Читать книгу Die berühmtesten Dramen von Henrik Ibsen - Henrik Ibsen, Stephen Unwin D. - Страница 14
DRITTER AKT
Оглавление(Tief im Innern des Nadelwaldes. Graues Herbstwetter. Schneefall.)
(Peer Gynt, in Hemdsärmeln, fällt Holz.)
Peer Gynt (haut los auf eine große Kiefer mit gekrümmten Ästen.)
Ei, ja, Du bist zäh, Du alter Gesell;
Doch frommt Dir das wenig; Du fällst nur zu schnell.
(Haut wieder.)
Ich seh’ zwar, Du hast ein Panzerhemd an;
Doch wär’s noch so stark auch, ich steh’ meinen Mann.
Ja, ja; Du schüttelst Deinen knorrigen Arm;
Glaub’s wohl, Du zitterst vor Zorn und Harm;
Doch trotz alledem sollst Du nieder vor Peer –!
(Bricht mit einem Mal schroff ab.)
Hirngespinst! Das ist ein Baum und nichts mehr;
Keine in Stahl gehüllte Gestalt;
Bloß eine Bergkiefer, rissig und alt. –
Ein hart Stück Arbeit, dies Umhaun von Bäumen;
Doch Wahnwitz, zu haun und dazu noch zu träumen. –
Dies hat jetzt ein End’; – dies ins Blaue Stieren
Und offenen Augs sich im Nebel verlieren. –
Ein Friedloser bist Du! Ein Tier unter Tieren.
(Haut eine Weile hastig.)
Friedlos, jawohl. Kein haushälterisch
Mütterlein deckt und bestellt Dir den Tisch.
Willst Du was essen, Bursch, hilf Dir allein,
Fang’ Dir im Bach oder Wald was ein,
Schnitzel’ Dir Brennholz und setz’ es in Brand,
Brat’ und trag’ auf Dir mit eigener Hand.
Willst Du Dich warm kleiden, pürsch’ Dich an Böcke;
Willst Du Dir ‘n Haus grundmauern, brich Blöcke;
Willst Du Dir’s aufzimmern, hack’ und hau’,
Und schlepp’ Dir die Balken selbst bücklings zum Bau!
(Die Axt sinkt; er sieht vor sich hin.)
Fein soll der Bau werden. Turm und Hahn
Soll weithin sichtbar den First überblitzen,
Und an den Giebel, aus Kiefernspan,
Will ich ein fischgeschwänzt Meerweib schnitzen.
Messing soll der Hahn sein und Messing die Klinken;
Glas will ich auch wohl zu kriegen sehn;
Hei, soll fremdes Volk mauloffen stehn,
Sieht’s vom Gebirg’ her das Funkeln und Blinken!
(Lacht ingrimmig.)
Höllisches Gaukelspiel! Da war’s wieder.
Du bist friedlos, Bursch.
(Haut heftig drauf los.)
Ein Rindendach
Tut’s auch wider Wetter und Ungemach.
(Sieht an dem Baum hinauf.)
Da wankt er und schwankt er. Jetzt nur noch ein Tritt!
Da stürzt er in all seiner Länge darnieder; – –
Und reißt das aufkreischende Niederholz mit!
(Macht sich daran, den Stamm seiner Zweige zu entkleiden; auf einmal horcht er und steht mit erhobener Axt still.)
Da liegt jemand hinter mir auf der Lauer! …
Du kommst mir mit Hinterlist, Haegstadbauer?
(Duckt sich hinter den Baum und spitzt hervor.)
Ein einzelner Bursch bloß! Er scheint erschreckt.
Er sieht sich scheu um. Er verdeckt und versteckt
Was unter dem Kittel. Eine Sichel! Er ballt
Die Faust um den Skistab. Und jetzt? Umkrallt
Seine Rechte den Sichelgriff; – holt aus –! Schwapp!
Hieb er sich da nicht den Finger ab!
Den ganzen Finger! Er blutet wie ein Schwein.
Da setzt er, die Faust in ‘nem Tuch, querwaldein.
(Erhebt sich.)
Der war wohl besessen! Ohne Not einen Finger!
Blank weg! Und sind dir so kostbare Dinger!
Hallo, jetzt schwant mir’s –! Ein Finger auf dem Block,
Heißt es, macht frei von des Königs Rock.
