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Kapitel 6 (Rückblick Mai)

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»Gott sei Dank habe ich mein iPad dabei.« Werner kramte in der Tasche und knallte das Gerät auf den Tisch. »Wer konnte ahnen, dass wir einen Internetanschluss benötigen.«

Als er vor wenigen Minuten den Umschlag öffnete, fand er ein Blatt Papier mit einer Link Adresse und einigen Passwörtern.

»Scheiße«, meinte Günter Franke. »Mit Computern hab ich es nicht, das wisst ihr.« Er zog eine angewiderte Grimasse.

»Meinst du ich?«, gab Siegfried seinen Senf dazu.

»Macht nichts. Schaut mir über die Schulter.« Er wies auf die beiden Stühle, die rechts und links neben ihm standen, und gab die Linkadresse ein. Eine Maske ging auf, mit dem Tafelberg in Kapstadt als Hintergrund. Vier, fünf Sekunden später blinkte der Schriftzug BASKET-MAKER-GAME über den Bildschirm. Die drei starrten gebannt auf den Monitor.

»Sonst nichts?«, fragte Boll enttäuscht.

»Noch nicht«, antwortete Werner. »Da kommt gleich etwas.« Er zeigte mit dem Finger auf den Eingabebalken für das Passwort. Böttcher gab die Ziffern- und Buchstabenfolge, die hinter seinem Namen stand, ein.

Der Hintergrund wechselte übergangslos zu einer Luftaufnahme des Heidegebiets. In dem blinkenden Feld erschien der Schriftzug: Herzlich willkommen Herr Werner Böttcher.

»Wieso weiß der meinen Namen? Ich wunderte mich schon, als ich die Passwörter hinter unseren Namen sah.« Er schüttelte verwundert den Kopf.

»Was machst du da überhaupt?«, fragte Siegfried, der mit großen Augen zusah, wie Werners Finger über die Tastatur flitzten.

»Ich öffne die Webseite, die unser Erblasser uns hinterlassen hat. Wie du hier siehst, muss ich jetzt abbrechen.« Er sah die beiden an. »Das wird kompliziert. Jeder von uns muss alleine sein, wenn er seine Seite öffnet. Das ist doch Scheiße«, fluchte er und schlug mit der Faust auf den Tisch. Das verkomplizierte alles. »Falls der Spaßvogel ähnliche Klamotten für das Dorf vorgesehen hat, dann gute Nacht. Viele wissen noch nicht einmal, wie das Wort Computer geschrieben wird.« Er hämmerte fassungslos auf den Tisch. »Seht. Diese Datei sollen wir uns gemeinsam ansehen.« Er klickte sie, wesentlich ruhiger, an. »Mist. Ich wusste es. Der Idiot hat jedem einen Account geschaffen. Ich möchte wissen, woher er die Namen hat.« Ihm dämmerte, dass Beatus Basketmaker alles andere, als ein Wohltäter war. Klar konnte er sich täuschen. Aber der Typ hatte sich in der Vergangenheit nie gemeldet, nie vorgestellt.

»Was bedeutet das?«, fragte Franke vorsichtig. Werner reagierte manchmal cholerisch.

»Nicht mehr und nicht weniger, als das«, er fuhr mit dem Finger über den Monitor. »Sechzehn Personen, die auf eine, für sie eigens geschaffene, persönliche Webseite zugreifen können.«

»Und das bedeutet?« Siegfried zog vorsichtig die Nase hoch und fuhr mit dem Finger darunter durch, um zu fühlen, ob sie feucht war.

»Ich erkenne kein Muster.« Er rutschte abrupt den Stuhl zurück und musterte die beiden. »Ich weiß nicht, wie ich das dem Dorf erklären soll.« Er ging selbstverständlich davon aus, dass er der Überbringer der Botschaft wurde. »Am besten informieren wir die sechzehn genannten Personen persönlich. Das kostet zwar Zeit, verhindert aber auch Streit.«

»Ich verstehe nicht, was hier los ist«, stellte Günter in den Raum.

»Ich auch nicht. Aber im Grunde ist es einfach. Ab Anfang Juni bist du raus aus dem Geschäft.« Er klopfte mit dem Kuli auf eine Stelle des Bildschirms. »Aber nicht nur du, auch die Schützen. Mit Beginn des Spiels scheint unsere Aufgabe erledigt.« Er verschwieg, dass er in Person eine Rolle übernehmen sollte. Zumindest sah es beim Querlesen des Textes vorhin so aus. Er musste es noch einmal alleine durchgehen. Außerdem gehörte er nicht zu den Teilnehmern des Spiels. Seine Eltern zogen Mitte der fünfziger Jahre in das Dorf.

*

Schmitt dachte daran, wie er zu dem Einsatz in dieser Gegend kam. Er kannte den Termin seit Jahren. Falls er den Auftrag vernünftig erledigte, musste er sich bis zum Ende seiner Tage keine Sorgen machen. Und er hatte nichts anderes zu tun, als diesen Fall zu klären. Das Einzige war, er hatte keine Nebentätigkeitsgenehmigung. Bei diesem Gedanken lächelte er: Das war gut. Aber das konnte er, bei der in Aussicht stehenden Summe, getrost vergessen.

