Читать книгу Die berühmtesten Dramen von Henrik Ibsen - Henrik Ibsen, Stephen Unwin D. - Страница 16

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(Mondscheinnacht. Palmenhain vor Anitras Zelt.)

(Peer Gynt, mit einer arabischen Laute in der Hand, sitzt unter einem Baume. Sein Haar und Bart sind gestutzt; er sieht bedeutend jünger aus.)

Peer Gynt (spricht und singt.)

Ich sperrte zu mein Paradies

Und nahm den Schlüssel mit.

Der Nord mein Schiff vom Strande blies,

Indes die Schönen, die ich ließ,

Nachweinten meinem Schritt.

Gen Süden schnitt des Kieles Pflug

Der Salzflut schwankend Land.

Wo schlanker Palmen stolzer Zug

Geleitet blauer Buchten Bug,

Da steckt’ ich es in Brand.

Ein Wüstenschiff erklettert’ ich,

Ein Schiff auf Beinen vier.

Aufschäumt’ es unterm Sporenstich; –

Ich bin ein Vogel; fange mich, –

Vom Zweig ich tirilier’!

Anitra, Palmenmost! Wer mäß’

Von Dir genug sich zu!

Selbst der Angoraziege Käs

Ist kaum ein halb so süß Geäs,

Anitra, ach, denn Du!

(Hängt die Laute über die Schulter und kommt näher.)

Lauscht sie mit gespannter Miene?

Hat mein Liedchen sie gehört?

Späht sie, hinter der Gardine,

Undrapiert und hold betört?

Horch! Das klang, als ob gewaltsam

Von ‘ner Flasch’ der Stöpsel sprang.

Da! Da wieder! Welch ein Klang!

Liebesseufzer? – Nein, Gesang; – –

Nein, – ein Schnarchen, unaufhaltsam. –

Süßer Laut! Anitra, schlummere!

Nachtigall, hör’ auf zu flehn!

Jedes Leid soll dir geschehn,

Störst du frech ihr sanft Geschummere!

Zwar es heißt: wie’s geht, mag’s gehn!

Bülbül ist wie ich ein Sänger;

Ach, ich will es nur gestehn:

Beide sind wir Rattenfänger

Kleiner, liebeskranker Feen.

Laue Nacht und Liederschall

Sind uns gleiche Herzensweide;

Wenn wir singen, sind wir beide

Wir, Peer Gynt und Nachtigall.

Und just, daß sie schläft, die Kleine,

Krönt mein Glück; just dies, daß meine

Lippen schier den Becher kippen,

Ohne dran auch nur zu nippen – –;

Doch da ist sie ja, – halloh!

Nun, ‘s ist gleich, so oder so.

Anitra (vom Zelt her.)

Riefst Du, Herr, nach Deiner Magd?

Peer Gynt.

Der Prophet, ja, hat gerufen.

Tollgewordne Katzen schufen

Störung ihm mit ihrer Jagd.

Anitra.

Ach, kein Jagdgelärm war, Herr, es;

Etwas weit Verfänglicheres.

Peer Gynt.

Was denn?

Anitra. Laß mich schweigen!

Peer Gynt. Sprich!

Anitra.

Ich erröte –

Peer Gynt (nähert sich ihr.)

War’s am Ende,

Was so ganz erfüllte mich

Bei des Steins verliebter Spende?

Anitra (erschrocken.)

Dich vergleichen, Erdenzier,

Einem eklen Katzentier!

Peer Gynt.

Kind, im Punkt der Liebe steht

Oft ein Kater und Prophet

Auf dem nämlichen Tapet.

Anitra.

Herr, des Scherzes Rede geht wie

Honig Dir vom Mund.

Peer Gynt. Mein Kind;

Du, wie Dein Geschlecht, Ihr seht nie

Große Männer, wie sie sind!

Ich bin scherzhaft, laß Dir sagen,

Und zu zweien umsomehr.

Meine Stellung läßt mich tragen

Einer Maske ernste Wehr.

Pflichten machen ungemächlich;

All dies Sorgen und Gescher’

Mit den Leuten hin und her

Macht mir oft den Kopf recht schwer;

Doch dies ist nur oberflächlich. –

Dummes Zeug! Im Tête-à-tête

Bin ich Peer, – ja der, nur der.

Hui, da läuft er, der Prophete;

Und hier hast Du Deinen Peer!

(Setzt sich unter einen Baum und zieht sie an sich.)

Komm, Anitra, komm und träume

Mit mir in der Palme Fächeln!

Ich will flüstern, Du sollst lächeln;

Wollen dann die Rollen wechseln;

Und, indes ich lächelnd säume,

Sollst Du Liebesworte drechseln!

Anitra (legt sich ihm zu Füßen.)

Süß sind Deine Worte, mag mir

Auch ihr Sinn nur selten nahen.

Herr, kann Deine Tochter, sag’ mir,

Also lauschend Seele fahen?

Peer Gynt.

Seele, Geistes Licht und Wissen

Sollst Du seiner Zeit nicht missen.

Wenn im Ost auf Rosenstreifen

Golddruck meldet: Nacht verschwunden!

Geb’ ich Dir, mein Püppchen, Stunden;

Und Du sollst mir köstlich reifen.

Aber in der Mondnacht Stille

Wär’ es eines Toren Grille,

Mit verstaubter Weisheit Beten

Als Magister aufzutreten. –

Ist doch auch der Seele Lehen

Nicht als Hauptsach’ zu begreifen.

Wird doch meist aufs Herz gesehen.

Anitra.

Herr! In Deiner Rede Strahlen

Schillert Glanz, wie von Opalen.

Peer Gynt.

Geist, zu scharf, ist Geisteslosheit;

Feigheit, aufgeknospet, Bosheit;

Wahrheit in der Übergift,

Rückgewandte Weisheitsschrift.