So war’s. Er sollt’ in den Krieg, nach der Pflicht,
Und wollt’ lieber hier bleiben auf seiner Schollen –
Aber deshalb für immer ihn abtrennen sollen?
Es denken, es wünschen; ja; selber eswollen; – –
Aber estun! Nein, das fass’ ich nicht!
(Schüttelt den Kopf und geht dann wieder an seine Arbeit.)
(Eine Stube unten bei Aase.)
(Alles ist in Unordnung; Kisten und Kasten stehen offen; Alltagszeug liegt verstreut herum; im Bett eine Katze.) (Aase und die Häuslersfrau sind eifrig dabei, zusammenzupacken und Ordnung zu schaffen.)
Aase (rennt nach der einen Seite.)
Kari, hör’ zu?
Die Frau. Was gibt’s?
Aase (auf der andern Seite.) Hör’ zu –!
Wo liegt denn –? Wo find’ ich –? Vielleicht weißt Du –?
Ich bin ganz verdattert! Was wollt’ ich denn doch? –
Den Schlüssel zum Kasten!
Die Frau. Der steckt doch im Loch.
Aase.
Was rumpelt da draußen?
Die Frau. Die letzte Fuhr’
Wird nach Haegstad gekarrt.
Aase (weinend.) Ach, würd’ ich doch nur
Mit hinaus gekarrt in der schwarzen Kiste!
Ach, das ist ein Leben! Du lieber Christe!
Das heiß’ ich mir einen Zusammenbruch!
Was der Haegstad verschont, hat der Schuldvogt bekommen.
Nicht die Kleider am Leib habt Ihr ‘ausgenommen!
Pfui, pfui über Euch und den eiskalten Spruch!
(Setzt sich auf die Bettkante.)
Jetzt sind wir also verarmtes Gelichter.
Ruppig war der Bauer; noch ruppiger der Richter; –
Da gab’s keine Hilfe, da gab’s kein Erbarmen;
Peer war nicht da; kein Mensch half mir Armen.
Die Frau.
Hier könnt Ihr doch hausen bis an Euren Tod.
Aase.
Ja; die Katz’ und ich kriegen ‘s Gnadenbrot.
Die Frau.
Mutter, der Peer kam Euch teuer zu stehn!
Aase.
Peer? Da hast Du’s bei mir versehn!
Kam nicht die Ingrid heil heim zuletzt?
An den Teufel hätt’ man sich halten müssen, –
Der hat’s, und kein andrer, auf dem Gewissen,
Der hat meinen Jungen auf all das gehetzt!
Die Frau.
Sollt’s nicht am End’ wer dem Pfarrer sagen?
Es geht ihm schlechter, als Ihr vielleicht wißt.
Aase.
Glaub’s auch schier, daß es so besser ist
(Fährt auf.)
Aber nein! Ich will nicht noch fremde Leut’ plagen!
Ich helf’ ihm, das ist meine heilige Pflicht;
Wenn’s die Mutter nicht tut, wer andrer tut’s nicht.
Die Joppe hier wurd’ ihm geschenkt. Werd’ ich flicken.
Möcht’ ihnen jetzt bloß noch das Bettfell abzwicken!
Wo sind denn die Strümpf’?
Die Frau. Dort, beim andern Wuste.
Aase (wühlt herum.)
Herrje, was ist das? Eine alte, berußte
Kelle! Mit der tat er allerwegen
Knopfgießer spielen, schmelzen und prägen.
War einmal Fest hier; – kommt der Junge herein,
Will ein Stück Zinn. Sagt mein Jon: Zinn? Nein!
Aber eine König-Christians-Kron’;
Silber; so ziemt sich’s Jon Gyntens Sohn.
Gott verzeih’s ihm; doch hitzt’ ihm der Wein nun den Sinn,
So kam’s ihm auf Gold nicht mehr an denn auf Zinn.
Hier sind ja die Strümpf’. Na,die Löcherkett’!
Da heißt’s stopfen, Kari!
Die Frau. Glaub’s auch, Bäuerin.
Aase.
Wenn dies dann gemacht ist, so tracht’ ich ins Bett;
Ich fühl’ so ein Ziehen und Zucken und Pressen –
(Erfreut.)
Zwei Wollhemden, Kari, – die hab’n sie noch vergessen!
Die Frau.
Ja, richtig, das hab’n sie.
Aase. Gefundenes Fressen!
