Читать книгу Die berühmtesten Dramen von Henrik Ibsen - Henrik Ibsen, Stephen Unwin D. - Страница 17

FÜNFTER AKT

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Inhaltsverzeichnis

(An Bord eines Schiffes in der Nordsee an der norwegischen Küste. Sonnenuntergang. Stürmisches Wetter.)

(Peer Gynt, ein kräftiger alter Mann mit eisgrauem Haar und Bart, steht hinten auf dem Hüttendeck. Er ist halb wie ein Seemann gekleidet, in Jacke und hohen Stiefeln. Sein Anzug ist etwas verschlissen und mitgenommen; er selbst wettergebräunt und mit einem härteren Gesichtsausdruck. Der Kapitän des Schiffes am Steuerrad beim Steuermannsmat. Die Mannschaft weiter vorn.)

Peer Gynt.

Sieh da, der Halling in Wintertracht, –

Im Stolz seiner abendrotsamtenen Pracht!

Der Jökel dahinter, sein Bruder, greis,

Noch immer im Mantel von grünem Eis.

Der Folgefirn, der ist nun sonderlich fein, –

Liegt wie eine Jungfrau in schimmerndem Lein.

Laßt’s lieber, Kinder, zu schabernacken,

Steht, wo ihr steht, ihr granitenen Wacken!

Der Kapitän (ruft nach vorn:)

Zwei Mann ans Rad; – und Laternen gesetzt!

Peer Gynt.

‘s kühlt steif.

Der Kapitän. Wir werden heut Nacht noch gehetzt!

Peer Gynt.

Kann man von hier aus den Ronden sehn?

Der Kapitän.

Nein, – weil der Folgefirn vorgeschoben.

Peer Gynt.

Oder dann Blåhö?

Der Kapitän (schüttelt den Kopf.)

Vom Takelwerk droben

Sieht man, wenn’s klar ist, den Galdhöppig stehn.

Peer Gynt.

Wo liegt wohl der Hårtejg?

Der Kapitän (zeigt.) So dort in der Drehe.

Peer Gynt.

Jawohl.

Der Kapitän.

Sie sind hier bekannt, wie ich sehe.

Peer Gynt.

Ich kam einst vorüber als junger Tropf;

Und der Satz, wie man sagt, bleibt am längsten im Topf.

(Spuckt aus und starrt auf die Küste.)

Dort also, wo’s dämmert in Schlucht und Kluft, –

Das Gebirgstal gähnt, eine schwärzliche Gruft, –

Und drunter, den Fjord hinab, hinauf, –

Dort also halten sich Menschen auf.

(Sieht den Kapitän an.)

Sie bauen zerstreut hier zu Lande.

Der Kapitän. Ja, ja.

Das wohnt einander, weiß Gott, nicht nah.

Peer Gynt.

Sind wir vor Tag drin?

Der Kapitän. So etwa, wenn’s graut.

Wenn sich nichtzu viel zusammenbraut.

Peer Gynt.

Im Westen umzieht sich’s.

Der Kapitän. Das tut’s.

Peer Gynt. Lieber Mann,

Erinnern Sie mich, wenn wir abrechnen, dran, –

Ich will, wie man sagt, etwas Übriges tun

Für die Mannschaft –

Der Kapitän. Danke!

Peer Gynt. Kein Grund. Je nun, –

Ich war Goldgräber drüben und ward wieder arm; –

Fatum und ich, hm, wir stehn nicht sehr warm.

Sie wissen ja, was ich Sie aufheben hieß;

Das ist alles – was mir der Teufel noch ließ.

Der Kapitän.

Damit können Sie noch eine Ziffer sein,

Bei Ihnen zu Hause.

Peer Gynt. Ich steh’ ganz allein.

Den reichen Ekel erwartet keine Katze. –

Na ja, so gibt’s auch kein Abgeschmatze!

Der Kapitän.

Da haben wir ‘s Wetter.

Peer Gynt. Ja, wie gesagt, –

Hat’s einer der Leute wirklich nötig,

So bin ich gern mit etwas erbötig –

Der Kapitän.

Das ist wacker! Die meisten sind recht geplagt;

Allen sind Weiber und Kinder zu nähren.

Mit der Heuer allein sind sie kärglich gestellt;

Doch bringen sie nun etwas extra Geld,

So gibt das ein Fest, dessen Folgen lang’ währen.

Peer Gynt.

Was? Weib und Kinder haben sie? Sind

Verheiratet?

Der Kapitän. Alle verheiratet. Doch

Der, dem’s am dürftigsten geht, ist der Koch!

Bei ihm ist der nackte Hunger lieb Kind.

Peer Gynt.

Verheiratet? Werden erwartet zu Haus?

Erfreun durch ihr Kommen –? Wie?

Der Kapitän. Nun ja, –

Wenn’s auch arm Volk ist.

Peer Gynt. Und sind sie dann da,

Was dann?

Der Kapitän.

So setzt wohl die Alte zum Schmaus

Was Übriges auf –

Peer Gynt. Und Licht auf den Tisch?

Der Kapitän.

Auch zwei vielleicht; und einen Schnaps zum Fisch.

Peer Gynt.

Und dann plaudert man traulich zur Ofenwärme?

Hat die Kinderchen um sich? Dieses Gelärme!

Kein einziges hört das andre zu Ende, –

So freuen sie sich –?

Der Kapitän. So wird’s ja wohl sein.

Und drum wär’ es wacker, Herr, wenn Sie die Spende

Zur Tat machen wollten –

Peer Gynt (schlägt auf die Reling.)

Nein! Dreimal nein!

Bin ich ein Narr? Wie? Was hätt’ ich für Gründ’,

Anderer Kindern mit Meinem zu frommen?