Ja, mein Kind, Gott soll mich strafen,

Lebt nicht manch ein Feuergeist,

Dem sich der Erkenntnis Hafen

Erst nach schweren Stürmen weist.

Kannte einen dieser Kerle, –

In dem ganzen Brack die Perle; –

Und selbst dieser Mann ging irre,

Ward verführt vom Weltgewirre; – –

Siehst Du rings die Wüste gähnen?

Wenn ich bloß den Turban schwenke,

Strömt das Meer aus hundert Hähnen

Seine Flut in ihr Gesenke.

Doch ich hätte Gimpelgrütze,

Schüf’ ich diese Wüstenpfütze.

Weißt Du, was bedeutet: leben?

Anitra.

Lehr’ mich’s!

Peer Gynt. Dies: Den Zeitstrom schweben

Unbenetzten Schuh’s zu Tal

Als sein eigenst Ideal.

Nur in Vollkraft kann ich der sein,

Der ich bin, kann Peer als Peer sein!

Alter Weih verliert die Federn,

Alter Bock wird welk und ledern,

Alte Trulle keift aus Lücken,

Alter Trottel hinkt an Krücken, –

Jedem wird die Seele greis.

Jugend! Jugend! Herrschen, thronend

Wie ein Sultan, heil und heiß, –

Nicht durch Gyntianas Banken,

Unter Palmenlaub und Ranken, –

Sondern weil in den Gedanken

Einer reinen Jungfrau wohnend! –

Wirst Du nun noch zweifelnd fragen,

Kind, warum ich Dich erküret,

Gnädiglichst Dein Herz gerühret,

Dort gegründet, sozusagen,

Meines Wesens Kalifat?

Deine Sehnsucht will ich haben.

Allgewalt in meinem Staat!

Du sollst sein allein die Meine.

Peer mit seinem Geist und Gaben

Sei Dir mehr denn Gold und Steine.

Scheiden wir, so ist das Leben

Ausgelebt, – das heißt, das Deine!

All Dein Du, inbrünstiglich,

Willenlos mir hingegeben,

Sei erfüllt von meinem Ich.

Deiner Locken nächtlich Blinken,

Was Dir Grazien nur gewährten,

Soll, wie babylon’sche Gärten,

Mir zu Sultansfesten winken.

Darum ist auch die Entnachtung

Deiner Stirn so nötig nicht.

Hat man Seele, ist Betrachtung

Seiner selbst die erste Pflicht.

Höre, da ich just dran denke;

Du sollst haben, macht’s Dich froh,

Einen Ring ums Fußgelenke; –

Jeder fährt am besten so;

Ich mich Dir als Seele schenke,

Und sonst alles: status quo.

(Anitra schnarcht.)

Wie? Sie schläft! Peer Gynt, versenke

Deine Hoffnung –! Dies beweist –

Halt! – just deinen mächt’gen Geist:

Deiner Liebesrede Schäumen

Trägt sie fort zu süßen Träumen. –

(Erhebt sich und legt ihr Schmuckgegenstände in den Schoß.)

Hier sind Spangen! Hier noch mehr!

Schlaf, Anitra! Träum’ von Peer – –!

Schlaf! Im Schlaf hast Du die Krone

Deinem Kaiser dargebracht!

Durch Persönlichkeit zum Throne

Kam Peer Gynt in dieser Nacht.

(Karawanenweg. Die Oase, zurückliegend, in weiter Ferne.)

(Peer Gynt, auf seinem weißen Pferd, jagt durch die Wüste. Er hat Anitra vor sich auf dem Sattelknopf.)

Anitra.

Laß sein; ich beiße!

Peer Gynt. Du kleiner Schalk!

Anitra.

Was willst Du?

Peer Gynt. Was? Spielen Täubchen und Falk!

Dich entführen! Tolle Geschichten machen!

Anitra.

Schäm’ Dich! Ein alter Prophet –!

Peer Gynt. Firlefanz!

Der Prophet ist nicht alt, Du kleine Gans!

Macht man im Alter noch solche Sachen?

Anitra.

Laß los! Ich will heim!

Peer Gynt. Jetzt bist Du kokett.

Also heim! Zum Schwiegervater! Wie nett!

Wir tollen Vögel, die Reißaus genommen,

Wir dürfen ihm nie mehr vor Augen kommen.

Zum andern bleibe man nicht, mein Schatz,

Für längere Zeit an demselben Platz;

Man verliert in der Achtung, je mehr man bekannt wird; –

Zumal, wenn man kommt als Prophet oder so.

Man gehe vorüber, rasch wie ein Bonmot.

Es war schon so weit, wo die Sache gespannt wird.

Deine Wüstensöhne wurden verdrießlich; –

So Gebete wie Weihrauch versagten schließlich.

Anitra.

Doch Dubist doch Prophet?

Peer Gynt. Ich bin Dein Kaiser!

(Will sie küssen.)

Guck’, was für ein kleiner Bärenbeißer!

Anitra.

Gib mir den Ring da von Deinem Finger!

Peer Gynt.

Nimm, süße Anitra, die ganzen Dinger.

Anitra.

Wie klingt Deine Rede so wonniglich.

Peer Gynt.

O selig, wer so hoch geliebt wird wie ich!

Hinab! Und das Pferd geführt, als Dein Sklav’!

(Reicht ihr die Reitpeitsche und steigt ab.)

So, meine Rose, meine liebliche Blume,

Hier will ich Sand treten zu Deinem Ruhme,

Bis mich ein Sonnenstich gnädiglich traf.

Ich bin jung, Anitra; das hab’ vorm Auge,

Du mußt’s nicht so streng nehmen, wenn ich nichts tauge.

Sieh, neigt nicht just Jugend zu allerlei Tänzchen?

