Читать книгу Mordgelüste in der Schlossklinik Buchenhain - Herbert Seibold - Страница 10
Der Hauptkommissar und sein Team
ОглавлениеJoe Moser – seit seinem Amerikaaufenthalt bestand er auf diesen Vornamen, obwohl er doch Josef hieß – war für die Abteilung Mordkommission ein wahrer Glücksfall. Er war ein schneller analytischer Denker mit großer Erfahrung. Mit seinen neununddreißig Jahren war er auf seinem beruflichen Zenit. Seine Ausbildung hatte er in München und Frankfurt absolviert. Außerdem war er von seinem früheren Chef für zwei Jahre zum FBI nach Washington geschickt worden. Dort und bei weiteren Fortbildungen in den USA konnte er die modernen Methoden des Profilings trainieren. Im Team mochten ihn alle. Die männlichen Mitarbeiter mutmaßten sogar, dass die weiblichen Kollegen ihn heimlich anhimmelten, was der Pathologe nicht verstehen konnte.
„Ach, weißt du“, pflegte dann der Toxikologe Doktor Mai dem Pathologen Doktor Müller zu sagen, „du bist ja nur neidisch. Was kennst du denn die Frauen. Man kann die doch gar nicht verstehen, höchstens lieben. Nehmen wir die Kommissarin Gertrude Gerngross. Liebt die den Joe? Sie hätte ja allen Grund dafür. Du findest doch auch, dass sie nicht schlecht aussieht? Na ja, über die Stupsnase und die steilen Stirnfalten kann man hinwegsehen. Dann die Hüften mit dem Doppelhöcker – ja, es gibt Männer, die stehen darauf. Dafür hat sie einen beschwingten Gang und einen knackigen Hintern. Wenn ich ein Schwabe wäre, würde ich sagen: Dia isch scho recht!“
Doktor Mai hatte mit Frauen nicht so viel am Hut. Deshalb konnte er nur mit dem Pathologen zusammen so locker daherreden und lästern. Er war ein bisschen kauzig. Das hing wohl mit seinem Beruf zusammen, in dem er, ständig umgeben von Giften und Chemikalien, als „Säulenheiliger“ – so werden intern Spezialisten für die säulenchromatographische Auftrennung und Bestimmung von Substanzen genannt – vor sich hin forschte.
Jetzt stand er mit den Kommissaren im Flur in der Nähe der Intensivstation. Weil keine Leiche zu begutachten war, konnte man auf die Anwesenheit des forensischen Pathologen verzichten. Von der Abteilung Forensik war er heute allein da. Sein Chef, Professor Krautmann, war im Urlaub. Jetzt war er der Chef. Er setzte sein besonderes, vielleicht etwas verklemmtes Lächeln auf und wandte sich an Gertrude: „Wollen wir beide auf der Intensiv vorbeischauen? Wir müssen uns noch die Injektionsspuren anschauen – angeblich hat ein Doktor Gscheidle so was in der rechten Ellenbeuge gefunden und ich will dafür sorgen, dass zur Bestimmung möglicher betäubender Substanzen Blut abgenommen wird. Dann kann ich gleich mit den Asservaten verschwinden und euch möglichst schnell allein lassen. Unser Fast-Mediziner Joe hat ja den Ablauf des Verbrechens in seinem Superhirn schon richtig zusammengestellt!“
„Herr Doktor Mai, wirklich witzig!“, antwortete ihm scheinbar entrüstet Joe Moser und lächelte in Richtung Gertrude: „Geh nur – oder wartet noch eine Minute! Als Nächstes steht ja dann die Mitarbeiterbefragung an. Was wir brauchen, sind mögliche Motive und Täterprofile. Das läuft auf endlose Befragungen hinaus.“