Hart genug bin ichso weit gekommen.

Niemand erwartet den alten Peer Gynt.

Der Kapitän.

Nun ja; wie Sie wollen; Ihr Geld gehört Ihnen.

Peer Gynt.

Stimmt! Mir selbst und sonst keinem, zu dienen.

Meine Rechnung, sobald es ankert, das Boot!

Kajüte von Panama hier herüber.

Sodann Branntwein der Mannschaft. Und sonst kein Stüber.

Geb’ ich mehr, Kapitän, so schlagt mich tot!

Der Kapitän.

Ich schuld’ Ihnen Quittung, mein Herr, nicht Schläge.

Doch verzeihn Sie; jetzt sind wir dem Sturm im Gehege.

(Er geht aufs Vorderdeck. Es ist dunkel geworden; in der Kajüte wird Licht angezündet. Der Seegang nimmt zu. Nebel und dichte Wolken.) Peer Gynt.

Haben daheim einen Haufen Rangen; –

Geliebt in andrer Gemütern hangen; –

Andrer Gedanken Gegenstand sein – –!

Wann und wo denkt wohl irgendwer mein? –

Licht auf dem Tisch? Aus mit dem Funken!

Ich finde schon etwas –! Ich mach’ sie betrunken; –

Keiner der Teufel soll nüchtern an Land.

Voll soll’n sie kommen zu Kindern und Frauen!

Fluchen soll’n sie; auf den Tisch hauen;

Schrecken die Ihren von Sinn und Verstand!

Weib soll’n und Kinder von Hause laufen – –!

All ihre Lust soll in Tränen ersaufen!

(Das Schiff schlingert stark; er taumelt und hat Mühe sich zu halten.)

Na, das nenn’ ich ein Überholen.

Das Meer arbeitet, als würd’s ihm befohlen.

Es ist noch es selbst hier in nördlichen Breiten,

Querköpfig, wild noch und bös wie vor Zeiten – –

(Horcht.)

Was sind das für Rufe?

Die Wache (vorn.) Ein Wrack in Lee!

Der Kapitän (mittschiffs, kommandiert.)

Ruder hart Steuerbord! Dicht vorm Wind!

Der Steuermann.

Sind Leut’ auf dem Wrack?

Die Wache. Nur drei, wie ich seh’!

Peer Gynt.

Laßt’s Heckboot hinab.

Der Kapitän. Das sänk’ gar geschwind.

(Geht nach vorne.) Peer Gynt.

Wer denkt an so was?

(Zu einigen von der Mannschaft.)

Seid guten Muts!

Und wenn Euch der Pelz auch naß wird, was tut’s!

Der Bootsmann.

Es ist unschaffbar bei solch einem Meer.

Peer Gynt.

Da rufen sie wieder. Der Wind wird schralen –

Koch, übernimmst Du’s? Hurtig! Wir zahlen –

Koch.

Nicht um zwanzig Pfund Sterling, Herr –

Peer Gynt.

Ihr Hunde! Ihr Memmen! Ihr könnt Euch verstocken!

Die Leut’ haben Weiber und Kinder; die hocken

Daheim und warten –

Der Bootsmann. Warten hält munter.

Der Kapitän.

Von der Sandbank abhalten!

Der Steuermann. Da ging’s unter.

Peer Gynt.

Wie still ward’s mit eins –!

Der Bootsmann. Tat’s verehlichte Leut’ ab,

So gibt’s drei neubackne Witwen von heut ab.

(Das Unwetter wächst. Peer Gynt geht das Deck nach hinten.)

Peer Gynt.

Es gibt keinen Glauben mehr auf der Welt,

Kein Christentum mehr, wie’s bezeugt und geschrieben steht; –

Man betet, tut Gutes wie’s einem gefällt,

Bis daß man mit Gott ganz nach seinem Belieben steht.

Doch in solch einer Nacht ist mit ihm nicht zu handeln.

Die Kerle sei’n auf der Hut; denn – gewißlich! –

Mit Elefanten zu spielen ist mißlich! – –

Und da wagen sie’s dreist mit ihm anzubandeln!

Ich, ich bin schuldlos; der Opferteller,

Kann ich beweisen, empfing meinen Heller.

Doch was hab’ ich davon? – Es gibt zwar ein Wort:

Ein gut Gewissen ein sanft Ruhekissen.

Das hilft wohl auf trockenem Boden fort,

Doch taugt es auch nur einen Deut an Bord?

Da wird das Lamm mit den Böcken zerrissen.

Zur See kannst du niemals du selber sein,

Mußt mit den andem von Deck zu Freund Hein.

Schlägt die Stunde der Strafe für Bootsmann und Koch,

So heißt es fein mit in das naßkalte Loch; –

Als einzelner wird man da glatt übergangen,

Und – mitgefangen, heißt’s, mitgehangen. –

Du warst zu fromm, Peter; das war dumm.

Jetzt lohnt dir Undank das ganze Wesen.

Weiß Gott, wär’ ich jünger, ich sattelt’ noch um,

Ging’ hin und kehrte mit schärferem Besen.

Pah; noch ist es Zeit! Man soll von mir sagen:

Peer Gynt hat gelernt, den Kopf hoch zu tragen!

Den Hof will ich wieder, ob’s biegt oder bricht; –

Ein Schloß soll draus werden, hochragend und licht.

Doch keinen will ich im Haus drinnen sehn!

Vorm Tor soll’n sie stehn und die Hüte drehn; –

Bitten und betteln, – das sei ihr Pläsier;

Doch keiner bekommt einen Schilling von mir; – –

Wenn mich das Schicksal immer bloß knechten kann,

So find’ wohl auch ich Leut’, mit denen ich rechten kann – –

Der fremde Passagier (steht im Dunkel an der Seite Peer Gynts und grüßt freundlich.)