Hätt’ also Dein Geist mehr Schliff und mehr Schwung,

So würdest Du schließen, mein reizendes Pflänzchen, –

Dein Liebster macht Unsinn, – ergo ist er jung!

Anitra.

Ja, Du bist jung. Hast Du nicht noch mehr Ringe?

Peer Gynt.

Da; nimm! Ich bin ein Bock, und ich springe!

Wär’ hier wo Weinlaub, ich setzte mir ‘nen Kranz auf!

Ja, weiß Gott, bin ich jung! Und jetzt sing’ ich mir zum Tanz auf!

(Tanzt und singt.)

Ich bin ein Hahn, ein glückseliger!

Pick’ mich, Du kleine Henne!

Ei! Hopp! Da schau, wie ich renne; –

Ich bin ein Hahn, ein glückseliger!

Anitra.

Du schwitzest, Prophet; Du zergehst mir ja fast!

Reich’ mir vom Gurt dort die baumelnde Last!

Peer Gynt.

Zärtliche Sorg’! Nimm den Beutel für immer!

Liebenden Herzen ist Gold nur ein Schimmer.

(Tanzt und singt wieder.)

Jung Peer Gynt ist ein Tollhans!

Er weiß nicht, auf welchem Fuß er stehn soll.

Pah, sagt Peer, – geh’s, wie’s gehn soll!

Jung Peer Gynt ist ein Tollhans!

Anitra.

Wunderfein tanzt der Prophete gestreng!

Peer Gynt.

Prophet? Dummes Zeug! – Komm, tauschen wir Kleider!

Zieh aus!

Anitra. Dein Gurt und Dein Kaftan ist leider

Zu weit und zu lang und Dein Strumpfwerk zu eng –

Peer Gynt.

Eh bien!

(Kniet nieder.)

Doch schaff’ mir ein heftiges Leid;

Liebenden Herzen ist Leiden köstlich!

Kommen wir dann in mein Schloß, seiner Zeit, –

Anitra.

In Dein Paradies; – liegt’s nochsehr weit östlich?

Peer Gynt.

O, wohl tausend Meilen –

Anitra. Zu weit!

Peer Gynt. Gemach!

Du bekommst auch die Seele, von der ich Dir sprach –

Anitra.

Ich danke; das kommt nicht so sehr in Frage.

Doch Du batst um ein Leid –

Peer Gynt (steht auf.) Ja, zum Teufel! Ein Weh,

Gewaltsam, doch kurz, – so auf zwei, drei Tage!

Anitra.

Anitra gehorcht dem Propheten! – Ade!

(Sie zieht ihm einen tüchtigen Hieb über die Finger und jagt in fliegendem Galopp zurück durch die Wüste.) Peer Gynt (steht eine lange Weile wie vom Blitz gerührt.)

Na, da soll aber doch – – –!

(Dieselbe Stelle. Eine Stunde später.)

(Peer Gynt zieht, bedächtig und nachdenklich, die Türkenkleider aus, Stück für Stück. Zuletzt nimmt er seine kleine Reisemütze aus der Rocktasche, setzt sie auf und steht wieder in seiner europäischen Tracht da.)

Peer Gynt, (indem er den Turban weit von sich fortschleudert.)

Dort liegt der Türke, und hier steh’ ich.

Dieses heidnische Wesen hat einen Stich.

Ein Glück, daß ich’s nur in den Kleidern getragen,

Daß sich’s nicht, wie man sagt, aufs Herz mir geschlagen.

Was wollt’ ich nur eigentlich, frag’ ich mich?

Man tut doch am besten, als Christ zu wandeln,

Zu verschmähn des Pfauenhabits Geprahl,

Zu stützen sein Tun auf Gesetz und Moral,

Man selber zu sein und dafür sich einmal

Einen Nachruf und einen Kranz einzuhandeln.

(Macht einige Schritte.)

Das Dirnchen! – Es hing nur an einem Haar,

Daß ich nicht mehr zur Vernunft erwachte.

Ich will ein Troll sein, sofern mir klar,

Was es war, das mich also von Sinnen brachte.

Na, gut, daß es aus ist! Ein Schritt noch vom Pfade, –

Und ich war lächerlich ohne Gnade.

Ich hab’ mich versehn, – doch, ich darf mir’s gestehn,

Nur infolge der Schiefe der Stellung versehn,

Nicht selbst als Persönlichkeit jedenfalls.

Ja, mußte nicht just dies prophetische Wallen,

So ganz ungewürzt von der Wirksamkeit Salz,

Zuletzt in Geschmacklosigkeit verfallen?

Eine böse Bestallung, Prophet zu sein!

In seinem Beruf soll man gehn wie in Wolken; –

Prophetisch betrachtet, büßt man flugs ein,

Sobald man aufhört, Unsinn zu kolken.

Insofern bin ich mehr als entschuldigt,

Daß ich der dummen Gans da gehuldigt.

Doch, nichtsdestominder –

(Bricht in Lachen aus.)

Man stelle sich vor!

Die Zeit will er stoppen durch Trippeln und Tänzeln!

Schwimmen wider ‘n Strom mit Schweifeln und Schwänzeln!

Lustgirrend hupft er, die Laute zupft er,

Und endet zuletzt als Hahn, – als gerupfter.

Fürwahr, ein Prophet, der die Zügel verlor! –

Gerupft, ja! – Brr! Bin ich abgebrannt!

Na; etwas ist noch in der Hinterhand,

In der Charlestowner Bank und in meinen Taschen;

Es ging also doch nicht alles durch die Maschen –

Überlegt man’s, ist solch ein Zustand viel wert.

Man ist nicht gebunden an Kutscher noch Pferd,

Hat nicht mit Koffer und Karren Plage,

Kurz, wie man sagt, man ist Herr der Lage. –

Wohin nun des Wegs? Was sei nun erkoren?

Am Wählen kennt man den Weisen vom Toren.

