah und siegte." Dieser Ausspruch Cäsars wird in der Wikipedia wie folgt vorgestellt:

"Mit der elegant formulierten alliterierenden Klimax dreier asyndetischer Zweisilber (eines Trikolons), dazu einem Homoioteleuton, unterstreicht er eindrucksvoll, wie leicht, schnell und vernichtend er Pharnakes schlug." (http://de.wikipedia.org/wiki/Veni_vidi_vici)

Die erste Hälfte vergessen wir lieber mal, sie zeigt aber noch einmal schön, wie viel Freude Experten an der noch feinsten Unterscheidung in ihrem Fachgebiet haben - viel spannender ist hier der Schluss, der zeigt nämlich, was Cäsar damit erreichte, als er so in einem Brief an einen Freund den Sieg seiner Soldaten beschrieb.

Ganz nebenbei macht das Beispiel übrigens auch deutlich, dass das überaus nützliche Internet-Lexikon Wikipedia längst kein „Schülerlexikon“ mehr ist. Da schreiben Fachleute in einer Sprache, die erst mal „entschlüsselt“ werden muss. Nun ja, dafür gibt es aber auch inzwischen solche EBooks wie dieses – wir bemühen uns zumindest darum, verständlich zu schreiben ;-)

5.3. Was für "künstlerische Mittel" zeigen sich in der Ballade "Der Handschuh"?

Schauen wir uns jetzt unsere Ballade noch einmal an - unter dem Gesichtspunkt der "Abweichung" vom normalen Sprachgebrauch mit entsprechender Wirkung:

1. Das beginnt schon damit, dass der erste Satz etwas seltsam, nämlich in einer Umstellung der normalen Wortfolge erscheint. Erst geht es um den "Löwengarten" und das "Kampfspiel" - und am Ende kommt erst der König. Der ist hier aber auch nicht wichtig - das Wichtigste wurde an den Anfang gestellt.

2. In der zweiten Hälfte der ersten Strophe sieht man, dass das Wort "und" am Anfang der Verszeile wiederholt wird (man nennt das übrigens "Anapher"): Damit wird erreicht, dass hier die Vielzahl der Besucher angedeutet wird und schon mal Herren und Damen getrennt, aber gleichberechtigt aufgeführt werden.

3. In der zweiten Strophe wird dann die Umstellung des normalen Satzbaus noch deutlich: "Auf tut sich der weite Zwinger" - das hängt zwar mit dem Reim zusammen (Finger-Zwinger), betont aber auch das, was entscheidend ist, nämlich gewissermaßen das offene Gitter - und die damit verbundene Gefahr.

5.4. Wie man "künstlerische Mittel" auch ganz allgemein und einfach verstehen kann

So könnte man weitermachen - aber man kann auch ganz anders an die Frage nach den "künstlerischen Mitteln" herangehen, indem man sich nämlich die gesamte Ballade anschaut und die Frage stellt, wie ist es dem Dichter gelungen, die Aussage, d.h. den Kern des Inhalts besonders eindrucksvoll zu präsentieren:

Und dann ist man eigentlich bei vier Punkten:

Da ist einmal die lange Einleitung - die nur die Funktion hat, die Gefährlichkeit der Situation in der Arena deutlich zu machen: Da liegen vier Raubkatzen und warten nur auf ihren Auftritt. Das zweite Mittel ist der Übergang von "Lagern die greulichen Katzen" zu "Da fällt von des Altans Rand" Damit hat man gewissermaßen das Ende der gespannten Ruhe erreicht. Jetzt wird es gefährlich, jetzt muss überlegt und vielleicht auch gehandelt werden. Das wird dann noch verstärkt durch die gezielte Herausforderung des Ritters durch die Dame - seine privatesten Dinge werden gewissermaßen herausposaunt - und es wird so getan, als ob es sich um etwas ganz Normales handelt, eine Höflichkeit: "Ei, so hebt mir den Handschuh auf." In Wirklichkeit müsste es heißen: "Dann holt mir den Handschuh doch mal aus dieser gefährlichen Umgebung wieder." Das letzte Mittel ist dann der Gegenschlag" des Ritters: "Empfängt ihn Fräulein Kunigunde. Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht." Damit wird deutlich, dass der Ritter zwar seine Ehre gewahrt hat, aber mit dieser Frau nichts mehr zu tun haben will.

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