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1.5 Das LUKAS-Modell als Grundlage für die Entwicklung kompetenzfördernder Aufgabensets
ОглавлениеDie vier Merkmalsbereiche – Authentizität, Kognition, Komplexität, Differenzierung – samt den ihnen zugeordneten Merkmalen bilden die empirisch belegte Basis für die Bestimmung der Aufgabenqualität und legen somit die Basis für das LUKAS-Kategoriensystem (vgl. Abschnitt 1.4). Diese Merkmalsbereiche sind für jede Aufgabe relevant. Doch erst die einer bestimmten Aufgabe zugewiesene didaktische Funktion im Lernprozess entscheidet darüber, in welcher Ausprägung das betreffende Merkmal dieser bestimmten Aufgabe vorliegen sollte, damit die Aufgabe im Lernprozess angemessen eingesetzt und damit lernwirksam werden kann. Daher ist es sinnvoll, die Abertausenden von Aufgaben, die sich überall im Netz und in den Lehrmitteln finden, aus ihrem Beliebigkeitsdasein zu befreien, sie in ihrem funktionalen Bezug zum Lernprozess der Schülerinnen und Schüler zu betrachten und dementsprechend zu typisieren (vgl. Abschnitt 1.3). Erst im Zusammenspiel der beiden Perspektiven auf Aufgaben – der Qualität der einzelnen Aufgabe an sich (Mikroprozessebene) und der funktionalen Qualität dieser Aufgabe im Lernprozess (Makroprozessebene) – lässt sich gesamthaft das kompetenzfördernde Potenzial der Aufgabe für das Lernen der Schülerinnen und Schüler bestimmen.
Im Folgenden geht es darum, die aufgabenbasierte Makro- und Mikroprozessebenen des Lernens synoptisch zu betrachten. In der Planung eines kompetenzfördernden Unterrichts lassen sich daher die beiden Instrumente, das Lernprozessmodell und das Kategoriensystem, zum LUKAS-Modell zusammenführen (Abbildung 1.9). Es dient in der täglichen Unterrichtsvorbereitung zur angemessenen Aufgabenwahl im kompetenzfördernden Unterricht und damit zur Entwicklung von kompetenzfördernden Aufgabensets, wie sie im zweiten Teil dieses Bandes vorgestellt werden.
Mithilfe des LUKAS-Modells lassen sich die Aufgabentypen qualitativ und funktional charakterisieren:
•So ist für Konfrontationsaufgaben typisch, dass sie zur Auseinandersetzung mit einer möglichst realitätsnahen Situation, einem Problem, einer Frage auffordern, in der sich die angestrebte Kompetenz in allen Teilaspekten zeigt (Authentizität). Konfrontationsaufgaben legen Vorwissen frei und aktivieren die Präkonzepte der Lernenden (Kognition), indem sie vorstrukturiert (Komplexität), lösungsoffen und somit selbstdifferenzierend (Differenzierung) sind.
•Typisch für Erarbeitungsaufgaben ist, dass sie es ermöglichen, mehrere Teilaspekte (Begriffe, Konzepte, Verfahren) einer Kompetenz nacheinander oder nebeneinander zu erarbeiten (Authentizität), wobei individuelle Vorstellungen durch fachbezogene Fakten, Konzepte und Fertigkeiten ergänzt und explizit geordnet werden (Kognition). Sie sind vor- oder teilstrukturiert (Komplexität), ermöglichen zeitnahes, sachorientiertes Feedback und Lernunterstützung (Differenzierung).
•Typisch für Vertiefungs- und Übungsaufgaben ist ihre enge fachliche Ausrichtung. Die Anbindung an lebensweltliche Erfahrungen ist hierzu weniger bedeutsam (Authentizität). Sie tragen zu fachlichem Verstehen und Handeln bei (Kognition), sind in der Regel strukturiert (Komplexität), dienen zur Kompensation unterschiedlicher Lernvoraussetzungen oder zur wahlweisen Vertiefung in einen speziellen Teilaspekt (Differenzierung).
•Typisch für Synthese- und Transferaufgaben ist, dass sie anregen, die Teilaspekte der angestrebten Kompetenz möglichst integral, also realitätsnah, zu nutzen (Authentizität). Aufgrund der erweiterten Vorstellungen der Lernenden fördern sie analogiebildendes Denken und Handeln in einem weiten Transfer (Kognition), fordern die Integration oder Transformation verschiedener Repräsentationsformen ein (Komplexität) und zeichnen sich dadurch aus, dass sie mehrere mögliche Lösungen/Lösungswege zulassen (Differenzierung).
•Typisch für formative Beurteilungsaufgaben ist, dass sie die Diagnose darüber ermöglichen, inwiefern Teilaspekte einer Kompetenz beherrscht bzw. zusammengeführt werden können (Authentizität), indem sie explizit die individuellen Vorstellungen sowie die vier Wissensarten einfordern (Kognition). Sie sind unterschiedlich stark strukturiert (Komplexität), ermöglichen zeitnahes sachorientiertes Feedback und Lernunterstützung (Differenzierung).
•Typisch für summative Beurteilungsaufgaben ist, dass ihre Bearbeitungsqualität daraufhin bewertet wird, inwiefern Teilaspekte der angestrebten Kompetenz beherrscht bzw. zusammengeführt werden können (Authentizität). Bewertet werden durch sie Lernleistungen in allen vier Wissensarten, insbesondere in Hinblick auf analogiebildendes Denken und Handeln (Kognition) und die Integration oder Transformation verschiedener Repräsentationsformen (Komplexität). Auch offene Fragestellungen mit mehreren möglichen Lösungen/Lösungswegen sind möglich (Differenzierung).
Fazit: Aufgaben sind als didaktisch inszenierte Lerngelegenheiten die Fixpunkte der Unterrichtsplanung und des fachlichen und überfachlichen Kompetenzaufbaus. Lehrkräfte stehen somit täglich vor der Aufgabe, Aufgabenstellungen, angepasst an die Ziele und Voraussetzungen ihrer Lernenden, auszuwählen und deren Qualität zu sichern. Dazu müssen sie die Potenziale und die Qualität von Aufgaben, die sie verwenden, erkennen, um sie danach im Unterricht auch umsetzen zu können. Das heißt, sie müssen beurteilen, welche geistigen Tätigkeiten und Operationen durch eine Lernaufgabe bei ihrer geschickten Inszenierung herausgefordert werden und welche nicht. Eine differenzierte und systematische Analyse der Qualität von Aufgaben löst insgesamt den Auftrag ein, die von den Schülerinnen und Schülern verlangten Denk- und Verstehensprozesse in den Blick zu nehmen, um im Unterricht eine gute Passung zwischen fachbezogenen Kompetenzanforderungen, Voraussetzungen der Lernenden und Handeln der Lehrkräfte zu unterstützen. Daher sollte sich der analytische Blick auf Aufgaben nicht nur auf Einzelaufgaben beschränken, sondern in die Form von Aufgabensets gebracht werden, die auf einen kontrollierbaren Kompetenzzuwachs hin angelegt sind. Hierzu dient das LUKAS-Modell.