Guten Abend!

Peer Gynt. Guten Abend! – Was wollen Sie hier –?

Der Passagier.

Ich bin, zu dienen, Ihr Mitpassagier.

Peer Gynt.

Ich dachte, daß ich der einzige sei.

Der Passagier.

Ein kleiner Irrtum, der nun vorbei.

Peer Gynt.

Doch ist mir, wo Sie bis heute staken, –

Ein Rätsel –

Der Passagier.

Ich bin dem Tag nicht gut.

Peer Gynt.

Sie sind vielleicht krank? Sie sind weiß, wie ein Laken –

Der Passagier.

Nein, danke, – mir war nie wohler zu Mut.

Peer Gynt.

Das stürmt heut!

Der Passagier. Ja, ein gesegneter Sturm.

Peer Gynt.

Gesegnet?

Der Passagier.

Die See geht hoch wie ein Turm.

Köstlich! Mir wässern schon, Freund, die Kiefern!

Wie viele Wracks wird diese Nacht liefern; –

Und wie viele Leichen für Fisch und Wurm.

Peer Gynt.

Behüte!

Der Passagier.

Sahn Sie schon einen gehenkt –

Erstickt – ertrunken –?

Peer Gynt. Geschenkt! Geschenkt!

Der Passagier.

Die Leichen lachen. Doch nur gezwungen;

Und die meisten bissen sich gern in die Zungen.

Peer Gynt.

Hören Sie auf –!

Der Passagier. Eine Frage bloß.

Bekäme das Schiff nun zum Beispiel ‘nen Stoß –

Und sänke –

Peer Gynt. Sie meinen, das könnt’ geschehn?

Der Passagier.

Wie soll ich Ihnen drauf Rede stehn?

Doch gesetzt nun, ich schwämme und Sie gingen drauf –

Peer Gynt.

Ach, Unsinn –

Der Passagier.

Ich stell’s nur als Möglichkeit auf.

Doch, ist sie, wie hier, nicht gar allzu fern,

So sperrt man sich wohl nicht mit milden Gaben –

Peer Gynt (greift in die Tasche.)

Ah, Geld!

Der Passagier.

Nein; – aber ich möchte gern

Ihren sehr geehrten Kadaver haben!

Peer Gynt.

Jetzt wird mir’s zu bunt!

Der Passagier. Nur den Leichnam, verstehn Sie!

Es ist um der Wissenschaft willen –

Peer Gynt. Jetzt gehn Sie!

Der Passagier.

Ich bitte Sie, stell’n Sie sich doch zum Entgelt vor:

Ich öffne Sie kunstvoll und leg’ Sie der Welt vor.

Ich gehe besonders dem Sitz der Träume nach, –

Und prüf’ Ihnen außerdem kritisch die Säume nach –

Peer Gynt.

Vom Leib mir!

Der Passagier. Freund, – ein ertrunken Gespenst –!

Peer Gynt.

Lästrer! Sie reizen das Wetter! Das grenzt

Wahrlich an Tollheit! Wenn Sturmwind, Regen,

Seegang und, was da noch kommen kann,

Uns nun wirklich das Handwerk legen,

Ist Ihr Übermut schuld daran – –!

Der Passagier.

Sie sind nicht bei Laune zu weitrem Verhandeln;

Die Zeit wird vielleicht Ihren Sinn noch wandeln – –

(Grüßt freundlich.)

Wir sehn uns beim Sinken, wenn nicht zuvor!

Ich hoffe, Sie sind dann bei besserm Humor.

(In die Kajüte ab.) Peer Gynt.

Greuliches Volk, diese Wissenschaftskerle!

Solch ein Freidenkertum –

(Zum Bootsmann, der vorübergeht.)

He! Mein Mitpassagier, –

Freundchen, – was ist das für eine Perle?

Der Bootsmann.

Ich weiß von keinem als Ihnen hier.

Peer Gynt.

Von keinem –? Das wird immer unheimlicher.

(Zum Jungmann, der aus der Kajüte kommt.)

Wer ging durch die Tür dort?

Der Jungmann. Der Schiffshund, Herr!

(Geht weiter.) Die Wache (ruft:)

Land hart voraus!

Peer Gynt. Mein Koffer auf Deck!

Meine Kasse!

Der Bootsmann.

Wir können jetzt nicht vom Fleck.

Peer Gynt.

‘s war nur Spaß, Kapitän! Eine bloße Nücke!

Ich helfe dem Koch; ich verdient’ ja den Stock –

Der Kapitän.

Der Klüver sprang!

Der Steuermann. Und da strich das Fock!

Der Bootsmann (schreit von vorn.)

Grund vorm Bug!

Der Kapitän. Sie geht in Stücke.

(Das Schiff stößt auf. Lärm und Verwirrung.)

(Unter Land zwischen Klippen und Brandung.)

(Das Schiff geht unter. Im Nebel erblickt man undeutlich die Jolle mit zwei Mann. Eine Sturzwelle füllt sie; sie kentert; man hört einen Schrei; es wird ganz still. Nach einer Weile sieht man das Boot, den Kiel oben, einhertreiben.) (Peer Gynt taucht in der Nähe des Bootes auf.)

Peer Gynt.

Helft! Boot vom Land! Helft, eh’s zu spät!

Herr, hilf mir, – wie geschrieben steht!

(Klammert sich am Kiel des Bootes fest.) Koch (taucht auf der andern Seite auf.)

Mir sind zu Hause Kind und Weib, –

Herr Gott, mach’, daß ich leben bleib’!

(Hält sich am Kiel.) Peer Gynt.

Weg!

Koch.

Weg!

Peer Gynt. Ich schlag’!