Das eine kannst Du zur Seite legen. –
Oder wart’, wir verwahr’n gleich den ganzen Segen; –
Das Hemd, das er anhat, das ist schon so schlecht.
Die Frau.
Je, je, Mutter Aase: das ist aber nicht recht.
Aase.
Ja, ja; doch Du weißt ja, der Pfarrer verkündigt
Gnade für dies und für mehr, was eins sündigt.
(Vor einer neugebauten Hütte im Wald.)
(Ein Rentiergeweih über der Türe. Der Schnee liegt hoch. Es dämmert.) (Peer Gynt steht vor der Tür und schlägt ein großes hölzernes Schloß fest.)
Peer Gynt (lacht dann und wann auf.)
Ein Schloß muß sein; daß die Hütte rein bleibe
Vor allerlei Trollpack, so Manne wie Weibe.
Ein Schloß muß sein; die Hütte zu bergen
Vor allen den tückischen Wichten und Zwergen. –
Das kommt mit dem Dunkel; das pocht an die Planken;
Mach’ auf, wir sind ohne Rast wie Gedanken!
Wir kramen im Bettsack, die Herdglut wir fachen,
Wir fahr’n durch die Esse wie feurige Drachen.
Hihi, Peer Gynt, meinst Du, Nägel und Planken
Feiten vor tückischen Koboldgedanken?
(Solvejg kommt auf Schneeschuhen über die Heide; sie hat ein Umschlagtuch um den Kopf und ein Bündel in der Hand.)
Solvejg.
Gott segne Dein Tun! Mußt Dich meiner nicht schämen!
Du riefst mich; ich kam; – und so mußt mich denn nehmen.
Peer Gynt.
Solvejg. Das ist nicht –! Du bist es? Ja! Ja!
Und Du fürchtest Dich nicht, – und Du kommst mir so nah!
Solvejg.
Botschaft hast Du gesandt mit dem Kinde;
Botschaft brachten mir heimlich die Winde.
Botschaft barg, was Dein Mütterlein sagte,
Botschaft der Traum, der vom Lager mich jagte.
Freudleere Tag’ und kummerschwere Nächte
Brachten mir Botschaft, daß Dein ich dächte.
Das Leben daheim ward ein trübes Verrinnen;
Und lacht’ ich und weint’ ich, es kam nicht von innen
Und ob ich schon Deinen Sinn nicht ganz wußte,
So wußt’ ich doch ganz, was ich sollt’, was ich mußte.
Peer Gynt.
Und Dein Vater?
Solvejg. Auf weitweiter Gotteswelt
Weiß ich kein Menschenherz mehr, das mich hält.
Keines mehr.
Peer Gynt. Solvejg, Du Holde, Du Reine, –
Um die meine zu werden?
Solvejg. All einzig die Deine.
Jetzt mußt Du mir alles sein, Heimat und Frieden.
(Unter Tränen.)
Am schwersten war’s von klein Helga geschieden; –
Noch schwerer vom Vater, so still und klug;
Am allerschwersten von der, die mich trug; –
Nein, nein, – am schwersten ist mir’s gefallen,
Zu scheiden von ihnen allen – allen!
Peer Gynt.
Und kennst Du mein Urteil vom Frühling her?
Ich hab’ keinen Hof und kein Erbgut mehr.
Solvejg.
Meinst Du, von Erbgutgelüsten getrieben,
Wär’ ich gegangen von allen den Lieben?
Peer Gynt.
Und kennst Du den Bann? Werd’ ich draußen getroffen,
Vorm Wald, so habe ich nichts mehr zu hoffen.
Solvejg.
Auf Schneeschuhen lief ich; ich fragte jeden aus;
Man forschte, wohin ich wollte; ich sagte: ich will nach Haus.
Peer Gynt.
Hinweg denn mit allen den Pflöcken und Planken,
Was braucht’s jetzt noch Riegel wider Koboldgedanken!
Willst Du des Schützen in Lust und Leid sein,
So weiß ich, so wird meine Hütte geweiht sein.
Solvejg! Dich ansehn! Von fern nur gegrüßt!
Ansehen bloß! Wie Du leuchtest und glühst!
Laß mich Dich heben! Wie leicht sich das faßt!
Wann würd’ ich müd’ je so lieblicher Last!
Rein, vor mir her, mit gestreckten Armen,
Will ich Dich tragen, Du Herz voll Erbarmen.
