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VIERTER AKT

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Inhaltsverzeichnis

(An der Südwestküste von Marokko. Palmenwald. Gedeckter Mittagstisch, Sonnensegel, Teppichläufer aus Binsen. Weiter drinnen im Hain Hängematten. Draußen auf dem Meer liegt eine Dampfjacht mit norwegischer und amerikanischer Flagge. Am Strand eine Jolle. Es ist gegen Sonnenuntergang.)

(Peer Gynt, ein hübscher Herr von mittleren Jahren, in elegantem Reiseanzug, eine goldene Lorgnette auf der Brust, führt den Vorsitz als Wirt am Ende des Tisches. Master Cotton, Monsieur Ballon nebst den Herren von Eberkopf und Trumpeterstråle sind im Begriff die Mahlzeit zu beenden.)

Peer Gynt.

Getrunken, meine Herrn! Geboren

Zu leben, woll’n wir denn auch leben!

Es heißt: Verloren ist verloren,

Hin hin. Was darf ich Ihnen geben?

Trumpeterstråle.

Du bist ein Prachtwirt, Bruder Peer.

Peer Gynt.

Es teil’n sich mit mir in die Ehr’

Mein Geld, Koch, Stewart –

Master Cotton. Very nice!

Ein Glas zu dieser viere Preis!

Monsieur Ballon.

Monsieur, Sie ziert ein goût, ein ton,

Der nicht beim Zehnten heut zu finden,

Der (so wie Sie) lebt als garçon, –

Ein – ein – ich weiß nicht was –

v. Eberkopf. Ein Hauch,

Ein Schimmer geistiger Entnachtetheit

Und Weltenbürgertumgepachtetheit,

Ein scharfer Blick durch Dunst und Rauch,

Den keine Vorurteile binden,

Ein Abglanz höherer Verklärtheit,

Urstoffnatur samt Weltbelehrtheit,

Im Brennpunkt eins der Trilogie.

Nicht wahr, Monsieur; dies meinten Sie?

Monsieur Ballon.

Sehr möglich; klingen die Gedanken

Auch nicht so artig bei uns Franken.

v. Eberkopf.

Ei was! Die Sprach’ ist auch zu steif –

Doch woll’n wir zu dem Phänomen

Den Grund ersehn –

Peer Gynt. Ersehn wirden:

Ich trage nicht der Ehe Reif.

Ja, meine Herrn; ganz klipp und klar,

Das ist’s. Was sei des Mannes Streben?

Er selbst zu sein – nicht wahr?

Sich und demSeinen soll er leben.

Doch kann er dies als Trampeltier

Für andrer Glück? Bezweifl’ ich schier!

v. Eberkopf.

Doch dieses An und für sich-Dasein

Blieb, wett’ ich, kaum unangefochten –

Peer Gynt.

Wohl wahr; zu seiner Zeit; doch mochten

Mir immer gute Geister nah sein.

Zwar kam es doch ein böses Mal,

Daß ich mich unverhofft verbrühte.

Ich war ein rascher, schmucker Schelm;

Und sie, die Dame meiner Wahl,

Sie war von fürstlichem Geblüte.

Monsieur Ballon.

Von fürstlichem?

Peer Gynt (wegwerfend.)

Nun ja, Sie wissen,

Von diesen –

Trumpeterstråle (schlägt auf den Tisch.)

– adeligen Trollen!

Peer Gynt (zuckt die Achseln.)

Verstaubte Hoheiten, beflissen,

Plebejerflecken fern zu halten

Von ihres Stammes Wappenhelm.

Master Cotton.

Worauf Sie denn zusammenprallten?

Monsieur Ballon.

Die Eltern wollten die Partie nicht?

Peer Gynt.

Im Gegenteil!

Monsieur Ballon.

Ah!

Peer Gynt (schonend.)

Sie verstehn!

Es lagen Dinge vor, – nun, – die nicht

Erlaubten mehr, zurückzugehn.

Doch all dies ging – warum’s verschweigen! –

Von A bis Z mir widern Strich.

Ich bin in manchen Dingen eigen

Und lass’ mich selbst nicht gern im Stich.

Und als der Schwiegervater nun

Gar mit der Fordrung kam geschwommen,

Namen und Stellung abzutun

Und um den Adel einzukommen,

Samt anderm, was schier unannehmbar –

Nicht peinlich bloß und unbequem war, –

So wehrt’ ich sanft mich meiner Haut,

Empfahl mich auf sein Ultimatum –

Und Gotte meine junge Braut.

(Trommelt auf dem Tisch mit scheinbarer Andächtigkeit.)

Ja, ja; es herrscht denn doch ein Fatum,

Darauf wir Menschen bauen können; –

Ein Trost, der uns fürwahr zu gönnen!

Monsieur Ballon.

So war die Luft denn wieder rein?

Peer Gynt.

Bis auf ein Nachspiel, unergötzlich; –

Denn Unbefugte mischten plötzlich

Mit lautem Zeter sich hinein.

Zumeist des Hauses jüngre Glieder,

Mit deren sieben ich mich schoß.

Die Zeit vergess’ ich wohl nie wieder,

Wiewohl ich sie mit Glück beschloß.

Da ließ ich Blut; doch dieses Blut

Hat meiner Seele Preis verteuert,

Und zeigt erbaulich, kurz und gut,

Wie weis’ ein Fatum alles steuert.

v. Eberkopf.

Ihr Weltblick auf der Dinge Gang

Erhebt Sie zu der Denker Rang.

Indes wir immer neuer Szenen

Planlose Flucht zu schauen wähnen

Und nie zum Schluß zu kommen meinen,

Verstehn Sie alles zu vereinen.

Sie messen stets mit gleichem Stabe.

Sie spitzen zu, was Sie auch sprechen,

So daß die Wort’ wie Speichen brechen

Aus einer Weltanschauungsnabe. –

Und Sie, Sie hätten nie studiert?

Peer Gynt.

Ich bin, das ist die Wahrheit, nackt,

Ein einfacher Autodidakt.

