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1.4.1 Authentizität

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Kompetenzen werden in Situationen mit bestimmten Aufgaben und Anforderungen erworben und können in ähnlichen Situationen wieder zur Anwendung kommen. Kompetenzen sind somit funktional auf Situationen bezogen. Dies hat Konsequenzen für die Gestaltung von Aufgaben, denn

der Aufbau von höheren Kompetenzstufen, die mit Handlungskompetenz und Können verbunden sind, gelingt nur, wenn Wissen stets der Bewährungsprobe erfolgreicher Leistung unterzogen ist. Die Verknüpfung von Wissen und Können darf also nicht auf Situationen »jenseits der Schule« verschoben werden. Vielmehr ist bereits beim Wissenserwerb die Vielfalt möglicher Anwendungs-Situationen mit zu bedenken. (Klieme et al., 2007, S. 79)

Im Zitat wird die Forderung nach authentischen und auf die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen bezogenen Aufgaben deutlich. Die Lebensnähe ist ein Qualitätskriterium sowohl bei Blömeke et al. (2006) als auch bei Maier et al. (2013, 2010) und seit längerer Zeit eine eigene didaktische Kategorie allgemeindidaktischer Theorien, vergleichbar mit dem Kriterium der Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung bei Klafki (1995).

Reale und lebensweltorientierte Aufgaben sind jedoch nicht per se lernförderlich. Dies zeigen beispielsweise Analysen, die auf Grundlage von Bernsteins bildungssoziologischer Theorie entstanden sind. In diesen Arbeiten wird deutlich, dass lernschwächere Schülerinnen und Schüler mit der hohen Komplexität, die mit authentischen Aufgaben einhergeht, überfordert sein können (vgl. Gellert & Sertl, 2012; Leufer & Sertl, 2010). Auch in Hinblick auf das situierte Lernen wird kritisch angemerkt, dass es ja gerade die besondere Situation des Unterrichts kennzeichne, das situative, reale, lebensnahe und alltagsverknüpfte Lernen zu überwinden (vgl. Terhart, 1999, S. 643). Vor diesem Hintergrund hat eine kompetenz­orientierte Unterrichtsgestaltung eine Balance zu finden zwischen dem systematischen Erwerb einzelner Kompetenzaspekte und dem auf den Erwerb mehrerer Kompetenzen zielenden situationsbezogenen Lernen.

Auf der Grundlage dieser Überlegungen umfasst der Bereich »Authentizität« die folgenden zwei Merkmale: Kompetenzabbild und Lebensnähe.

Kompetenzabbild (vgl. Flechsig, 2008, S. 254; Lersch & Schreder, 2013, S. 50–51): Mit diesem Merkmal wird erfasst, wie viele (Teil-)Kompetenzen mit einer Aufgabe gleichzeitig entwickelt werden können. Dahinter steht die Überlegung von Lersch und Schreder (2013), dass bei einer kompetenzorientierten Unterrichtsgestaltung Unterrichtseinheiten von ihrem angepeilten Ende her zu denken seien und die anvisierte Zielkompetenz in Teilkompetenzen zu zerlegen sei. Damit können Aufgaben zur Kompetenzentwicklung unterschiedlich vieler Aspekte beitragen, wobei zu beachten ist, dass die Teilkompetenzen so mit Übungs- und Anwendungssituationen komplettiert werden, dass die Gesamtheit der Teilkompetenzen die Zielkompetenz kumulativ aufbaut. Unterschieden werden für dieses Merkmal folgende drei Ausprägungen:

singulär:Aufgabe, durch die ein Teilaspekt einer Kompetenz in Bezug auf die Realsituation erarbeitet, vertieft, geübt und angewendet wird, zum Beispiel eine Fertigkeit, eine kognitive Fähigkeit, eine personale Fähigkeit
additiv:Aufgabe, durch die mehrere Teilaspekte einer Kompetenz in Bezug auf die Realsituation erarbeitet, vertieft, geübt, angewendet werden
integrativ:Aufgabe, durch die möglichst viele Teilaspekte einer Kompetenz in Bezug auf die Realsituation ineinandergreifend erarbeitet, vertieft, geübt, angewendet werden

Lebensnähe (vgl. Blömeke et al., 2006, S. 337; Flechsig, 2008, S. 254; Maier et al., 2013, S. 36–37; Maier, Kleinknecht & Metz, 2010, S. 35): Maier et al. (2013, 2010) definieren Lebensnähe als die »Relation zwischen domänenspezifischem Fachwissen und der Erfahrungs- und Lebenswelt der Jugendlichen« und unterscheiden diesbezüglich vier Ausprägungen:

ohne:Aufgabe ohne Verknüpfung von Fachwissen und Lebenswelt der Lernenden
konstruiert:konstruierte Aufgabensituation in Bezug auf die Lebenswelt der Lernenden
authentisch:reale Fremd- und Selbsterfahrungen, die mit den Lernenden in Kontakt gebracht werden
real:in der Situation vorhandenes Problem, das gelöst werden muss
Kompetenzförderung mit Aufgabensets

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