Daß Du zu mir kämst, wer hätt’ das gedacht –;
O, aber gesehnt hab’ ich Tag mich und Nacht.
Hier, siehst Du, hab’ ich gezimmert und gebaut –;
Aber jetzt will ich neu baun; denn jetzt kam die Braut –
Solvejg.
So oder so, – hier ist’s gut, wo wir sind.
Wie atmet sich’s leicht widern wehenden Wind!
Dort drunten war’s dumpfig; Du fühltest Dich beengt;
Das hat mich auch mit aus dem Ort fortgedrängt.
Aber hier, wo du hörest der Föhren Gesause, –
Welche Stille! welche Töne! – hier bin ich zu Hause.
Peer Gynt.
Und weißt Du’s gewiß? Und zerbrichst jede Brücke?
Solvejg.
Der Weg, der mein Weg ist, führt nimmer zurücke.
Peer Gynt.
So hab’ ich Dich! Komm! Laß mich drinnen Dich schauen!
Tritt ein! Ich lauf’ nur noch Herdholz hauen;
Traut soll es wärmen, und hell will ich’s schüren,
Weich sollst Du sitzen und von Kälte nichts spüren.
(Er öffnet die Tür; Solvejg tritt ein. Er steht eine Weile still, dann lacht er laut auf vor Freude und macht einen Luftsprung.) Peer Gynt.
Mein Königskind –! Jetzt ist’s gefunden und gewonnen!
Hei! Jetzt wird der Schloßbau von Grund aus neu begonnen!
(Er ergreift die Axt und geht; im selben Augenblick tritt ein ältliches Weib in zerlumptem grünen Unterrock aus dem Gehölz hervor; ein häßlicher Junge, mit einer Bierflasche in der Hand, hinkt nach und hält sich an ihrer Schürze.)
Das Weib.
Guten Abend, Peer Leichtfuß!
Peer Gynt. Was gibt’s? Wer da?
Das Weib.
Alte Freunde, Peer Gynt! Meine Hütte liegt nah.
Wir sind Nachbarn.
Peer Gynt. So, so? Das wußt’ ich noch nit.
Das Weib.
Als Dein Haus gebaut ward, baute meines sich mit.
Peer Gynt (will weiter.)
Ich hab’ Eil’ –
Das Weib. Die hast Du wohl immer, Mann;
Doch ich trott’ hinterdrein, und Du sollst mir noch dran.
Peer Gynt.
Ihr irrt Euch –!
Das Weib. Ich hab’ mich nureinmal geirrt:
Den Tag, da Du mich mit Versprechen gekirrt.
Peer Gynt.
Versprechen –? Der Teufel versteh’, was das heißt!
Das Weib.
Vergißt Du den Abend in Vaters Saal?
Vergißt Du –?
Peer Gynt. Vergiß, was Du gar nicht weißt!
Wann trafen wir uns zum letzten Mal?
Das Weib.
Da wir zum ersten Mal uns getroffen.
(Zu dem Jungen.)
Gib Vater zu trinken; sein Mund steht offen.
Peer Gynt.
Vater? Du bist wohl betrunken –? Du nennst –?
Das Weib.
Daß Du das Schwein nicht am Fell schon erkennst!
Hast Du keine Augen? So sieh doch nur hin:
Sein Fuß ist so lahm wie Dein ganzer Sinn.
Peer Gynt.
Du willst mir einreden –?
Das Weib. Mach’ keine Faxen –!
Peer Gynt.
Dieser langbeinige Bursch –!
Das Weib. Er ist flink gewachsen.
Peer Gynt.
Du Trollfratze, legst es mir aus, als ob –?
Das Weib.
Hör’ mir, Peer Gynt; Du bist klotzig grob!
(Weinend.)
Was kann ich dafür, daß ich nicht mehr so schön,
Wie, da Du mich locktest auf Halden und Höhn?
Der Teufel, der zog meinen Rücken so krumm,
Als im Herbst ich gebar; und das wirft Einen um.
Aber willst Du mich wieder so schmuck sehn wie früh’r,
So weis nur der Dirne dort drinnen die Tür,
So schaff’ sie Dir nur aus dem Sinn und den Augen; –
Und mein Frätzel soll, Freund, Dir bald besser taugen!
Peer Gynt.
Fort, Hexe!
Das Weib. Eitel, daß Du mich bannst!
Peer Gynt.