Mein Geschäftsleben ist ein beschlossen Kapitel;

Mein Liebesspiel ist ein beseitigter Kittel.

Zu Krebsgang hab’ ich nicht Lust noch Grund.

Hin und zurück, ‘s ist der gleiche Weg,

Hinaus und hinein, ‘s ist der gleiche Steg, –

Sagt ja wohl irgend ein geistreicher Mund. –

Wenn mir nur jetzt etwas Neues durch den Sinn führe,

Etwas Großes, bei dem man zugleich mit Gewinn führe!

Ob ich mein Leben schreib’, ungeschminkt, wahrhaft, –

Ein Vademecum, so schmackhaft wie nahrhaft? –

Oder –! Wer gleich beim Gelehrten endete – –

Und, ein reisender Forscher, mit seinem Span

Dem Einst in den dunklen Rachen blendete?

Bei Gott, ein höchst erwägbarer Plan!

Vor Chroniken bin ich nie abgebogen,

Und war auch der Wissenschaft immer gewogen. –

Wohlan denn, durchmessen der Menschheit Bahn!

Ich schwimm’ auf dem Strom der Geschichte wie ein Flaum,

Ich durchlebe sie nochmals, als wie in einem Traum, –

Seh’ der Helden Kämpfe für Gut und Groß,

Doch aus sicherm Versteck, als Zuschauer bloß; –

Seh’ der Denker Fall, der Märtyrer Glorie,

Seh’ Reiche sich bilden und Reiche vergehn, –

Seh’ Weltepochen aus Kleinem entstehn;

Kurzum, schöpf’ ab den Rahm der Historie. –

Ich muß mir einen Band Becker erhandeln

Und dann chronologisch die Welt durchwandeln.

Wohl wahr, – Geschichte ist nicht meine Stärke –

Und sinnverwirrend ihr innres Gewerke! –

Doch, pah! Je toller der Ausgangssatz ist,

Um so seltener oft der gefundene Schatz ist. – –

Erhabner Gedanke, solch Ziel sich zu stecken,

Und vor nichts, was es fordert, zurückzuschrecken!

(Still bewegt.)

Aus allen Banden fahren und schlüpfen,

Die dich mit Heimat und Freunden verknüpfen, –

In die Luft sprengen all deines Reichtums Pracht, –

Sagen dem Glück deiner Liebe gutnacht, –

Nur, um zu finden der Wahrheit Mysterium, –

(Zerdrückt eine Träne im Auge.)

Das ist des echten Forschers Kriterium.

O Unglück, du hast deinen Stachel verloren!

Ging mir doch auf nun, wozu ich geboren!

Und nun bloß aushalten, kommt’s noch so schwül!

Hoch nun darf ich mein Haupt wieder tragen, –

In meines Manneswerts Wohlgefühl;

Ein Kaiser des Lebens, sozusagen! –

Der Vergangenheit Summe will ich besitzen;

Nie mehr die Wege der Heutigen schwitzen; –

Die Gegenwart ist keine Schuhsohle wert;

Die Männer sind nur dem Gewinn zugekehrt,

Ihre Geister sind lahm, ihre Taten unecht; – –

(Zuckt die Achseln.)

Und die Weiber, – ein unbeständig Geschlecht! –

(Ab.)

(Sommertag. Hoch im Norden. Eine Hütte im Hochwald.)

(Offene Tür mit einem großen hölzernen Schloß. Rentiergeweih über der Tür. Eine Schar Ziegen an der Hauswand.) (Ein Weib von mittleren Jahren, licht und schön, sitzt und spinnt draußen im Sonnenschein.)

Das Weib (wirft einen Blick den Weg hinab und singt:)

Vielleicht geht der Winter, und der Frühling folgt nach,

Und der Sommer dazu, und das ganze Jahr; –

Aber einst wirst Du kommen, das, weiß ich, ist wahr;

Und ich werde warten, wie ich Dir’s versprach.

(Lockt die Ziegen, spinnt und singt wieder:)

Gott stärke Dich, wo in der Welt Du auch gehst!

Gott segne Dich, wenn Du vor seinem Fuß-Schemel stehst!

Hier wart’ ich, mein Freund, bis Du kommst, nach Deinem Wort;

Und wartest Du dort oben, so treffen wir uns dort!

(Ägypten. Morgendämmerung. Die Memnonssäule im Sande.)

(Peer Gynt kommt gegangen und sieht sich eine Weile um.)

Peer Gynt.

Hier könnten wir füglich beginnen zu wandern; –

Jetzt also Ägypter, nach all dem andern;

Doch Ägypter auf Basis des Gyntischen Ichs.

Dann geht’s nach Assyrien graden Strichs.

Bis an die Erschaffung der Welt zu rühren,

Das würde nur zum Verderben führen; –

Ich will ganz herum um die Bibelgedichte;

Man spürt sie ja überall in der Geschichte;

Und ihnen nachsehn, sozusagen, die Nähte, –

Dazu fehlt mir Neigung wie Handwerksgeräte.

(Setzt sich auf einen Stein.)

Nun will ich hier rasten und warten geduldig.

Zunächst ist mir Memnon sein Morgenlied schuldig.

Dann werde die Pyramide bestiegen,

Auch ihr Innres erforscht, wo die Könige liegen.

Darauf auf dem Landweg ums rote Meer;

Vielleicht grab’ ich Potiphar aus und sein Heer.

Dann bin ich Asiat. In Babylon werden

Besucht die berüchtigten hängenden Gärten,

Will heißen, die Hauptstätten seiner Kultur.

Ein Sprung – und ich bin auf trojanischer Flur.

Von Troja hab’ ich ja dann direkte

Verbindung hinüber zum alten Athen; –

Dort will ich an Ort und Stelle besehn

Und befahren den Paß, den Leonidas deckte; –

Dann etwas Philosophie betreiben,

Und das Haus, worin Sokrates starb, beschreiben – –;

Weiß Gott, da vergaß ich ja, daß sie just kriegen –!