Methodisch hab’ ich nichts gelernt;

Doch viel gedacht und spekuliert

Und mich von manchem Wahn entfernt.

Ich fing als ältrer Mann erst an;

Da heißt es, sich besonders rackern,

Um Seit’ auf Seite durchzuackern

Und mitzunehmen, was man kann.

Die Weltgeschichte nahm ich schluckweis;

Mehr wollt’ die Zeit mir nicht erlauben.

Und da man doch in schweren Putschen

An etwas Festes möchte glauben,

Anschloß die Religion ich ruckweis.

So kam das Ganze mehr ins Rutschen.

Man schlinge Wissen nicht wie Grütze,

Man nehme nur, was einem nütze –

Master Cotton.

Sieh, das ist praktisch!

Peer Gynt (zündet sich eine Zigarre an.)

Meine Besten;

Bedenkt doch nur, wie mir’s gegangen.

Wie kam ich damals nach dem Westen!

Mit leerer Hand und roten Wangen.

Ich mußte kämpfen hart ums Brot;

Traun, Freunde, manchmal fiel mir’s schwer.

Allein das Leben lockt doch sehr,

Und bitter, sagt man, ist der Tod.

Nun gut! Das Glück, seht, ward nicht flüchtig,

Noch Muhme Fatum gallensüchtig.

Es ging. Und da ich selber tüchtig,

Lief bald die Sache wie auf Federn.

Zehn Jahre drauf ward ich genannt

Ein Krösus unter Charlestowns Reedern.

Mein Name flog von Strand zu Strand;

Das Glück fuhr mit ihm ohne Wandel –

Master Cotton.

Was trieben Sie?

Peer Gynt. Meist Negerhandel

Nach unserm Staate Karolina –

Und Götterbilderfracht nach China.

Monsieur Ballon.

Fi donc!

Trumpeterstråle.

Der Tausend, Onkel Gynt!

Peer Gynt.

Sie finden das Geschäft wohl an

Der Grenze zwischen Gut und Bös?

Mir schien es selbst zuweilen Sünd’,

Ja, dann und wann, sogar odiös.

Der Fehler war, daß ich’s begann;

Denn später weiß man nicht mehr, wie

Es ändern. Es bedankt sich nie,

Bricht man in solch ‘nem Unterfangen,

Drin Tausender Int’ressen hangen,

Die Dinge rundweg übers Knie.

Dies “übers Knie” mißfiel mir immer;

Zudem entbrach ich nie und nimmer

Der Achtung mich vor –, meine Herrn,

Was man so nennet Konsequenzen;

Und alles Setzen über Grenzen

Lag immerdar mir ziemlich fern.

Zum andern naht’ ich nun dem Alter,

Wo man des Lebens Gleicher schneidet

Und fast schon graue Haare trägt;

Und ging’s auch gut mir, augenscheinlich,

So fiel mir’s doch zu denken peinlich:

Wer weiß, wie bald das Stündlein schlägt,

Da des Gerichts gestrenger Walter

Die Schafe von den Böcken scheidet.

Was tun? Den ganzen Handel scheitern

Zu lassen, wies ich von der Hand.

Und so erfand ich einen weitern

Geschäftsbetrieb ins gleiche Land.

So oft ich Götter exportierte,

Zugleich ich Priester exklarierte,

Und zwar mit allem ausgestattet,

Als Strümpfen, Bibeln, Rum und Reis –

Master Cotton.

Und mit Profit?

Peer Gynt. Natürlicherweis.

So ging’s. Sie schafften unermattet.

Für jeden Gott, dahin verkauft,

Ein Kuli gründlich ward getauft,

So daß das Gift neutralisiert war.

Der Kirche Feld lag niemals brach;

Denn jeden Gott, der kolportiert war,

Ihn hielt ein Missionar im Schach.

Master Cotton.

Nun, und die afrikanischen Waren?

Peer Gynt.

Auch dort schloß alles in Moral.

Ich sahe, das Geschäft empfahl

Sich nicht für Leut’ in höhern Jahren

Man konnt’ ja bald zur Grube fahren.

Wozu noch kam das Wehgeschrei

Von unsern Philanthropenbänken,

Um nicht der Kaper zu gedenken

Samt Wettersnot und Havarei.

Dies alles wußt’ sich durchzusetzen.

Ich dachte: Peter, drehe bei!

Sieh zu, die Scharten auszuwetzen!

So kauft’ ich mir denn Land im Süden,

Behielt den letzten Fleischimport,

Der auch von prima Sorte just war,

Und macht’ sie fett, daß es, mein Wort!

Für mich wie für die Kerls ‘ne Lust war.

Ja, traun, ich pflegt’ sie ohn’ Ermüden,

Mit wahrhaft väterlichem Zug, –

Was seine guten Zinsen trug.

Ich baute Schulen für die Leutchen,

Damit die Tugend bliebe munter

Und auf ‘ner Höh’, geheischt mit Fug,

Und hielt darauf, daß um kein Deutchen

Ihr Thermometer sank darunter.

Zum Schluß hab’ ich von dem verdammten

Geschäft mich gründlich dann verschnauft –

Und die Plantag’ nebst dem gesamten

Inhalt mit Haut und Haar verkauft.

Zum Abschied für das ganze Schock,

So Groß wie Klein, gab’s gratis Grog;

So Mann wie Frau bekam zu viel –

Und jede Witwe Schnupfbrasil.

Und darum hoffe ich, sofern

Das Wort nicht bloß Geklapper hohl:

Der, der nicht übel tut, tut wohl, –

So ist mein Fehl getilgt beim Herrn,

Und meiner Tugend sorglich Walten

Kann meiner Schuld die Stange halten.

v. Eberkopf.

Wie hocherbaulich, hier zu sehen

Ein Theorem zur Tat gemacht,

Erlöst aus seiner grauen Nacht

Trotz allem widrigen Geschehen!

Peer Gynt, (der während des Vorhergehenden den Flaschen fleißig zugesprochen hat.)