Ich schlag’ Dir den Schädel ein –!
Das Weib. Tu’s, wenn Du’s kannst!
Hoho, Peer Gynt, ich steh’ jedem Schlag!
Ich komme zurück jeden einzelnen Tag;
Ich lug’ durch die Tür und beobacht’ Euch beiden.
Und sitzt Du mit ihr dann zu dämmriger Weil’
Auf der Bank und wirst zärtlich und magst sie gern leiden,
So setz’ ich dazu mich und forder’ mein Teil.
Dann schnäbelst Du balde mit ihr, bald mit mir Dich.
Leb’ wohl, lieber Junge, und morgen kopulier’ Dich!
Peer Gynt.
Du höllischer Mahr!
Das Weib. Dochdas geht in den Kauf!
Den Jungen, den Hinkefuß, fütterst Du auf!
Teufelsbub, willst Du zum Vater?
Der Junge (speit nach ihm.) Da!
Ich hack’ mit der Axt nach Dir; wart’ nur; ja, ja!
Das Weib (küßt den Jungen.)
Was das für ein Kopf ist auf dieser Krott!
Du machst noch einmal Deinen Vater zu Spott!
Peer Gynt (stampft auf.)
Ach, wärt Ihr so weit –!
Das Weib. Wie wir nahe jetzt stehn?
Peer Gynt (ringt die Hände.)
Und all das –!
Das Weib. Bloß für Gedankenvergehn!
‘s ist schad’ um Dich, Peer!
Peer Gynt. Um ‘ne andre noch mehr! –
Solvejg, Du Goldseele, lauter und rein!
Das Weib.
Ja, ja; sagt der Teufel, die Unschuld hat’s schwer,
Als die Mutter ihn haut’, weil der Vater ein Schwein.
(Sie trottet ins Gehölz mit dem Jungen, der den Bierkrug nach ihm schleudert.) Peer Gynt (nach einem langen Schweigen.)
Gib’s auf, bieg ab! sprach der Krumme. Ja, ja! –
Da ging mein Königspalast in Scherben!
Das schloß Mauern um sie, – und ich war so nah;
Jetzt liegt alles öd’ hier, und mir ist zum Sterben. –
Gib’s auf, bieg ab, Bursch! Quer durch dies hier
Findest Du keinen Weg mehr zu ihr.
Keinen quer durch? Hm, sollt’ nicht doch einer –?
Ich habe doch einmal von Reue gelesen.
Aber was? Was stand dort? Kein Buch ist da,
Vergessen das meiste; und hier sagt mir keiner
Im wilden Wald, wie der Spruch wohl gewesen. –
Reue? Das könnt’ am End’ Jahre anstehn,
Bis daß ich hindurch wär’.Das Leben würd’ schmächtig.
Entzweischlagen alles, was glänzend und prächtig,
Und dann mit den Stücken von vorn ans Werk gehn?
Das geht mit ‘ner Fiedel, aber nicht mit ‘ner Glocke.
Wenn ihn einer zertritt, grünt kein Reis mehr am Stocke. –
Doch die war ja gelogen, die Hexengeschichte!
Jetzt ist mir der Greuel ja aus dem Gesichte.
Ja; wohl aus den Augen, doch nicht aus dem Sinn.
Nachschleichen wird er mir überall hin.
Ingrid! Und die drei, die ich droben beglückt!
Woll’n die auch mittun? Mit frechen Geberden
Fordern, gleich ihr an die Brust gedrückt,
Heilig wie sie hingetragen zu werden?
Bieg ab, gib’s auf, Bursch! Und wär’ Dein Arm lang
Wie die rankeste Hochtann’ am Bergeshang, –
Du hieltest sie doch noch zu dicht an Dir,
Als daß sie danach wär’ noch schadlos und schier. –
Ich muß drum herum kommen in meinem Sinn,
So daß es wird weder Verlust noch Gewinn.
Man muß so was abschütteln, bis man’s vergißt –
(Macht einige Schritte auf die Hütte zu, bleibt aber wieder stehen.)
Hineingehn nach all dem? Entehrt, wie man ist?
Hineingehn mit all diesen Trollen als Schergen?
Reden und doch schweigen; beichten und doch bergen?
(Schleudert die Axt von sich.)
‘s ist der Abend vorm Fest heut. Sie jetzt mitden Händen
Anrühren, hieß’ alles Heilige schänden.