So bleibe der Hellenismus denn liegen.

(Sieht auf die Uhr.)

Teufel auch, macht diese Sonne Flausen,

Bis sie heraufkommt. Meine Zeit ist knapp.

Also, von Troja, – da kam ich ab – –

(Steht auf und lauscht.)

Horch! Was für ein verwunderlich Sausen?

(Sonnenaufgang.) Die Memnonssäule (singt:)

Himmelan steigen aus göttlicher Asche

Vögel voll Singen.

Zeus, der geistweite,

Schuf sie zum Streite.

Weisheitseule,

Wo schlafen ihre Schwingen?

Stirb – oder hasche

Den Sinn der Säule!

Peer Gynt.

Wahrhaftig, – hab’ ich nicht einen Tic,

So klang just die Säule! Vergangenheitsmusik!

Ganz hörbar der Steinstimme Fallen und Steigen.

Ad notam. Einst den Gelehrten zu zeigen.

(Notiert ins Taschenbuch:)

“Die Säule sang. Deutlich den Klang vernommen;

Doch nicht zum Verständnis des Textes gekommen.

Das Ganze natürlich Betrug der Sinne. –

Sonst nichts observiert von höherem Gewinne.”

(Setzt seinen Weg fort.)

(In der Nähe des Dorfes Gizeh.)

(Die große aus dem Felsen gehauene Sphinx. In der Ferne Kairos Kirchtürme und Minarets.) (Peer Gynt kommt des Weges; er betrachtet die Sphinx aufmerksam, bald durch die Lorgnette, bald durch die hohle Hand.)

Peer Gynt.

Wo hab’ ich in aller Welt nur schon

Ein diesem ähnlich Geschöpf gesehn?

Im Norden? Im Süden? War’s eine Person?

Und wenn! An wen gemahnt’s mich, an wen?

Held Memnon glich, wie mich’s später durchfuhr,

Den sogenannten – Dovre-Alten,

So wie er dasaß, stotzig und stur,

Den Sitz von Säulenstumpfen gehalten. –

Doch dieser seltsame Kreuzungsversuch,

Dieser Wechselbalg, beides, so Löwe wie Weib, –

Hab’ ich den auch aus ‘nem Märchenbuch?

Odersah ich schon einmal solch einen Leib?

Ein Märchenspuk? Ha, jetzt beginnt mir’s zu tagen!

Das ist ja der Krumme, den ich einstens erschlagen, –

Das heißt, ich träumte, – ich lag im Fieber. –

(Tritt näher.)

Die Augen, die Lippen, dasselbe Kaliber; –

Nicht ganz so flau; mehr Falsch im Gesichte;

Doch sonst im ganzen dieselbe Geschichte.

So, so, Du gleichst einem Löwen, Krummer,

Wenn man von hinten Dich sieht und bei Lichte!

Macht Dir wohl Rätselraten noch Kummer?

Gibst wieder Antwort wie letzter Frist Du?

(Ruft der Sphinx zu:)

He, Krummer, wer bist Du?

Eine Stimme (hinter der Sphinx.)

Ach, Sphinx, wer bist Du?

Peer Gynt.

Das Echo antwortet deutsch! Untrüglich!

Die Stimme.

Wer bist Du?

Peer Gynt. Es spricht die Sprache vorzüglich!

Da hab’ ich etwas ganz Neues entdeckt.

(Notiert in sein Buch:)

“Echo spricht deutsch. Berliner Dialekt.”

(Begriffenfeldt kommt hinter der Sphinx hervor.)

Begriffenfeldt.

Ein Mensch!

Peer Gynt. Ach so! Also falsch geraten.

(Notiert wieder.)

“Kam später zu anderen Resultaten.”

Begriffenfeldt (unter allerhand unruhigen Gebärden.)

Eine Lebensfrage –! Verzeihen Sie –!

Was führt Sie just heute durch diese Landschaft?

Peer Gynt.

Ein Besuch. Bei einem Jugendfreund.

Begriffenfeldt. Wie?

Die Sphinx hier ist –?

Peer Gynt (nickt.) Eine alte Bekanntschaft.

Begriffenfeldt.

Famos! Und das just nach dieser Nacht!

Mein armer Kopf ist nah dran, zu zerbrechen!

Wohlan! So tun Sie den Mund auf und sprechen!

Was ist sie?

Peer Gynt. Wenn Sie das glücklich macht, –

Sie istsie selbst.

Begriffenfeldt (mit einem Sprung.)

Ha; der Welt Lösung tagt! Sie

Sind dessen gewiß? Sie wär’ in der Tat

Sie selbst?

Peer Gynt. Jawohl; so wenigstens sagt sie Begriffenfeldt.

Sie selbst! Die Stunde der Umwälzung naht!

(Nimmt den Hut ab.)

Ihr Name, mein Herr?

Peer Gynt. Peer Gynt, mit Vergunst.

Begriffenfeldt.

Peer Gynt! Allegorisch! Das stand zu erwarten. –

Peer Gynt? Das bedeutet: den längst erharrten,

Den kommenden Meister der Auslegekunst –

Peer Gynt.

Sie warteten meiner –? Zu viel der Ehre!

Begriffenfeldt.

Peer Gynt! Tiefsinnig! Rätselvoll! Graß!

Jedes Wort ist gleichsam ein Faß an Lehre!

Was sind Sie?

Peer Gynt (bescheiden.)

Ich trachtete stets, daß ich wäre

Ich selbst. Im übrigen – hier mein Paß.

Begriffenfeldt.

Ich selbst! Es wird immer mysteriöser!

(Faßt ihn ums Handgelenk.)

Nach Kairo! Kaiser der Rätsellöser!