Koch. Ich auch, wenn’s not!

Peer Gynt.

Wenn Du nicht gehst, ich tret’ Dich tot!

Der Bootsbauch trägt nicht zwei! Laß los!

Koch.

Ich weiß. Fort.

Peer Gynt. Selbst fort!

Koch. Komm Du bloß!

(Sie kämpfen miteinander; der Koch schlägt sich eine Hand lahm; er klammert sich mit der andern fest.)

Peer Gynt.

Hand weg!

Koch. Ach, Liebster, – sei doch gut!

Bedenk, wie’s einem Vater tut –

Peer Gynt.

So wär’s für mich noch größre Pein;

Denn ich soll erst noch Vatersein.

Koch.

Laß los! Du hast gelebt; ich nicht!

Peer Gynt.

Marsch; pack’ Dich; sink, – verwünscht Gewicht!

Koch.

In Gottes Namen, räum’ das Feld!

Dich mißt kein Mensch auf weiter Welt –

(Schreit und läßt los.)

Ich sink’ –!

Peer Gynt (packt ihn.)

Ich halt’ Dich fest beim Schopf;

Bet’ flugs Dein Vaterunser, Tropf!

Koch.

Ich weiß kein Wort mehr – mir wird nacht – –

Peer Gynt.

Nur schnell die Hauptsach’ abgemacht –!

Koch.

Herr, gib uns –

Peer Gynt. Mach Dir ‘s Herz nicht schwer.

Du kriegst, was nötig noch zur Zehr.

Koch.

Herr, gib uns unser –

Peer Gynt. Immer noch?

Man merkt’s, Du warst Dein Lebtag Koch.

(Läßt ihn fahren.) Koch (versinkend.)

Uns unser täglich –

(Geht unter.) Peer Gynt. Amen, Mann!

Du warst und bliebst Du selbst. – Wohlan!

(Schwingt sich auf den Bauch des Bootes hinauf.)

Wo Leben ist, darf Hoffnung sein –

Der fremde Passagier (legt die Hand aufs Boot.)

Gutmorgen!

Peer Gynt. Hui!

Der Passagier. Ich hörte schrein; –

Es war doch hübsch, daß ich Sie fand.

Nun? Hatt’ ich vorhin recht erkannt?

Peer Gynt.

Fort! Fort! Ich hab’ kaum Platz allein!

Der Passagier.

Ich rudre mit dem linken Bein.

Ich schwimme, wenn ich bloß die Spitze

Des Fingers halt’ hier in der Ritze.

Ich komm’ betreffs des Leichnams –

Peer Gynt. Still!

Der Passagier.

Da es nun doch zu End’ gehn will –

Peer Gynt.

Mund halten!

Der Passagier.

Wie Sie wünschen, Herr.

(Stillschweigen.) Peer Gynt.

Nun, und –?

Der Passagier.

Ich schweig.

Peer Gynt. Entsetzlicher! –

Was woll’n Sie?

Der Passagier. Warten.

Peer Gynt (rauft sich das Haar.)

Das ist doch –!

Was sind Sie, Herr?

Der Passagier (nickt.)

Ihr Freund!

Peer Gynt. Was noch?

Der Passagier.

Wie, Herr? Erinnr’ ich in der Tat an

Nichts Ähnliches?

Peer Gynt. Ich weiß den Satan – Der Passagier (leise.)

Hat er den Brauch, ein Licht zu zünden

Dicht an des Lebens finstern Gründen?

Peer Gynt.

Am End’ wird alle Furcht zu nichts, –

Und Sie sind gar ein Geist des Lichts?

Der Passagier.

Freund, – hat jed’ Halbjahr Sie bloß einmal

Gebrannt der Angst verzehrend Peinmal?

Peer Gynt.

Furcht fühlt man wohl, wann Schrecken toben; –

Allein wie klingt Ihr Wort verschroben – –

Der Passagier.

Fiel Ihnen einmal bloß im Leben

Der Sieg zu, der in Angst gegeben?

Peer Gynt (blickt ihn an.)

Wenn Sie mich retten wollten, nun,

So konnten Sie dies früher tun.

Kein Witz, zu wählen seine Stunde,

Wenn einem ‘s Meer steht bis zum Munde!

Der Passagier.

Sie glauben eher an ein Siegen,

Wann warm Sie hinterm Ofen liegen?

Peer Gynt.

Gut, gut; – jedoch Sie trieben Possen.

Dadurch ward noch kein Herz erschlossen.

Der Passagier.

Wo ich her bin, in jenem Reich,

Gilt Pathos und Gelächter gleich.

Peer Gynt.

Ein jegliches in seinem Falle;

Eins, heißt es, schickt sich nicht für alle.

Der Passagier.

Die schlafen in den Aschenurnen,

Gehn wochentags nicht auf Kothurnen.

Peer Gynt.

Weich von mir, Scheusal! Weg die Hand!

Ich will nicht sterben! Will an Land!

Der Passagier.

Getrost, mein Freund! Ich habe Takt; –

Man stirbt nicht mitten im fünften Akt.

(Gleitet hinweg.) Peer Gynt.

Da kam’s heraus, trotz aller List! –

Er war ein öder Moralist.

(Ein Kirchhof in einem hochliegenden Gebirgssprengel.)

(Ein Leichenbegängnis. Pfarrer und Gemeinde. Der letzte Vers des Liedes wird gesungen. Peer Gynt kommt des Wegs.)

Peer Gynt (an der Pforte.)

Hier legen sie wohl einen Landsmann hin.

Gott Lob und Dank, daß ich’s nicht bin.

(Tritt ein.) Der Pfarrer (spricht am Grabe.)