Gertrude stimmte ihm zu. „Aber was sein muss, muss sein oder hast du für heute schon genug?“
Er überhörte die Bemerkung. „Welche Gruppe willst du? Die Ärzte oder die Pflege?“
Sie dachte kurz nach. „Ich nehme gern die Schwestern. Die sind mir um einiges sympathischer als die testosterongedopten Pfleger und die Halbgötter in Weiß, die sich hinter der Berufsbezeichnung ‚Arzt‘ verstecken ebenso wie hinter ihrer Schweigepflicht.“
Moser nickte. „Gut, Frau Kollegin. Das wird wie so oft ein langer Tag.“ Beide wussten, dass sie es nicht schaffen würden, heute noch alle Mitarbeiter zu befragen. Moser setzte Prioritäten. „Gertrude, du könntest mit der Pflegedirektorin beginnen. Ich kümmere mich um die Oberärzte, Chefärzte und den Apotheker. Und morgen nehm ich mir dann die Assistenten vor. Auch die, die frei hatten. Die Sekretärin von Muniel – ich habe kurz mit ihr gesprochen – eine bemerkenswert umsichtige Frau – hat schon alle benachrichtigt. Das Wichtigste ist augenblicklich, Spuren am Tatort zu finden und vor allem Fingerabdrücke. Doktor Mai, im Moment sind Sie unser wichtigster Mann.“
Joe hatte kurz vorher mit dem Chef der Geriatrie, Professor Seneca, und dem Chef der Inneren Medizin, Professor Pfeiferlich, gesprochen, daher wusste er, welche Einschätzungen über Doktor Muniel kursierten. Er hatte sich schon Notizen gemacht und las Gertrude einige Kommentare und auch Äußerungen über und von Muniel vor: „‚Der hat nur Zahlen und Bilanzen im Kopf‘, ‚Mitarbeiter sind nur dazu da, herumkommandiert zu werden‘, ‚Die Namen der meisten kann man vergessen‘, ‚Wenn hier jemand meckern darf, dann ich.‘“
Gertrude rümpfte die Nase und lachte kurz auf: „Der scheint ja ein besonders sympathischer Zeitgenosse zu sein und hat es wohl geschafft, von allen gehasst zu werden. Ich bin gespannt, was von Seiten der Pflege berichtet wird.“
Joe bat sie noch: „Bitte erkundige dich bei der Sekretärin, ob man die Ehefrau erreicht hat.“
Gertrude schaute auf die Uhr und stürzte mit Doktor Mai los zur Intensivstation. „Bis gleich.“
Joe Moser war als Erster auf dem Wege zum Besprechungsraum, der von den Ärzten sonst als Bibliothek benutzt wurde. Er wollte dort mit seiner Kollegin und dem Hauptwachmeister Platzer die ersten Schritte besprechen. Bevor Gertrude eintraf, hatte er schon in nur zehn Minuten eine Liste von möglichen rein theoretisch Verdächtigen aufgesetzt, als Grundlage einer ersten Arbeitshypothese. Es gab sogar eine Wandtafel in diesem Raum und einen Flipchart. Gertrude war begeistert, dass Joe aus dem Handgelenk heraus eine Liste der Verdächtigen erstellt hatte. Sie nickte anerkennend, als Joe das Papier in die Hand nahm.
„Möchtest du die Notizen auf dem Flipchart erstellen? Wir können zuerst mal ohne Selektion mögliche Verdächtige auf der linken Seite der Tafel festhalten und dann, wenn wir mehr Informationen haben, eine Wahrscheinlichkeitsordnung der am meisten Verdächtigen erstellen.“
Gertrude ergänzte, dass sie auf der rechten Seite der Tafel gern Informationen, die sich für die Aufklärung positiv auswirken könnten, auflisten würde.