Solvejg (in der Türe.)
Kommst Du?
Peer Gynt (halblaut.)
Auf Umwegen.
Solvejg. Wie?
Peer Gynt. Kind, warte!
Ich hab’ erst noch eine Arbeit, eine harte.
Solvejg.
Ich komm’ und helf’ Dir; wir woll’n sie gemein tun.
Peer Gynt.
Nein, bleib, wo Du bist! Ich muß sie allein tun.
Solvejg.
Aber bleib nicht zu lang’, Du!
Peer Gynt. Ob der Erharrte
Lang oder kurz bleibt, – nur warte!
Solvejg (nickt nach ihm.) Ich warte!
(Peer Gynt waldeinwärts ab. Solvejg bleibt in der halbgeöffneten Türe stehen.)
(Aases Stube.)
(Abend. Ein Reisigfeuer brennt und leuchtet auf dem Herd. Die Katze auf einem Stuhl am Fuß des Bettes.) (Aase liegt im Bett und tastet unruhig auf der Bettdecke umher.)
Aase.
Mein Gott, läßt er nimmer sich blicken?
Wie schleichend die Stunden vergehn!
Ich hab’ keinen Boten zu schicken,
Und hätt’ ihn so gern noch gesehn.
Jetzt geht’s ohne Gnade zur Rüste.
So jäh! Wer hätt’ das gedacht!
Aase, wenn ich nur wüßte,
Ob du’s nicht zu schwer ihm gemacht!
Peer Gynt (tritt ein.)
Guten Abend!
Aase. Gott soll Dich segnen!
Wer jetzt meinen Jungen noch schilt!
Doch wirst Du auch keinem begegnen?
Du weißt, was Dein Leben hier gilt.
Peer Gynt.
Pah, Leben oder nicht Leben!
Ich mußte mal nach Dir sehn.
Aase.
Ja, jetzt muß die Kari sich geben;
Und ich kann in Frieden gehn!
Peer Gynt.
Du – gehn? Was soll das bedeuten?
Was meinst Du denn für ‘nen Gang?
Aase.
Ach, Peer, ich hör’ sie schon läuten.
Ich weiß, ich mach’s nicht mehr lang’.
Peer Gynt (ringt die Hände und geht auf und ab.)
Da wollt’ ich nicht leiden und büßen –
Und meinte,hier wär’ ich frei –!
Hast Du kalt an Händen und Füßen?
Aase.
Ja, Peer; es ist bald vorbei. –
Wenn dann meine Augen brechen,
So drück’ sie mir sorgsam zu.
Und eins noch mußt mir versprechen:
Den Sarg, den laß schmuck sein, Du!
Ach nein, ‘s ist ja wahr –
Peer Gynt. Still, Beste!
Das hat seine Zeit. Heut ist heut.
Aase.
Ja, ja.
(Sieht sich unruhig um in der Stube.)
Hier siehst Du die Reste
Vom Unsrigen. Das sind dir Leut’!
Peer Gynt (ringt die Hände.)
Schon wieder!
(Hart.)
Bin schuld; ja, zur Hölle!
Was hilft’s, mich zu mahnen daran.
Aase.
Du? Nein, die verdammte Völle,
Mit der fing das Unglück an!
Du warst ja betrunken, mein Junge;
Da weiß einer nicht, was er tut;
Und dann nach dem Gendingrat-Sprunge, –
Kein Wunder, da kochte Dir ‘s Blut!
Peer Gynt.
Ja, ja; laß den Unsinn nur fahren,
Laß fahren die ganze Geschicht’.
Was schwer ist, das woll’n wir uns sparen
Auf später, – das hastet ja nicht.
(Setzt sich auf die Bettkante.)
So, Mutter, und jetzt laß uns plaudern,
Doch alleine von Mein und Dein,
Und nicht mehr von alledem kaudern,
Was quer ging und quält obendrein.
Die Katz’ ist auch noch lebendig, –
Guck’ einer, – das alte Vieh?
Aase.
Die tut immer nachts so elendig;
Du weißt, solch ein Tier irrt sich nie.
Peer Gynt (ablenkend.)
Was ist hier Neues geschehen?
Aase (lächelnd.)
Man sagt, hier irgendwo wär’
Ein Mädel, das möcht’ nach den Höhen –
Peer Gynt (schnell.)
Matz Moen, was macht denn jetzt der?