Und nun, da seine Seele lichtwärts fliegt,

Und leer sein Leib gleich einer Hülse liegt,

Nun, liebe Freunde, sei davon gehandelt,

Wie dieser Tote unter uns gewandelt.

Er war nicht reich, nicht sonderlich von Gaben,

Von Stimme schwach, unmännlich im Gehaben,

Sein Wort kam weich und ungewiß heraus,

Und schwerlich war er Herr im eignen Haus;

Ins Kirchlein sah man ihn verlegen treten,

Als wollt’ er bitten: Laßt auch mich hier beten.

Vom Gudbrandstal, Ihr wißt, war er gekommen.

Er zog hier zu, beinahe noch ein Knab’; –

Und Ihr besinnt Euch, daß er bis ans Grab

Die rechte Hand nicht aus dem Rock genommen.

Die rechte Hand im Rock, – dies Merkmal war es,

Das diesen Mann von andern unterschied,

Und dazu sein gedrücktes, sonderbares

Benehmen, wenn er uns einmalnicht mied.

Doch waren’s stille Weg’ auch, die er wählte,

Und blieb er auch in unsrer Mitte fremd,

So hat’s uns doch zu wissen nicht gehemmt,

Daß diese Hand nur vier der Finger zählte.

Ich weiß ihn noch, vor nun so manchem Jahr,

Den Morgen des Aushebungstags zu Lunde.

Es war zur Zeit des Kriegs. In aller Munde

Der Zukunft Fragen und des Lands Gefahr.

Ich war zugegen. Vor dem Tisch saß breit

Der Hauptmann zwischen Amtmann und Sergeanten;

Und Bursch auf Bursche ward nach dem bekannten

Gebrauch geprüft, gebucht und eingereiht.

Der Raum war voll, und draußen vor den Scheiben

Scholl lautes Lachen aus dem Jugendtreiben.

Da rief man einen Namen. Einer trat

Hervor, so bleich, wie Schnee vom Gletschergrat.

Man winkte ihm; bis er zum Tisch sich tappte,

Die rechte Hand gewickelt in ein Tuch; –

Doch wie er auch nach Worten würgte, schnappte, –

Er fand nicht eines, trotz des Hauptmanns Fluch.

Bis er zuletzt, mit brennendem Gesichte,

Halb stammelt’, halb hervorstieß die Geschichte

Von einer Sichel, die ihm sei entglitten –

Und ihm den Finger glatt hab’ abgeschnitten.

Da ward es still – bis auf der Wanduhr Ticken.

Man kniff den Mund zu, sah sich ins Gesicht;

Man steinigte den Mann mit stummen Blicken.

Er fühlte hageln, doch er sah es nicht.

Da stand der Hauptmann auf, alt, grau, – ich seh’

Ihn noch, – spie aus, wies fort und sagte: Geh!

Er ging. Man wich ihm aus, wie einem Schatten,

Und ließ ihn Ruten laufen. Er gewann

Die Tür; da hub er blind zu rennen an; –

Und nun – hinauf durch Wälder, über Matten,

Hin über Halden, Hänge, Felsgeschütte – –.

Weit droben im Gebirg lag seine Hütte. –

Ein Halbjahr später war’s dann, daß er kam,

Mit Mutter, Braut und Kind, der unsre werden.

Er pachtete sich hier ein Streiflein Erden,

Ein Stückchen Brachmark, das sonst keiner nahm.

Er schloß, sobald es ging, den Ehebund,

Er schritt zum Hausbau, brach den harten Grund;

Und mit Erfolg, wie manches Fleckchen Land

Erzählte, das da gelb in Ähren stand.

Zur Kirche kam er nur, die Hand verborgen, –

Allein daheim, wo’s keiner mochte sehn,

Da schafften die neun Finger wohl für zehn. –

Da kam der Bach an einem Frühlingsmorgen.

Sein nacktes Leben rettete das Völkchen.

Er aber ging von neuem an sein Werk.

Es fiel das Laub, und aber stiegen Wölkchen

Aus einer Hütte, dicht nun unterm Berg.

Vorm Bach geschützt, – doch auch vor Schneegewehe?

Zwei Jahre später lag sie unterm Schnee.

Allein der Mann stritt weiter, unerschrocken.

Er hackte, karrte, schaufelte, grub aus, –

Und vor des nächsten Winters ersten Flocken

Stand da zum dritten Mal sein schlichtes Haus.

Drei Söhne hatte er, drei flinke Jungen;

Zur Schule sollten die, und das war weit; –

Der Anschluß an den Weg zudem bedungen

Durch einen Felsenschacht, kaum mannesbreit.

Wie half er sich! Der ältste mußt’ sich placken,

So gut es ging, und wo der Steig zu steil,

Da nahm der Mann den Kletternden ans Seil;

Die andern trug er hin auf Arm und Nacken.

So stritt er Jahr um Jahr; sie wurden groß.

Verschönte nun ihr Dank des Vaters Los?

Drei reiche Herren in der Welt, der neuen,

Vergaßen bald der Heimat und des Treuen.

Er war von kurzem Blick. Was über seinen

Bezirk ging, – von dem allen sah er nichts.

Wie taube Schellen klang ihm, was für einen

Der Unsern dröhnt wie Glocken des Gerichts.

Volk, Vaterland, uraltgeheiligt Hehres,

Stand wie im Nebel vor ihm, – Blendwerk, leeres.

Doch Demut, Demut war in diesem Mann;

Seit damals trug er schon an seinem Bann,

So wahr als Scham auf seiner Wange brannte

Und seine Finger in die Tasche bannte. –

Ein Brecher des Gesetzes? Mag es sein!

Doch etwas leuchtet über dem Gesetze,

Wie dort des Berghaupts starrend Felsgestein

Noch überkrönen lichte Wolkennetze.