Peer Gynt.

Kaiser?

Begriffenfeldt.

Kaiser –

Peer Gynt. Wie er mich erkennt –!

Begriffenfeldt, (indem er ihn mit sich zieht.)

Der Interpreten – auf des Selbst Fundament!

(Kairo. Ein großer Hofraum mit hohen Mauern und von Gebäuden umgeben.)

(Gitterfenster; eiserne Käfige.)

(Drei Wächter im Hofe. Ein vierter kommt.)

Der Kommende.

Schafmann; wo ist der Direktor, sag’?

Ein Wächter.

Ausgefahren lange vor Tag.

Erster.

Ich glaub’, es ist ihm ein Unglück geschehn;

Heut nacht nämlich –

Ein Anderer. Pst; die Torflügel gehn.

(Begriffenfeldt führt Peer Gynt herein; schließt das Tor und steckt den Schlüssel in die Tasche.)

Peer Gynt (für sich.)

Ein Mann, imstand’, mir den Kopf zu verwirr’n;

Fast alles, was er sagt, will nicht in mein Hirn.

(Sieht sich um.)

Dies also hier ist der Gelehrtenklub?

Begriffenfeldt.

Hier finden Sie alle, den ganzen Trupp; –

An siebenzig und tagtäglich vermehrte,

Der Weltauslegung beflissne Gelehrte – –

(Ruft den Wächtern zu:)

Michel, Schlingelberg, Schafmann, Fuchs –

In die Käfige mit Euch flugs!

Die Wächter.

Wir?

Begriffenfeldt.

Wer anders? Wir sind jetzt quitt!

Dreht sich die Erde, so drehn wir uns mit.

(Zwingt sie in einen Käfig hinein.)

Er ist heute kommen, der große Peer; –

Den Rest folgert selber, – ich sage nichts mehr.

(Sperrt den Käfig zu und wirft den Schlüssel in einen Brunnen.) Peer Gynt.

Aber – Herr Doktor – Herr Präsident –

Begriffenfeldt.

Beides gewesen. Das hat nun ein End’ – –.

Herr Peer, – Sie gehören zur schweigsamen Zunft?

Peer Gynt (in wachsender Unruhe.)

Weshalb?

Begriffenfeldt.

Sie werden mir nicht marode?

Peer Gynt.

Ich hoffe –

Begriffenfeldt (zieht ihn in eine Ecke und flüstert:)

Die absolute Vernunft

Ging ab gestern abend Schlag elf mit Tode.

Peer Gynt.

Gott helfe mir –!

Begriffenfeldt.

Ja, das ist äußerst verdrießlich

Und für mich in meiner Stellung doppelt unersprießlich.

Denn dies Haus hier galt, bis die Elf schlug aus,

Für ein Irrenhaus.

Peer Gynt. Für ein Irrenhaus!

Begriffenfeldt.

Nichtfürder, verstehn Sie!

Peer Gynt (bleich und leise.)

O Gott, mir schwant es!

Und der Mann ist verrückt; – und niemand ahnt es!

(Sucht davonzukommen.) Begriffenfeldt (folgt ihm.)

Sie verstehen doch auch den Sinn meines Spruchs?

Ich nenne sie tot; doch so spricht nur ein Schalk.

Sie ging von sich selbst. Sie ging aus ihrem Balg, –

Wie weiland Landsmann Münchhausens Fuchs.

Peer Gynt.

Einen Augenblick nur –

Begriffenfeldt (hält ihn fest.)

Nein, es war wie ein Aal; –

Nicht wie ein Fuchs. Durchs Aug’ ein Pfahl; –

Sie zappelte, zuckte – –

Peer Gynt. Daß Gott erbarm’!

Begriffenfeldt.

Um den Hals rund ein Schnitt und dann, wupps, aus dem Darm!

Peer Gynt.

Verrückt! Vollständig von Sinn und Verstand!

Begriffenfeldt.

So viel ist nun klar und nicht zu bestreiten:

Es wird dieses Von-sich-gehen begleiten

Ein wahrer Umsturz zu Wasser und Land.

Die früher “verrückten” Persönlichkeiten

Sind nämlich seit gestern abend schlechthin

Normal geworden, vernünftig im Sinn

Der neuen Vernunft; – was zugleich den Beginn

Des Rasens der frühern “Gesunden” bedeutet,

Mitdem daß die Glocke elf Uhr geläutet.

Peer Gynt.

Sie erwähnten die Uhr; meine Zeit ist zu End’ –

Begriffenfeldt.

Ihre Zeit? Sie mahnen im rechten Moment!

(Öffnet die Tür und ruft:)

Hervor denn aus Eurem Labyrinth!

Die Vernunft ist tot. Es lebe Peer Gynt!

Peer Gynt.

Nein, liebster –!

(Die Irren kommen nach und nach heraus in den Hofraum.)

Begriffenfeldt.

Zu Ende sind Eure Nöte!

Es tagt der Befreiung Morgenröte!

Euer Kaiser steht vor Euch!

Peer Gynt. Kaiser?

Begriffenfeldt. Gewiß!

Peer Gynt.

Nein, nein! Diese Ehrungen übersteigen –

Begriffenfeldt.

Nur jetzt keine falsche Bescheidenheit zeigen –

In solch einer Stunde!

Peer Gynt. Bedenkzeit nur bis – –

Nein, ich taug’ nicht dazu; ich hab’ nicht die Gaben!

Begriffenfeldt.

Ein Mann, zu dem Sphinxe geredet haben?

Der er selbst ist?

Peer Gynt. Das ist ja eben die Nuß!

Ich bin wohl ich selber, in allen Lagen;

Aber hier, soweit ich verstehe, muß

Man außer sich selbst sein, sozusagen.

Begriffenfeldt.