„Okay.“ Joe nahm die Liste zur Hand und fragte: „Was meint ihr, wer als Täter oder Täterin infrage kommen könnte? Gertrude, wer hat die günstigste Gelegenheit zur Tat gehabt und das plausibelste Motiv?“
„Ich weiß es noch nicht.“
Joe schaute kurz auf die Tafel, zog das Jackett aus und fing an: „1. Ein gemobbter, hasserfüllter Arzt oder Pfleger mit Venenpunktionserfahrung, der entlassen wurde. 2. Ein Mann aus dem familiären Umfeld von Muniels Frau – ein Liebhaber?“
Gertrude schlug vor: „3. Muniels Frau selbst? 4. Lobbyisten, die aus Konzernen mögliche Interessen, zum Beispiel einen Einstieg in Organtransplantationen, organisieren wollten, aber damit bei Muniel abgeblitzt sind.“
Jetzt wollte auch der Hauptwachmeister was sagen und platzte heraus: „5. Ein Mann aus der Studienzeit, dem er die Frau ausgespannt hatte, der jetzt arbeitslos ist und eine arme Frau geheiratet hat.“
Gertrude schaute ihn nur verdutzt an und ergänzte: „6. Ein Unbekannter, dessen Angehöriger von Muniel bei einem Verkehrsunfall getötet wurde? Gibt es einen Gerichtsvorgang? Einen Verkehrsdelikt, bei dem er beteiligt war?“
Joe nickte und schlug noch vor: „7. Gibt es Angehörige, die stinksauer waren, weil Patienten mit Risikoprofil aus ökonomischen Erwägungen zu früh in weniger qualifizierte Krankenhäuser verlegt wurden? Herr Platzer, bitte rufen Sie doch gleich die Sekretärin von Muniel an wegen einer Liste abgelehnter und früh verlegter Patienten vom letzten Jahr und vor Ablauf der Probezeit entlassener Assistenten. Dann können Sie auch gleich erfahren, ob die Ehefrau sich schon gemeldet hat.“
Herr Platzer strahlte, schlug die Hacken zusammen, machte eine Kehrtwendung und verschwand im Nebenraum. Er konnte es einfach nicht lassen. Dabei hatte er nur sechs Monate in der Bundeswehr verbracht.
Joe fasste jetzt zusammen: „Unsere Ermittlungen laufen in viele Richtungen. Vorerst bleiben – wie immer zu Beginn – viele Fragen und leider gibt es noch keine Antworten. Welche Punkte sind am wichtigsten auf der Favoritenliste?“ Er zeigte auf die Nummer eins und sprach: „Für mich ist diese Gruppe die verdächtigste. Die Fingerabdrücke und DNA-Spuren sind leider noch nicht ausgewertet. Platzer wird uns in zehn Minuten vielleicht eine Aufstellung dieser Personen bringen.“
Joe Moser hatte bei seinem kurzen Gespräch mit den Chefärzten erfahren, dass noch bis vor einem Jahr aus purem Personalnotstand auch unqualifiziertere Leute eingestellt worden waren.
„Nach Abgleich der Fingerabdrücke auf den Tassen wissen wir hoffentlich mehr!“
„Die DNA konnte noch nicht ausgewertet werden. In zwei Tagen sollte das Ergebnis vorliegen“, ergänzte Gertrude und fuhr fort: „Frau von Hess-Prinz’ Fingerabdrücke waren auf jeden Fall auf den Tassen. Sie hat in ihrem Leben aber bestimmt keine Spritze in der Hand gehabt. Geschickte Hände hat sie allerdings. Ich habe sie vorhin beim Schreiben am PC gesehen. Sie antwortete mir auf meine Frage, dass sie mit ihrem Chef keine Probleme habe. Höchstens, dass sie sich andere Blumen wünsche. Ich denke, die Sekretärin können wir ausschließen. Der Oberarzt von Risseck hat mir zudem verraten, dass Muniel zu ihr als fast einzige Person freundlich war und sie, als er wieder bei Bewusstsein war, mit ihm witzig wie mit einem Vertrauten gesprochen habe.“
Joe nickte und fügte hinzu: „Wichtig ist, ob die ausgewerteten Fingerabdrücke auf der Tasse einer fremden noch unbekannten Person oder einem derzeit im Krankenhaus beschäftigten Mitarbeiter des Krankenhauses zugeordnet werden können.“ Er wies auf die rechte Seite des Flipcharts und schrieb Stichpunkte zum wahrscheinlichen Tathergang auf. „Der potentielle Mörder muss Herrn Muniel zuerst betäubt, am ehesten mit K.-o.-Tropfen, und dann versucht haben, ihn mit einer Spritze zu töten. Er hat das Zimmer verlassen, bevor der Oberarzt von Risseck ins Zimmer kam. Aber bringt uns das weiter? Wer ist diese Person? Dieser Doktor Gscheidle hat ja in unglaublicher Weise sofort das richtige Tötungsmittel vermutet. Der war gestern in Frankfurt auf einer Fortbildung. Ein Elektroencephalogramm des Gehirns von Muniel ist schon von Risseck angeordnet und vom Neurologen durchgeführt und bewertet worden. Es zeigt nur geringe Allgemeinveränderungen, sodass wohl kein schwerwiegender langzeitiger Sauerstoffmangel des Gehirns bestanden hat. Die Reanimation ist dank eines glücklichen Zufalls und der Kompetenz des Oberarztes gerade noch rechtzeitig erfolgt. Das ist positiv zu werten und kann auch auf die rechte Seite der Tafel gesetzt werden. Der Gedächtnisverlust um und vor dem Herzstillstand ist ein unbekannter Faktor und vorwiegend durch die wahrscheinliche Einnahme von K.-o.-Tropfen zu erklären. Welche Resterinnerungen hat Doktor Muniel, bevor er betäubt wurde und das Bewusstsein ganz verlor? Vielleicht ist das Gedächtnis um die Zeit des Herzstillstandes nur reversibel verschwunden und durch raffinierte Methoden wiederherzustellen.“ Joe dozierte jetzt ein wenig: „Fachchinesisch nennen die das ja anterograde Amnesie. Das weiß man als Kriminologe auch ohne Medizinausbildung, Gertrude!“
Die errötete leicht, sagte aber nichts darauf.