Wir Volk vom Norden, wir verstehen

Uns durchzuschlagen! In den Wirren

Des Lebens kommt’s auf dies nur an:

Halt dir die Ohren zu! So kann

Kein Schlänglein arg dein Wandeln irren.

Master Cotton.

Kein Schlänglein arg, verehrter Mann?

Peer Gynt.

Ja, keins, das dich verführt zum Leiden:

Dichganz zu etwas zu entscheiden.

(Trinkt wiederum.)

Die ganze Kunst, das Glück zu zwingen,

Die Kunst, den Mut der Tat zu haben,

Ist die: wahlfreien Laufs zu traben

Durch dieses Lebens tausend Schlingen, –

Zu wissen, daß zu keinen Tagen

Des Streites letzten Tag man schreibt,

Zu wissen, daß stets offen bleibt

Ein Brücklein, Dich zurückzutragen.

Die Theorie war mir gerecht;

Sie war’s, die meinen Wandel färbte,

Und diese Theorie vererbte

Mir meines Heimatgaus Geschlecht.

Monsieur Ballon.

Sie sind Norweger?

Peer Gynt. Von Geblüt!

Jedoch Weltbürger von Gemüt.

Was Gutes mir bislang geschah,

Verdank’ ich meist Amerika.

Von wohlbestallten Bücherbrettern

Erbaun mich meine deutschen Vettern.

Von Frankreich kam mir meine Weste,

Mein Scherflein Geist sowie mein Schliff, –

Von England mein Geschäftsbegriff

Samt schärferm Sinn fürs eigne Beste.

Vom Juden mein “festina lente”.

Den Hang zum dolce far niente

Gab mir Italien auf den Weg; –

Und einstmals, auf gedrangem Steg,

Vermehrt’ ich meiner Tage Zahl

Mit Hilf’ von gutem schwedischen Stahl

Trumpeterstråle (erhebt sein Glas.)

Ja, unser Stahl –!

v. Eberkopf. Der ihn geschwungen,

Sei vörderst huldigend umklungen!

(Sie stoßen an und trinken mit ihm. Das Blut beginnt Peer zu Kopf zu steigen.) Master Cotton.

Dies alles ist vortrefflich baß,-

Doch, Sir, – die Frage will nicht ruhn, –

Was woll’n Sie mit dem Gold nun tun?

Peer Gynt.

Hm; was?

Alle vier (näher rückend.)

Ja, sagen Sie uns das!

Peer Gynt.

Nun, erstlich werden Weltbereiser

Seht, deshalb nahm ich Euch an Bord

Als Schiffsgesellschaft in Gibraltar.

Ich brauchte Tänzer, auf mein Wort,

Um meines goldnen Kalbes Altar –

v. Eberkopf.

Höchst witzig!

Master Cotton.

Doch verreist ein Weiser

Wie Sie nicht nutzlos seine Tage.

Man hat ein Ziel, ganz ohne Frage.

Und dies ist –?

Peer Gynt. Kaiser werden.

Alle vier. Kaiser?

Peer Gynt (nickt.)

Jawohl!

Die Herren.

Und wo?

Peer Gynt. In aller Welt.

Monsieur Ballon.

Ja, wie denn, Freund –?

Peer Gynt. Nun, durch mein Geld!

Ein Plan, nicht erst von gestern her,

Und dem ich treu blieb sonder Wanken.

Als Knab’ schon ritt ich in Gedanken

Auf Wolkenrossen übers Meer;

Stieg auf in güldner Waffenziere, –

Und purzelt’ ab auf alle Viere.

Doch trotzdem blieb ich unverzagt.

Es gibt da einen Spruch, der sagt,

Ich weiß nicht wo, daß, wenn ein Mann

Die ganze weite Welt gewann,

Dochsich verlor, so blüht’ als Lohn

Ihm höchstens eine Dornenkron’.

So steht dort – oder ähnlich; und

Dies Wort hat seinen guten Grund.

v. Eberkopf.

Und dieses GyntscheIch nun ist?

Peer Gynt.

Die Welt hier hinterm Schädelgitter,

Durch die ichich bin und kein Dritter,

Wie Gott Gott und nicht Antichrist.

Trumpeterstråle.

Das wirft auf alles neue Lichter.

Monsieur Ballon.

Sie sind ein Denker!

v. Eberkopf. Und ein Dichter!

Peer Gynt (immer mehr in Stimmung geratend.)

Das Gyntsche Ich, – das ist das Heer

Von Wünschen, Lüsten und Begehr, –

Das Gyntsche Ich, das ist der Reihn

Von Forderungen, Phantasein, –

Kurz alles, was justmeine Brust hebt

Und macht, daß Gynt als solcher just lebt.

Doch wie der Herrgott braucht der Erden,

Soll er bestehn als Gott der Welt,

So hab’ auch ich Bedarf an Geld,

Soll ich ein rechter Kaiser werden.

Monsieur Ballon.

Sie haben’s doch!

Peer Gynt. Das würd’ gelogen sein.

Ja, ja, vielleicht auf zwei, drei Jausen

Als Kaiserlein von Sondershausen.

Doch ich willich in Bausch und Bogen sein,

Will Gynt sein, wo ich geh’ und stehe,

Sir Gynt vom Scheitel bis zur Zehe!

Monsieur Ballon (hingerissen.)

Beschwör’n die Helena der Sage!

v. Eberkopf.

Am ältsten Rheingewächs sich laben!

Trumpeterstråle.

Die Degen Karls des Zwölften haben!

Master Cotton.

Doch erst ‘ne Kapitalsanlage,

Die sich rentiert –

Peer Gynt. Die eben fand ich;

Vergebens nicht ging hier an Land ich.

Heut abend dampfen wir gen Nord;

Denn Blätter melden mir an Bord

Ein Märlein, das so ernst wie neu ist –!

(Steht auf mit erhobenem Glase.)

Als ob dem alles allzusammen

Zum Glück hülf’, der sich selber treu ist –

Die Herren.