Wie? Außer sich? Nein, das sieht jedes Kind:

Hier ist man man selbst, ohne Gnade zu geben;

Man selbst und nicht das geringste daneben; –

Man geht, als man selbst, hier vor vollem Wind.

Im Faß seines Ich birgt ein jeder hier sich,

Taucht in seines Ich Gärung bis auf den Grund,

Schließt zu sich hermetisch mit seines Ich Spund

Und dichtet das Holz im Brunnen seines Ich.

Keiner hat Tränen für der andern Wehen;

Keiner hat Sinn für der andern Ideen.

Wir selbst, das sind wir in Geist und Gebärden,

Bis zur Spitze des Sprungbretts wir und nur wir, –

Und folglich, soll einer Kaiser hier werden,

SindSie unsres Throns erlesenste Zier.

Peer Gynt.

Der Teufel soll mich –!

Begriffenfeldt. Nur mutigen Sinn!

Fast alles auf Erden ist neu zu Beginn.

“Du selbst”; – ich will Ihre Zweifel ersticken;

Der erste beste genügt hier schon –

(Zu einer finstern Gestalt.)

Guten Tag, Huhu! Na, hörst Du, mein Sohn,

Noch immer nicht auf, bekümmert zu blicken?

Huhu.

Kann ich’s, bleibt mein Volk noch länger

Ohne Deuter, ohne Sänger?

(Zu Peer Gynt.)

Du bist fremd; so hör’ mich an denn!

Peer Gynt.

Gott erbarme sich –!

Huhu. Wohlan denn!

Fern im Ost, ein Kranz von Sande,

Ruhn die malebarschen Strande.

Portugiesen und Holländer

Sind des Lands Kulturzuwender.

Außerdem sind dort noch Scharen

Von den echten Malebaren.

Die, mit ihrem Sprachgemische,

Sind die Herren jetzt am Tische.

Doch vor grauen Zeiten wohnte

Dort der Orangutang, thronte

Tief im Wald als Herrscher, tollte,

Raufte, gröhlte, wie er wollte.

Wie Natur ihn schuf, so grunzt’ er,

Noch ein göttlich Unverhunzter.

Niemand wehrt’ ihm sein Geplärre,

War er doch des Reiches Herre.

Doch da kamen fremde Horden

Unsre Urwaldsprache morden.

Viermalhundert Jahre Nachten

Von der Kraft den Affen brachten;

Ach, man weiß, so lange Nächte

Hemmen der Entwicklung Mächte.

Waldes Urlaut ist verstummt nun,

Nicht mehr länger wird gebrummt nun; –

Wollen wir Gedanken geben,

Müssen wir zu reden streben.

Welch ein Zwang der Zungenbänder!

Portugiesen, Niederländer,

Mischlingsrasse, Malebaren,

Alle sind gleich schlecht gefahren. –

Ich nun trachte, unsern echten

Urwaldurlaut zu verfechten, –

Möcht’ den Leichnam neu beseelen, –

Unser Recht auf Gröhlen stählen, –

Gröhlte selber, zu ertrutzen

Seinen volksliedhaften Nutzen. –

Doch man hat mich schnöd’ verlassen. –

Wirst wohl jetzt mein Trauern fassen.

Dank, daß Du gehört mich Armen; –

Weißt Du Rat, so hab’ Erbarmen!

Peer Gynt (leise.)

Mit den Wölfen, mit den lieben,

Muß man heulen, steht geschrieben.

(Laut.)

Freund, nach sicherem Gerüchte

Gibt es in Marokko Schlüchte

Noch voll Orangutang-Schwärmen,

Die sich ohne Sänger härmen.

Deren Mund spricht malebarisch!

Wie honett und exemplarisch

Wär’s nun, dächten Sie (gleich andern

Standspersonen), auszuwandern –

Huhu.

Dank, daß Du gehört mein Flehen;

Wie Du rätst, so soll’s geschehen.

(Mit einer großen Gebärde.)

Hat der Osten mich zum besten, –

Orangutangs hat der Westen!

(Geht weiter.) Begriffenfeldt.

Na, war er er selbst? Gar sehr, wenn’s beliebt.

Von sich selbst ist er voll, lebt sich selber allein,

Gibtsich, was immer er von sich gibt,

Sich selber kraft seines Außer-sich-sein.

Wohlan! Ein andres hier meiner Kinder; –

Seit gestern abend vernünftig nicht minder!

(Zu einem Fellah, der eine Mumie auf dem Rücken trägt.)

König Apis, mein hoher Herre, wie geht es?

Der Fellah (wild zu Peer Gynt.)

Bin ich König Apis?

Peer Gynt (zieht sich hinter den Doktor zurück.)

Ja, leider steht es

Mit meinem Wissen hier äußerst peinlich,

Doch sind Sie, nach Ihrem Ton, wahrscheinlich –

Der Fellah.

Jetzt lügst Du auch!

Begriffenfeldt. Eure Hoheit berichte,

Wie die Sachen stehn.

Der Fellah (wendet sich Peer Gynt zu.)

Hör’ meine Geschichte!

Wen trag’ ich hier wohl auf dem Rücken? –

Einen König, der Apis hieß!

Jetzt heißt er nur noch eine Mumie

Und ist ganz tot überdies.

Er baute die Pyramiden

Und haute die große Sphinx,

Und kriegte, wie der Doktor sich ausdrückt,

Mit dem Türken bald rechts und bald links.

Und darum hat auch Ägypten

Als Gott ihn preisen gelehrt

Und in seinen Tempeln ihn unter

Dem Bild eines Ochsen verehrt. –

Dochich bin dieser Gott Apis,

Das ist wie die Sonne zu sehn;

Und wenn Du es nicht verstehest,

So wirst Du es bald verstehn.

Es schwang sich nämlich beim Jagen

Vom Pferd einst Apis, der Held,

Und ging einen Augenblick seitwärts

Auf meines Urgroßahns Feld.