Joe fuhr fort: „Vielleicht kann man in der neurologischen Frührehabilitation, unter anderem durch Hypnose und das Nachstellen von Szenen und Bildern, unbewusste Inhalte wieder bewusst machen. In Washington haben die uns mal so einen Fall vorgespielt.“
Gertrude hing an seinen Lippen, obwohl sie manchmal genervt war, wenn Joe zu lange dozierte.
„Zum Thema Wiedererinnern gibt es angeblich sogar Studien an Freiwilligen mit vorgeführten Videosequenzen, vorwiegend Schreckensszenen wie brutale Vergewaltigungen. Vorher hatten die Probanden eine Kurznarkose mit Midazolam, wie es in K.-o.-Tropfen vorkommt, bekommen. Unmittelbar nach dem Abspielen der Szenen waren die Schreckensbilder wegen des Betäubungsmittels völlig aus der Erinnerung gelöscht. Nach mehreren Wiederholungen konnten plötzlich doch Bilder wiedererkannt werden. Angeblich gibt es auf diesem Gebiet auch Filme aus Guantanamo. Ich habe große Hoffnung, dass bei Muniel zumindest eine vage Erinnerung zurückkommt und wir eine klarere Spur und eine Person mit Gesicht verfolgen können“, tröstete Joe Moser sich und das Team. „Die Spurenauswertung an Muniels Körper wird nicht viel bringen, weil durch das Reanimationsteam viele Spuren beseitigt wurden.“ Joe wandte sich an seine Kollegin: „Gertrude, als du vorhin mit dem Toxikologen bei Muniel warst, hat dir da der Mai eine Einstichstelle gezeigt?“
Sie nickte. „Ja, glücklicherweise waren die Ellenbeugen frei von Pflastern und Kanülen. Die Intensivmediziner legen – das weiß sogar ich – sogenannte zentrale Zugänge in die Halsvenen oder Schlüsselbeinvenen.“ Für einen kurzen Augenblick wurde sie blass.
„Was ist?“
„Ach, nichts! Ich erinnere mich nur an einen Fall, bei dem ein Mörder den Schlauch des Venenkatheters abgeschraubt hat. Der Patient war vorher wieder auf Normalstation verlegt worden. Der Mörder – es war in diesem Fall ein Pfleger auf Normalstation – kannte sich genau aus. Er hat den Oberkörper im Bett hochgestellt, sodass der Venendruck unter dem Luftdruck lag. Die Folge war – susch – ein Sauggeräusch, so der Pathologe, also eine tödliche Luftembolie. Ich war bei der Obduktion dabei. Unter Wasser sprudelte Luft aus dem Herzen. Mir wird jetzt noch ganz anders.“
Joe verzog den Mund und fragte: „Könnte das auch hier passieren?“
„Ja.“
„Ein grausiges Szenario in der Nacht, wenn der Mörder ein Intensivpfleger wäre und allein bei Muniel stünde.“
Gertrude nickte zustimmend. „Dann sollten wir auf strenge Videoüberwachung des Intensivzimmers bestehen.“
Er seufzte und wirkte in diesem Moment etwas rat- und hilflos. Gertrude hätte ihn am liebsten in den Arm genommen. Sie traute sich aber nicht. Stattdessen rückte sie mit einer weiteren Information heraus: „Doktor Mai hat noch mit der Nadel und einer kleinen Schere ein Stückchen Haut von der kaum sichtbaren Injektionsstelle am Arm entfernt und ins Gläschen befördert. Als ich wissen wollte, was das soll, hat er erklärt, so könne er nach erhöhtem Kaliumgehalt im Gewebe suchen und nach fremder DNA auf der Haut forschen.“ Sie warf Joe einen verschwörerischen Blick zu.