Ein Puzzlestück, von ihm geschickt platziert, was Zeitpunkt und Ort betraf, sorgte für Unruhe und rief ihn auf den Plan.

*

Jetzt im Nachhinein lief die Aktion unkomplizierter ab, als befürchtet. Werner versicherte sich, dass den genannten Personen ein PC und eine E-Mail-Adresse zur Verfügung standen. Er übersandte ihnen die Adressen und Passwörter. Er verfolgte, wie die Angaben nach und nach von dem Bildschirm verschwanden, was letztendlich bedeutete, dass sie das Spiel annahmen.

Am 15. Mai saß er, wie viele andere am PC. Punkt achtzehn Uhr lief eine Animation über den Bildschirm. Ein Kreis, der sich in acht Teilsegmente teilte, die einerseits mit roter und andererseits blauer Farbe gefüllt wurden. Der Kreis löste sich auf und verteilte die blauen Segmente nach rechts und die roten nach links. In den Teilstücken blinkten Symbole. Der Cursor lief auf eines zu und forderte zu einem Klick. Nach und nach verschwanden die Segmente, bis der Bildschirm leer wurde.

Böttcher verfolgte fassungslos, was geschah. Er war raus. Verdammte Scheiße. Basketmaker hatte ihn bis hier benutzt. Wütend trat er mit dem Fuß auf den Boden. Fast wäre es ihm entgangen. Der Bildschirm flimmerte. Rote und blaue Kugeln tanzten über den Monitor, in ihnen die Symbole, die in den Kreissegmenten enthalten waren. Inmitten tauchte ein gelber Ball auf, der zum Anklicken aufforderte. Werner bewegte die Maus und klickte die Kugel auf.

Guten Abend Werner Böttcher,

in den folgenden zwei Wochen lernen die Teilnehmer die Spielregeln.

Ihre Rolle ist die des Vermittlers. Dazu müssen Sie wissen, dass zwei Gruppen agieren. Die Spielteilnehmer wissen nicht, wer sie sind und werden es auch nicht erfahren. Falls Sie eingeschaltet werden, dann unter ihrem Spielernamen ›Sigma‹. Sie werden wissen, was zu tun ist. Das Spiel wird es Ihnen erklären.

Egal, wie das Spiel ausgeht: Sie erhalten einhunderttausend Euro.

Viel Erfolg.

Der Bildschirm wurde schwarz. Einhunderttausend Euro geisterte durch Werners Gedanken. Für etwas anders war kein Platz.

*

Am Sonntag begann das Spiel und jetzt trat ein, was sie unter keinen Umständen gebrauchen konnten. Erst einmal bekam Sauber den blödsinnigen Anfall und rief mit seinem vermeintlichen Tod die Kripo auf den Plan. Und andererseits lag nun ein tatsächlich Toter am Wegekreuz. Die Polizei würde noch Wochen herumschnüffeln. Hoffentlich nahm das keinen Einfluss auf den Ablauf des Spiels. Welcher Idiot lud eine Leiche in ihrem Dorf ab?

*

Die beiden alten Herren trafen sich fast täglich auf der Bank am Heideparkplatz. Der schwergewichtige zweiundachtzigjährige Altbauer aus dem Oberdorf hieß Theo Lehner. Der andere war Alois Besen, einundachtzig Jahre alt, aus dem Unterdorf.

»Wer will alte Geschichten aufwärmen«, brummte Alois, nachdem sie Platz genommen hatten.

»Keine Ahnung. Ich bin alle Namen durchgegangen, mir ist nichts in Erinnerung.« Theo wischte mit dem Taschentuch den Schweiß aus dem Gesicht.

»Ich weiß. Da ist nichts, was mehr als Empörung hervorrufen würde. Die Gewaltverbrechen wurden alle geklärt.« Er schüttelte bekümmert den Kopf. »Ist dir aufgefallen, dass in dem Spiel ein klarer Schnitt durch das Unterdorf und Oberdorf gemacht wird.«

»Das fiel mir als Erstes ins Auge. Die Vorgaben lassen nur einen Zeitraum in den sechziger Jahren zu. Da muss irgendetwas passiert sein, was wir nicht wissen.« Er wusste, dass sein Gegenüber die gleichen Gedanken dachte. Sie kannten sich seit ihrer Kindheit.

»Das denke ich auch«, meinte Alois gelassen. »Die Idioten denken an einen Wohltäter. Sie wollen keine mahnenden Worte. Sie jagen dem Mammon nach, wie der Teufel einer Seele. Ich wollte die Farce verhindern, doch niemand hört auf mich.

Theo lachte trocken. »Mich wollen sie ins Heim abschieben, weil ich ja ach so senil bin. Hier will jemand dem Dorf schaden. Da bin ich mir sicher.« Er wirkte rüstig und schien sein Köpfchen beisammenzuhaben. »Was meinst du? Können wir etwas tun?«

»Keine Chance.« Alois schüttelte den Kopf. »Bei den Summen, die genannt sind, setzt der Verstand aus. Da opfern die auch ihre Eltern und Familien. Also ab ins Heim.«

»Ich will nicht ins Heim«, quengelte Theo, wie ein kleines Kind.

Dann lachten die sie ausgelassen.

*

Verhängnisvolles Testament

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