Der Grund aber, den er da düngte,

Ernährte mich mit seinem Korn;

Und braucht es noch mehr der Beweise,

So hab’ ich ein unsichtbar Horn.

Und ist das nun nicht zum Verzweifeln,

Daß ganz ohne Herold ich bin!

Von Geburt bin ich Apis im Lande,

Doch Fellah in anderer Sinn.

Kannst einen Rat Du mir geben,

So mache mich damit reich; –

Was soll ich tun, daß ich werde

König Apis dem Großen gleich?

Peer Gynt.

Eure Hoheit bau’ Pyramiden,

Und hau’ eine große Sphinx,

Und krieg’, wie der Doktor sich ausdrückt,

Mit dem Türken bald rechts und bald links!

Der Fellah.

Ja, das ist mir eine Rede!

Ein Fellah! Eine hungrige Laus!

Bin froh, wenn ich meine Hütte

Rein halt’ von Ratz’ und Maus.

Auf, Mann, – etwas Bessres erfunden,

Was groß macht und sicher vor Spott,

Und was mich obendrein gleich macht

Auf meinem Rücken dem Gott!

Peer Gynt.

Wie, wenn Eure Hoheit sich hängten,

Und darauf in der Erde Schoß,

In des Sarges natürlichen Grenzen,

Verhielte sich regungslos?

Der Fellah.

Mein Leben für einen Strick denn!

An den Galgen mit Haut und Haar! –

Der Unterschied wird nicht sehr groß sein –

Und völlig verwischt übers Jahr.

(Geht hin und macht Anstalten, sich zu hängen.) Begriffenfeldt.

Das war auch eine Persönlichkeit, –

Ein Mann mit Methode, –

Peer Gynt. Ja, ja, soweit – –

Doch da hängt er sich wirklich? Gott soll uns bewahren!

Mir schwindelt; – ich fühl’ mich schon ganz zerfahren!

Begriffenfeldt.

Ein Übergangszustand; nur kurz von Frist.

Peer Gynt.

Wozu –? Entschuldigen Sie, – mir ist –

Begriffenfeldt (hält ihn fest.)

Sind Sie verrückt, Herr?

Peer Gynt. Noch nicht –! Ohne Bangen!

(Alarm. Der Minister Hussein drängt sich durch den Schwarm.)

Hussein.

Man hat mir gemeldet, ein Kaiser sei hier.

(Zu Peer Gynt.)

Sind Sie es?

Peer Gynt (verzweifelt.)

So sicher wie zwei mal zwei vier!

Hussein.

Gut. – Hier sind Noten, die Antwort verlangen.

Peer Gynt (rauft sich das Haar.)

Heißa! Recht so! So paßt es Peeren!

Hussein.

Woll’n Sie mich mit einem Tunk beehren?

(Verbeugt sich tief.)

Ich bin eine Feder.

Peer Gynt (verbeugt sich noch tiefer.)

Und ich, wie Sie sehn,

Ein krimskramsig, kaiserlich Pergamen.

Hussein.

Mein Schicksal, Herr Kaiser, hier kennt es ein jeder:

Ich gelt’ für ein Sandfaß und bin eine Feder.

Peer Gynt.

Mein Schicksal, Herr Feder, ist, wenn Sie belieben, –

Ich bin ein Papier und werd’ niemals beschrieben.

Hussein.

Für meinen Beruf geht keinem der Verstand auf;

Sie nehmen mich alle und streun mit mir Sand auf!

Peer Gynt.

Ich lag einst als Buch in eines Weibes Schoß; –

Tu’ recht oder schlecht, – ‘s ist ein Druckfehler bloß!

Hussein.

Stell’n Sie sich vor, wie entsetzlich man leidet,

Als eine Feder, die nie jemand schneidet!

Peer Gynt (macht einen Sprung.)

Wissen Sie, was einen Renbock für Qual ankommt,

Der von oben herabspringt – und niemals im Tal ankommt?

Hussein.

Ein Messer! Ich bin stumpf! Auf! Schneidet und schnitzt!

Die Welt geht unter, wenn niemand mich spitzt!

Peer Gynt.

‘s wär’ schad’ um die Welt, die, wie alles, was hausgemacht,

Den Herrgott bedünkte so wundervoll ausgedacht.

Begriffenfeldt.

Hier ist ein Messer!

Hussein (ergreift es.) Ha, Tinte zu lecken!

Wollust, sich schneiden zu –!

(Schneidet sich über den Hals.) Begriffenfeldt (weicht zur Seite.)

Nur keine Flecken!

Peer Gynt (in steigender Angst.)

Haltet ihn!

Hussein. Haltet mich! Wort der Gnade!

Haltet die Feder! Papier aus der Lade!

(Fällt um.)

Ich bin abgenutzt. Nachschrift, – in Grabschriftstil:

Er lebt’ und er starb als geführter Kiel!

Peer Gynt (taumelt.)

Was soll ich –! Was bin ich? Du großer –, halt’ fest!

Ich bin alles, was Du willst, – ein Türk’, ein Verbrecher,

Ein Bergtroll –; nur hilf; – das gab mir den Rest –!

(Schreit.)

Ich weiß nicht mehr, wie Du Dich nennen läßt – –

Hilf mir, Du, – aller Narren Fürsprecher!

(Fällt in Ohnmacht.) Begriffenfeldt, (mit einem Strohkranz in der Hand, macht einen Sprung und setzt sich rittlings über ihn.)

Da ist er von sich selbst! Daß er

Im Staub die Krone denn empfange!

(Drückt ihm den Kranz auf und ruft aus.)

Der Selbstsucht Kaiser lebe lange!

Schafmann (im Käfig.)

Es lebe hoch der große Peer!

Die berühmtesten Dramen von Henrik Ibsen

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