Ein schlechter Bürger war er. Unfruchtbar

Für Staat und Kirche. Doch am Berg da droben,

Wo er im engsten Kreis sein Glück gewoben,

Dort war er groß, weil er er selber war; –

Weil der ihm eingeborne Klang nie schwieg;

Ein Klang, wie Geigen seufzen unterm Dämpfer.

Und darum Friede Dir, Du stiller Kämpfer,

Den schuf und brach des Bauern kleiner Krieg!

Wir wollen Herz und Nieren nicht ergründen;

Gott ziemt’s allein, das letzte Licht zu zünden; –

Doch dies ist meiner Hoffnung Stern und Kern:

Der Mann steht kaum als Krüppel vor dem Herrn!

(Das Leichengefolge trennt sich voneinander und geht. Peer Gynt bleibt allein zurück.)

Peer Gynt.

Sieh da, das nenn’ ich noch Christentum!

Da war nichts, was einen peinlich berührte; –

Zumal dem: “Du selbst zu sein, sei dein Ruhm”,

Zu dem am Schlusse die Predigt führte,

Auch an und für sich alles Lob gebührte.

(Blickt in das offene Grab.)

War’s vielleicht er, der sich damals entstellte,

Als ich im Forst war und Bäume fällte?

Wer weiß es? Ständ’ ich nicht mit meinem Stab

Hier an dieses Geistesverwandten Grab,

So könnt’ ich denken, ich selbst läge dort

Und hörte des Geistlichen rühmend Wort

Fürwahr, ein schöner christlicher Brauch,

Einen sogenannten Erinnerungsblick

Wohlwollend über ein Leben zu werfen;

Ich hörte gar gern einst auchmein Geschick

Jenen würdigen Hirten dem Volk einschärfen.

Ich tue ja wohl noch so manchen Hauch,

Bis auch mich einst schneidet des Winzers Messer, –

Doch, wie die Schrift sagt: Besser ist besser, –

Und desgleichen: Alles zu seiner Zeit, –

Und endlich: Sorg’ für ein ehrlich Begräbnis! –

Ja, die Kirche hat stets einen Trost bereit.

Ich schätzt’ sie zu wenig vor diesem Begebnis;

Nun aber fühlt’ ich denn doch, wie es tat,

Versichern zu hören von Männern, gelernten:

So wie du gesät hast, so wirst du ernten. –

Man selbst soll man sein, und sich und dem Seinen

In allem nachgehn, im großen und im kleinen.

Will ‘s Glück sich nicht fügen, so bleibt doch die Ehre,

Daß einer sein Leben geführt nach der Lehre. –

Und nun heim! Steigt der Weg noch so schmal auch und steil,

Und gibt sich das Schicksal auch noch so gefährlich, –

Der alte Peer Gynt kennt sein Sträßlein zum Heil

Und bleibt, der er ist: arm, aber ehrlich.

(Ab.)

(Abhang mit dem ausgetrockneten Bett eines Baches.)

(Eine zusammengestürzte Mühle am Bache. Der Grund aufgerissen; Zeichen der Zerstörung ringsum. Höher oben ein großer Bauernhof.) (Oben vor dem Hofe wird eine Versteigerung abgehalten. Viel Volk ist versammelt. Zechen und Gelärm. Peer Gynt sitzt unten auf einem Schutthügel in der Nähe der Mühle.)

Peer Gynt.

Hin und zurück, ‘s ist der gleiche Weg.

Hinaus und hinein, ‘s ist der gleiche Steg. –

Die Zeit, sie zehrt, und der Bach verdorrt.

Geh drum herum, sprach der Krumme. Wahr Wort!

Ein Mann in Trauer.

Jetzt preisen sie bloß noch Plunder an.

(Erblickt Peer Gynt.)

Auch Fremde sind hier? Gott zum Gruß, guter Mann!

Peer Gynt.

Desgleichen! Hier ist heut ein lustiger Tag.

Ist hier Kindstauf’ heut oder Hochzeitsgelag’?

Der Mann in Trauer.

Man weiht, möcht’ ich sagen, ein Haus heut ein; –

Die Braut liegt in einem Würmerschrein.

Peer Gynt.

Und Würmer reißen sich um den Schmaus.

Der Mann in Trauer.

Das ist das End’ vom Lied; dann ist es aus.

Peer Gynt.

Alle Lieder desselbigen Endes sind;

Und alle sind alt; ich kannt’ sie schon als Kind.

Ein Zwanzigjähriger (mit einem Schmelzlöffel.)

Hier hab’ ich den Vogel abgeschossen!

Indem hat Peer Gynt seine Knöpfe gegossen!

Ein Anderer.

Und mein Geldscheffel hier, für ‘nen Schilling, ‘nen ganzen?

Ein Dritter.

Und für fünftehalb hier der Hausiererranzen?

Peer Gynt.

Peer Gynt? Wer war das?

Der Mann in Trauer. Mir ist nur das klar,

Daß er Schwager vom Tod und Schmied Aslak war.

Ein Mann in grauer Kleidung.

Du vergißt ja mich! Wie kommst Du mir für?

Der Mann in Trauer.

Du vergißt auf Haegstad die Blockhaustür.

Der Mann in Grau.

Ja, ja; doch Dir hat auch alles genügt.

Der Mann in Trauer.

Wenn sie nur jetzt nicht den Tod noch betrügt! –

Der Mann in Grau.

Schwager! Einen Schnaps auf der Schwagerschaft Wohl!

Der Mann in Trauer.

Der Teufel sei Schwager! Was ist das für Kohl –

Der Mann in Grau.

Laß gut sein; das Blut ist noch nicht so verdünnt, –

Man fühlt sich noch immer verwandt mit Peer Gynt.

(Zieht mit ihm ab.) Peer Gynt (leise.)