Und dies ist?

Peer Gynt. Hellas steht in Flammen.

Alle vier.

Die Griechen –?

Peer Gynt. Brachen ihre Dämme.

Die vier.

Hurra!

Peer Gynt.

Und Mahmud ist in Klemme!

(Leert sein Glas.) Monsieur Ballon.

Nach Hellas! Auf! Uns ruft die Ehre!

Ich helf’ mit meiner fränkischen Wehre!

v. Eberkopf.

Ich mit Aufrufen, aus der Ferne!

Master Cotton.

Ich will mit Lieferungen gerne –!

Trumpeterstråle.

Ich hol’ (die König Karl verloren

Zu Bender) die berühmten Sporen!

Monsieur Ballon (fällt Peer Gynt um den Hals.)

Verzeih’n Sie, Freund, ich hab’ von Grund

Aus Sie verkannt!

v. Eberkopf (drückt ihm die Hand.)

Ich dummer Hund,

Ich hielt Sie für ‘nen Schelmen fast!

Master Cotton.

Das ist zu stark; nur für ‘nen Narren –

Trumpeterstråle (will ihn küssen.)

Ich, Vaterbruder, für ‘nen Farren

Von allergröbster Yankeemast!

Vergib mir!

v. Eberkopf. Wir sind fehlgegangen – Peer Gynt.

Was heißt das?

v. Eberkopf. Jetzo sehn wir prangen

Vereint das ganze Gyntsche Heer

Von Wünschen, Lüsten und Begehr –!

Monsieur Ballon (bewundernd.)

So mußt’ sich Monsieur Gynt bewähren!

v. Eberkopf (ebenso.)

Das heiß’ ich Gynt sein – und mit Ehren!

Peer Gynt.

Ich bitte Sie –

Monsieur Ballon.

Verstehn Sie nicht?

Peer Gynt.

Ich lass’ mich hängen, wenn ich’s tue!

Monsieur Ballon.

Je nun, mein Bester, gehn Sie nicht

Nach Griechenland mit Schiff und Truhe?

Peer Gynt (prustet spöttisch.)

Ach, nein! Ich stütze den, der stärker,

Und leih’ dem Türken meine Märker.

Monsieur Ballon.

Unmöglich!

v. Eberkopf. Witzig, – doch gescherzt!

Peer Gynt (schweigt ein Weilchen, stützt sich auf einen Stuhl und nimmt eine vornehme Miene an.)

Ich glaub’, Ihr Herrn, wir stehn vom Fest

Nun auf, eh’ daß der letzte Rest

Von Freundschaft sich verhimmelwärtst.

Wer arm ist, dem ist viel verstattet.

Wenn man vom weiten Rund knapp hat

Das Streiflein Staub, das man beschattet,

Ist man Kanonenfutter, glatt.

Doch hat sein Schäflein man geschoren,

Wie ich, so wäre mehr verloren.

Gehn Sie nach Griechenland! Ich sende

Sie gratis und bewaffnet hin.

Gut! Schüren Sie den Aufruhrsinn –

Und wirken so mir in die Hände!

Drauf los, für Freiheit und für Recht!

Gestürmt! In Türkenblut gezecht!

Und dann zuletzt ein Tod in Ehren

Auf schlanken Janitscharenspeeren. –

Doch ohne mich.

(Schlägt sich auf die Tasche.)

Ich bin nicht frei –

Und bin ich selbst, Sir Gynt. – Good by!

(Er spannt seinen Sonnenschirm auf und geht in den Palmenhain, den Hängematten zu.) Trumpeterstråle.

Der Schweinekerl!

Monsieur Ballon.

Kein Sinn für Ehre!

Master Cotton.

Ach, Ehre! Wenn es das nur wäre!

Doch denkt Euch: Unser Riesenschnitt,

Wenn nun der Grieche frei sich stritt –!

Monsieur Ballon.

Ich sah mich schon auf Türkenleibern

Bekränzt von Hellas’ schönsten Weibern!

Trumpeterstråle.

Ich sah in meiner Hand schon prangen

Die heldengroßen Sporenspangen!

v. Eberkopf.

Ich meines großen Vaterlands

Kultur ausbreiten ihren Glanz –!

Master Cotton.

Das Schlimmst’ ist doch der bare Schade.

Goddam! Welch Pech im höchsten Grade!

Schon sah ich den Olymp mir dienen.

Wenn seinem Ruf man darf vertraun,

Enthält der Berg noch Kupferminen,

Die man von neuem könnte baun.

Und dazu dieser Fluß Kastale,

Davon die Red’ an dutzend Male,

Mit Fäll’n, berechnet ungefähr

Auf tausend Pferdekraft und mehr –!

Trumpeterstråle.

Ich gehe doch. Mein schwedisch Schwert

Ist mehr als Yankeedollars wert!

Master Cotton.

Mag sein; nur daß wir, erst im Haufen,

In ihm elendiglich ersaufen

Und der Profit in Rauch verpufft!

Monsieur Ballon.

Verdammt! So nah dem Glück zu gasten,

Um so zu stehn an seiner Gruft!

Master Cotton (mit geballter Faust nach dem Fahrzeug hin.)

Dort liegt, in diesem schwarzen Kasten,

Des Nabobs güldner Niggerschweiß –!

v. Eberkopf.

Ein königlicher Einfall! Sei’s

Gewagt! Das wird sein Todespfeil sein!

Kommt! Kommt!

Monsieur Ballon.

Sie woll’n –?

v. Eberkopf. Ich will die Macht!

Die Mannschaft wird um wenig feil sein.

An Bord! Ich annektier’ die Jacht!

Master Cotton.

Sie – was –?

v. Eberkopf. Ich mause, was ich find’.

(Ab nach der Jolle hinunter.) Master Cotton.

Da heißt mein Vorteil mich geschwind

Mitmausen.

(Folgt ihm.)

Trumpeterstråle.

Eines Schurken Schluß!

Monsieur Ballon.

Ein Diebsstück –! Mais – enfin! Man muß –!