Aase.
Man sagt, sie ließ sich nichts lehren,
Was Vater und Mutter auch bat.
Du solltest doch mal vorkehren; –
Du wüßtest am Ende Rat –
Peer Gynt.
Und wie hat’s der Aslak getragen?
Aase.
Ach, schweig von dem unsaubern Geist.
Will lieber den Namen Dir sagen
Von ihr, von dem Mädel, Du weißt –
Peer Gynt.
Nein, nein, jetzt wollen wir plaudern, –
Doch alleine von Mein und Dein,
Und nicht mehr von alledem kaudern,
Was quer ging und quält obendrein.
Bist Du durstig? Soll ich was holen?
Ist ‘s Bett zu kurz? Drückt es Dich? Sag’!
Herrje; – sind das nicht die Bohlen,
Dadrin ich als Junge lag?
Besinnst Dich noch, wie Du oft hocktest
Des Abends am Bettende dort
Und mich, wer weiß wohin, locktest
Mit Märchen und Zauberwort?
Aase.
Jawohl! Und dann spielten wir Schlitten,
Wann Vater herumfuhr im Rund.
Die Deck’ ward als Kutschpelz gelitten,
Und die Diel’ war ein spiegelnder Sund.
Peer Gynt.
Ja; aber der Knopf auf der Kappen, –
Besinnst Dich auch dessen noch, Du? –
Das war’n doch die tollen Rappen!
Aase.
Du traust mir wohl gar nichts mehr zu!
Der Kari Katz’ tat uns Fronde;
Wir setzten sie auf ‘ne Tonn’.
Peer Gynt.
Nach dem Schloß im Westen vom Monde
Und dem Schloß im Osten der Sonn’,
Nach dem Soria-Moria-Schlosse
Ging’s hurre-hopp über die Diel’,
Und ‘ne alte Hühnerstallsprosse
Braucht’st Du als Peitschenstiel.
Aase.
Dort vorn auf dem Kutschbock saß ich –
Peer Gynt.
Und wer dann die Zügel verlor,
Wer war das? Mein Alterchen, das sich
Umwandt’ und mich fragt’, ob ich fror.
Gott segne Dich; warst mir von Herzen
Stets gut, alter Widerwart –!
Was stöhnst Du denn so?
Aase. Mich schmerzen
Die Knochen; das Brett ist so hart.
Peer Gynt.
Komm; leg’ Dich bequemer; so stillst Du
Den Schmerz. Na, gibt er jetzt Ruh?
Aase (unruhig.)
Nein, Peer, ich will fort!
Peer Gynt. Fort willst Du?
Aase.
Ja, fort möcht’ ich, fort immerzu.
Peer Gynt.
Schnack! Unter der Decke hübsch bleiben!
Ich setz’ mich aufs Bettende dort.
Jetzt woll’n wir die Zeit uns vertreiben
Und uns träumen, Gott weiß wohin, fort!
Aase.
Ob die Bibel nicht besser paßte?
Ich bin so unruhigen Sinns.
Peer Gynt.
Im Soria-Moria-Palaste
Geht es hoch her bei König und Prinz.
Ruh’ aus Dich im warmen Schlitten;
Ich fahr’ Dich dorthin über Feld –
Aase.
Aber, Peer, kam denn einer mich bitten –?
Peer Gynt.
Wir sind alle beide bestellt.
(Wirft eine Schnur um den Stuhl, auf dem die Katze liegt, nimmt einen Stecken in die Hand und setzt sich an das Fußende des Bettes.)
Hü, Rappe! Spute Dich, Mähre!
Sag’, Mutter, frierst Du auch nicht?
Ja, ja; das schneid’t wie ‘ne Schere,
Wenn Grane der Haber sticht!
Aase.
Was läutet da, Peer, und tönet –?
Peer Gynt.
Die Schellen von blankem Zinn!
Aase.
Hu, Lieber, wie hohl das dröhnet!
Peer Gynt.
Jetzt geht’s über Fjordeis hin.
Aase.
Ich fürcht’ mich! Was für ein Brausen
Und Seufzen, so klagend und schrill?
Peer Gynt.
Das sind die Tannen, die sausen,
Im Bergwald. Sitz mir nur still.
Aase.
Was glitzert und flimmert dorten?
Wo kommt all der Lichterglanz her?
Peer Gynt.
Aus des Schlosses Fenstern und Pforten.