Man trifft noch Bekannte.

Ein Bursche (ruft dem Mann in Trauer nach:)

Gehst wieder zechen,

Kommt Mutter Dir, Aslak, nach aus der Gruft!

Peer Gynt (steht auf.)

Hier kann man nun nicht mit dem Landwirt sprechen:

Je tiefer du gräbst, desto besser der Duft.

Ein Bursche (mit einem Bärenfell.)

Die Katze von Dovre! Da seht ihr Fell!

Die war’s, die’s zur Weihnacht den Trollen legte.

Ein Anderer (mit einem Rentierschädel.)

Hier ist der Renbock, der wackre Gesell,

Der mit Peer Gynt einst den Gendin lang fegte.

Ein Dritter, (mit einem Hammer, ruft dem Mann in Trauer zu:)

He, Du dort, Aslak, kennst Du den Hammer?

Hast Du mit dem einst die Walnuß zerkracht?

Ein Vierter (mit leeren Händen.)

Matz Moen, hier der Mantel, der unsichtbar macht!

In dem kam Peer Gynt einst zu Ingrid in die Kammer.

Peer Gynt.

Branntwein, Jungens! Und nun laßt mich Alten

Auch noch Auktion von allerlei halten.

Ein Bursche.

Was gibt’s zu kaufen?

Peer Gynt. Ich hab’ ein Schloß;

Das liegt in Ronde; – aus gutem Stein!

Der Bursche.

Ein Knopf ist geboten!

Peer Gynt. Schenk’ Dir eins ein!

Drunter zu bieten, das war nicht fein.

Ein Anderer.

Er ist lustig, der Alte!

(Ein Haufe schart sich um ihn.) Peer Gynt (ruft.) Grane, mein Roß; –

Wer bietet?

Einer im Haufen.

Wo steht es?

Peer Gynt. Wo wird es sein?

Im Westen! Gen Untergang! Das kann euch traben!

So schnell hat Peer Gynt nicht gelogen, Ihr Knaben!

Stimmen.

Was hast Du noch mehr?

Peer Gynt. So Perlen wie Schaum!

Ward mit Schaden gekauft! Wird was einbringen? Kaum.

Ein Bursche.

Ruf aus!

Peer Gynt. Von einem Gesangbuch ein Traum!

Für einen Angelhaken zu haben.

Der Bursche.

Zum Teufel die Träume!

Peer Gynt. Mein Kaisertum!

Ich werf’s unter Euch; Ihr mögt raufen darum!

Der Bursche.

Folgt die Krone mit?

Peer Gynt. Aus dem prächtigsten Stroh.

Setzt sie nur auf, sie paßt, so oder so.

Weiter! Ein Windei, noch wohlverwahrt!

Eines Toren Grauhaar! Ein Prophetenbart!

Alles sei dessen, – ich hinterleg’ es, –

Der mir den Weiser zeigt: Hier geht’s des Weges!

Der Amtmann, (der hinzugekommen ist.)

Wenn Du noch lang’ Dich so gehen läßt,

Mein Mann, so führt Dein Weg zum Arrest.

Peer Gynt (mit dem Hut in der Hand.)

Glaub’s wohl. Doch sag’ mir, Freund, wer war

Peer Gynt?

Der Amtmann.

Du willst mich –

Peer Gynt. Warum nicht gar!

Der Amtmann.

Was weiß ich; man sagt, ein greulicher Dichter –

Peer Gynt.

Ein Dichter –?

Der Amtmann. Ja, – was nur an Großem erdacht,

Das trug er so vor, als hätt’er‘s gemacht.

Doch, Freund, schon zu viel von solchem Gelichter –

(Geht.) Peer Gynt.

Und wo ist er jetzt, dieser seltsame Fant?

Ein älterer Mann.

Er fuhr übers Meer in ein fremdes Land.

Dort ging es ihm schlecht, wie vorauszusehn war; –

Jetzt ist er gehängt seit so manchem Jahr.

Peer Gynt.

Gehängt? Ganz, wie ich’s gedacht mir hab’!

Der selige Gynt blieb sich treu bis zum Grab.

(Grüßt.)

Lebt wohl, – und Dank für so mancherlei heute!

(Macht einige Schritte, bleibt aber wieder stehen.)

Was meint Ihr? Soll ich Euch, wackre Leute,

Dafür ein Geschichtlein wiedererlegen?

Mehrere.

Ja, weißt Du eines?

Peer Gynt. Steht nichts dagegen. –

(Kommt näher; es gleitet etwas wie ein fremder Ausdruck über sein Gesicht.)

In San Francisco grub ich nach Gold.

Da gab es Euch Gaukler, so viel Ihr wollt.

Dem war mit den Zehen zu geigen verliehen;

Der tanzte spanischen Halling auf den Knien;

Ein dritter, erzählte man, Verse schrieb,

Indes man durchs Hirn einen Nagel ihm trieb. –

Kam auch der Teufel dazugestoben, –

Wollt’, wie manch andrer, sein Glück erproben.

Seine Kunst bestanddarin: mit täuschendem Schein

Zu grunzen als wie ein leibhaftiges Schwein.

Die Persönlichkeit zog, war er gleich nicht bekannt.

Das Haus war voll, die Erwartung gespannt.

Vor trat er, in fliegendem Mantelkragen;

Man muß sich drapieren, wie die Deutschen sagen.

Doch unter dem Mantel, – von keinem gewußt, –

Verbarg sich ein Ferkel an seiner Brust.

Und so begann denn die Produktion.

Der Teufel kniff, und das Schwein gab den Ton.

Das Ganze gab sich als Phantasei

Übers schweinliche Dasein, gebunden und frei.