(Folgt den andern.) Trumpeterstråle.

Dann muß auch ich – der Eintracht wegen –,

Doch protestier’ ich laut dagegen.

(Ihm nach und ab.)

(Eine andere Stelle der Küste.)

(Mondschein und treibende Wolken. Die Jacht sticht unter vollem Dampf in See.) (Peer Gynt läuft den Strand entlang. Bald zwickt er sich in den Arm, bald starrt er hinaus übers Meer.)

Peer Gynt.

Alpdruck! – Hirnspuk! Wach’ ich bald auf?

Sie sticht in See! Und in rasendem Lauf!

Bloßer Hirnspuk! Ich schlaf’! Ich bin trunken und toll!

(Ringt die Hände.)

Das geht doch nicht an, daß ich sterben soll!

(Rauft sich das Haar.)

Ein Traum! Ich will, daß ich träum’ und schlaf’!

Entsetzlich! Zwecklos, daß ich mich sperre!

Diese Hunde von Freunden –! O, erhöre mich, Herre!

Du bist ja so weis’ und gerecht –! O, straf’ –!

(Mit emporgestreckten Armen.)

Ich bin’s, Peter Gynt! Laß ein Wunder geschehn!

Nimm Dich meiner an, Vater; sonst muß ich vergehn!

Laß sie stoppen! Laß sie die Gig niederlassen!

Halt die Dieb’ auf! Laß sie die Segel falsch brassen!

Hör’ mich! Laß warten Kunz Tausendhändig!

Die Welt wird nicht schief gehn ob solcher Verwegenheit!

Ob er wohl hört! Er ist taub, wie beständig.

Das ist eine Wirtschaft! Ein Gott in Verlegenheit!

(Winkt aufwärts.)

Pst! Ich treib’ längst nicht mehr Niggerhandel!

Ich hab’ China bekehrt zu christlichem Wandel!

Eine Handreichung ist doch der anderen wert!

O, hilf mir –!

(Ein Feuerstrahl schießt aus der Jacht empor, von einer dicken Rauchwolke begleitet; man hört einen hohlen Knall; Peer Gynt stößt einen Schrei aus und sinkt nieder auf den Sand; nach und nach verzieht sich der Rauch; das Schiff ist verschwunden.)

Peer Gynt (bleich und leise.)

Das war der Strafe Schwert!

Versunken mit Mann und Maus, wie ein Stein!

O, ewiglich will ich mein Glück benedein – –

(Gerührt.)

Ein Glücksfall? Nein, hier ist mehr geschehn.

Ich sollte siegen und die vergehn.

O, Preis Dir, daß Du der Not mich entrissen,

Im Aug’ mich behalten trotz meinem Gebrest – –

(Atmet tief auf.)

Wie macht es doch wundersam fröhlich und fest,

Sich so separat behütet zu wissen.

Doch werden auch Hunger und Durst mich in Ruh’ lassen?

Ach, ich finde wohl was. Das ist sein Gewerb’.

Das ist nicht gefährlich; –

(Laut und einschmeichelnd.)

Er wird doch nicht zulassen,

Daß ich armer, kleinwinziger Sperling verderb’!

Nur hübsch demütig sein! Und vergönnen ihm Frist.

Den Herren laß walten; Verzagen wär’ töricht –

(Fährt erschrocken zusammen.)

Knurrte dort nicht ein Löwe im Röhricht –?

(Zähneklappernd.)

Nein, ‘s war wohl kein Löwe.

(Sich ermannend.)

Und wenn’s einer ist!

Die Biester, die halten sich doch wohl beiseite.

Mit dem, der sein Herr, da liegt keins gern im Streite.

Sie haben ja Instinkt; – da fühlen sie gewißlich:

Mit Elefanten zu spielen ist mißlich. – –

Doch trotz alledem, – ich such’ mir ‘nen Baum.

Dort wiegen im Wind sich Akazien und Palmen;

Erst droben, halt’ ich den Kerl wohl im Zaum, –

Insonderheit, könnt’ ich dazu ein paar Psalmen – –

(Klettert hinauf.)

Man soll nicht den Tag vor dem Abend loben;

Das Schriftwort hat mancher wohl schon bedacht.

(Setzt sich zurecht.)

Wie herrlich, so sitzen, den Geist erhoben!

Edel denken ist mehr, als Reichtum und Macht.

Bloß vertrauen auf Gott! Er kennt die Portion

Vom Kelch des Leidens, die wir vertragen.

Er ist väterlich gegen unsre Person; –

(Wirft einen Blick aufs Meer und flüstert mit einem Seufzer.)

Aber Ökonom, – nein; das kann man nicht sagen.

(Nacht. Marokkanisches Lager am Rand der Wüste.)

(Wachtfeuer und rastende Krieger.)

Ein Sklave (kommt und rauft sich das Haar.)

Des Kaisers weißes Roß ist verschwunden!

Ein Anderer SKLAVE (kommt und zerreißt sich die Kleider.)

Des Kaisers heilige Tracht ward gestohlen!

Aufseher (kommt.)

Hundert jedem auf die Sohlen,

Der bis morgen nichts gefunden! –

(Die Krieger steigen zu Pferde und galoppieren nach allen Richtungen fort.)

(Tagesgrauen. Die Baumgruppe von vorhin.)

Peer Gynt (auf dem Baume, einen abgebrochenen Zweig in Händen, hält sich einen schwarzen Affen vom Leibe.)

Vertrackt! So unbequem schlief ich noch nie.

(Haut um sich.)

Bist Du wieder da? Mein Maß voll zu machen!

Jetzt werfen sie Früchte. Nein, andere Sachen.

Ein ekliges Tier, solch ein Affenvieh.

Es steht zwar geschrieben: Du sollst wachen und fechten!

Doch ich kann nicht, weiß Gott, ich bin lahm und matt.

(Wird wieder gestört; ungeduldig.)

Was tun? Ich hab’ das Unwesen satt.

