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Kapitel 2 (Mai/Dezember)

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Werner Böttcher zog fröstelnd die Jacke um den Körper. Die Eisheiligen machten ihrem Namen alle Ehre. Der gesamte Mai war beschissen kalt. Geranien und Begonien kümmerten vor sich hin. Aber die sollten sowieso erst ab dem Fünfzehnten nach draußen. Er sah zu den Heidbäumen hinaus. Je nachdem, wie die Wolken über den Bäumen zogen, konnte er ziemlich genau das Wetter für den Tag voraussagen. Er trat an den Rand der Terrasse und zündete eine Zigarette an. Bis vor wenigen Wochen rauchte er noch drinnen. Doch seitdem der Arzt seiner Frau die chronische Bronchitis attestierte, verzog er sich nach draußen. Werners Figur verschmolz mit der grauen Hauswand. Dafür sorgte die drei Viertel lange Jacke, deren Farbe mit dem Hintergrund verschmolz. Werner Böttcher war normaler Durchschnitt. Er sah weder gut noch schlecht aus. Das Auffallendste an ihm waren die grünen Augen, die er oft zusammenkniff. Insbesondere, wenn er etwas durchsetzen wollte. Mit Leib und Seele stand er der Schützenbruderschaft vor. Der Verein fraß die gesamte Freizeit, insbesondere seit der Sache mit dem beknackten Testament.

Zusätzlich liefen seit Tagen, nein seit Wochen, die Vorbereitungen für die Frühjahrskirmes. In einer Zeit, wo die katholische Kirche, die Kirche insgesamt, in der Kritik stand, wurde es immer schwieriger dem christlichen Anspruch an ein solches Fest, gerecht zu werden. Hinzu kam die Vereinsmüdigkeit. Hinzu kam auch eine Spannung, die über dem Dorf lag und nichts mit dem Fest zu tun hatte.

Der Brief kam um die Weihnachtszeit des vergangenen Jahres und er dachte an einen Scherz. Die Schützen wurden Testamentsvollstrecker eines Witzboldes. Dazu wurde der Vereinsvorsitzende, als Vertreter der Schützen, von einem Düsseldorfer Notar zu der Testamentseröffnung gebeten. Das Anschreiben verlangte absolute Diskretion, weil diese Auflage vom Nachlasspfleger verlangt wurde. Der Rückruf ergab, dass tatsächlich jemand, in seinem Letzten Willen, die Schützen bedachte. Aber Verschwiegenheit … wie sollte er das machen?

Die Vorstandsversammlung, die er einberief, schlug hohe Wellen. Unmöglich, dass der Vorsitzende den Termin alleine wahrnahm. Dafür war das Misstrauen zu groß, er könne sich selbst bereichern. Alle Versuche die Mannschaft klein zu halten, schlugen fehl. Nach heftigen Auseinandersetzungen wurde für Mittwoch zwischen den Feiertagen ein Kleinbus gemietet. Der gesamte Vorstand, sage und schreibe sechzehn Mitglieder, begab sich in erwartungsvollem Optimismus auf den Weg nach Düsseldorf. Die Anspannung, unter der sie standen, lag auf ihren Gesichtern. Niemand besaß das kleinste Zipfelchen Ahnung, wer wohl der Gönner war. Sie gingen wieder und wieder die Verstorbenen der letzten Monate und Jahre durch. Doch da war nichts, zumindest nicht für die Bruderschaft. Der Nachlass von denen ging an die Familien.

Nach gut einer Stunde drängelten sie im Vorraum des Notariats.

»Wer ist der Vorsitzende?«, fragte die junge Frau aus dem abgeteilten Bereich heraus. Fünf Schreibtische wurden durch einen Tresen von dem Vorraum abgetrennt. »Den stellvertretenden Vorsitzenden und den Kassierer benötige ich auch.«

Werner Böttcher und die beiden Kollegen traten vor. Sie nannten ihre Namen. Die Notariatsgehilfin bat um die Ausweise und verglich die Daten mit dem Vereinsregisterauszug, der ihr vorlag. »Die Personalausweise bekommen Sie gleich von Herrn Brück zurück.« Sie trat in den Vorraum. »Darf ich Sie bitten.« Die junge Frau öffnete eine Tür. »Bitte.« Werner Böttcher, Günter Franke und Siegfried Boll betraten den Raum … und die Mannschaft drängte nach.

»Meine Herren, so geht das nicht. Der Vorstand wurde einbestellt, nicht die gesamte Bruderschaft.«

»Wir sind der Vorstand«, sagte Jakob Senden aufgeregt. »Ich bin der zweite Kassierer.«

»Ich bin der Hauptmann«, meinte Heiner Giersch. »Ich habe das Sagen, wenn wir außerhalb unseres Dorfes agieren. Das sind wir schließlich. Lassen Sie mich durch.« Er stotterte bei der Missachtung seiner Person.

»Das mag sein.« Die Gehilfin nickte betrübt. »Aber hier geht es um den gesetzlichen Vorstand und der wird durch diese drei Herren repräsentiert. Sie werden nicht gebraucht.«

»So haben wir nicht gewettet.« Heiner Giersch packte die Frau an der Schulter.

»Halt«, rief Werner Böttcher mit gedämpfter Stimme. »Fass die junge Dame nicht an. Wir sind der gesetzliche Vorstand. So ist das nun mal. Ihr setzt euch am besten in das Restaurant, dort, wo der Bus parkt und nehmt ein Frühstück auf den Verein.« Er baute die gar nicht mal so imposante Figur resolut vor den anderen auf.

»Das habt ihr euch gedacht.« Jakob Senden trat nach vorn. »Ihr könnt uns nachher erzählen, was ihr wollt.«

»Bevor wir einen Aufstand machen«, meinte Siegfried Boll, »verzichten wir auf das Erbe oder was immer es sein mag. Dann werden wir wieder normal. Ich hab keine persönlichen Aktien hier.« Er trat zwischen die Männer. »Außerdem stinkt mir das Misstrauen, das ihr uns entgegen bringt.«

»Genau«, meinte Günter Franke, der an und für sich nie viel sagte.

»Gut«, Giersch gab nach. »Da können wir nichts machen.« Jeder sah, wie schwer ihm die Worte fielen. Der Hauptmann redete ansonsten ein gewichtiges Wort mit. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass die satzungsgemäße Regelung vor der gesetzlichen keinen Bestand hatte. »Wir treffen uns später im Restaurant.« Der verkniffene Gesichtsausdruck besagte alles.

»Guten Tag meine Herren.« Notar Brück betrat das Büro. Die drei Schützen saßen um den runden Tisch, der acht Personen Platz bot. »Sie haben sich bei meiner Mitarbeiterin ausgewiesen.« Er schob die Personalausweise in eine Reihe, bis sie exakt ausgerichtet vor ihm lagen. »Ihre Bruderschaft, die durch Sie vertreten ist, wurde von Herrn Beatus Basketmaker zur Testamentsvollstreckerin seines Nachlasses erklärt.«

Die drei Schützen sahen sich verständnislos an und schüttelten leicht den Kopf. Den Namen kannte niemand von Ihnen.

»Ich muss gestehen, vor mir liegt das ungewöhnlichste Testament, das mir je untergekommen ist.« Das Gesicht des ungefähr sechzigjährigen Mannes trug einen bekümmerten Ausdruck. »Aber das habe ich nicht zu beurteilen.«

*

Verhängnisvolles Testament

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