Ein Quieken zuletzt noch, wie unterm Stahl; –

Worauf sich der Künstler verbeugt’ und empfahl.

Der Stoff ward von Fachleuten sorglich durchdacht;

Die Stimmung geschmäht oder lobend belacht;

Der Kehllaut klang doch zu dünn, meinte Kunz,

Und Hinz, daß der Todesschrei allzu studiert war –

Doch alle war’n eins, daß in puncto Gegrunz

Die Produktion denn doch äußerst outriert war. –

Seht,so ging’s dem Teufel; denn er war dumm

Und berechnete nicht sein Publikum.

(Er grüßt und geht. Es fällt ein unsicheres Schweigen über die Menge.)

(Pfingstabend. Im Hochwald.)

(In einiger Entfernung, auf einem Stück Rodeland, eine Hütte mit Rentiergehörn über der Tür.) (Peer Gynt kriecht im Gehölz umher und sammelt wilde Zwiebeln.)

Peer Gynt.

Dies hier ist ein Standpunkt.Wie wohl gestaltet

Sich’s weiter? – Prüft alles, und das Beste behaltet! –

So hab’ ich’s gemacht, – hoch droben von Cäsar

Bis herunter zum Grasfresser Nebukadnezar.

So sollt’ ich nun doch durch die Bibel, zum Trutz! –

Der Graukopf sucht wieder an Mutters Brust Schutz. –

Von Erde, so heißt’s ja auch, bist du kommen. –

Nur immer die Wampe recht voll genommen, –

Das ist’s. Von Zwiebeln! Das wär’ kein Segen; –

Ich will lieber schlau sein und Schlingen legen.

Hier ist Wasser im Bach; ich werd’ nicht verschmachten;

Als Tier bin ich immer noch fürstlich zu achten.

Soll ich sterben einst, – und dem entrinn’ ich wohl kaum, –

So kriech’ ich unter ‘nen windbrochnen Baum,

Und deck’ mich zu, wie ein Bär, mit Blättern

Und ritz’ in die Rinde mit riesigen Lettern:

Hier ruht Peer Gynt, des Landes Zier,

Kaiser von all dem andern Getier. –

Kaiser?

(Lacht innerlich.)

Noch immer das alte Geliebel!

Du bist kein Kaiser; du bist eine Zwiebel.

Jetzt will ich dich einmal schälen, mein Peer!

Es hilft dir nichts, stöhnst du auch noch so sehr.

(Nimmt eine Zwiebel und pflückt Haut um Haut ab.)

Da liegt die äußre, zerfetzte Schicht; –

Der Gescheiterte, der um sein Leben ficht.

Die Passagierhaut hier, dünn wie ein Sieb, –

Hat doch im Geschmack von Peer Gynt einen Hieb.

Hier ist das Goldgräber-Ich; – fahr hin!

Der Saft ist weg, – war je einer drin.

Dies Dickfell hier, mit dem Zipfel für zwei, –

Ist der Pelzjäger an der Hudsonsbai.

Dies gleicht einer Krone hier; – hat sich was –!

Dem geben wir ohne weitres den Paß.

Hier der Altertumsforscher, kurz aber kräftig,

Und hier der Prophete, frisch und vollsäftig.

Er stinkt von Lügen, wie’s in der Schrift heißt;

Ein Duft, der ein ehrlich Mannsaug’ wie Gift beißt.

Dies Blatt hier, das weichlich am Finger klebt,

Ist der Herr, der herrlich und in Freuden gelebt.

Das nächste scheint krank. Es hat schwarze Schwielen; –

Schwarz kann auf Neger wie Pfaffen zielen.

(Pflückt mehrere auf einmal ab.)

Das hört ja nicht auf! Immer Schicht noch um Schicht!

Kommt denn der Kern nun nicht endlich ans Licht?!

(Zerpflückt die ganze Zwiebel.)

Bis zum innersten Innern, – da schau’ mir einer! –

Bloß Häute, – nur immer kleiner und kleiner. –

Die Natur ist witzig!

(Wirft den Rest fort.)

Verdammtes Gegrübel!

Geht eins in Gedanken, gerät’s ihm oft übel.

Na,ich kann ja nichts an Haltung verlieren;

Dennich lieg’ ja grundfest auf allen Vieren

(Kraut sich im Nacken.)

Wunderlich kommt mir dies Welttreiben vor!

Das Leben, wie’s heißt, hat ‘nen Fuchs hinterm Ohr.

Doch greift einer zu, verzieht sich der Schuft,

Und man fängt etwas andres – oder leere Luft.

(Er ist in die Nähe der Hütte gekommen, bemerkt sie und stutzt.)

Diese Hütte? Im Kiefernwald –! Hm!

(Reibt sich die Augen.)

Mir ist just,

Als hätt’ ich einmal um dies Bauwerk gewußt. –

Der Rentierkopf, der von der Tür herab glänzt – –!

Ein Meerweib, vom Nabel an fischgeschwänzt –!

Lüge! Kein Meerweib! – Nägel, – Planken, –

Schloß wider tückische Koboldgedanken –!

Solvejg (singt in der Hütte.)

Nun ist hier zur Pfingstfeier alles bereit.

Lieber Junge mein, in der Ferne, –

Bist Du noch weit?

Dein Werk, das harte,

Schaff’s nur gemach; –

Ich warte, ich warte,

Wie ich Dir’s versprach.

Peer Gynt (erhebt sich still und totenbleich.)

Eine, die Treue hielt, – und einer, der vergaß.

Einer, der ein Leben verspielt, – und eine, die wartend saß.

O, Ernst! – Und nimmer kehrt sich das um!

O, Angst! –Hier war mein Kaisertum!

(In den Wald hinein ab.)

Die berühmtesten Dramen von Henrik Ibsen

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