Ich fang’ mir einen von diesen Hechten,

Häng’ ihn und schind’ ihn und kriech’ in sein Fell,

Sein zottiges, und der vermummte Gesell,

Was gilt’s, fährt balde für einen echten. –

Was sind wir Menschen? Nicht mehr als ein Hauch.

Und man muß sich wohl finden in Schick und in Brauch.

Wieder ein Schwarm! Die Schufte sind zäh!

Packt Euch! Psch! Die tun wie Verrückte!

Wer mir nur jetzt einen Schwanz anstückte, –

Daß man mehr wie ein Tier aussäh’ –!

Was nun! Da sind sie mir gar überm Kopfe –!

(Blickt aufwärts.)

Der Alte, – mit Fäusten voll von Schmutz –!

(Kriecht ängstlich in sich zusammen und hält sich ein Weilchen still. Der Affe macht eine Bewegung; Peer Gynt beginnt ihm zu schmeicheln und schönzutun wie einem Hunde.)

Je, je, – bistDu da, Du alter Butz!

Er ist anständig, gelt, zu mir armem Tropfe!

Er will gar nicht werfen; – das wär’ nicht charmant; –

Ich bin’s doch! Pip, pip! Wir stellen uns nicht nach, – nicht?

Eia, Eia! Da sag’ noch, ich kennte Deine Sprach’ nicht!

Butzchen und ich, wir sind lange bekannt;

Butz bekommt morgen Zucker –! Du Vieh!

Die ganze Ladung! Michso vollzudrecken!

Oder war’s Futter? Man konnt’s nicht recht schmecken;

Doch da bestimmt meist Gewohnheit das Wie.

Sprach doch einmal welches Denkers Vernunft:

Man spuckt – und gewöhnt sich zuletzt in die Zunft? –

Da kommt auch der Nachwuchs noch!

(Ficht und haut.)

Närrisch bestallt,

Daß der Mensch, Herr der Erden und Himmelserbe,

Sich genötigt soll sehn zu –! Gewalt! Gewalt!

Die Rangen verstehn ihr verruchtes Gewerbe!

(Früher Morgen. Steinige Gegend mit Aussicht auf die Wüste.)

(Auf der einen Seite eine Felsenschlucht und eine Höhle.) (Ein Dieb und ein Hehler in der Felsenschlucht mit dem Pferd und den Kleidern des Kaisers. Das Pferd, reich aufgezäumt, steht an einen Stein gebunden. Reiter in der Ferne.)

Der Dieb.

Wie sie schillern und schlecken,

Die Zungen der Lanzen, –

Schau’, schau’!

Der Hehler.

Ich fühl’ meinen Kopf schon

Im Sande tanzen;

Au, au!

Der Dieb (kreuzt die Arme über der Brust.)

Mein Vater war Dieb;

Sein Sohn muß stehlen.

Der Hehler.

Mein Vater war Hehler;

Sein Sohn muß hehlen.

Der Dieb.

Dein Los trag’ ergeben;

Dich selbst sollst Du leben.

Der Hehler (horcht.)

Schritte im Gebüsch!

Wenn uns einer erspäht!

Der Dieb.

Tief ist die Höhle

Und groß der Prophet!

(Sie flüchten und lassen die Kostbarkeiten im Stich. Die Reiter verlieren sich in der Ferne.)

Peer Gynt (kommt, eine Rohrflöte schneidend.)

Wie holdselig ist diese Morgenstund’! –

Der Mistkäfer rollt seine Kugel im Dreck;

Aus seinem Schneckenhaus kriecht der Schneck.

Ja, ja, – der Morgen hat Gold im Mund!

Es ist doch im Grund eine seltsame Macht,

Womit so Natur das Frühlicht bedacht.

Man fühlt sich so sicher, fühlt alle Furcht schwinden,

Man würde, tät’s not, mit ‘nem Ochsen anbinden. –

Wie still’s hier rings ist! Ja, die ländlichen Freuden, –

Unbegreiflich genug, daß ich einst sie verwarf;

Daß man einkerkert sich in finstern Gebäuden,

Bloß daß jeder Lump dir ins Haus rennen darf. –

Nein, sieh, wie der Eidechs sich Schnaken fängt,

Schnappt, huscht, schnappt und an nichts dabei denkt.

Welch eine Unschuld solch Tier offenbart!

Jedwedes folgt seinem Schöpfer fein züchtiglich,

Bewahrt sich sein Sondergepräg’ unverflüchtiglich,

Ist es selbst in jeglicher Lebensart,

Es selbst, es selbst, wie es ward, da es ward.

(Setzt die Lorgnette auf die Nase.)

Ein Krötlein. In einem Sandstein. Guck’!

Versteinerung rings. Nur der Kopf ist heraus.

Da sitzt es und sieht, wie aus einem Haus,

Auf die Welt und ist sich selber – genug. –

(Denkt nach.)

Genug? Sich selber –? In welcher Küchen

Warddas Wort gekocht? Wo las ich das schon?

In der Hauspostillen? Oder Salomons Sprüchen?

Vertrackt! Gestehe dir, alter Sohn,

Dein Gedächtnis spricht allem Anstand Hohn.

(Setzt sich in den Schatten.)

Hier ist ein Fleckchen für Bärenhäuter.

Ah, da gibt’s Farren! Eßbare Kräuter!

(Schmeckt ein wenig davon.)

Das ist eher Brot für die Kreatur; –

Doch freilich, es heißt: Zwing deine Natur!

Des weiteren steht da: Hochmut vergehet.

Und wer sich erniedrigt, der wird erhöhet.

(Unruhig.)

Erhöhet? Gewiß, so wird mir geschehn; –

Es ist ganz unmöglich, sich’s anders zu denken.

Das Schicksal wird meine Schritte lenken.

Dies ist eine Prüfung; ich werd’ sie bestehn, –

Und für eine Zukunft, da Freude sein wird, –

Dafern der Herr mir Gesundheit verleihn wird.

(Schüttelt die Gedanken ab, zündet sich eine Zigarre an, streckt sich aus und starrt in die Wüste hinaus.)