Hörst Du, wie sie tanzen?
Aase. Ja, Peer.
Peer Gynt.
Vorm Tore da steht Sankt Peter
Und lädt Dich zum Eintritt ein.
Aase.
Grüßt er uns?
Peer Gynt. Tiefgebückt steht er
Und schenkt vom süßesten Wein.
Aase.
Wein! Sag’, hat er auch Kuchen?
Peer Gynt.
Und ob! Einen ganzen Berg!
Und die Propstin kommt Dich besuchen
Mit Kaffee und Zuckerwerk.
Aase.
Wir treffen uns dort wie vor Zeiten?
Peer Gynt.
So oft Du’s willst und begehrst.
Aase.
Nein; alle die Herrlichkeiten,
Dazu Du mich Arme fährst!
Peer Gynt (schnalzt mit der Peitsche.)
Hü, Rappe, spute Dich, springe!
Aase.
Lieber Peer, Du fährst doch auch recht?
Peer Gynt (schnalzt wieder.)
Hier ist breiter Weg.
Aase. Das Geschwinge
Vom Schlitten, das macht mir ganz schlecht.
Peer Gynt.
Das Ziel dann wird Dir schon taugen;
Nicht lang’ – und der Fahrt ist genung.
Aase.
Ich will liegen und schließen die Augen
Und vertrauen auf Dich, mein Jung’!
Peer Gynt.
Da kann ich’s ganz nah schon gewahren.
Hü, Grane! Den Torweg empor!
Das ist ein Gewimmel! Jetzt fahren
Peer Gynt und Alt Aase vor.
Was sagst Du da, Herr Sankt Peter?
Der Mutter würd’ nicht getraut?
Und ging einer suchen, erspäht’ er
Nicht bald solch ‘ne ehrliche Haut!
Um mich mag nicht weiter gebangt sein;
Ich kann umdrehn, wenn es sein soll.
Wollt Ihr laden mich, sollt Ihr bedankt sein;
Wenn nicht, scheid’ ich auch ohne Groll.
Ich hab’ viel geflaust und gefackelt,
Der Teufel konnt’s besser kaum tun,
Und Mutter dann, weil sie gegackelt
Und gekräht, geschimpft für ein Huhn.
Doch sie sollt Ihr achten und ehren,
Wie’s billig für Leut’ ihres Schlags;
Hier wird keine bessre vorkehren
Von irgendwo heutigen Tags. –
Da gebeut Gott-Vater selbst Ruhe!
Jetzt, Petruschen, blüht Dir was!
(Mit tiefer Stimme.)
“Hör’ auf mit dem Pförtnergetue;
Alt Aase hat freien Paß!”
(Lacht laut und wendet sich um zur Mutter.)
Als hätt’ ich das nicht gerochen!
Jetzt weht’s aus ‘nem andern Strich!
(Angstvoll.)
Was schaust Du denn so gebrochen?
Du! Mutter! Was ist Dir denn –? Sprich –!
(Tritt ans Kopfende des Bettes.)
Du sollst nicht so stieren und glasen –!
Red’, Mutter! Ich bin’s doch, Dein Jung’!
(Befühlt vorsichtig ihre Stirn und ihre Hände; darauf wirft er die Schnur auf den Stuhl und sagt mit gedämpfter Stimme:)
Ach so! – Jetzt, Grane, geh grasen.
Jetzt sind wir gefahren genung.
(Schließt ihre Augen und beugt sich über sie.)
Hab’ Dank für Dein ganzes Leben,
Für all Deine sorgende Art! –
Doch nun laß auch mich Dank erheben –
(Drückt seine Wange an ihren Mund.)
So – das war der Dank für die Fahrt.
Die Häuslersfrau (kommt.)
Je? Peer? – Na, nu geht zu Reste
Die bitterste Sorg’ und Not!
Herrgott, wie schläft sie so feste – –
Oder ist sie –?
Peer Gynt. Still; sie ist tot.
(Kari weint an der Leiche. Peer Gynt geht lange umher in der Stube; endlich bleibt er am Bett stehen.)
Peer Gynt.
Gib Mutter die letzte Ehre!
Ich find’ hier heraus wohl ein Loch.
Die Frau.
Soll’s weit fort gehen?
Peer Gynt. Zum Meere.
Die Frau.
So weit fort!
Peer Gynt. Und weiter noch.
(Ab.)