„Sehr gut – dann haben wir vielleicht nicht nur an einer Tasse mögliche Fingerabdrücke. Noch ein positiver Punkt für die rechte Seite des Flipcharts.“
„Joe, soll ich mit Oberarzt von Risseck sprechen und ihn bitten, einer verstärkten polizeilichen Überwachung für Muniel auf der Intensiven zuzustimmen? Ein Video zur Überwachungszentrale läuft ja eh auf Intensivstationen.“
Er zog die Stirn kraus. „Lass mich nachdenken. Ja, wir brauchen nicht nur eine Videoüberwachung, sondern auch Sender und Sensoren unter dem Nachthemd. Gertrude, morgen ist ein sehr intensiver Tag. Wir müssen auch noch Mundabstriche der Mitarbeiter abnehmen lassen und die meisten befragen.“
„Die armen Labormäuse – auf die kommt eine Menge Arbeit zu“, seufzte Gertrude und Joe fragte sich, ob sie wirklich Mitleid mit den Kollegen von der Spurensicherung hatte oder ob das nur einer ihrer ironischen Kommentare war.
„Bitte ruf doch noch mal bei der Spurensicherung an und sag denen, dass sie sich vorerst nur auf die Ärzte, Pfleger und Vollschwestern konzentrieren sollen, die laut Arbeitsvertrag Blut abnehmen dürfen. Der Hauptwachmeister soll dafür von der Pflegedienstleitung die Namen der Personen erfragen, die eine Vene punktieren können. So ist eine Einengung auf wenige verdächtige Personen möglich.“
Gertrude schaute ihn kurz an und gab dann zu bedenken: „Dann wäre ja auch die Frau des Verwaltungsdirektors, die sich noch nicht gemeldet hat, verdächtig; die hat zwar nur Pharmazie studiert, weiß aber vielleicht von Praktika in Krankenhäusern, wie man Spritzen setzt. Mit der werde ich mich dann auch noch unterhalten müssen, obwohl sie prima vista als Verdächtige nicht infrage kommt. Eher, wenn es um Gift geht, da sie ja Apothekerin ist. Oder hat sie jemanden angeheuert? Sie ist auf jeden Fall noch nicht von der Liste der verdächtigen Personen zu streichen.“
Joe horchte auf. „Richtig, wir müssen alle Möglichkeiten in Betracht ziehen und in Muniels Vergangenheit wühlen. Hatte der Herr Geschäftsführer Frauengeschichten? Auch das sollten wir prüfen. Gibt es eine frühere Geliebte oder mehrere, die er gedemütigt und gekränkt hat? Getäuschte Frauen können gnadenlos sein.“
„Genau“, entgegnete Gertrude lächelnd und ergänzte kryptisch: „Oft spielen Zufälle und gekränkte Gefühle eine große Rolle.“ Sie schien sich in solchen Dingen wie Eifersucht und Kränkung auszukennen.
Joe gab ihr die Hand und verabschiedete sich mit den Worten: „Nur eines ist sicher: Ein Raubmordversuch scheidet aus, weil nichts im Büro fehlt und die Geldbörse im abgeschlossenen Schrank gefunden wurde. Und noch eins: Keine Information an die Journaille.“
Wie immer am Anfang der Ermittlungen fühlte sich Joe wie ein Stier, der die Hörner senkt. Er war bereit! Bevor er nach Hause ging, meldete sich heulend die Ehefrau und berichtete, dass sie wie jede Woche in Frankfurt bei einem Auffrischungskurs in Pharmakologie gewesen und soeben zurückgekehrt sei. Das wisse der Kurt doch, der habe sie gerade sogar wiedererkannt.