Welch unermeßliche, endlose Leere! –

Dort in der Ferne schreitet ein Strauß. –

Was im Gefüge des Weltenbaus

Gott wohl plante mit diesem Meere

Sandes, mit diesem alles versagenden,

Diesem verbrannten, niemandem tragenden; –

Diesem Bruch der Erde, der brach liegt!

Diesem Leichnam, der tempelschänderisch

In der Schöpfung reichem Gemach liegt!

Wozu ward er? Die Natur ist verschwenderisch.

Ist dies die See, dort im Osten, der Flor

Von Silber? Unmöglich! Nur Sinnenbetrug!

Die See liegt im Westen; zurück und empor

Gedämmt durch ragender Dünen Zug –

(Ein Gedanke durchblitzt ihn.)

Gedämmt? So könnt’ ich –! Die Höhen sind schmal.

Gedämmt! Ein Durchbruch nur, ein Kanal, –

Und, ein Lebensstrom, würden die Wasser brüllen

Herein durch den Schlund und die Wüste füllen!

Bald würd’ der ganze glühende Plan

Blaun, ein gekräuselter Ozean.

Die Oasen würden als Inseln ihn kleiden,

Bergküste würde des Atlas Grat;

Die Segler würden wie Sturmvögel schneiden

Der Karawanen ertrunkenen Pfad.

Lebenshauch würde zerstreuen das Qualmen

Der Dünste, und Tau würde triefen die Wolk’;

Stadt um Stadt würde bauen das Volk,

Und Gras würde grünen um schwankende Palmen.

Südwärts der Sahara würd’ alle Flur

Küstengebiet mit verjüngter Kultur.

Dampf würde treiben Timbuktus Fabriken;

Bornu bekäm’ europäischen Stil;

Nach Habes hinauf würd’ den Forscher man schicken

Im sichern Waggon bis zum oberen Nil.

Mitten im Meer, auf ‘nem fetten Eiland,

Geb’ ich der Norwegerrasse dann Freiland;

Das Gudbrandstal hat ja schier königlich Blut;

Kreuzung mit Arabern ‘s Übrige tut.

Auf einer Bucht ansteigendem Strand

Geb’ dannPeeropolis allem die Weihe! –

Die Welt ist abgelebt. Jetzt kommt die Reihe

An Gyntiana, mein junges Land.

(Springt auf.)

Nur Kapitalien, so sprießt es empor. –

Einen Schlüssel von Gold zu des Meeres Tor!

Kreuzzug dem Tod! Heraus aus der Katzen,

Geizhals, die zwecklos gehüteten Batzen!

Für Freiheit pocht es in allen Brüsten; –

Gleich dem Esel der Arche will rufen ich laut

Übern Erdball und bringen die Meerwasserbraut

Meinen harrenden, schmachtenden Zukunftsküsten.

Fort, fort! Kapital zusammengekehrt!

Mein Reich, – mein halbes Reich für ein Pferd!

(Das Pferd wiehert in der Felsenschlucht.)

Ein Pferd! Und Kleider! – Und Waffen – und Schätze

(Tritt näher.)

Unmöglich! Nein, wirklich –! Mir ward wohl gelehrt

Irgendwo, daß der Wille Berge versetze; –

Doch daß er sogar versetzt ein Pferd –!

Gewäsch! Genug: Dort Roß, hie Reiter; –

Ab esse ad posse und so weiter und so weiter –.

(Zieht die Kleider über die seinigen an und blickt an sich herab.)

Sir Peter, – und Türke vom Scheitel bis zur Sohl’!

Wer prophezeite wohl gestern solch Heute!

Spute Dich, Grane mein, preisliche Beute!

(Steigt in den Sattel.)

Güldne Pantoffel als Bügel! Ei wohl!

Am Reitzeug erkennt man die fürnehmen Leute!

(Er galoppiert in die Wüste hinein.)

(Zelt eines Araberhäuptlings, einsam auf einer Oase.)

(Peer Gynt in seiner orientalischen Tracht, auf Polstern ruhend. Er trinkt Kaffee und raucht aus einer langen Pfeife. Anitra und eine Schar Mädchen tanzen und singen ihm vor.)

Chor der Mädchen.

Der Prophet ist erschienen!

Der Prophet, mit Allweisheit begabet,

Der Herr, der Prophet ist erschienen,

Zu uns übers Sandmeer getrabet!

Der Prophet, der das Rechte stets triffet,

Uns ist er, uns ist er erschienen,

Zu uns durchs Sandmeer geschiffet!

Jauchzt zu Flöten und Tamburinen:

Der Prophet, der Prophet ist erschienen!

Anitra.

Sein Zelter der Milch gleicht, der weißen,

Die fleußt in des Paradieses Bronnen.

Beugt Euch! Kniet! Er ist gnädig gesonnen!

Seine Augen sind Sterne voll mildem Gleißen.

Doch welch Erdenkind trägt

Den Glanz des Glanzes, der ihnen entschlägt?

Durch die Wüste kam er.

Gold und Perlen entsprangen auf seiner Brust.

Wo er hinkam, ward Glanz und Lust.

Wo er schied, hat der Samum gewütet,

Wo er schied, Nacht und Dürre gebrütet.

Durch die Wüste kam er,

Kam geschmückt er einher,

Wie ein irdisch Geborener!

Die Kaaba, die Kaaba steht leer; –

Selbst hat’s beschworen er!

Chor der Mädchen.

Jauchzt zu Flöten und Tamburinen:

Der Prophet, der Prophet ist erschienen!

(Die Mädchen tanzen zu gedämpfter Musik.) Peer Gynt.

Ich las mal gedruckt, – und darin liegt Verstand, –

Es gilt kein Prophet im eigenen Land.

Dies Leben hier will mir weit besser behagen

Als das eines Reeders in Charlestowns Tagen.

Es war etwas Hohles in all dem Betrieb,

Etwas Unklares, Fremdes, das blieb und blieb.

Ich fühlte mich nie recht daheim unter Dach,

So niemals ganz richtig als Mann von Fach.

Was wollt’ ich auch dort nur, so frag’ ich mich?

Ein Geschäftsgaul, ewig im Kreis herum traben?

Denk’ ich dran, wird mir ganz wunderlich.

Estraf sich so;da liegt der Hund begraben! –

Du selbst sein wollen von Goldes Gnaden,

Das ist, wie sein Haus auf Sandgrund errichten.

Vor Uhr und vor Ring und den andern Geschichten

Wälzt sich im Kot dir der ganze Schwaden.

Sie ziehen den Hut vor ‘ner Brustnadel-Kron’;

Aber Ring oder Nadel, ist das die Person?

Prophet; – die Stellung ist sonder Tadel.

Da weiß man doch gleich, was man gilt in der Welt.

Da ist man doch selber der Huldigung Held,

Besieht man’s, und nicht seine Börs’ oder Nadel.

Man ist, was man ist, und das glatt und blank,

Man schuldet nicht Zufall noch Ungefähr Dank,

Man braucht kein Patent nicht noch Privileg.

Prophet; ja, das ist für mich ein Gepräg’.

Und wie unerwartet mir diese Gift kam!

Bloß sintemal ich durch die Wüste geschifft kam

Und diese Naturkinder traf auf dem Weg.

Der Prophet war erschienen; die Sache war klar.

Es war also nicht mein Plan, zu betrügen –;

Zudem ist prophetisch antworten nicht lügen;

Und zurücktreten kann ich ja immerdar.

Ich bin nicht gebunden; das steht außer Frage –

Das Ganze ist, so zu sagen, privat;

Ich kann gehn, wie ich kam; mein Roß steht parat;

Mit einem Wort, ich bin Herr der Lage.

Anitra (nähert sich vom Eingang her.)

Prophet und Herr!

Peer Gynt. Meiner Sklavin Begehr?

Anitra.

Harrend vorm Zelt stehn die Wüstensöhne.

Sie bitten, Dein Angesicht schauen zu –

Peer Gynt. Stopp!

Sag’ ihnen, daß mir zunächst ihr Galopp

Statt ihres Gebets in die Ohren dröhne!

Ich will keine Mannsleute hier um mich her!

Die Männer, mein Kind, sind voll Falschheit, – so recht,

Was man sagt, ein unbeständig Geschlecht!

Anitra, Du kannst Dir nicht denken, mein Kind,

Wie hündisch – ich meine: wie sündig sie sind! –

Na, lassen wir das. Getanzt und gesungen!

Der Prophet will vergessen Erinnerungen.

Die Mädchen (tanzend.)

Der Prophet ist gut; der Prophet ist betrübt;

Denn die Söhne des Staubs haben Böses verübt.

Der Prophet ist mild; seiner Mildheit sei Preis!

Er führet die Sünder zum Paradeis.

Peer Gynt, (während er mit seinen Augen Anitra beim Tanze folgt.)

Wie Trommelschlegel fliegen die Beine.

Ei! Sie ist wahrhaft lecker, die Kleine.

Sie hat etwas extravagante Formen, –

Nicht stimmend ganz mit der Schönheit Normen;

Doch was ist Schönheit? Ein Herkommen nur, –

Eine Münze, gangbar nach Ort und Uhr.

Und just das Extravagante schmeckt süppig,

Auslöffeltest du die normale Welt.

Wo die Regel herrscht, wirst um den Rausch du geprellt.

Entweder höchst mager oder höchst üppig,

Entweder blutjung oder schreckhaft alt; –

Was dazwischen, läßt kalt.

Ihre Füße – sind zwar nicht blendend an Reine,

Auch die Arme sind’s nicht, zumal nicht der eine.

Doch ist dies schließlich’ kein arges Laster.

Ich nennt’ es eher ein Schönheitspflaster – –

Anitra, hör’ zu!

Anitra (nähert sich.)

Deine Sklavin lauscht!

Peer Gynt.

Du bist reizend, Kind! Der Prophet ist berauscht!

Und willst Du nicht glauben, vernimm als Beweis:

Er macht Dich zur Huri im Paradeis.

Anitra.

Unmöglich, Herr!

Peer Gynt. Du glaubst, es sei Scherz?

Ich schwör’ Dir’s, so wahr ich hier sitze, mein Herz!

Anitra.

Doch ich hab’ keine Seele.

Peer Gynt. Die kannst Du erhalten.

Anitra.

Doch wie, o Herr?

Peer Gynt. Des laßmich nur walten.

Ich werd’ Dein Erzieher und geb’ Dir Stunden.

Keine Seele! Ja, dumm bist Du freilich, Schatz,

Wie man sagt. Das hab’ ich mit Schmerz empfunden.

Doch für eine Seel’, da ist immer noch Platz.

Komm her; laß mich Deinen Hirnkasten messen. –

Ich hab’s doch gewußt: Hier ist Raum; hier ist Raum.

Zwar wirst Du nicht Weisheit mit Löffeln essen;

Denn ‘ne sonderlich große Seele wird’s kaum – –

Ach, was! Ich will Dir wohl, wie Du sehn kannst; –

Du sollst so viel kriegen, daß Du bestehn kannst – –

Anitra.

Der Prophet ist gut, doch – –

Peer Gynt. Du willst nicht einmal?

Anitra.

Ich wünschte lieber –

Peer Gynt. Sprich ohne Hehl!

Anitra.

Ich mache mir nicht so viel aus ‘ner Seel’; –

Gib mir lieber –

Peer Gynt. Was?

Anitra (zeigt auf seinen Turban.)

Diesen schönen Opal!

Peer Gynt (hingerissen, indem er ihr das Schmuckstück reicht.)

Anitra! Evaskind, unverzagtes!

Magnetisch lockst Du; denn ich bin Mann,

Und – ein geachteter Schriftsteller sagt es: –

“Das ewig Weibliche zieht uns an!”

Die berühmtesten Dramen von Henrik Ibsen

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